Abgeleitete Bescheide sind aufzuheben, wenn der Grundlagenbescheid ein Nichtbescheid ist.
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., vertreten durch die steuerlicherVertreter, vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Wien 12/13/14 Purkersdorf, vom betreffend Einkommensteuer 1997 und 2000 entschieden:
Die angefochtenen Bescheide werden aufgehoben.
Entscheidungsgründe
Die Berufungswerberin (Bw.) erzielte in den Streitjahren neben Einkünften aus selbständiger Arbeit und Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit auch Einkünfte aus Gewerbebetrieb, unter anderem aus Beteiligungen an der AA (1997 und 2000) und an der BB (2000).
Auf Grund einer bei der AA betreffend die Jahre 1997 bis 2001 durchgeführten Betriebsprüfung erließ das Finanzamt am Bescheide, mit welchen ausgesprochen wurde, dass eine Feststellung gemäß § 188 BAO betreffend die Bw. für die Jahre 1997 und 2000 zu unterbleiben hat. Mit Bescheiden des Finanzamtes 12/13/14 Purkersdorf vom wurden gemäß § 295 Abs. 1 BAO abgeänderte Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1997 und 2000 erlassen. Die Einkünfte aus der Beteiligung der Bw. an der AA wurden in den angefochten Bescheiden nicht anerkannt.
Begründend führte das Finanzamt aus, dass die Änderungen des Bescheides gemäß § 295 BAO aufgrund der bescheidmäßigen Feststellungen des Finanzamtes xy zur Steuernummer 000 vom erfolgt ist. Die Bw. hätte Einkünfte aus Gewerbebetrieb aus der Beteiligung an der AA bezogen, über die ein Feststellungsbescheid vom (Nichtfeststellung der Einkünfte) vorliegt. Die bisherigen Verlustanteile sind einkommensteuerlich nicht mehr beachtlich und daher mit 0,00 S festgesetzt worden.
In der frist- und formgerechten Berufung wird eingewendet:
Die Berufung richtet sich gegen die unter Verweis auf die Bestimmungen des § 295 BAO erfolgte Änderung der bereits rechtskräftig veranlagten Einkommensteuer.
Beantragt wird die ersatzlose Aufhebung der bekämpften Bescheide.
Begründend wird ausgeführt, dass das Recht auf Festsetzung der gegenständlichen Verjährung bereits verjährt sei.
Die im Jahr 2002 begonnene Betriebsprüfung bei der AA könne nämlich nicht als Verfolgungshandlung im Sinne des § 209 Abs. 1 BAO eingestuft werden.
So bezog sich die Prüfung nur auf die AA und nicht auf jene atypisch stille Mitunternehmerschaft, an der die Beteiligung der Bw. bestand. Zudem wurde diese Prüfung für Zwecke eines Finanzstrafverfahrens durchgeführt. Rechtsgrundlage des Prüfungsauftrages war § 147 Abs. 1 BAO iVm § 99 Abs. 2 FinStrG. Erhebungen "für Zwecke von Finanzstrafverfahren" dienen aber nicht der Abgabenerhebung (BMF, SWK 2005, S 66; Ritz, BAO3, § 299 Tz 30; -I/05). Nach Ansicht des UFS komme es entscheidend darauf an, in welcher Eigenschaft eine Behörde - aus Sicht des Adressaten - nach außen hin in Erscheinung trat, nicht hingegen darauf, ob es möglich gewesen sein konnte, dass das Finanzamt mit derselben Handlung auch andere Zwecke, nämlich Zwecke der Abgabenerhebung verfolgt habe (UFS aktuell, 2005, 417).
Die Bw. macht ausdrücklich darauf aufmerksam, dass sich diese Berufung nicht gegen Entscheidungen, die in einem Feststellungsbescheid getroffen worden sind, richtet und ersucht daher zwecks Vermeidung einer entbehrlichen Aufblähung des Verfahrens vor Erlassung einer abweisenden Berufungs(vor)entscheidung abzusehen.
Die Bw. stellt weiters einen Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch den gesamten Berufungssenat gemäß § 282 Abs. 1 Z 1 BAO sowie einen Antrag auf Abhaltung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 284 Abs. 1 BAO.
Im Veranlagungsjahr 2000 wurden weiters die Einkünfte aus Gewerbebetrieb aus der Beteiligung an der BB nicht anerkannt. Die Änderung gemäß § 295 BAO erfolgte aufgrund der bescheidmäßigen Feststellung des Finanzamtes xy zu Steuernummer 111 vom .
Hinsichtlich der Nichtanerkennung der Einkünfte aus Gewerbetrieb an der BB wurde in der Berufung folgendes begründend vorgebracht:
Eine Maßnahme nach § 295 BAO setzt die nachträgliche Erlassung eines Feststellungsbescheides (Grundlagenbescheides) voraus. Ergeht ein solcher nicht (z.B. "Nichtbescheid" als Folge fehlerhafter Adressierung, unterlassene Zustellung), so ist ein dennoch erlassener Änderungsbescheid (§ 295 Abs. 1 BAO) rechtswidrig (vgl. auch SWK 33, S 926).
Der bekämpfte Bescheid beruft sich in seiner Begründung auf die bescheidmäßigen Feststellungen des Finanzamtes xy zur Steuernummer 111 vom .
Ein derartiger Bescheid sei aber tatsächlich bis heute nicht ergangen und wurde dementsprechend auch bis heute nicht zugestellt.
Da die Erlassung eines abgeleiteten Bescheides sogar dann unzulässig sein soll, wenn er vor dem Grundlagenbescheid ergeht (, 0006; Zorn, ÖStZ 1980, 50) muss dies noch vielmehr im konkreten Fall gelten, indem überhaupt kein Grundlagenbescheid erlassen wurde.
Dies folge schon aus den Bestimmungen des § 212a BAO, wonach eine Aussetzung der Einhebung eine eingebrachte Berufung erfordert (vgl. Ritz, BAO3, § 212a Rz 4, wonach vor der Einbringung einer Berufung gestellt Aussetzungsanträge zurückzuweisen sind). Eine Berufung gegen den nichterlassenden und nichtzugestellten Feststellungsbescheid könne natürlich nicht ergriffen werden und wäre dementsprechend mangels Berufungsmöglichkeit auch keine Aussetzung der Einhebung für die gegenständliche Einkommensteuer möglich. Diesbezüglich sei nämlich auf die Bestimmungen des § 252 Abs. 1 BAO zu verweisen, wonach gegen Entscheidungen, die in einem Feststellungsbescheid getroffen worden sind, nicht in einem Rechtsmittelverfahren gegen den abgeleiteten Bescheid bekämpft werden können.
Über die Berufung wurde erwogen:
Gemäß § 295 Abs. 1 BAO ist ein Bescheid, wenn dieser von einem Feststellungsbescheid abzuleiten ist, ohne Rücksicht darauf, ob die Rechtskraft eingetreten ist, im Fall der nachträglichen Abänderung, Aufhebung oder Erlassung des Feststellungsbescheides von Amts wegen durch einen neuen Bescheid zu ersetzen oder, wenn die Voraussetzungen für die Erlassung des abgeleiteten Bescheides nicht mehr vorliegen, aufzuheben.
Im vorliegenden Fall hat das Finanzamt xy Feststellungsbescheide gemäß § 188 BAO erlassen, in denen die von der AA in den Jahren 1997 bis 2001 erzielten Einkünfte je zur Hälfte den Komplementären zugewiesen wurden. Zusätzlich erließ das Finanzamt am auf § 92 Abs. 1 lit. b BAO und § 190 Abs. 1 iVm § 188 BAO gestützte Bescheide mit dem Inhalt, dass eine Feststellung der Einkünfte gemäß § 188 BAO betreffend die Kommanditisten für die Jahre 1997 bis 2001 zu unterbleiben habe ("Nichtfeststellungsbescheide"). Die diesbezüglichen Bescheide ergingen an die KEG und die jeweiligen Kommanditisten und wurden jeweils beiden zugestellt.
Die gegen die Feststellungs- und "Nichtfeststellungsbescheide" für die Jahre 1997 bis 2001 erhobene Berufung betreffend AA (StrNr: 000) wurde mit Bescheid des , als unzulässig zurückgewiesen.
Die gegen die Feststellungs- und "Nichtfeststellungsbescheide" für die Jahre 2000 und 2001 erhobene Berufung betreffend BB (StrNr: 111) wurde mit Bescheid des -K/08, als unzulässig zurückgewiesen.
Begründend wurde ausgeführt, dass sowohl Feststellungs- als auch "Nichtfeststellungsbescheide" gegen das Verbot der Einheitlichkeit verstoßen und somit Nichtbescheide vorliegen.
Auf Grund der "Nichtfeststellungsbescheide" des Finanzamtes xy vom änderte das Finanzamt 12/13/14/Purkersdorf am die Einkommensteuerbescheide für 1997 und 2000 gemäß § 295 Abs. 1 BAO ab.
Eine derartige Abänderung ist jedoch nur zulässig, wenn die Einkommensteuerbescheide 1997 und 2000 von einem Feststellungsbescheid abzuleiten sind.
Erwiesen ist, dass die vom Finanzamt ausgefertigten "Bescheide" vom betreffend Nichtfeststellung von Einkünften, die als Grundlage für die Änderung der Einkommensteuerbescheide 1997 und 2000 gemäß § 295 BAO am herangezogen wurde, ins Leere gegangen ist, weil es sich dabei um Nichtbescheide handelt. Damit hat jedoch ein tauglicher Feststellungsbescheid gefehlt, um die bereits erlassenen Bescheide betreffend Einkommensteuer für 1997 und 2000 gemäß § 295 Abs. 1 BAO abzuändern.
Im Erkenntnis vom , 93/14/0203, hat der VwGH ausgesprochen, dass im Falle einer unzulässigen, weil auf Grundlage von Nichtbescheiden erfolgten Änderung gemäß § 295 Abs. 1 BAO der abgeänderte Bescheid aufzuheben ist.
Da sich aus den dargestellten Gründen die Abänderung der Einkommensteuerbescheide 1997 und 2000 als unzulässig erweist, waren die angefochtenen Bescheid aufzuheben.
Da die Bescheide aus den oben dargestellten Gründen aufzuheben waren, wird auf die Frage der Verjährung nicht mehr eingegangen.
Der Antrag auf Abhaltung einer mündlichen Verhandlung und auf Entscheidung durch den gesamten Senat wurde in der Eingabe von zurückgenommen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 295 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 188 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 92 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
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