Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 17.02.2005, RV/0187-W/05

Außergewöhnliche Belastung nach zwangsweiser Entrümpelung der Wohnung

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 9/18/19 Klosterneuburg betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2003 entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Entscheidungsgründe

Die Berufungswerberin (Bw.) macht in ihrer Erklärung zur Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung für 2003 Aufwendungen in Höhe von € 10.282,17 unter dem Titel "außergewöhnliche Belastung" geltend.

Über Aufforderung des Finanzamtes Originalbelege zu übermitteln, legte die Bw. nebst einem umfangreichen Schreiben zahlreiche Ablichtungen von verschiedensten Rechnungen von Lebensmittelgeschäften, Parfumerien etc. über den Kauf von Lebensmitteln, Bekleidung, Parfumerieartikel, Haushaltswaren, Büchern usw. vor.

Die Bw. legte des Weiteren eine Bewilligung der Fahrnis- und Gehaltsexekution über eine Kapitalforderung von € 8.155,14 nebst Kosten von € 128,70 vor. Als Betreiber wird die Stadt Wien angeführt. Den Gesamtbetrag von € 8.283,84 hat die Bw. am bezahlt.

Das Finanzamt erließ am den Einkommensteuerbescheid 2003, in dem es die von der Bw. geltend gemachten Aufwendungen - wie auch schon für die Jahre 2000, 2001 und 2002 - nicht anerkannte.

Begründet wurde die Abweisung damit, dass Aufwendungen für "Kleidung, Lebensmittel, Haushaltsartikeln, Geschenkgutscheine, Taschen, Telefonwertkarten, Kapitalforderung BG Fünfhaus etc." Kosten der privaten Lebensführung (§ 20 EStG 1988) seien und daher steuerlich nicht abgesetzt werden könnten. Auf die Berufungsentscheidung des Jahres 2000 wurde verwiesen.

Die Bw. erhob gegen obigen Bescheid mit Schreiben vom fristgerecht Berufung.

Bezüglich des Inhaltes der Berufung wird an dieser Stelle festgehalten, dass bereits die Veranlagungsjahre 2000, 2001 und 2002 Gegenstand eines Berufungsverfahrens waren, in dem die Bw. mit im Wesentlichen identer Begründung außergewöhnliche Belastungen geltend gemacht hat. Hierüber hat

§ die Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (betreffend das Jahr 2000) sowie

§ der unabhängige Finanzsenat (betreffend die Jahre 2001 und 2002)

mittels Berufungsentscheidungen vom , GZ. RV/504-16/02, vom , GZ. RV/97-W/04 und vom , RV/974-W/2004, abweislich entschieden.

Das Finanzamt legte die Berufung ohne Erlassung einer Berufungsvorentscheidung der Abgabenbehörde zweiter Instanz zur Entscheidung vor.

Der unabhängige Finanzsenat ermittelte daraufhin beim Magistrat der Stadt Wien, auf welcher Rechtsgrundlage die von der Stadt Wien betriebene Fahrnis- und Gehaltsexekution, die zur Zahlung des Betrages von € 8.283,84 geführt hat, beruhte.

Der Magistrat der Stadt Wien übermittelte einen an die Bw. gerichteten Berufungsbescheid des Berufungssenates der Stadt Wien vom , aus dem sich Folgendes ergibt:

Der Wiener Magistrat - Magistratisches Bezirksamt für den 18. Bezirk hat am gegen die Bw. einen Bescheid erlassen, demzufolge sie verpflichtet werde, die im Zuge der am 6., 9. und in ihrer Wohnung im Rahmen einer Sofortmaßnahme gemäß § 12 der Reinhalteverordnung (Amtsblatt der Stadt Wien Nr. 21/1982) getätigten Leistungen (Entfernung, Abtransport und Entsorgung sämtlicher unbrauchbarer und verdorbener Gegenstände bzw. Lebensmittel aus, sowie die Entrümpelung und Säuberung dieser Wohnung und die Ungezieferbekämpfung und Geruchsbeseitigung) entstandenen Barauslagen von insgesamt ATS 112.217,20 (= € 8.155,14) zu entrichten.

Die dagegen gerichtete Berufung hat der Berufungssenat mittels obigen Berufungsbescheids abgewiesen. Zunächst wurde die Bestimmung des § 12 der Reinhalteverordnung wiedergegeben, demnach kostenpflichtige Maßnahmen auch ohne vorangegangenes Verfahren durchgeführt werden können, wenn infolge eines Übelstandes eine die Sicherheit oder Gesundheit von Menschen unmittelbar bedrohende Gefahr besteht oder ein Übelstand zu einer so unzumutbaren Belästigung der Nachbarschaft führt, dass sie infolge ihrer Intensität aus hygienischen Gründen sofortiger Abhilfe bedarf.

Die Bw. habe eingewandt, dass der Geruch von den Nachbarn bzw. der Polizei erst wahrgenommen hätte werden können, als sie sich unmittelbar vor den Wohnungstüre befunden hätten bzw. diese bereits geöffnet worden wäre; weiters stimme es nicht, dass lediglich Mist und Verdorbenes entfernt worden wäre, sondern es seien auch durchaus Wertgegenstände, neue Gegenstände und auch brauchbare Gegenstände von ihr genommen worden.

Der Niederschrift vom sei zu entnehmen, dass laut Stellungnahme des Vertreters der MA 15 - Bezirksgesundheitsamt der vorhandene Ekel erregende Geruch eine unzumutbare Belästigung der Nachbarschaft darstelle, andererseits durch die verdorbenen Speisereste und Exkremente krankheitsfähige Keime vorhanden seien, deren Existenz und Vermehrung zu einer gesundheitlichen Beeinträchtigung der Mieterin und auch der Nachbarschaft führen könne.

Weiters seien die Räumlichkeiten der gegenständlichen Wohnung bis zu einer Höhe von ca. eineinhalb bis zwei Meter durchgehend angeräumt gewesen. Die Geruchsentwicklung sei durch die teilweise in Kübeln, andererseits frei herumliegenden Fäkalien verursacht worden. Die sich zersetzenden Substanzen der verfaulenden Lebensmittel und Speisereste hätten diese Situation verstärkt.

Sodann listete der Berufungssenat die einzelnen Rechnungen auf (im Wesentlichen Transportkosten und Schädlingsbekämpfung).

Was den Einwand der Bw. betreffe, es seien auch brauchbare Gegenstände im Rahmen der Ersatzvornahme entfernt worden, sei festzuhalten, dass laut einem Aktenvermerk ausschließlich mit Fäkalien oder organischen keimhältigen Substanzen kontaminierte Gegenstände entfernt worden seien.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 34 (1) EStG 1988 sind bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss folgende Voraussetzungen erfüllen:

  • Sie muss außergewöhnlich sein (Abs 2)

  • Sie muss zwangsläufig erwachsen (Abs 3)

  • Sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs 4).

Die Belastung ist außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse erwächst (Abs 2).

Die Belastung erwächst dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann (Abs 3).

Die Belastung muss weiters einen vom Einkommen zu berechnenden Selbstbehalt übersteigen (Abs 4).

Obwohl die Berufung der Bw. - wie auch schon in den Vorjahren - sehr umfangreich ist, ist für den unabhängigen Finanzsenat nicht erkennbar, auf welche Umstände die Bw. die geltend gemachte außergewöhnliche Belastung stützt.

Dies allein würde schon dazu führen, dass die geltende gemachte außergewöhnliche Belastung keine Anerkennung finden kann. Bei Begünstigungsvorschriften - um eine solche handelt es sich bei § 34 EStG - hat nämlich der Steuerpflichtige von sich aus das Vorliegen aller begünstigungsrelevanter Umstände darzutun (vgl. ).

Abgesehen davon ist es - soweit eine Anschaffung der obigen Gebrauchsgegenstände und sonstigen den privaten Bereich betreffenden Artikel vorliegt - in keiner Weise ersichtlich, warum diese Aufwendungen, die im Streitjahr € 1.998,33 betragen haben, die dargestellten Voraussetzungen für eine Abzugsfähigkeit nach § 34 EStG 1988 erfüllen sollte. Ergänzend wird auf die Begründung der oben zitierten Berufungsentscheidungen verwiesen.

Hinzu kommt noch folgender Umstand:

Wie schon dargelegt, macht die Bw ebenso wie in der Erklärung zur Durchführung der Arbeitnehmerveranlagungen 2000, 2001 und 2002 auch für das Jahr 2003 mit derselben Begründung, dass ihre Wohnung geräumt worden sei, Aufwendungen für diverse Anschaffungen (Lebensmittel, Haushaltsgeräte, Bücher etc.) als außergewöhnliche Belastung geltend (2000: ca. S 35.000,00, 2001: ca. S 60.000,00, 2002: ca. € 2.750, 2003: € 10.282,17). Somit kann ein Zusammenhang der 2003 angeschafften Waren mit der im Jahr 1999 durchgeführten Räumung in keiner Weise mehr angenommen werden.

Was nun den Betrag von € 8.283,84 betrifft, der im Zusammenhang mit der oben dargestellten Wohnungsräumung steht, so ist festzuhalten, dass gemäß ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. zB und ) zwangsläufige Aufwendungen dann nicht vorliegen, wenn sie sich als Folge eines Verhaltens darstellen, zu dem sich der Steuerpflichtige aus freien Stücken entschlossen hat. Es kann nun kein Zweifel bestehen, dass die völlige Vernachlässigung der Wohnung, die zur zwangsweisen Säuberung führte, auf einem derartigen freiwilligen Verhalten beruht.

Auch deshalb steht die beantragte außergewöhnliche Belastung nicht zu.

Aus all diesen Gründen musste die Berufung daher abgewiesen werden.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Schlagworte
Nachweispflicht
freiwilliges Verhalten

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at