Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSS vom 30.12.2008, RV/0696-S/06

Anerkennung einer auf Dauer angelegten doppelten Haushaltsführung, wenn der Berufungswerber am Wohnsitz nachhaltige Einkünfte als Gutachter erzielt.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw, vertreten durch Zobl, Bauer & Partner Wirtschaftsprüfung GmbH, 5020 Salzburg, Mildenburggasse 6, vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Salzburg-Stadt vom betreffend Einkommensteuer 2000, 2001, 2003 und 2004 sowie vom betreffend Einkommensteuer 2002 entschieden:

Der Berufung wird Folge gegeben.

Die angefochtenen Bescheide werden abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der Abgaben sind den als Beilage angeschlossenen Berechnungsblättern zu entnehmen und bilden einen Bestandteil dieses Bescheidspruches.

Entscheidungsgründe

Der Berufungswerber (kurz: Bw), geb. 1939, ist in den Streitjahren als Sachverständiger für Bauwesen und als Universitätsprofessor an der TU XY, Fakultät für Bauingenieurwissenschaften, tätig.

Sein Familienwohnsitz ist in S, wo auch seine Ehefrau, die keine berufliche Tätigkeit ausübt, ihren Hauptwohnsitz hat. Am Hauptwohnsitz in S hat der Bw ein Büro eingerichtet, einen zweiten Wohnsitz (Mietwohnung) unterhält er in XY.

Der Bw beantragte in seinen Einkommensteuererklärungen für die streitgegenständlichen Jahre Werbungskosten aus dem Titel "Doppelte Haushaltsführung (S - XY)" sowie "Familienheimfahrt (S - XY)", im jeweiligen Höchstausmaß gemäß § 20 Abs. 1 Z 2 lit. e EStG, in Höhe von ATS 182.617,00 (2000), ATS 187.119,00 (2001), € 13.237,45 (2002), € 13.610,65 (2003) und € 13.931,65 (2004). Die Veranlagung zur Einkommensteuer erfolgte erklärungsgemäß.

Über den Streitzeitraum fand eine Außenprüfung iSd §§ 147ff BAO statt. Neben anderen - im gegenständlichen Berufungsverfahren unstrittigen Feststellungen - hielt der Prüfer in seinem Abschlussbericht zur "Doppelten Haushaltsführung" fest:

" Ab Dezember 1997 besteht ein Dienstverhältnis zwischen Herrn ............... (der Bw) und der Technischen Universität XY als Dienstgeber. Dementsprechend wurden für die doppelte Haushaltsführung - Wohnung in XY - sowie für die Familienheimfahrten Werbungskosten in Abzug gebracht. Nach Ansicht der Betriebsprüfungsabteilung kann hier nicht mehr nur von einer vorübergehenden Berufsausübung - bis zur Pensionierung - gesprochen werden, bei der eine Verlegung des Familienwohnsitzes an den Beschäftigungsort unzumutbar gewesen wäre. Die als Werbungskosten in Abzug gebrachten Aufwendungen stellen somit ab dem Veranlagungsjahr 2000 nichtabzugsfähige Aufwendungen im Sinne des § 20 EStG 1988 dar. "

Das Finanzamt schloss sich der Auffassung des Prüfers an und erließ die entsprechenden Abgabenbescheide.

Dagegen wurde innerhalb offener Frist Berufung erhoben und die Anerkennung der Aufwendungen für die doppelte Haushaltsführung und der damit zusammenhängenden Kfz-Kosten beantragt. Ergänzend wurde vorgebracht:

Der Bw sei seit 1997 Universitätsprofessor für Baubetrieb und Bauwirtschaft an der TU XY, Fakultät für Bauingenieurwissenschaften. Seit 1994 sei er als Sachverständiger bei Gerichten und im Schiedswesen tätig. Die Tätigkeit als Sachverständiger werde von S aus betrieben. S ist der Haupt- und zugleich Familienwohnsitz, da hier auch die Ehefrau den Hauptwohnsitz hat. Der Bw unterhalte neben seinem Familienwohnsitz in S seit 1997 einen zweiten Wohnsitz am Ort der zweiten Erwerbstätigkeit in XY. Die Aufwendungen für einen zweiten Wohnsitz bzw. für die doppelte Haushaltsführung seien dann als Betriebsausgabe abzugsfähig, wenn der zweite Wohnsitz beruflich bedingt sei. Beruflich bedingt sei ein zweiter Wohnsitz ua., wenn der Steuerpflichtige an beiden Orten beruflich tätig sei und eine tägliche Rückkehr zum Familienwohnsitz nicht zumutbar sei (vgl. Doralt, Einkommensteuergesetz Kommentar, § 4 Tz 347). Unzumutbarkeit der täglichen Rückkehr sei nach den LStRL 2002 Rz 342 jedenfalls anzunehmen, wenn der Familienwohnsitz vom Beschäftigungsort mehr als 120 km entfernt sei. Die Entfernung S - XY misst rund 285 km. Ist eine beruflichen Tätigkeit an beiden Orten gegeben, liege, im Gegensatz zur vorübergehenden doppelten Haushaltsführung, bei der die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Beschäftigungsort bei verheirateten Steuerpflichtigen nur während eines Zeitraumes von 2 Jahren unzumutbar sei, eine auf Dauer angelegte doppelte Haushaltsführung vor (vgl. Hofstätter-Reichel, Einkommensteuer Kommentar, § 16 Abs. 1 Z 6 EStG Tz 3). Eine auf Dauer angelegte doppelte Haushaltsführung wegen zwei Betrieben wäre dann nicht gerechtfertigt, wenn die Tätigkeit in einem der Betriebe eine zu vernachlässigende Größe habe (Doralt, Einkommensteuergesetz Kommentar, § 4 Tz 351; , 1965). Der Bw habe in den Streitjahren steuerlich relevante Einkünfte aus der Professur von insgesamt € 446.374,36 und aus der Tätigkeit als Sachverständiger und Gutachter in Höhe von € 521.980,43 erzielt. Aus den LStRL 2002, Rz 348, gehe hervor, dass die Aufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung anerkannt werden, wenn der Steuerpflichtige regelmäßig an zwei Arbeitsstellen tätig sei. In einem kürzlich veröffentlichten Erkenntnis vom , 2000/14/0154, habe der VwGH die Ansicht vertreten, dass sogar negative Einkünfte steuerlich relevante Einkünfte darstellen könnten. Im Erkenntnis vom , 88/13/0121, habe er sogar die Auffassung vertreten, dass mit der für spätere Jahre beabsichtigte Wiederaufnahme einer freiberuflichen Tätigkeit ein gewichtiger Grund für die Beibehaltung des Familienwohnsitzes gegeben sei. Die vom Prüfer dem Bw übergebene UFS-Entscheidung, RV/0204-I/05, sei mit dem vorliegenden Sachverhalt nur beschränkt vergleichbar. Auch wenn der Bw vor Erreichen des 60. Lebensjahres den Lehrstuhl übernommen hat und mit Gewissheit anzunehmen war, dass die Berufstätigkeit in den nächsten 5 Jahren bis zur Pensionierung, nicht eingestellt wird, so würden steuerlich relevante Einkünfte am Familienwohnsitz und damit eine auf Dauer angelegter doppelter Wohnsitz vorliegen. Weiters wurde der Antrag gestellt, eine mündliche Berufungsverhandlung durchzuführen.

Im Anschluss an die eingebrachte Berufung wurde vom Prüfer eine Betriebsbesichtigung des Arbeitszimmers in S durchgeführt und darüber mit dem Bw eine Niederschrift aufgenommen. Darin ist neben einer Beschreibung der Ausstattung auch festgehalten, dass die Wohnung in XY über keinen Internetzugang bzw. auch keinen Kabelmodem-Anschluss verfügt. Der Bw gab weiters zu Protokoll, dass er in der Wohnung in XY keinerlei Gutachtertätigkeit ausübe. Er sei seit Anfang der 90-Jahre beim Landesgericht S als gerichtlich beeideter Sachverständiger eingetragen. Ursprünglich habe er fast ausschließlich Aufträge vom Landesgericht S erhalten. In den letzten Jahren sei er auch von anderen Landesgerichten als Gutachter bestellt worden. Die Firmengutachten würden mehrheitlich aus der Kenntnis seiner Person bzw. aus der beruflichen Tätigkeit für die Fa. I-GmbH, bei der er 18 Jahre als Geschäftsführer im Spezialtiefbau tätig gewesen sei, resultieren. Was die Erstellung der Gutachten betreffe, so erfolge in der Regel nach Übermittlung der Unterlagen ein Ortstermin bzw. die Objektbesichtigung. Die Reisebewegungen würden zum Teil von S oder von XY aus begonnen, da er in der Regel von Montag bis Donnerstag an der TU die Vortragstätigkeit ausübe. Er sei aber grundsätzlich an keine fixe Arbeitszeit gebunden, weshalb auch an der TU Gespräche geführt werden. Grundsätzlich werde an der TU keine Tätigkeit von Privatgutachten ausgeführt. Die Universitätsgutachten werden von der TU in Rechnung gestellt. Größtenteils würden die erstellten Gutachten in S oder am Institut ausgedruckt und den Auftraggebern per Post oder in einigen Fällen per Mail von S oder der TU übermittelt. Die Rechnungsstellung erfolge in S, als Absender werde sowohl die Adresse in S als auch die der TU als Kontaktadresse angeführt. Sollten Assistenten für Hilfstätigkeiten eingebunden werden, erfolge die Kostenverrechnung an den Bw über die TU-XY.

Zu dieser Niederschrift wurde vom steuerlichen Vertreter des Bw ein ergänzender Schriftsatz eingebracht und eingewendet, dass der Ansicht des Prüfers, es sei möglich die Gutachtertätigkeit überall auszuführen, nicht zugestimmt werden könne. Wenn dem so wäre müsste die selbständigen bzw. gewerblichen Tätigkeiten immer an den Ort der nichtselbständigen Tätigkeit verlagert werden.

In seiner Replik führte der Prüfer im Wesentlichen aus, dass der Bw seit dem beim Landesgericht S als gerichtlich beeideter Sachverständiger eingetragen sei. Seit Oktober 1996 sei er als Universitätsprofessor an der TU in XY tätig. Das Regelpensionsalter würde er erst nach 8 Jahren nach dem Dienstantritt erreichen. Aufgrund dieses langen Zeitraumes sei eine Verlegung des Familienwohnsitzes zumutbar gewesen. Was die relevante Einkunftsquelle am Wohnsitz betreffe, so sei darauf hinzuweisen, dass die Eintragung als Sachverständiger an den jeweiligen Landesgerichten davon abhänge, in welchem Sprengel sich der Wohnsitz oder die Arbeitsstelle befindet. Der Bw habe 1991 die Möglichkeit der Eintragung beim Landesgericht W (Arbeitsstelle für die I-GmbH) oder in S (Wohnsitz) gehabt. Sollte der jeweiligen Wohnsitz oder die Arbeitsstelle verlegt werden, so erfolge automatisch eine neue Eintragung als Sachverständiger im jeweiligen neuen Sprengel. Gutachten könnten von allen Gerichten in Österreich in Auftrag gegeben werden, was auch tatsächlich geschehe. Die Standortwahl und Beibehaltung des Sachverständigen- und Gutachtertätigkeit sei nicht aus betrieblichen Überlegungen, sondern aus rein privaten Motiven erfolgt. Die Tätigkeit als gerichtlich beeideter Sachverständiger sei an den Wohnsitz bzw. die Arbeitsstelle gekoppelt. Die Privatgutachten würden mehrheitlich aus der langjährigen Tätigkeit für die I-GmbH resultieren. Aus den Reisekostenaufstellungen bzw. Honorarverrechnungen sei zu entnehmen, dass nationale und internationale Projekte abgewickelt wurden. Hiebei sei der Bekanntheitsgrad und der Ruf des Bw im Vordergrund gestanden, wobei hervorzuheben sei, dass bei der Honorarverrechnung als dienstliche Adresse die TU XY angeführt werde, die Anschrift in S, werde auf den Rechnungen als Privatadresse bekannt gegeben. Vom Prüfer wurde weiters darauf hingewiesen, dass nach Rücksprache mit dem steuerlichen Vertreter für die Kosten der Familienheimfahrten nur das höchste Pendlerpauschale geltend gemacht werden.

Das Finanzamt legte den Verwaltungsakt und die Berufung der Abgabenbehörde zweiter Instanz zur Entscheidung vor (Vorlagebericht vom ).

Mit Vorhalt vom wurde die Finanzbehörde erster Instanz unter Darstellung der höchstgerichtlichen Rechtsprechung, einer Zeittabelle und der in den Streitjahren vom Bw laut den angefochtenen Bescheiden erzielten Einkünften eingeladen, weitere Nachweise, was die ausschließliche private Veranlassung des Büros in S betrifft, zu führen.

In seiner Stellungnahme vom brachte das Finanzamt ergänzend vor, dass für die Unzumutbarkeitsbeurteilung zu unterscheiden sei, welche Tätigkeit ausgeübt werde, ob diese orts- bzw. kundenbezogen sei, wie z.B. ein Tischlerei- oder Gastgewerbebetrieb, und damit betriebliche Gründe im Vordergrund stehen; oder ob diese von jedem Ort ausgeübt werden könne und derartige betriebliche Überlegungen völlig in den Hintergrund treten würden. Im konkreten Fall bestehe für den Bw absolute Dispositionsfreiheit bzw. Ungebundenheit, weshalb die Beibehaltung des Wohnsitzes in S aus rein familiären bzw. privaten Gründen erfolgt sei. Die Zumutbarkeit der Wohnsitzverlegung nach XY sei Ende 1998 eingetreten, aus verfahrensrechtlichen Gründen sei aber erst eine Wiederaufnahme der Sachbescheide ab 2000 veranlasst worden.

Mit Eingabe vom wurde der Antrag auf Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung zurückgezogen.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 16 Abs. 1 EStG 1988 sind Werbungskosten die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen. Werbungskosten sind bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind.

Gemäß § 20 Abs. 1 Z 1 EStG 1988 dürfen die für den Haushalt des Steuerpflichtigen und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen aufgewendeten Beträge bei den einzelnen Einkünften nicht abgezogen werden.

Nach § 20 Abs. 1 Z 2 lit. e leg. cit. dürfen Kosten der Fahrten zwischen Wohnsitz am Arbeits- (Tätigkeits-)ort und Familienwohnsitz (Familienheimfahrten), soweit sie den auf die Dauer der auswärtigen (Berufs-)Tätigkeit bezogenen höchsten in § 16 Abs. 1 Z 6 lit. c angeführten Betrag übersteigen, bei den einzelnen Einkünften nicht abgezogen werden.

Familienwohnsitz ist jener Ort, an dem ein verheirateter Steuerpflichtiger mit seinem Ehepartner oder ein unverheirateter Steuerpflichtiger mit seinem in eheähnlicher Gemeinschaft lebenden Partner einen Hausstand unterhält, der den Mittelpunkt der Lebensinteressen dieser Personen bildet (vgl. , unter Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom , 96/15/0006).

Aufwendungen für Familienheimfahrten des Arbeitnehmers von dem am Arbeitsort gelegenen Wohnsitz zum Familienwohnsitz sind unter jenen Voraussetzungen Werbungskosten, unter denen eine doppelte Haushaltsführung als beruflich veranlasst gilt. Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgeführt hat, sind die Aufwendungen für Familienheimfahrten dann als Werbungskosten zu berücksichtigen, wenn die Arbeitsstätte vom Familienwohnort so weit entfernt ist, dass die tägliche Rückkehr nicht mehr zumutbar ist, die Arbeitsstätte somit außerhalb des Einzugsbereiches des Familienwohnsitzes liegt und deswegen im Dienstort ein weiterer Wohnsitz begründet werden muss (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom , 96/15/0205, und vom , 99/14/0340).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. z.B. das Erkenntnis vom , 2004/15/0102), ist die Beibehaltung des Familienwohnsitzes aus der Sicht einer Erwerbstätigkeit, die in unüblicher Entfernung von diesem Wohnsitz ausgeübt wird, niemals durch die Erwerbstätigkeit, sondern immer durch Umstände veranlasst, die außerhalb dieser Erwerbstätigkeit liegen. Berufliche Veranlassung der mit einer doppelten Haushaltsführung verbundenen Mehraufwendungen des Steuerpflichtigen und deren daraus resultierende Qualifizierung als Werbungskosten liegt nach dieser ständigen Rechtsprechung nur dann vor, wenn dem Steuerpflichtigen die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Ort seiner Beschäftigung nicht zuzumuten ist, wobei die Unzumutbarkeit unterschiedliche Ursachen haben kann. Solche Ursachen müssen aus Umständen resultieren, die von erheblichem objektiven Gewicht sind. Momente bloß persönlicher Vorliebe für die Beibehaltung des Familienwohnsitzes reichen nicht aus (vgl. etwa das Erkenntnis vom , 2005/15/0011 mwN.). Der Grund, warum Aufwendungen für Familienheimfahrten dennoch als Werbungskosten berücksichtigt werden, liegt darin, dass derartige Aufwendungen so lange als durch die Erwerbstätigkeit veranlasst gelten, als eine Wohnsitzverlegung nicht zugemutet werden kann. Die Unzumutbarkeit kann ihre Ursachen sowohl in der privaten Lebensführung haben als auch in der weiteren Erwerbstätigkeit des Steuerpflichtigen oder in der Erwerbstätigkeit des Ehegatten. Solche Umstände können auch eine auf Dauer angelegte doppelte Haushaltsführung rechtfertigen (vgl. Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer, Kommentar, § 16 Abs. 1 Z. 6, Tz 3, mit Hinweisen auf die hg. Rechtsprechung).

Der Unternehmer entscheidet, wo er seinen Betrieb ansiedelt und wo er Betriebsstätten gründet. Die entsprechende Disposition ist auch steuerlich anzuerkennen, es sei denn, die Behörde könnte den Nachweis führen, dass der Entscheidung des Unternehmers über den Standort keine betrieblichen Überlegungen zugrunde liegen. Ist von einem betrieblich veranlassten Unternehmensstandort in G auszugehen, so stellt der Aufenthalt beim Kunden in W eine Geschäftsreise iSd § 4 Abs. 5 EStG 1988 dar. Fahrtkosten und Kosten der Nächtigung sind daher als Betriebsausgaben anzuerkennen und berechtigen, so die entsprechenden weiteren Voraussetzungen erfüllt sind, zum Vorsteuerabzug (vgl. ).

Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage ergibt sich nun für den konkreten Fall folgendes:

Unstrittig ist, dass der Bw seit 1982 seinen Familienwohnsitz in S hat. Die Ehegattin geht keiner Erwerbstätigkeit nach. Außer Streit steht ferner, dass eine tägliche Rückkehr vom Beschäftigungsort (XY) an den Familienwohnort nicht zumutbar ist.

Der Bw ist seit 1990 als Gutachter tätig und erzielt daraus Einkünfte aus selbständiger Arbeit. Seit September 1991 ist er als gerichtlich beeideter Sachverständiger beim Landesgericht S eingetragen. Ab 1993 erzielt er Einkünfte als Gerichtsgutachter. Daneben bezog er bis November 1997 nichtselbständige Einkünfte als Geschäftsführer der Fa. I-GmbH, in W. Seit Oktober 1996 ist er als Universitätsprofessor an der TU XY tätig. Er unterhält neben dem Büro am Familienwohnsitz in S eine Wohnung in XY.

Strittig ist für den Zeitraum 2000 bis 2004, ob die der Höhe nach unstrittigen Aufwendungen für den zweiten Wohnsitz in XY und für die Familienheimfahrten (beschränkt mit dem höchsten Pendlerpauschale) bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit als Universitätsprofessor als Werbungskosten abzugsfähig sind.

Das Finanzamt stützt sich in seiner Begründung im Wesentlichen auf die Art der Tätigkeit. Der Bw habe bei seiner Gutachtertätigkeit absolute Dispositionsfreiheit und sei vom Kundenkreis her an keinen Standort gebunden. Die vom Bw erzielten Einkünfte könnten von jedem Standort aus erzielt werden, weshalb die Beibehaltung des Wohnsitzes in S rein familiäre Gründe habe.

Diese Argumentation trägt allerdings die Beurteilung der Behörde erster Instanz, dass die vom Beschwerdeführer am Familienwohnsitz in S erzielten Einkünfte eine doppelte Haushaltsführung nicht rechtfertigten, nicht. Dass der Bw am Familienwohnsitz steuerlich relevante Einkünfte von beträchtlicher Höhe erzielte, wird von der belangten Behörde nicht in Abrede gestellt (Einkünfte laut den angefochtenen Bescheiden):


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2000 (ATS)
2001 (ATS)
2002 (EURO)
2003 (EURO)
2004 (EURO)
E.a.s.A.
1,521.012
875.147
107.896,67
59.262,51
180.685,59
E.a.Gw.
1.071
2.485
271,40
E.a.ns.A.
1,204.498
1,132.874
90.433,80
91.017,42
95.059,70

In dem bereits oben angeführten Erkenntnis vom hat der Verwaltungsgerichtshof zum Ausdruck gebracht, dass der Unternehmer entscheidet, wo er seinen Betrieb ansiedelt und wo er Betriebsstätten gründet. Die entsprechende Disposition ist auch steuerlich anzuerkennen, es sei denn, die Behörde könnte den Nachweis führen, dass der Entscheidung des Unternehmers über den Standort keine betrieblichen Überlegungen zu Grunde lägen. Einen solchen Nachweis hat das Finanzamt im Berufungsfall nicht geführt. Die Annahme der Abgabenbehörde erster Instanz, die entsprechenden Einkünfte des Bw wären nicht verloren gegangen und hätten an einem anderen Standort erzielt werden können, kann den geforderten Nachweis nicht ersetzen. Das Argument, der Bw habe absolute Dispositionsfreiheit, weshalb die Beibehaltung des Standortes privat sein müsse, bedeutet im Ergebnis, dass der Unternehmer nicht mehr frei in seiner Entscheidung ist, wo er seinen Betrieb ansiedelt. Zudem wurde mit der Anerkennung der Kosten für das Büro in S zum Ausdruck gebracht, dass dieses beruflich genutzt wurde und damit eine betriebliche Veranlassung bestanden hat. Aus dem Akt war ferner ersichtlich, dass der Bw zunächst seine selbständige Gutachtertätigkeit am Standort in S begonnen und erst später (Ende 1996) die Beschäftigung an der Universität in XY aufgenommen hat. Auch wenn die Unzumutbarkeit der (Familien-)Wohnsitzverlegung aus der Sicht des jeweiligen Streitjahres zu beurteilen ist, so fehlt in der Begründung zu den angefochtenen Bescheiden jede Auseinandersetzung mit der Frage, warum der Bw auch den (Jahre zuvor begründeten) Standort der selbständigen Tätigkeit aufgeben und nach XY hätte verlegen sollen - mit all den damit verbundenen Fragen, die mit einer Verlegung bzw. Neueinrichtigung von geeigneten Büroräumlichkeiten zusammen hängen. Der Hinweis auf die für den Bw aufgrund seiner Tätigkeit bestehende Dispositionsfreiheit kann diese Auseinandersetzung und den diesbezüglichen Nachweis nicht ersetzen.

Dem Berufungsbegehren kommt daher Berechtigung zu, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

Beilagen : 5 Berechnungsblätter

Salzburg, am

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