Erwerberhaftung für einen Gastronomiebetrieb
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Firma KAD KEG, S-Straße, vertreten durch YDD, G-Straße, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Linz vom zu StNr. 000/0000, mit dem die Berufungswerberin gemäß § 14 BAO zur Haftung für Abgabenschuldigkeiten der Firma G OEG im Ausmaß von € 6.540,56 (Umsatzsteuer 1998) herangezogen wurde, entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Entscheidungsgründe
Die Firma G OEG (Primärschuldnerin) führte im Standort S-Straße, einen gastgewerblichen Betrieb. Das Geschäftslokal wurde gemietet.
Ab wurde das Gastlokal von der Firma KAY KEG (vormals Firma KA OEG) geführt, die das Geschäftslokal vom selben Vermieter in Bestand genommen hat. Komplementär und Kommanditist dieser Gesellschaft war UY.
Mit Kaufvertrag vom erwarb YDD von UY "50 % der Firma Y KEG" (KAY KEG). Weiters wurde vereinbart, dass der Käufer binnen bestimmter Frist auch die restlichen 50 % erwerben werde.
UY schied in weiterer Folge als Komplementär und Kommanditist aus der Firma KAY KEG aus. Alleiniger persönlich haftender Gesellschafter wurde YDD. Der Firmenwortlaut wurde in KAD KEG geändert.
Ein Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der Firma G OEG war vom Landesgericht Linz mangels Vermögens abgewiesen worden.
Das Finanzamt wies die Berufungswerberin in einem Vorhalt vom darauf hin, dass sie von der Primärschuldnerin einen lebensfähigen Betrieb erworben habe. Die Maßnahmen des Finanzamtes zur Einbringung eines Abgabenrückstandes von € 16.884,83 bei der Firma G OEG wären erfolglos verlaufen. Die Berufungswerberin möge darlegen, ob sie im Zeitpunkt des Erwerbes Kenntnis von diesen Abgabenschuldigkeiten gehabt habe, bzw. welche Maßnahmen sie zur Erkundung allfälliger betrieblicher Abgabenschulden des Veräußerers unternommen habe. Weiters möge der Wert der erworbenen Aktiva bekannt gegeben werden. Schließlich sollte die Berufungswerberin ihre aktuellen wirtschaftlichen Verhältnisse darlegen.
Da die Berufungswerberin zu diesem Vorhalt keine Stellungnahme abgab, nahm sie das Finanzamt gemäß § 14 BAO mit Haftungsbescheid vom für die bei der Primärschuldnerin aushaftende Umsatzsteuer 1998 in Höhe von € 6.540,56 in Anspruch.
Gegen diesen Bescheid wurde mit Eingabe vom Berufung erhoben. Die Firma G OEG sei der Berufungswerberin gänzlich unbekannt. Sie habe das Lokal erst "ab " von der Firma KAY KEG übernommen.
Im Zuge einer Stellungnahme zu einem Mängelbehebungsauftrag des Finanzamtes legte die Berufungswerberin den oben erwähnten Kaufvertrag vom sowie Firmenbuchauszüge betreffend die Firma KAY KEG bzw. KAD KEG (beide zur Firmenbuchnummer 000000x) vor. Die Firma KAD KEG sei "Nachfolgerin" der Firma KAY KEG und habe mit einer Firma G OEG nie etwas zu tun gehabt.
Am sprach der Vertreter der Berufungswerberin (YDD) beim Finanzamt vor, und wiederholte im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen. Er habe sein "Eigentum" an der Berufungswerberin von UY erworben. Die entsprechenden Unterlagen habe er dem Firmenbuch vorgelegt, woraufhin er am als Geschäftsführer und persönlich haftender Gesellschafter eingetragen worden sei. Das Lokal sei gemietet, die Einrichtung gehöre ihm. Im Hinblick auf die Übernahme der Geschäftsanteile "mit Jänner 2001" sei er der Meinung, dass "er" für die Umsatzsteuern der ihm unbekannten Firma G OEG nicht haftbar gemacht werden könne.
Mit Berufungsvorentscheidung vom wies das Finanzamt die Berufung als unbegründet ab. Die Firma KAY KEG sei in die Firma KAD KEG "umgewandelt" worden und somit als Rechtsnachfolger zugleich auch Betriebsnachfolger der Firma G OEG und daher für die offenen Umsatzsteuerbeträge haftbar.
Die Berufungswerberin beantragte mit Eingabe vom die Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz. Der Vertreter der Berufungswerberin führte darin aus, dass "er" im Jahr 2001 das Lokal von der Firma KAY KEG übernommen habe. Er hätte Einsicht in die Bücher bzw. den Schriftverkehr der Firma gehabt. Dort sei nirgends ein Schreiben vom Finanzamt aufgeschienen, woraus ersichtlich gewesen wäre, dass vom Vorgänger (Firma G OEG) oder von der Firma KAY KEG noch irgendwelche "offenen Beträge bestünden".
Über die Berufung wurde erwogen:
Wird ein Unternehmen oder ein im Rahmen eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im Ganzen übereignet, so haftet gemäß § 14 Abs. 1 BAO der Erwerber
a) für Abgaben, bei denen die Abgabepflicht sich auf den Betrieb des Unternehmens gründet, soweit die Abgaben auf die Zeit seit dem Beginn des letzten, vor der Übereignung liegenden Kalenderjahres entfallen;
b) für Steuerabzugsbeträge, die seit dem Beginn des letzten, vor der Übereignung liegenden Kalenderjahres abzuführen waren.
Dies gilt nur insoweit, als der Erwerber im Zeitpunkt der Übereignung die in Betracht kommenden Schulden kannte oder kennen musste und insoweit, als er an solchen Abgabenschuldigkeiten nicht schon so viel entrichtet hat, wie der Wert der übertragenen Gegenstände und Rechte (Besitzposten) ohne Abzug übernommener Schulden beträgt.
Im gegenständlichen Fall ist zunächst klarzustellen, dass die Erwerberhaftung vom Finanzamt nicht gegen YDD geltend gemacht wurde, der zuletzt als persönlich haftender Gesellschafter der Firma KAD KEG fungierte, sondern diese KEG als Haftungsschuldnerin in Anspruch genommen wurde.
Diese Gesellschaft führte den gastgewerblichen Betrieb in der S-Str. seit . Durch den Eintritt des YDD änderte sich nichts an der Rechtsidentität der KEG. Die Identität von Personengesellschaften des Handelsrechts wird durch einen Gesellschafterwechsel nicht berührt, selbst wenn sämtliche Gesellschafter gleichzeitig wechseln (Ritz, BAO², § 79 Tz 9 mit Judikaturnachweis). Auch die im Firmenwortlaut verwendete Bezeichnung "KA" wurde beibehalten. Lediglich der Zusatz Y wurde aufgrund des Gesellschafterwechsels in D geändert. Sonstige Änderungen des Gesellschaftsvertrages sind nicht ersichtlich, und wurden auch nicht im Firmenbuch eingetragen.
Die Haftungsregelung des § 14 BAO dient dem Zweck, die im Unternehmen (Betrieb) als solchem liegende Sicherung für die auf den Betrieb sich gründenden Abgabenschulden durch den Übergang des Unternehmens (Betriebes) in andere Hände nicht verloren gehen zu lassen. Die Haftung knüpft dabei an die Übereignung eines Unternehmens (oder eines im Rahmen eines Unternehmens gesondert geführten Betriebes) im Ganzen, also an den Übergang eines lebenden (lebensfähigen) Unternehmens bzw. Betriebes an; dabei müssen nicht alle zum Unternehmen (Betrieb) gehörigen Wirtschaftsgüter übereignet werden, sondern nur jene, welche die wesentliche Grundlage des Unternehmens (Betriebes) bilden und den Erwerber in die Lage versetzen, das Unternehmen fortzuführen.
Die Frage, welche Wirtschaftsgüter die wesentliche Grundlage des Unternehmens (Betriebes) bilden, ist in funktionaler Betrachtungsweise nach dem jeweiligen Unternehmens- bzw. Betriebstypus zu beantworten. Bei Gastronomieunternehmen zählen das Grundstück, das Gebäude und die Einrichtung, nicht jedoch das Warenlager und das Personal zu den wesentlichen Grundlagen des Unternehmens. Hinsichtlich der tragenden Unternehmensgrundlagen Lokal und Geschäftseinrichtung muss der Erwerber in der Lage sein, in den vorhandenen Betriebsräumen ohne wesentliche Unterbrechung einen dem vorangegangenen Betrieb gleichwertigen Gewerbebetrieb fortzuführen.
Unter "Übereignung" im Sinne des § 14 Abs. 1 BAO ist die Verschaffung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht anzusehen; es kommt nicht auf eine besondere zivilrechtliche Gestaltung an. Maßgebend ist somit der - wenn auch nicht unmittelbare - Übergang der wirtschaftlichen Verfügungsmacht vom Vorgänger auf den Erwerber. Von einem solchen Übergang kann auch dann gesprochen werden, wenn der Erwerber des Unternehmens einen neuen Mietvertrag mit dem Bestandgeber abschließt. Wurde die wirtschaftliche Verfügungsmacht über das Lokal verschafft und kann der Erwerber den Betrieb des Vorgängers in diesen Geschäftsräumen und mit dem gekauften Inventar fortführen, dann kann von einer Übereignung des Unternehmens nach § 14 Abs. 1 BAO auch dann ausgegangen werden, wenn der zur Haftung Herangezogene die Einrichtungsgegenstände und die Mietrechte über das Geschäftslokal von unterschiedlichen Personen erhalten hat und nicht in unmittelbarer Rechtsbeziehung mit dem Primärschuldner stand ().
Die Haftungsschuldnerin (nicht YDD sondern die Firma KAD KEG bzw. damals noch Firma KAY KEG) hat vom selben Vermieter wie die Primärschuldnerin (Firma G OEG) das Gastlokal in Bestand genommen.
Das Unternehmen konnte von der Haftungsschuldnerin auch ohne bedeutende Investitionen in den Geschäftsräumlichkeiten fortgeführt werden. In der Niederschrift vom über die Erhebung anlässlich der Neuaufnahme der Haftungsschuldnerin wurde unter anderem festgehalten, dass seit der Eröffnung des Lokals am nur Investitionen in Höhe von rund S 38.000,- getätigt worden waren. Die im Rumpfwirtschaftjahr 1999 erzielten Erlöse betrugen S 256.984,-. Insgesamt gesehen kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass die Berufungswerberin bedeutende Investitionen zur Fortführung des Unternehmens tätigen hätte müssen.
Hinsichtlich der Frage des Kennens oder Kennenmüssens der Abgabenschulden ist die Literatur und Judikatur zu § 1409 ABGB heranziehbar (Stoll, BAO, 169). Danach steht die Unkenntnis der Abgabenschuldigkeiten einer Haftungsinanspruchnahme insbesondere dann nicht entgegen, wenn der Erwerber bei gehöriger, allgemein üblicher Sorgfaltsanwendung von der Schuld hätte erfahren müssen. Hierbei ist jene Sorgfalt zugrunde zu legen, die bei gewöhnlichen Fähigkeiten angewendet werden kann, und darüber hinaus jene besondere Sorgfalt, die gerade ein Unternehmensübergang erfordert. Die so verstandene Sorgfalt erfordert die Einsichtnahme in die Geschäftsbücher, die Befragung des Veräußerers über die Passiven und die genaue Prüfung der dabei hervorgekommenen oder sonst bekannten Schulden. Die Auskunft des Veräußerers allein befreit den Erwerber nicht von der Pflicht, in die Geschäftsbücher Einsicht zu nehmen, andernfalls handelt er auf eigene Gefahr (, SZ 47/80 mwN).
Auch in diesem Zusammenhang ist neuerlich darauf hinzuweisen, dass nicht YDD, sondern die Haftungsschuldnerin (Firma KAD KEG bzw. damals noch Firma KAY KEG, vertreten durch UY) im Zeitpunkt des Überganges der wirtschaftlichen Verfügungsmacht über das Gastlokal sich über allfällige Abgabenrückstände der Primärschuldnerin (Firma G OEG) informieren hätte müssen, dies jedoch unterlassen hat. Dabei wäre bei Einsichtnahme in die Geschäftsunterlagen ohne Schwierigkeiten festzustellen gewesen, dass die Primärschuldnerin ihren abgabenrechtlichen Pflichten in keiner Weise nachgekommen war, und für das Jahr 1998 weder Umsatzsteuervoranmeldungen noch eine Jahresumsatzsteuererklärung eingereicht hatte.
Aber auch YDD hätte als Vertreter der Haftungsschuldnerin entgegen seinem Vorbringen im Vorlageantrag bei gehöriger, allgemein üblicher Sorgfaltsanwendung von der offenen haftungsgegenständlichen Umsatzsteuerforderung 1998 Kenntnis erlangen müssen. Diese Abgabe wurde mit Bescheid des Finanzamtes vom festgesetzt, und der Primärschuldnerin nachweislich zugestellt. In den Geschäftsunterlagen musste daher dieser Bescheid vorhanden gewesen sein. Es wären daher Erkundigungen über die Entrichtung dieser Abgabenschuld geboten gewesen. Selbst wenn sich dieser Bescheid nicht in den eingesehenen Geschäftsunterlagen befunden haben sollte, wäre jedenfalls auch für ihn erkennbar gewesen, dass für das Jahr 1998 weder Umsatzsteuervoranmeldungen noch eine Jahressteuererklärung eingereicht worden waren, die Primärschuldnerin also ihren abgabenrechtlichen Erklärungs- und Zahlungspflichten in keiner Weise nachgekommen war. Diese Umstände hätten jedenfalls den Verdacht bestehender Abgabenrückstände nahe gelegt, weshalb zumindest eine diesbezügliche Anfrage beim Finanzamt geboten gewesen wäre.
Insgesamt gesehen liegt daher der Berufungswerberin eine schuldhafte Unkenntnis der haftungsgegenständlichen Abgaben zur Last.
Die Haftung gemäß § 14 BAO besteht seit der Neufassung durch BGBl. 1992/448 nur insoweit, als der Erwerber an haftungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten nicht schon so viel entrichtet hat, wie der Wert der übertragenen Gegenstände und Rechte (Besitzposten) ohne Abzug übernommener Schulden beträgt.
Das Finanzamt forderte die Berufungswerberin im Vorhalt vom ausdrücklich auf, den Wert der übernommenen Aktiva bekannt zu geben. Dieser Aufforderung kam die Berufungswerberin nicht nach. Es besteht jedoch angesichts der Tatsache, dass sich das Gastlokal in Linzer Zentrumslage befindet, und wie bereits oben dargelegt keine bedeutenden Investitionen für die Fortführung des Geschäftsbetriebes erforderlich waren, kein Zweifel daran, dass die übernommenen Aktiva die gegenständliche Haftungsschuld von € 6.540,65 bei weitem übersteigen.
Die Haftungsinanspruchnahme des Erwerbers liegt im Ermessen der Abgabenbehörde. Wie bei jeder Ermessensübung ist vor allem der Zweck der Ermessen einräumenden Norm zu berücksichtigen. Bereits eingangs wurde ausgeführt, § 14 BAO diene dem Zweck, die im Unternehmen als solchem liegende Sicherung für die auf den Betrieb sich gründende Abgabenschuld durch den Übergang des Unternehmens nicht verloren gehen zu lassen. Bei der Ermessensübung ist ferner der Grundsatz der Nachrangigkeit der Haftung zu beachten, d.h. der Haftende darf in der Regel nur dann in Anspruch genommen werden, wenn die Einbringung der Abgabe beim Hauptschuldner gefährdet oder wesentlich erschwert ist. Im vorliegenden Fall wurde ein Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der Primärschuldnerin bereits mangels kostendeckenden Vermögens abgewiesen, sodass die haftungsgegenständlichen Abgaben bei der Primärschuldnerin tatsächlich uneinbringlich sind, weshalb für eine Abstandnahme von der Haftungsinanspruchnahme kein Raum blieb. Auch wurden von der Berufungswerberin keine Billigkeitsgründe vorgebracht, die einen Verzicht auf die Geltendmachung der Haftung rechtfertigen würden. Ein Teil der Haftungsschuld konnte bereits durch Umbuchung von Guthaben am Abgabenkonto der Haftungsschuldnerin auf das Abgabenkonto der Primärschuldnerin abgedeckt werden (€ 51,05 am und € 749,46 am ). In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass Zahlungen eines Haftungsschuldners zwar den von ihm zu entrichtenden Haftungsbetrag vermindern, aber nichts am grundsätzlich im Haftungsbescheid (im gegenständlichen Fall in der Berufungsentscheidung) aufzuerlegenden Umfang der Haftungspflicht ändern (vgl. ).
Insgesamt gesehen schlossen daher die überwiegenden Interessen des Abgabengläubigers an der Abgabeneinhebung eine andere Entscheidung als die Haftungsinanspruchnahme aus, und war somit spruchgemäß zu entscheiden.
Linz, am
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 14 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
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Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at