Bewertung eines lebenslangen Fruchtgenussrechtes für den Übergeber.
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des A., vertreten durch Rechtsanwalt, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes für Gebühren und Verkehrsteuern Wien vom betreffend Grunderwerbsteuer, ErfNr. 253.124/10, entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Aus Anlass der Berufung wird die Grunderwerbsteuer mit € 1.207,12 (gemäß § 7 Z 1 GrEStG 1987 2% von der Gegenleistung in Höhe von € 60.355,84, gerundet gemäß § 204 BAO) anstatt bisher € 1.161,27, festgesetzt.
Entscheidungsgründe
Mit Schenkungsvertrag vom übertrug Frau R. die ihr zur Gänze gehörende Liegenschaft EZ 1111in X an ihren Sohn A (Bw.). Als Gegenleistung räumte der Bw. der Übergeberin auf Lebenszeit das unentgeltliche Fruchtgenussrecht an der gesamten geschenkten Liegenschaft ein.
Dieses Fruchtgenussrecht wurde von den Vertragsteilen mit € 6.000,00 bewertet.
Für diesen Rechtsvorgang setzte das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern Wien von einer Bemessungsgrundlage in Höhe von € 58.063,62 Grunderwerbsteuer in Höhe von € 1.161,27 fest.
In der dagegen nach Fristverlängerung eingebrachten Berufung führte der Bw. aus, dass die Gegenleistung gemäß § 5 GrEStG 1987 nach dem eingeräumten Fruchtgenussrecht, dessen Kapitalwert gemäß § 16 BewG berechnet werde, mit € 58.063,62 angesetzt werde.
Dieser Betrag sei nicht nachvollziehbar. Aus dem Bescheid sei in keiner Weise ersichtlich, wie der Kapitalwert des Fruchtgenussrechtes berechnet werde. Insbesondere seien auch die Grundlagen für diese Berechnung nicht offengelegt worden.
Der errechnete Kapitalwert und davon abgeleitet die Berechnung der Grunderwerbsteuer sei in keiner Art nachvollziehbar. Dadurch werde der Bw. in seinem Recht auf Begründung eines zu erlassenden Bescheides verletzt.
Der Bw. habe vor Einbringung der Berufung mit dem zuständigen Finanzamt telefoniert. Dort sei er hinsichtlich der Begründung lediglich auf die Homepage des Bundesministeriums für Finanzen und die dort eingerichteten Berechnungsprogramme für den Kapitalwert des Fruchtgenussrechtes verwiesen worden (vgl. dazu https://www.bmf.gv.at/Steuern/Berechnungsprogramme/_start.htm).
Auch dort seien die vorgenommenen Berechnungsschritte nicht nachvollziehbar dargestellt, sondern es werde nur der Kapitalwert eines Rentenrechtes ausgeworfen.
Die Berechnung der Grunderwerbsteuer könne daher in keinster Art nachvollzogen werden.
Überdies sei auch das im angefochtenen Bescheid angegebene Ergebnis des Barwertes der Rente selbst unter Zugrundelegung der aus dieser Berechnungsmaske gewonnenen Werte nicht nachvollziehbar und auch unzutreffend. Gebe man nämlich unter https://www.bmf.gv.at/Service/Anwend/Steuerberech/Par16/Par16.aspx die hier relevanten Daten - nämlich:
Geburtsdatum der Übergeberin und den Wert des Fruchtgenussrechtes mit jährlich € 6.000,00 in die Berechnungsmaske ein, so ergebe dies einen Betrag von lediglich € 54.866,73.
Richtiger Weise hätte das Finanzamt - ausgehend vom Einheitswert von € 11.400,00, festgesetzt im Feststellungsbescheid des Finanzamtes für Gebühren und Verkehrsteuern vom - den Wert des Grundstückes nach § 6 Abs. 1 lit a GrEStG berechnen und die Grunderwerbsteuer mit € 984,00 festsetzen müssen.
Informativ werde angegeben: Der Rechtsvertreter der Bw. habe ursprünglich beabsichtigt, die Bewertung des Fruchtgenussrechtes mit dem zuständigen Finanzamt zu erörtern. Die Kontaktaufnahme sei über das Infocenter des Finanzamtes erfolgt. Eine erste Kontaktaufnahme sei erfolgreich gewesen, wobei der Rechtsvertreter der Bw. auf die Homepage des BMF und das dortige Berechnungstool verwiesen worden sei. Das bei Eingabe der Daten ausgeworfene Ergebnis weiche jedoch vom Ergebnis des Bescheides vom ab. Da die Telefonleitung des Infocenters in der Folge überlastet gewesen sei, habe eine Klärung der noch offenen Fragen telefonisch nicht durchgeführt werden können.
Mit der am zugestellten Berufungsvorentscheidung wies das Finanzamt die Berufung als unbegründet ab und führte aus, dass die Bewertung von lebenslänglichen Renten, wiederkehrenden Nutzungen oder Leistungen sowie dauernden Lasten, die vom Ableben einer oder mehrerer Personen abhängen, gemäß § 16 BewG nach versicherungsmathematischen Grundsätzen erfolge. Der versicherungsmathematische Barwert werde von verschiedenen Größen beeinflusst, die verbindlich vorgegeben seien. Es handle sich dabei einerseits um den anzuwendenden Zinsfuß, der im Gesetz selbst verankert sei (durch Verweis auf Abs. 1 letzter Satz). Andererseits werde der Barwert durch die Sterbewahrscheinlichkeit beeinflusst. Diesbezüglich sehe Abs. 2 eine Verordnungsermächtigung vor. Mit Verordnung BGBl II 2003/627 sei die Erlebenswahrscheinlichkeit verbindlich festgelegt und mit weiterer Verordnung BGBl II 2009/20 sei eine Aktualisierung erfolgt.
Abgesehen von diesen vorgegebenen Größen sei der Barwert der Rente zu ermitteln.
Werde als Gegenleistung die Übertragung einer Liegenschaft ein Fruchtgenussrecht in Form der Nutzung der Wohnung eingeräumt, sei auf die örtlichen Gepflogenheiten bei Bezahlung von Mieten abzustellen. Im Allgemeinen werde davon auszugehen sein, dass eine monatliche vorschüssige Rente vorliege (Fellner, Kommentar zum GrEStG, § 5 Rz 49a).
Zur Bewertung von Renten und dauernden Lasten seien Erlässe des BMF ergangen, die auf der Homepage des BMF (www.bmf.gv.at/Steuern/Fachinformation/Einkommensteuer/Erlässe) abgefragt werden könnten.
Das ebenfalls auf der Homepage abzufragende Berechnungsprogramm trage den gesetzlichen Bestimmungen Rechnung.
Die Berufung sei daher abzuweisen gewesen.
Dagegen beantragte der Bw. nach Fristverlängerung die Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz und wiederholte im Wesentlichen das bisherige Vorbringen.
Am erließ der Unabhängige Finanzsenat einen Vorhalt mit nachstehendem Inhalt:
"In der Berufung wenden Sie ein, dass die Berechnung des Kapitalwertes (auch unter Zugrundelegung des Berechnungsprogrammes) nicht nachvollziehbar sei.
Es werden daher die für die Bewertung von un- oder niedrig verzinsten Forderungen oder Verbindlichkeiten maßgeblichen Tabellen übermittelt. Die für den vorliegenden Fall konkreten Werte wurden markiert.
Anwendung:
Vor Anwendung der jeweiligen Barwertfaktoren ist zunächst das Alter zu bestimmen. Dabei wird das für zu einem bestimmten Stichtag vorzunehmende Barwertberechnung maßgebliche Lebensalter nach dem nächstgelegenen Geburtstag berechnet.
Die Geschenkgeberin wurde im Februar 1935 geboren, Bewertungsstichtag ist der . Nächstgelegender Geburtstag: Februar 2011. Alter daher 76.
§ 2 der ErlWS-VO 2004 enthält eine Altersverschiebung. Diese Altersverschiebung beruht auf der Erfahrung, dass sich die Sterbewahrscheinlichkeit in der Vergangenheit laufend verändert hat und unterstellt, dass auch in Zukunft von einer weiteren Veränderung innerhalb eines bestimmten Trends ausgegangen werden kann. Die Altersverschiebung wirkt dahin gehend, dass die Berücksichtigung der Sterbewahrscheinlichkeit für die Altersgruppen bestimmter Jahrgänge jeweils an Hand der jeweils jüngeren oder älteren Person zu erfolgen hat (Tabelle C).
Gemäß dieser Tabelle beträgt die Altersverschiebung +4 Jahre.
Anzunehmendes Alter daher 80 Jahre.
Maßgeblicher Barwertfaktor gemäß Tabelle B: 10,526492
Da ein Fruchtgenussrecht dem Mietpreis entspricht, den der Begünstigte zu zahlen hätte. (Anm: Richtig wohl "Der Wert eines Fruchtgenussrechtes entspricht dem Mietpreis, den der Begünstigte zu zahlen hätte"). Da Mieten monatlich im Voraus zu bezahlen sind, ist von einem vorschüssigen Anfall auszugehen und in der Folge des tatsächlichen monatlichen Anfalls um einen entsprechenden Unterjährigkeitsabschlag zu kürzen. Dieser beträgt bei monatlich vorschüssiger Zahlungsweise beim gegebenen Zinsfuß von 5,5% 0,467186 (vgl. RV/0541-F/07, Twaroch-Wittmann-Frühwald, aaO, 112 f und g, Pkt 9ff und Tabelle D).
Maßgeblicher Barwertfaktor unter Berücksichtigung des Unterjährigkeitsfaktors:
10,526492-0,46718610,059306
Der Barwert des Fruchtgenussrechtes errechnet sich somit: 10,059306 x 6.000,00 = 60.355,84
Angemerkt wird, dass das Finanzamt (unter Anwendung des Rechenprogramms) offensichtlich von einem Lebensalter von 81 anstatt von 80 Jahren ausgegangen ist (9,677269 + 0,467186 = 10,144455 (siehe Tabelle B)).
Die Richtigkeit der Tabellen wurde vom UFS bereits geprüft. Beispielsweise wird die Berufungsentscheidung vom , GZ.RV/1070-W/12, beigelegt.
Der Unabhängige Finanzsenat beabsichtigt den Betrag von € 60.355,84 der Berechnung zu Grunde zu legen, was somit zu einem Mehrergebnis gegenüber dem angefochtenen Bescheid führt.
Angemerkt wird, dass bei dem von Ihnen ermittelten Betrag von € 54.866,73 die Vorschüssigkeit sowie die monatliche Zahlungsweise nicht berücksichtigt wurde, wobei der Wert (fälschlicherweise) von einem Alter von 81 ermittelt wurde.
Ein eventuelles Antwortschreiben wäre innerhalb von vier Wochen ab Zustellung dieses Schreibens einzubringen."
Dieses Schreiben blieb unbeantwortet.
Über die Berufung wurde erwogen:
Gemäß § 1 Abs. 1 Z 1 Grunderwerbsteuergesetz 1987 (GrEStG) unterliegt der Grunderwerbsteuer ein Kaufvertrag oder ein anderes Rechtsgeschäft, soweit es sich auf ein inländisches Grundstück bezieht, das den Anspruch auf Übereignung begründet.
Nach § 4 Abs. 1 GrEStG ist die Steuer grundsätzlich vom Wert der Gegenleistung zu berechnen.
Gegenleistung ist nach der Norm des § 5 GrEStG alles, was der Erwerber einsetzen muss, um das Grundstück zu erhalten.
Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist die Gegenleistung nach den Bestimmungen des ersten Teiles des BewG (§§ 2 bis 17) zu bewerten (vgl. ).
Strittig ist im gegenständlichen Fall ausschließlich die Höhe der Bemessungsgrundlage.
Der Bw. begehrt die Grunderwerbsteuer ausgehend vom Einheitswert zu bemessen.
§ 4 GrEStG beinhaltet im Absatz 1 die prinzipielle Regelung, dass die Steuer vom Wert der Gegenleistung zu berechnen ist. Vom Wert des Grundstückes (vgl. § 6 GrEStG) ist nur in den drei im § 4 Abs. 2 GrEStG aufgezählten Fällen auszugehen. Da im gegenständlichen Fall weder eine land- und forstwirtschaftliche Übergabe, noch eine Anteilsvereinigung vorliegt und eine Gegenleistung vorhanden und ermittelbar ist, ist bei der Abgabenberechnung nicht auf den Wert der Liegenschaft sondern auf den Wert der Gegenleistung abzustellen.
Gegenleistung im Sinne des § 5 GrEStG ist die Summe dessen, was der Käufer an wirtschaftlichen Werten dagegen zu leisten verspricht, dass er das Grundstück erhält, also jede nur denkbare Leistung, die vom Käufer für den Erwerb des Grundstückes versprochen wird. Im gegenständlichen Fall stellt die Einräumung des Fruchtgenussrechtes die Gegenleistung für den Liegenschaftserwerb dar.
Der Wert der Gegenleistung ist im Sinne des § 1 Abs. 1 BewG 1955 nach den Bestimmungen des ersten Teiles des Bewertungsgesetzes (§§ 2 bis 17) zu ermitteln. Bei der Bewertung des Jahreswertes des Nutzungsrechtes war im Sinne des § 17 Abs. 2 BewG vom gemeinen Wert auszugehen. Lebenslängliche Nutzungen sind sodann mit dem nach § 16 Abs. 2 BewG kapitalisierten Wert in Ansatz zu bringen. Ausgehend von dem vom Bw. selbst bekannt gegebenen Betrag in Höhe von jährlich € 6.000,00 errechnete der Unabhängige Finanzsenat unter Bedachtnahme auf die gesetzlich vorgesehenen versicherungsmathematischen Methoden den Barwert des gesamten Fruchtgenussrechts mit € 60.355,84.
Die detaillierte Berechnung wurde dem Bw. bereits mit Vorhalt des Unabhängigen Finanzsenates vom unter Beilage der für die Bewertung von un- oder niedrig verzinsten Forderungen oder Verbindlichkeiten maßgebenden Tabellen offengelegt (siehe Darstellung des Berufungsverfahrens), zumal der Bw. einerseits dargetan hat, dass die Berechnung des Kapitalwertes auch unter Zugrundelegung des Berechnungsprogrammes nicht nachvollziehbar sei und andererseits die Berechnung zu einem Mehrergebnis gegenüber dem vom Finanzamt ermittelten und dem Bescheid zugrunde gelegten Wert geführt hat.
Diesem Vorhalt ist der Bw. nicht entgegengetreten, sodass die dort erfolgte Berechnung, auf die ausdrücklich verwiesen wird, zugrunde gelegt wird.
Gemäß § 289 Absatz 2 BAO ist die Abgabenbehörde berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde erster Instanz zu setzen und dem gemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Berufung als unbegründet abzuweisen. Die Änderungsbefugnis schließt auch die Berechtigung ein, den Bescheid zu Ungunsten des Berufungswerbers abzuändern (Verböserung).
Die Grunderwerbsteuer war daher gemäß § 7 Z 1 GrEStG mit € 1.207,12 (2% von der Gegenleistung in Höhe von € 60.355,84) festzusetzen.
Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.
Wien, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 7 Z 1 GrEStG 1987, Grunderwerbsteuergesetz 1987, BGBl. Nr. 309/1987 § 1 Abs. 1 Z 1 GrEStG 1987, Grunderwerbsteuergesetz 1987, BGBl. Nr. 309/1987 § 1 Abs. 1 BewG 1955, Bewertungsgesetz 1955, BGBl. Nr. 148/1955 § 289 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at