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Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 12.07.2013, RV/1622-W/07

Strittig ist, ob auch für ein Kind die Begünstigung des § 21 ErbStG für die Dienste, die über die Beistandspflicht gemäß § 137 Abs. 2 ABGB hinausgehen, gewährt werden kann.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., vertreten durch Bilanz-Data Wirtschaftstreuhand GmbH, 1010 Wien, Schwarzenbergstraße 1-3/14a, gegen den Bescheid des Finanzamtes für Gebühren und Verkehrsteuern Wien vom , ErfNr. x1, StNr. x2 betreffend Erbschaftssteuer entschieden:

Der Berufung wird Folge gegeben und der Erbschaftssteuerbescheid gemäß § 289 Abs. 2 BAO abgeändert wie folgt:

Gemäß § 8 Abs. 5 ErbStG vom steuerlichen Wert der Grundstücke: 23.421,00 x 2% = 468,42 Euro.

Entscheidungsgründe

Strittig ist, ob auch für ein Kind die Begünstigung des § 21 ErbStG für die Dienste, die über die Beistandspflicht gemäß § 137 Abs. 2 ABGB hinausgehen, gewährt werden kann.

Im Juli 2006 verstarb der Erblasser E. In seinem Testament setzte er seine Tochter, die Bw., zur Universalerbin ein. Die Bw. gab zum gesamten Nachlass die unbedingte Erbantrittserklärung ab und die Bw. wurde mit Einantwortungsbeschluss vom zum gesamten Nachlass eingeantwortet.

Das Finanzamt setzte mit Bescheid vom für die Bw. die Erbschaftssteuer mit 760,95 Euro fest (gemäß § 8 Abs. 1 ErbStG, Steuerklasse I, 2,5% vom steuerpflichtigen Erwerb 11.701,00 Euro = 292,53 Euro zuzüglich gemäß § 8 Abs. 4 ErbStG vom dreifachen Einheitswert der Grundstücke 23.421,00 x 2% = 468,42 Euro).

Fristgerecht erhob die Bw. dagegen Berufung und ersuchte um Stattgabe der gemäß § 8 Abs. 1 ErbStG vorgeschriebenen Steuer von 292,53 Euro. In der Berufung stellte sie den Antrag gemäß § 21 ErbStG um Berücksichtigung eines Abzuges wegen unentgeltlich geleisteter Dienste. Die Steuerpflichtige habe in den letzten Jahren vor dem Tod des Erblassers, ihres Vaters, unentgeltlich Dienste im Haushalt des Erblassers geleistet und dadurch eine fremde Arbeitskraft erspart. Es werde daher ersucht, für die letzten drei Jahre vor dem Tod des Erblassers einen Betrag von 350,00 Euro pro Monat, sohin 12.600,00 Euro vom steuerpflichtigen Erwerb in Abzug zu bringen. Für eine fremde Haushaltshilfe hätte zumindest dieser Betrag aufgewendet werden müssen.

Das Finanzamt wies die Berufung mit Berufungsvorentscheidung vom als unbegründet ab, denn im gegenständlichen Fall habe der Erblasser über entsprechendes Vermögen verfügt, sodass kein Umstand vorgelegen habe, wonach der Erblasser - unter der Voraussetzung, dass ein Dienstvertrag abgeschlossen worden wäre, - die Dienstleistungen nicht bar hätte abgelten können. Die Hilfe- und Beistandspflichten würden daher auf der Freiwilligkeit der Bw. basieren und würden überdies nach den Erfahrungen des täglichen Lebens nicht über den Rahmen von ortsüblichen und familiären Diensten hinausgehen.

Die Bw. stellte den Antrag auf Vorlage der Berufung an den Unabhängigen Finanzsenat. § 21 ErbStG sehe vor, dass, sofern der Erwerber im Haushalt oder im Betrieb des Erblassers ohne Barlohn Dienste geleistet habe und dadurch eine fremde Arbeitskraft erspart hat, ein der Arbeit und der Dienstzeit angemessener Betrag von dem Anfall abgezogen werde. Die Gesetzesstelle mache dies nicht abhängig vom Vermögen oder Einkommen des Erblassers.

Am gab die Bw. dem Finanzamt über dessen Vorhalt vom bekannt, dass der Gesundheitszustand des Erblassers in den letzten drei Jahren sehr schlecht gewesen sei. Er sei im 97. Lebensjahr verstorben, vorher sei er fast erblindet gewesen, habe an Gicht gelitten und an Herzkranzgefäßverengungen sowie an Wasser in den Beinen. Der Erblasser habe Pflegegeld der Stufe 3, zuletzt dann Stufe 2 bezogen, wobei dies ca. 300,00 Euro pro Monat ausgemacht habe. Entsprechend dem Gesundheitszustand des Erblassers mussten so ziemliche alle Tätigkeiten des täglichen Lebens für den Erblasser erbracht werden. Es war dies angefangen von der Körperpflege über die persönliche Betreuung und Versorgung des Erblassers mit frischer Wäsche als auch die Aufbereitung des Essens bis zu sonstigen Verrichtungen die in einem Haushalt eines Menschen dieses Alters anfallen. Aufgrund der schweren körperlichen krankheitsbedingten Beeinträchtigung des Erblassers sei eine intensive Betreuung dieses Menschen notwendig und es seien dafür im Schnitt 30 bis 35 Stunden pro Woche dafür verwendet worden. Als Berechnungsgrundlage für den Betrag von 350,00 Euro pro Monat sei ein Stundensatz von 3,00 Euro angesetzt worden.

Im Vorlagebericht vom gab das Finanzamt als Streitpunkt an, ob § 21 ErbStG zur Anwendung komme, obwohl eine familienrechtliche Beistandspflicht gemäß § 137 ABGB bestehe.

Über die Berufung wurde erwogen:

Eingangs wird festgestellt, dass die erfolgte Aufhebung des § 1 Abs. 1 Z 1 ErbStG durch den Verfassungsgerichtshof () erst mit Ablauf des in Kraft trat, sodass die Bestimmungen des Erbschaftssteuergesetzes auf die zuvor verwirklichten Tatbestände - mit Ausnahme der Anlassfälle und jener Rechtssachen, auf die der Verfassungsgerichtshof die Anlassfallwirkung gemäß Art. 140 Abs. 4 zweiter Absatz B-VG ausgedehnt hat - weiterhin anzuwenden sind. Aufgrund des Legalitätsprinzips ist der Unabhängige Finanzsenat als Verwaltungsbehörde sowohl an die als verfassungswidrig aufgehobene Bestimmung als auch an die übrigen Bestimmungen des Erbschaftssteuergesetzes gebunden.

Gemäß § 1 Abs. 1 Z 1 ErbStG unterliegt der Erwerb von Todes wegen der Erbschaftssteuer.

Gemäß § 2 Abs. 1 Z 2 ErbStG gilt als Erwerb von Todes wegen der Erwerb durch Erbanfall.

§ 21 ErbStG lautet:

"Hat der Erwerber nach Vollendung des 15. Lebensjahres im Haushalt oder im Betrieb des Erblassers ohne Barlohn Dienste geleistet und dadurch eine fremde Arbeitskraft erspart, so wird auf Antrag ein der Arbeit und der Dienstzeit angemessener Betrag von dem Anfall abgezogen. Die Dienste, die früher als drei Jahre vor dem Tod des Erblassers geleistet wurden werden nicht berücksichtigt."

Der Bestimmung des § 21 ErbStG liegt der Gedanke zu Grunde, dass in der Zuwendung Ersparnisse enthalten sind, die der Erblasser dadurch erzielt hat, dass der Erwerber ohne Barlohn Dienste geleistet hat. (). Ursprüngliche diente diese Bestimmung der Versorgung von unverheirateten, nicht übernehmenden Geschwistern bzw. der Versorgung unehelicher Kinder im landwirtschaftlichen Bereich.

Einsparungen dieser Art sollten in der Hand desjenigen Erben oder Vermächtnisnehmers, dem sie der Erblasser zu verdanken hat, von der Erbschaftssteuer verschont bleiben, aus den Erwägungen heraus, dass der Erwerb durch Erbschaft oder durch Vermächtnis insoweit als dass es sich um diese Ersparnisse handelt, nicht eine Bereicherung des Erwerbers, sondern eine, wenn auch ohne rechtliche Verpflichtung des Erblassers erfolgende, nachträgliche Abgeltung der geleisteten Dienste darstellt (RFH , VeA 1061/31, RStBl. 1934, 149).

Bei der Bw. handelt es sich um die Erbin, sie ist die Tochter des Erblassers. Wie das Finanzamt zu Recht im Vorlagebericht angeführt hat, ist die Abgrenzung § 21 ErbStG und Unterhaltspflicht gemäß § 137 ABGB der Kinder gegenüber den Eltern zu überprüfen.

Gemäß § 137 Abs. 2 erster Halbsatz ABGB haben Eltern und Kinder einander beizustehen. Eltern können gemäß § 137 Abs. 2 ABGB von ihren Kindern unentgeltlich angemessene Dienste verlangen (Schwimann in Schwimann2, § 137 ABGB, Rz 4). Arbeitsleistungen im Verhältnis zwischen Eltern und Kindern bzw. Adoptivkindern werden im Zweifel aufgrund familiärer Beistandspflichten erbracht (; , ARD 4018/15/88. Siehe insbesondere RV/0196-G/11). Grundsätzlich wird von einer dem Alter des Kindes angemessenen Rechtspflicht ausgegangen. Die Beistandsleistung kann jedoch nicht eingeklagt werden, genauso wenig kann Schadenersatz wegen Nichterfüllung verlangt werden ( RV/0196-G/11 und die dort angegebene Literatur).

§ 21 ErbStG setzt voraus, dass die Dienste im Haushalt des Erblassers ohne bestehende Verpflichtung erbracht werden. Im konkreten Fall ist jedoch grundsätzlich von einer Beistandspflicht der Tochter gegenüber ihrem mittlerweile verstorbenen Vater auszugehen. Nur dann, wenn ein Kind durch seine Leistungen an seine Eltern nicht nur seine Beistandspflicht nach § 137 Abs. 2 ABGB erfüllt, sondern diese Leistungen weit über dasjenige hinausgehen, was üblicherweise in Wahrnehmung der besonderen Beistandspflicht an Leistungen zu erbringen ist, so insbesondere, wenn den Eltern dadurch die sonst unumgängliche Fremdpflege, etwa der Aufenthalt im Pflegeheim, erspart bleibt ( RV/0196-G/11), kann die Gewährung des § 21 ErbStG erwogen werden.

Aus den im Finanzamtsakt einliegenden Kopien aus dem Gerichtsakt ergibt sich, dass der Erblasser 1911 geboren und 2006 also im 96 Lebensjahr, verstorben ist. Seine Ehegattin ist 1997 vorverstorben. Die Bw. ist 1936 geboren, war also in der fraglichen Zeit zwischen 65 und 70 Jahren. Es ist anzunehmen, dass die Bw. in diesem Zeitraum keiner Berufstätigkeit mehr nachging und daher den Erblasser tatsächlich pflegen konnte. Die Bw. brachte vor, dass der Erblasser zuerst Pflegegeld der Stufe 3, dann der Stufe 2, das heißt, es gab einen Pflegebedarf von durchschnittlich über 100 Stunden im Monat, bezog.Ein derartiger Pflegebedarf geht sicherlich über eine Beistandspflicht nach § 137 Abs. 2 ABGB hinaus. ( und die dort zitierte Literatur: vgl. dazu auch Fellner, Erbschafts- und Schenkungssteuer10, § 21 Tz.8; Dorazil/Taucher, ErbStG4 (2001) § 21 Anm. 4.7; ). Der Erblasser war alleinstehend und daher zur Gänze auf fremde Hilfe angewiesen. Er war schwer krank und sowohl geh- als auch sehbehindert. Die Bw. hat glaubhaft einen gewissen Teil dieses Pflegeaufwandes abgedeckt. Die Ersparung einer fremden Arbeitskraft kann in diesem Fall angenommen werden, da der Erblasser offensichtlich pflegebedürftig war und im Falle, dass diese Leistungen nicht von der Bw. erbracht worden wären, ein Dritter diese Leistungen hätte erbringen müssen.

Nach Ansicht des Unabhängigen Finanzsenates ist daher glaubhaft, dass die Bw. - über ihre Beistandspflicht gemäß § 137 Abs. 2 ABGB hinaus - Dienste gegenüber dem Erblasser ohne bestehende Verpflichtung erbracht hat, die einen Abzug gemäß § 21 ErbStG rechtfertigen (Vgl. "Großmutter-Enkel"). Im gegenständlichen Fall kann von einer genauen Bewertung der Pflegekosten Abstand genommen werden, da die erbrachten Leistungen mit 12.600 Euro bewertet wurden, welcher Betrag höher ist als der Reinnachlass gemäß § 8 Abs. 1 ErbStG.

Liegt eine entsprechende Pflegebedürftigkeit des Erblassers vor, kann auch für ein Kind die Begünstigung des § 21 ErbStG für die Dienste, die über die Beistandspflicht gemäß § 137 Abs. 2 ABGB hinausgehen, gewährt werden.

Aus all diesen Gründen war der Berufung stattzugeben. Nach Abzug gemäß § 21 ErbStG verbleibt kein steuerpflichtiger Erwerb gemäß § 8 Abs. 1 ErbStG, der Zuschlag gemäß § 8 Abs. 5 ErbStG bleibt aufrecht.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Schlagworte
Antrag gemäß § 21 ErbStG
Beistandspflicht
Unterhaltspflicht der Kinder gegenüber ihren Eltern
Haushalt
Erblasser
ohne Barlohn
Pflegegeld
Aufenthalt im Pflegeheim
Altenpflege
Verweise

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at