Widerruf von im Zuge eines außergerichtlichen Ausgleichs gelöschten Abgabenschuldigkeiten wegen Eröffnung eines Insolvenzverfahrens
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw., als Insolvenzverwalter der X., Y., vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Feldkirch vom betreffend Widerruf einer Löschung (§ 235 BAO iVm § 294 BAO) entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
Entscheidungsgründe
Im Zuge eines außergerichtlichen Ausgleichs wurden mit Bescheid vom Abgabenschuldigkeiten der X in Höhe von insgesamt 53.529,46 € gegen jederzeitigen Widerruf gemäß § 235 Abs. 1 BAO gelöscht. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, Abgabenansprüche seien einer zivilrechtlichen Disposition nicht zugänglich, die Abgabenbehörde könne daher auf die Einhebung der Abgaben nach § 1444 ABGB nicht rechtswirksam verzichten. Das Finanzamt sei jedoch bereit, eine teilweise Abschreibung nach den §§ 235, 236 BAO in Aussicht zu stellen, sofern durch diesen Vergleich eine in die Zukunft reichende Unternehmenssanierung gelinge. Sollte innerhalb eines Beobachtungszeitraumes von 5 Jahren festgestellt werden, dass die durch diesen Vergleich angestrebte Sanierung nicht erfolgt sei, bzw. das vorgelegte Zahlenmaterial nicht den tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnissen entsprochen habe, gelte der Vergleich als widerrufen.
Mit Beschluss des Landesgerichtes Feldkirch vom , xx, wurde über das Vermögen der Gesellschaft der Konkurs eröffnet. In der Folge widerrief das Finanzamt mit Bescheid vom die mit Bescheid vom verfügte Löschung von Abgaben mit der Begründung, der gelöschte Betrag sei deshalb wieder vorzuschreiben, weil der durchgeführte außergerichtliche Vergleich keine nachhaltige Sanierung nach sich gezogen habe.
In der gegen den Widerrufsbescheid fristgerecht eingebrachten Berufung wurde vorgebracht, ein außergerichtlicher Vergleich habe novierende Wirkung. Ein einseitiger Widerruf der auf Grund eines Vergleiches gelöschter Abgabenschuldigkeiten sei daher nicht möglich.
Mit Berufungsvorentscheidung vom wurde die Berufung im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, der Vorbehalt eines Widerrufs für den Fall des Nichteintritts einer nachhaltigen Sanierung sei zulässig. Gegenständlich sei der Eintritt der Insolvenz der X als Nichteintritt einer nachhaltigen Sanierung gewertet worden.
Im fristgerecht eingebrachten Vorlageantrag wurde auf die Ausführungen im Berufungsschriftsatz verwiesen und kein ergänzendes Vorbringen erstattet.
Über die Berufung wurde erwogen:
In Streit steht die Rechtmäßigkeit des bescheidmäßigen Widerrufs einer im Zuge eines außergerichtlichen Ausgleichs erfolgten Löschung von Abgabenschuldigkeiten.
Gemäß § 235 Abs. 1 BAO können fällige Abgabenschuldigkeiten von Amts wegen durch Abschreibung gelöscht werden, wenn alle Möglichkeiten der Einbringung erfolglos versucht worden oder Einbringungsmaßnahmen offenkundig aussichtslos sind und auf Grund der Sachlage nicht angenommen werden kann, dass sie zu einem späteren Zeitpunkt zu einem Erfolg führen werden. Gemäß Abs. 2 dieser Vorschrift erlischt der Abgabenanspruch durch die verfügte Abschreibung.
Wird die Abschreibung einer Abgabe widerrufen (§ 294), so lebt der Abgabenanspruch gemäß § 235 Abs. 3 BAO wieder auf. Für die Zahlung, die auf Grund des Widerrufes zu leisten ist, ist eine Frist von einem Monat zu setzen.
Gemäß § 294 Abs. 1 BAO ist eine Änderung oder Zurücknahme eines Bescheides, der Begünstigungen, Berechtigungen oder die Befreiung von Pflichten betrifft, durch die Abgabenbehörde - soweit nicht Widerruf oder Bedingungen vorbehalten sind - nur zulässig, wenn sich die tatsächlichen Verhältnisse geändert haben, die für die Erlassung des Bescheides maßgebend gewesen sind (lit. a), oder wenn das Vorhandensein dieser Verhältnisse auf Grund unrichtiger oder irreführender Angaben zu Unrecht angenommen worden ist (lit. b).
Der Berufungswerber erachtet einen Widerruf der im Rahmen eines außergerichtlichen Vergleiches gelöschten Abgabenschuldigkeiten deshalb als unzulässig, weil das Zivilrecht einem solchen Vergleich novierende Wirkung zuerkennt.
Dazu ist auszuführen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (z.B. ; ) und - darauf Bezug nehmend - des Unabhängigen Finanzsenates (siehe dazu ; RV/ 0358-G/08; ; Fischerlehner, Der außergerichtliche Ausgleich im Einklang mit der BAO, ÖStZ 2003, 95ff) Abmachungen zwischen dem Abgabengläubiger und dem Abgabenschuldner über den Inhalt der Abgabenschuld - etwa auch über einen gänzlichen Verzicht auf die Abgabenforderung - ohne abgabenrechtliche Bedeutung sind. Zulässig sind solche Vereinbarungen nur dann, wenn die Gesetze sie ausdrücklich vorsehen, wobei sich diese gesetzlichen Ermächtigungen lediglich dann als verfassungskonform erweisen, wenn die öffentlich-rechtlichen Verträge nur die Modalitäten der Abgabenerhebung (Berechnung der Bemessungsgrundlage, Fälligkeit etc.) und nicht die Steuerpflicht selbst betreffen, wenn im Gesetz Voraussetzungen und Inhalt hinreichend bestimmt sind und wenn in Streitfällen eine bescheidförmige Erledigung vorgesehen ist, sodass eine Prüfung der Gesetzmäßigkeit möglich ist (z.B. ). Insbesondere kann die Behörde ohne gesetzliche Ermächtigung auf die Erhebung von Abgaben nicht verzichten (vgl. Stoll, Das Steuerschuldverhältnis in seiner grundlegenden Bedeutung für die steuerliche Rechtsfindung, S. 81, FN 214). Ein allfälliger Verzicht wäre daher auch nicht rechtswirksam zustande gekommen.
Da Abgabenansprüche somit einer zivilrechtlichen Disposition nicht zugänglich sind, die Abgabenbehörde also nicht auf die Einhebung von Abgaben nach § 1444 ABGB rechtswirksam verzichten kann, ist die Zustimmung des Finanzamtes zu einem außergerichtlichen Ausgleichsvorschlag bzw. zu einer angebotenen Abschlagszahlung nur im Rahmen des Abgabenverfahrens nach den Bestimmungen der BAO möglich, und zwar entweder im Wege einer Abgabennachsicht nach § 236 BAO oder einer Löschung des die Ausgleichsquote übersteigenden Restrückstandes gemäß § 235 BAO.
Die Abschreibung einer Abgabe durch Löschung stellt eine abgabenrechtliche Begünstigung dar. Die oben zitierte Bestimmung des § 235 Abs. 3 BAO erwähnt ausdrücklich die Widerrufsmöglichkeit gemäß § 294 BAO. Daraus ergibt sich die grundsätzliche Anwendbarkeit des § 294 BAO für den Widerruf von Bescheiden über Löschungen (Ritz, BAO4, § 294 Tz 2 mit Judikaturnachweisen).
Vom Vorbehalt eines Widerrufs im Sinne der gesetzlichen Anordnung des § 294 Abs. 1 BAO in einem Bescheid kann allerdings nur dann gesprochen werden, wenn der vorbehaltene Widerruf ausreichend determiniert ist, das heißt, wenn der den Vorbehalt des Widerrufs enthaltende Bescheid erkennen lässt, unter welchen Umständen der Widerruf in Betracht kommt (siehe Ritz, BAO4, § 294 BAO Tz 7). Aber selbst wenn ein Löschungsbescheid eine Determinierung des darin vorbehaltenen Widerrufs nicht erkennen lässt, stünde der bescheidmäßige Widerruf der Löschung mit dem Gesetz dann im Einklang, wenn eine der in § 294 Abs. 1 lit. a oder lit. b BAO normierten Tatbestandsvoraussetzungen verwirklicht wäre.
Im Begründungsteil des Löschungsbescheides wurde expressis verbis ausgeführt, dass ein Widerruf dieser Begünstigung dann erfolgt, wenn die angestrebte Unternehmenssanierung nicht gelingt. Durch die Eröffnung des Konkursverfahrens am und die dadurch bedingte Einstellung des Unternehmens ist jene Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse eingetreten (§ 294 Abs. 1 lit. a BAO), für das sich die bescheiderlassende Behörde die Zurücknahme der Löschung vorbehalten hat. Somit wird der Widerruf der Löschung als sachlich gerechtfertigt erachtet und die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen des § 294 BAO als erfüllt angesehen.
Der Widerruf einer Löschung von Abgabenschulden liegt im Ermessen der Abgabenbehörde (Ritz, BAO4, § 294 Tz 7), die bei der Ermessensübung gemäß § 20 BAO die Grundsätze der Billigkeit und der Zweckmäßigkeit zu beachten hat. Unter Billigkeit ist dabei die Angemessenheit in Bezug auf berechtigte Interessen der Partei, und unter Zweckmäßigkeit das öffentliche Interesse insbesondere an der Einbringung der Abgaben zu verstehen.
Der Unabhängige Finanzsenat erachtet den Widerruf der Löschung deshalb als nicht unbillig, weil im Löschungsbescheid nicht nur der mit der Löschung verbundene Zweck - die Erhaltung des Unternehmens - ausdrücklich angeführt wurde, sondern auch die Folgen eines Scheiterns der Sanierungsbemühungen. Der Löschungswerber durfte daher nicht damit rechnen, dass ihm die Begünstigung im Falle der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens erhalten bleibt. Der gelöschte Betrag von 53.529,46 € ist auch nicht geringfügig. Gesamthaft wird daher der Widerruf der Löschung insbesondere deshalb als zweckmäßig angesehen, weil eine Hereinbringung zumindest eines Teiles der abgeschriebenen Abgabenverbindlichkeiten im gegenständlichen Insolvenzverfahren möglich erscheint.
Somit war spruchgemäß zu entscheiden.
Feldkirch, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 235 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 235 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 235 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 294 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Schlagworte | abgabenrechtliche Wirkung eines Vergleichs |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at