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Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSI vom 08.02.2007, RV/0410-I/06

Stellt das Vorausvermächtnis gemäß § 758 ABGB ( Wohnungsgebrauchsrecht) einen Erwerb von Todes wegen dar

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des H.P., Adresse, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Innsbruck vom betreffend Erbschaftssteuer entschieden:

Der Berufung wird teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Ausgehend von einem steuerpflichtigen Erwerb von 45.088,00 € wird die Steuer mit 1.803,52 € festgesetzt. Die Ermittlung der Bemessungsgrundlagen und der Höhe der Abgabe werden in der angeschlossen Beilage und am Ende der Entscheidungsgründe dargestellt und bilden einen Bestandteil dieses Bescheidspruches.

Entscheidungsgründe

In dem am zu Zahl.X von einem öffentlichen Notar als Gerichtskommissär des Bezirksgerichtes XX aufgenommenen Abhandlungsprotokoll in der Verlassenschaftssache nach der verstorbenen Frau B.P. steht auszugsweise Folgendes:

"Nach dem Gesetz wären daher der Witwer H.P. und die beiden Söhne Ch. und P.P. zu je 1/3 erbberechtigt. Der Witwer H.P. erklärt hiemit, dass er den von ihm gesetzlich zustehenden Vorausvermächtnisanspruch gemäß § 758 ABGB, also auf das Eigentum an den zum ehelichen Haushalt gehörenden beweglichen Sachen und das Recht, weiterhin die Ehewohnung bewohnen zu dürfen, in Anspruch nimmt. Die Söhne Ch. und P.P. nehmen davon zustimmend Kenntnis und vereinbaren mit ihrem Vater zu diesem Wohnrecht grundbücherliche Sicherstellung. Das Wohnrecht umfasst räumlich die gesamte Liegenschaft, wobei Herr H.P. zustimmt, dass die grundbücherliche Sicherstellung auf der gesamten Liegenschaft, somit auch auf seinem eigenen 1/2- Anteil, eingetragen werden kann. Das im Nachlass befindliche Fahrzeug Marke übernimmt der Witwer H.P. in teilweiser Gegenverrechnung der von ihm getragenen Todfallskosten. Herr H.P. erklärt weiters, sich seines gesetzlichen Erbrechtes zu entschlagen und keine weiteren Ansprüche gegen die Erben oder den Nachlass zu stellen."

Das Finanzamt wertete (neben dem anderen unbestritten gebliebenen Erwerb) die Inanspruchnahme dieses Wohnrechtes als Erwerb von Todes wegen und setzte mit dem gegenständlichen Bescheid gegenüber H.P. (Bw) die Erbschaftsteuer in Höhe von 1.882,92 € fest. In die Ermittlung der Bemessungsgrundlagen wurde das Wohnrecht mit einem Wert von 50.253,27 € einbezogen. Dieser Ansatz entspricht der Hälfte des dreifachen Einheitswertes der bislang im gemeinsamen Eigentum der Eheleute stehenden Liegenschaft.

Die gegen diesen Erbschaftsteuerbescheid erhobene Berufung bekämpft den Ansatz des Wohnrechtes dem Grunde nach im Wesentlichen mit der Begründung, auf Grund seines Verzichtes gehe der ideelle Hälfteanteil am Haus an seine beiden Söhne über. Da aber seine Söhne eigene Wohnungen hätten, sei es nicht notwendig, für ihn ein Wohnrecht am gesamten Haus zu errichten. Er brauche dieses Wohnrecht nicht und verzichte auch darauf.

Die abweisende Berufungsvorentscheidung stützte sich auf die Begründung, laut Abhandlungsprotokoll habe der Bw. erklärt, den Vorausvermächtnisanspruch gemäß § 758 ABGB, nämlich weiterhin die Ehewohnung bewohnen zu dürfen, in Anspruch zu nehmen und weiters werde dieses Wohnrecht auch grundbücherlich sichergestellt.

Der vom Bw. als "Berufung" bezeichnete Schriftsatz war inhaltlich als Antrag auf Vorlage seines Rechtsmittels zur Entscheidung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz zu werten. Darin führte der Bw. nochmals aus, dieses Wohnungsrecht stelle für ihn keinen Wert dar, handle es sich doch nur um ein ideelles Wohnrecht. Er sei auch ohne weiteres bereit, dieses Wohnungs- Gebrauchsrecht im Grundbuch löschen zu lassen. Auch möge die Einschätzung der Höhe dieses Rechtes, welches nicht veräußert werden könne, überdacht werden.

Über die Berufung wurde erwogen:

Vorrangig besteht Streit darüber, ob das Finanzamt zu Recht dieses als gesetzliches Vorausvermächtnis vom Bw. in Anspruch genommene (grundbücherlich sichergestellte) Wohnungsgebrauchsrecht als Erwerb von Todes wegen versteuert hat. Weiters möge der dafür angesetzte Wert "überdacht" werden.

Gemäß § 1 Abs. 1 Z 1 ErbStG unterliegt der Steuer nach diesem Bundesgesetz der Erwerb von Todes wegen. Nach § 2 Abs. 1 ErbStG gilt als Erwerb von Todes wegen 1. der Erwerb durch Erbanfall, durch Vermächtnis oder auf Grund eines geltend gemachten Pflichtteilsanspruches; 2. der Erwerb durch Schenkung auf den Todesfall sowie jeder andere Erwerb, auf den die für Vermächtnisse geltenden Vorschriften des bürgerlichen Rechtes Anwendung finden.

An Sachverhalt besteht kein Streit darüber, dass dem Bw. als überlebenden Ehegatten an der Ehewohnung ein gesetzliches Vorausvermächtnis gemäß § 758 ABGB gebührte und laut Abhandlungsprotokoll hat er dieses ihm zustehende Benützungsrecht auch tatsächlich in Anspruch genommen. Dieses Recht, in der Wohnung weiter zu wohnen, ist ein gesetzliches Vorausvermächtnis mit Pflichtteilcharakter und unterliegt grundsätzlich den Regeln des Vermächtnisrechtes (siehe ). Nach der steuerlichen Lehre (siehe Dorazil, ErbStG, Handkommentar, 3. Auflage, Rz. 19.4 zu § 2 ErbStG und Dorazil - Taucher, ErbStG, Rz. 5.29 und 5.30 zu § 2 ErbStG) bildet das Vorausvermächtnis des überlebenden Ehegatten einen "anderen Erwerb" im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 2 ErbStG. Bei der Entscheidung des vorliegenden Berufungsfalles war unbedenklich davon auszugehen, dass durch die vom Bw. am erfolgte Annahme des Vorausvermächtnisses der Tatbestand des § 2 Abs. 1 Z 2 ErbStG jedenfalls erfüllt und damit ein Erwerb von Todes verwirklicht worden war. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Bw. subjektiv die Meinung vertritt, er brauche dieses Wohnrecht nicht bzw. dieses habe für ihn keinen Wert, übersieht er doch dabei, dass sich objektiv durch die Inanspruchnahme dieses gesetzlichen Voraus seine Rechtsposition bezüglich der Wohnungsbenützung durchaus entsprechend verändert hat. Die einmal durch die Tatbestandsverwirklichung entstandene Steuerschuld kann - von im Streitfall nicht vorliegenden Ausnahmefällen abgesehen- durch später eintretende Ereignisse, insbesondere nachträgliche Parteienvereinbarungen nicht wieder beseitigt werden. Das Vorbringen des Bw., er wäre auch durchaus bereit, auf dieses Wohnrecht zu verzichten bzw. das im Grundbuch eingetragene Wohnungsgebrauchsrecht wieder löschen zu lassen, vermag daher für den Standpunkt des Bw. nichts zu bringen, ist doch durch die Annahme des Vorausvermächtnisses die Steuerpflicht dafür bereits entstanden und diese erlischt nicht durch einen etwaigen späteren Verzicht. Das Finanzamt hat somit dem Grunde nach zu Recht das in Frage stehende vom Bw. als gesetzliches Voraus beanspruchte Wohnrecht als Erwerb von Todes wegen versteuert.

Was das Vorbringen des Bw. gegen den angesetzten Wert des Wohnrechtes anlangt, bleibt vorerst klarzustellen, dass es sich hiebei nicht um eine "Einschätzung der Höhe dieses Rechtes" handelt, sondern das Finanzamt vielmehr die Hälfte (wegen des gemeinsamen Eigentums der Eheleute) des dreifachen Einheitswertes der Liegenschaft EZ Zahl Gst. Nr. 1122/4, KG K als Wert des Wohnungsrechtes in die Ermittlung der Bemessungsgrundlage einbezogen hat (Berechnung: 33.502,18 x 3 = 100.506.54 €, davon die Hälfte ist 50.253,27 €). Bei der Abklärung der Frage, ob dieser Wertansatz letztlich zutrifft, ist von folgender Rechtslage auszugehen. Nach § 19 Abs. 1 ErbStG richtet sich die Bewertung nach den Vorschriften des Ersten Teiles des Bewertungsgesetzes (Allgemeine Bewertungsvorschriften). Der Kapitalwert von lebenslänglichen Nutzungen und Leistungen ist nach § 16 BewG idF. BGBl. I Nr. 71/2003 zu ermitteln. Nach § 17 Abs. 2 BewG sind Nutzungen oder Leistungen, die nicht in Geld bestehen (z.B. Wohnung) mit den üblichen Mittelpreisen des Verbrauchsortes anzusetzen. Der nach § 16 BewG ermittelte Wert eines Nutzungsrechtes an einer Wohnung darf nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH (Erk. vom , 929/71, vom , 96/16/0038, vom , 98/16/0311 und vom ,2001/16/0100) nicht größer sein als der steuerliche Wert (nunmehr dreifachen Einheitswert) des genutzten Wirtschaftsgutes selbst. Das Finanzamt ist augenscheinlich davon ausgegangen, dass der (halbe) Kapitalwert des Wohnrechtes jedenfalls höher ist als der halbe dreifache Einheitswert und hat deshalb letzteren angesetzt. Geht man aber bei der Ermittlung des Kapitalwertes nach § 16 BewG von dem nach dem Richtwertgesetz für das Bundesland Tirol festgelegten Richtwert (siehe Verordnung BGBl. II Nr. 101/2006) von 5,49 € pro m2 als tauglichen durchschnittlichen Mittelwert für eine Standardwohnung in Tirol aus, dann errechnet sich unter Beachtung der vom Bw. selbst angegebenen Wohnfläche auf Grund der im Gegenstandsfall bei dieser Berechnung ansonsten noch einzugebenden Parameter ein Barwert des Wohnungsgebrauchsrechtes von 48.268,22 € (siehe diesbezüglich das der Berufungsentscheidung beigeschlossene Berechnungsblatt). Liegt aber im Berufungsfall dieser Barwert unter dem (halben) dreifachen Einheitswert, dann liegt kein Grund vor, bei der Ermittlung der Erbschaftsteuerbemessungsgrundlage nicht den nach § 16 BewG bewertete Kapitalwert des Wohnungsgebrauchsrechtes, sondern den dreifachen Einheitswertanteil anzusetzen. Gemäß § 289 Abs. 2 BAO bezieht demzufolge die Abgabenbehörde zweiter Instanz den Wert des Wohnrechtes mit 48.268,22 € in die Ermittlung der Bemessungsgrundlage ein. Insoweit war dem Berufungsvorbringen, den Wertansatz zu "überdenken", zu entsprechen.

Der Berufung war daher wie im Spruch ausgeführt teilweise stattzugeben. Die Ermittlung der Bemessungsgrundlagen und die Berechnung der festgesetzten Erbschaftssteuer ergibt sich aus dem beigeschlossenen Berechnungsblatt und den nachstehenden Ausführungen:

Bemessungsgrundlagen:


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andere bewegliche Gegenstände (PKW)
5.560,00 €
Wohnungsrecht lt. Berufungsentscheidung (siehe Berechnungsblatt)
48.268,22 €
minus sonstige Kosten
-5.080,19 €
Freibetrag gemäß § 14 Abs. 1 ErbStG
- 2.200,00 €-
Freibetrag gemäß § 15 Abs. 1 Z 1 lit. b ErbStG
-1.460,00 €
steuerpflichtiger Erwerb
45.088,03 €
Steuerberechnung:
Gemäß § 8 Abs. 1 ErbStG (Steuerklasse I) 4 % vom gemäß § 28 ErbStG abgerundeten steuerpflichtigen Erwerb in Höhe von 45.088,00 €
1.803,52 €

Beilage: 1 Berechnungsblatt der Bewertung des Wohnungsgebrauchsrechtes

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Schlagworte
Vorausvermächtnis
Wohnungsgebrauchsrecht

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at