Kosten der doppelten Haushaltsführung eines in Österreich beschäftigten bosnischen Staatsbürgers
Rechtssätze
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RV/0303-G/07-RS1 | Die in Bezug auf das Recht auf Familiennachzug restriktiven fremdenrechtlichen Bestimmungen begründen jedenfalls bis zum "Fremdenrechtspaket 2005" eine Unzumutbarkeit der Wohnsitzverlegung eines bosnischen Abgabepflichtigen nach Österreich (). Dabei kommt es auch nicht darauf an, ob die Ehefrau am Ort des Familienwohnsitzes relevante Einkünfte erzielt (). |
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des CR, vertreten durch Mag. Peter Zivic, Rechtsanwalt, 1010 Wien, Weihburggasse 20, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Bruck Leoben Mürzzuschlag vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2005 entschieden:
Der Berufung wird Folge gegeben.
Die Einkommensteuer wird für das Jahr 2005 mit- € 888,57 (Gutschrift) festgesetzt (bisher laut angefochtenem Bescheid: "keine Nachforderung").
Die Bemessungsgrundlage und die Berechnung der Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bildet dieses einen Bestandteil des Bescheidspruches.
Entscheidungsgründe
In seiner Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2005 machte der Berufungswerber (Bw.) - er ist bosnischer Staatsbürger und seit dem Jahre 1990 in Österreich beschäftigt - Kosten für doppelte Haushaltsführung (Mietaufwendungen für eine "Schlafstelle" iHv. € 1.200,-) und Familienheimfahrten (zunächst iHv. € 2.421,- , in weiterer Folge eingeschränkt auf € 1.250,-) als Werbungskosten geltend.
Mit dem angefochtenen Bescheid ließ das Finanzamt den Abzug dieser Kosten unter Hinweis "auf die vorjährige Begründung" nicht zu. In der "vorjährigen Begründung" des Einkommensteuerbescheides 2004 vom heißt es dazu wie folgt: "Ihr unterhaltsberechtigtes Kind ..... hat das 18. Lebensjahr vollendet. Damit endet IhreUnterhaltspflicht. Da Ihre Gattin in Bosnien keine relevanten Einkünfte erzielt und Sie somit Alleinverdiener sind, stellen die Kosten der doppelten Haushaltsführung ab 2/2004 keine Werbungskosten dar. Die Beibehaltung des Familienwohnsitzes im Ausland ist demnach aus privaten Gründen erfolgt."
In der dagegen erhobenen Berufung wird unter Hinweis auf die einschlägige VwGH-Judikatur sowie einige UFS-Entscheidungen ausgeführt, dass die Ehefrau des Bw. für die Dauer der berufsbedingten Abwesenheit des Bw. am Familienwohnsitz in Bosnien-Herzegowina (in der Gemeinde C, Ortsgemeinschaft Ostrozac) eine Kleinlandwirtschaft betreuen müsse. Darüber hinaus habe im Streitjahr der zwischenzeitig volljährige Sohn infolge Arbeitslosigkeit nach wie vor im Haushalt des Bw. am Familienwohnsitz gelebt bzw. vom Bw. erhalten werden müssen. Überdies wird in der Berufung auf die Schwierigkeiten (bzw. die lange Dauer) eines allfälligen Verfahrens auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung zum Zwecke des Familiennachzuges nach Österreich hingewiesen.
Das Finanzamt wies die Berufung mit Berufungsvorentscheidung vom mit folgender Begründung ab: "Mit Vorhalten vom und wurden Sie ersucht, die Höhe der Einkünfte Ihrer Gattin aus der von ihr betriebenen Landwirtschaft bekannt zu geben. In beiden Vorhaltsbeantwortungen wurde auf diese spezielle Frage nicht eingegangen. Die Antwort war allgemeiner Natur: "Meine Frau verkauft Legehennen auf dem Markt". Die Beantwortung der Frage, ob die Beibehaltung Ihres Wohnsitzes in Bosnien-Herzegowina beruflich oder privat veranlasst ist, ist von der Höhe des Einkommens Ihrer Gattin bzw. vom Anteil der Einkünfte Ihrer Gattin am Familieneinkommen, abhängig. Da die Höhe des Einkommens Ihrer Gattin nicht beziffert und nachgewiesen werden kann, musste Ihre Berufung abgewiesen werden."
Im Vorlageantrag brachte der Bw. nunmehr ergänzend vor, dass auch nur geringe Einkünfte der Ehefrau im Ausland die Unzumutbarkeit der Wohnsitzverlegung nach Österreich bedingen würden. Zudem seien die im Haushalt des Bw. in Bosnien-Herzegowina lebenden Angehörigen Drittstaatsangehörige im Sinne des FremdenG und würden daher für Nachzug und dauerhaften Aufenthalt in Österreich jeweils eine quotenpflichtige Erstniederlassungsbewilligung benötigen, deren Erteilung jedoch mehrere Jahre dauere. Darüber hinaus sei die Erlangung einer derartigen Bewilligung für Zwecke der Familienzusammenführung lediglich für den Ehepartner und minderjährige Kinder möglich. Die bereits volljährigen Kinder des Bw. könnten daher einen solchen Aufenthaltstitel für Österreich nicht erlangen. Da die Kinder einkommenslos und daher nicht selbsterhaltungsfähig seien, müsste der Bw. auch für den Fall des Nachzuges seiner Ehegattin nach Österreich den Familienwohnsitz in Bosnien-Herzegowina aufrechterhalten, um seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht seinen Kindern gegenüber nachzukommen.
Aktenkundig sind einige amtliche Bescheinigungen, welchen zufolge der Bw. Eigentümer eines Grundes im Ausmaß von 5a (Gebäude 108m², Hof 392m²) ist und seine drei Kinder (geb. 1979, 1980 und 1986) nach wie vor von ihm erhalten werden. Einer weiterer Bescheinigung der bosnischen Heimatgemeinde des Bw. vom ist zu entnehmen, dass der landwirtschaftliche Besitz (im Wesentlichen eine Farm mit Legehennen) von der Ehegattin des Bw. bewirtschaftet wird.
Das Finanzamt legte die Berufung dem UFS zur Entscheidung vor und begründete deren Abweisung damit, dass der Bw. keine Daten bekannt gegeben habe, aus welchen der Anteil der Ehegattin am gemeinsamen Familieneinkommen zu ermitteln sei.
Nach Vorlage der Berufung an den UFS (am ) reichte der Bw. per eine Eingabe nach, welcher zufolge seine Ehegattin durch den Verkauf von Hühnern ca. € 200,- monatlich verdiene.
Über Ergänzungsersuchen des UFS teilte der Bw. mit Schreiben vom schließlich mit, er sei im Streitjahr ca. alle zwei Wochen mit einem Landsmann, nämlich Herrn FC, in dessen Auto mit nach Hause in seinen Heimatort gefahren. Er habe diesem für die Hin- und Rückfahrt nach und von Bosnien jeweils € 50,- bezahlt, sodass sich die Kosten der Familienheimfahrten im Jahr 2005 richtigerweise auf insgesamt € 1.250,- belaufen würden.
Die Höhe der für das Jahr 2005 steuerlich geltend gemachten Aufwendungen steht zwischen den Parteien des zweitinstanzlichen Berufungsverfahrens außer Streit (s. E-Mail des Behördenvertreters vom ).
Über die Berufung wurde erwogen:
§ 16 Abs. 1 EStG 1988 definiert Werbungskosten als Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen.
Gemäß § 20 Abs. 1 EStG 1988 dürfen bei der Ermittlung der Einkünfte ua. die für den Haushalt des Steuerpflichtigen aufgewendeten Beträge (Z 1) sowie die Kosten der Fahrten zwischen Wohnsitz am Arbeits-(Tätigkeits-)ort und Familienwohnsitz (Familienheimfahrten), soweit sie den auf die Dauer der auswärtigen (Berufs-)Tätigkeit bezogenen höchsten in § 16 Abs. 1 Z 6 lit. c leg. cit. angeführten Betrag übersteigen (Z. 2 lit. e), nicht abgesetzt werden.
Liegt der Familienwohnsitz des Steuerpflichtigen außerhalb der üblichen Entfernung vom Beschäftigungsort, so können die unvermeidbaren Mehrkosten der Unterbringung am Arbeitsort sowie die Kosten der Familienheimfahrten von der Wohnung am Beschäftigungsort zum Familienwohnsitz als Werbungskosten geltend gemacht werden, wenn die Aufgabe des bisherigen Familienwohnsitzes unzumutbar ist. Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt ausgesprochen, dass die Beibehaltung des Familienwohnsitzes aus der Sicht einer Erwerbstätigkeit, die in unüblicher Entfernung von diesem Wohnsitz ausgeübt wird, nicht durch die Erwerbstätigkeit, sondern durch Umstände veranlasst ist, die außerhalb dieser Erwerbstätigkeit liegen. Die berufliche Veranlassung der mit Familienheimfahrten verbundenen Aufwendungen wird aber angenommen, wenn dem Steuerpflichtigen die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Ort seiner Beschäftigung nicht zuzumuten ist, wobei die Unzumutbarkeit unterschiedliche Ursachen haben kann (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 2005/14/0039).
Der VwGH hat unlängst judiziert, dass die in Bezug auf das Recht auf Familiennachzug restriktiven fremdenrechtlichen Bestimmungen jedenfalls bis zum "Fremdenrechtspaket 2005" (Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, BGBl. I 2005/100) eine Unzumutbarkeit der Wohnsitzverlegung eines bosnischen Staatsbürgers nach Österreich begründen (Erkenntnis vom , 2007/15/0044; in diesem Sinne auch das Erkenntnis vom , 2005/14/0127). Auch eine rund 15-jährige Dauer des Aufenthalts des Steuerpflichtigen in Österreich steht der Beurteilung der Unzumutbarkeit nicht entgegen. Auf Grund der restriktiven fremdenrechtlichen Bestimmungen kommt es für die Frage der Unzumutbarkeit auch nicht darauf an, ob die Ehefrau am Ort des Familienwohnsitzes steuerlich relevante Einkünfte erzielt hat oder nicht ().
Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage war der Berufung - im Sinne der mit Eingabe vom erfolgten Einschränkung des Berufungsbegehrens - Folge zu geben:
Das Finanzamt begründete seine Abweisung allein damit, dass die Frage der Zumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes an Hand des Einkommens der Ehegattin zu beurteilen sei. Der Bw. habe dieses aber weder beziffert noch nachgewiesen. Auf Grund der oben dargelegten Rechtsprechung des VwGH ist jedoch das Einkommen der Ehegattin (welches vom Bw. im Übrigen nachträglich mit monatlich ca. € 200,- angegeben wurde) für die hier zur Beurteilung stehende Frage nicht von Relevanz. Maßgeblich sind allein die im Streitjahr noch in Geltung gestandenen - äußerst restriktiven - fremdenrechtlichen Bestimmungen.
Die (dauerhafte) Einwanderung nach Österreich wurde durch ein Quotensystem gesteuert. Selbst wenn im Berufungsfall tatsächlich ein Anspruch auf Erstniederlassungsbewilligung für bestimmte Familienmitglieder des Bw. bestanden haben sollte, setzte die tatsächliche Erteilung dieser Bewilligung das Vorhandensein und die Zuteilung entsprechender "Quotenplätze" voraus. Ein Familiennachzug war auf Grund der geringen Anzahl der jährlich zugewiesenen Quotenplätze unvorhersehbar und mit langen Wartezeiten verbunden (s. dazu ausführlich das bereits zitierte VwGH-Erkenntnis 2007/15/0044 vom , mwN).
Dazu kommt, dass die drei - einkommenslosen - Kinder des Bw. im Streitjahr bereits volljährig waren, die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung jedoch grundsätzlich (neben dem Ehepartner) nur für minderjährige Kinder vorgesehen war.
Auf Grund dieser Umstände war dem Bw. im Streitjahr (ohne Präjudiz für die Folgejahre) eine Verlegung des Wohnsitzes nach Österreich in Anbetracht der oa. Rechtslage nicht zumutbar.
Was nun die Höhe der geltend gemachten Aufwendungen anlangt, so hat der Bw. durchaus plausibel dargelegt, dass er ca. alle zwei Wochen mit einem Landsmann in dessen Auto mit nach Hause nach Bosnien gefahren ist und diesem dafür pro Hin- und Rückfahrt € 50,- bezahlt hat. Die Entfernung zwischen Beschäftigungsort und Familienwohnsitz beträgt rund 360km, die Fahrtdauer zwischen den beiden Orten ca. 4 Stunden 30 Minuten (lt. ÖAMTC-Routenplaner). Bei dieser Entfernung bzw. Fahrzeit erscheinen dem UFS die behauptete Häufigkeit der Heimfahrten sowie die dafür geleistete Kostenbeteiligung durchaus glaubhaft und plausibel. Im Übrigen hat auch das Finanzamt hinsichtlich der Höhe der beantragten Aufwendungen keine Bedenken geäußert.
Die nichtselbständigen Einkünfte iHv. € 19.353,48 waren daher um Werbungskosten von insgesamt € 2.450,- zu vermindern, das steuerpflichtige Einkommen errechnet sich daher mit € 16.843,48 (im angefochtenen Bescheid, in welchem lediglich das Werbungskostenpauschale zur Anrechnung kam: €19.161,48). Hinsichtlich der genauen Berechnung der Bemessungsgrundlage sowie der Abgabe wird auf das beiliegende Berechnungsblatt verwiesen.
Auf Grund der dargelegten Sach- und Rechtslage war sohin spruchgemäß zu entscheiden.
Beilage : 1 Berechnungsblatt
Graz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 16 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 20 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Schlagworte | Doppelte Haushaltsführung Familienheimfahrten Unzumutbarkeit der Wohnsitzverlegung Familiennachzug. |
Verweise |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at