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Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 09.01.2009, RV/2468-W/07

1. KESt-Pflicht nicht kapitalgarantierter, in Daueremission begebener Indexzertifikate 2. Begebung vor dem 1.3.2004 gemäß § 124b Z 85 EStG?

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw, vertreten durch Steuerberater, gegen den Bescheid des Finanzamtes betreffend Abweisung eines Antrags auf Rückzahlung von Kapitalertragsteuer entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Entscheidungsgründe

Der Berufungswerber (Bw) stellte mit Schreiben vom einen auf § 240 BAO gestützten Antrag auf Rückerstattung zu Unrecht einbehaltener Kapitalertragsteuer (KESt) in Höhe von 1.421,78 € (eine vom Antrag weiters umfasste KESt in Höhe von 17,36 € ist nicht Gegenstand der Berufung). Er habe am im Erwerbszeitpunkt von der KESt befreite Zertifikate (100 Stück WPKN: DE0001369007) gekauft und diese am wieder verkauft. Die depotführende Bank habe im Verkaufszeitpunkt 1.421,78 KESt auf den Unterschiedsbetrag abgezogen.

Diese auf RZ 6197a der Einkommensteuerrichtlinien (EStRL) gegründete Vorgangsweise sei weder einfachgesetzlich noch verfassungsrechtlich korrekt. Obzwar der Bw die konkreten Stücke erst am erworben habe, seien diese bereits vor dem und damit auch eindeutig vor dem Stichtag emittiert worden. Obwohl RZ 6197a EStRL für den Fall, dass eine Emission nicht vor dem geschlossen wurde, vom Anleger den Nachweis verlange, dass er oder ein anderer Anleger die konkreten Stücke vor dem erworben habe, sei seiner Meinung nach der nachweisliche Erwerb der Stücke vor dem ausreichend. Andernfalls würde es zu ungerechtfertigten Ungleichbehandlungen von vor dem erworbenen Stücken kommen, je nach dem, ob der Emittent die Emission geschlossen habe oder nicht. Ziel der Neuregelung sei es gewesen, zu verhindern, dass nach dem noch weitere neue Stücke einer steuerfreien Altemission begeben werden. Aus dieser Sicht scheine die Nachweisfrist überschießend. Auch die nachträgliche Verschärfung der Übergangsbestimmung des § 124b Z 85 EStG sei generell gesetzlich in keiner Weise gedeckt.

Das Finanzamt wies den Antrag mit Bescheid vom ab. Für die dem Antrag zu Grunde liegenden Wertpapiere normiere § 124 Z 85 EStG die Nichtanwendung des § 27 Abs. 2 Z 2 EStG, wenn nachgewiesen werde, dass die Kapitalanlagen vor dem begeben worden seien. Aus der Formulierung "Die Kapitalanlagen ..." sei abzuleiten, dass die Nachweisführung für die konkret erworbenen Wertpapiere erforderlich sei.

Da der Bw die Notwendigkeit der Nachweisführung bestreite, scheine es nicht erforderlich, ihn neuerlich dazu aufzufordern. Eine amtswegige Ermittlung des Begebungszeitpunktes sei mangels entsprechender Informationen über die konkreten Stücke nicht möglich.

Der Abgabenbehörde sei keine gleichheitswidrige oder denkunmögliche Rechtsanwendung vorzuwerfen, wenn sie eine gesetzlich vorgesehene Nachweisführung verlange, obwohl bei einer vergleichbaren Sachverhaltskonstellation die in einer Rechtsauffassung des BMF gedeckte Verwaltungspraxis auf eine Nachweisführung verzichte.

In der dagegen erhobenen Berufung wird ausgeführt, dass der Bw am über ein inländisches Kreditinstitut 100 Stück des von der Commerzbank emittierten Zertifikats auf den PTX (Polish Traded Index) zum Kurs von 130,31 € erworben und die gesamten Stücke am zum Kurs von 194,13 € veräußert habe.

Noch vor dem Erwerb habe der Bw Erkundigungen bezüglich der steuerlichen Qualifikation des gegenständlichen Wertpapiers eingeholt und von seiner Bank die Auskunft erhalten, dass es sich, da das Zertifikat bereits am begeben worden sei, um eine von der KESt befreite Altemission handle. Im Zeitpunkt des Verkaufs sei dann dennoch überraschenderweise KESt abgezogen worden.

Im Zeitpunkt des Erwerbs des Wertpapiers durch den Bw habe § 124b Z 85 EStG normiert, dass § 27 Abs. 2 Z 2 nicht auf Kapitalanlagen anzuwenden sei, deren Verzinsung nur von der Entwicklung eines (bestehenden oder künstlich geschaffenen) Wertpapierindex oder eines vergleichbaren Index abhängig sei, wenn die Kapitalanlagen vor dem begeben worden seien und rechtlich oder faktisch eine Kapitalrückzahlung von nicht mehr als 20 % des bei der Begebung eingesetzten Kapitals garantiert gewesen sei.

Kapitalanlagen, die sogenannte Indexpapiere darstellten, nicht kapitalgarantiert waren und vor dem begeben wurden, würden daher zu keinen steuerpflichtigen Kapitaleinkünften führen und daher von der KESt zu befreien sein.

Dass die Verzinsung des gegenständlichen Zertifikats von der Entwicklung eines Index abhängig sei und keinerlei Kapitalgarantie bestehe, stehe, wie die beiliegenden Emissionsbedingungen zeigten, außer Zweifel. Zu klären sei daher nur die Frage, ob die Kapitalanlagen vor dem begeben wurden.

Nach Ansicht der Finanzverwaltung (RZ 6197 EStRL: "... wenn der Laufzeitbeginn gemäß Emissionsbedingungen vor dem gelegen ist...") sei für die Bestimmung des Zeitpunktes der Begebung die erstmalige Begebung eines Wertpapiers maßgeblich. Dass damit jedenfalls nicht der Zeitpunkt der Begebung von konkreten Stücken, sondern nur der Emission in ihrer Gesamtheit gemeint sein konnte, liege in der Natur der Sache, da es einen Laufzeitbeginn gemäß Emissionsbedingungen nur für eine Emission in ihrer Gesamtheit, und nicht für konkrete Stücke, geben könne.

Auch nach teleologischer Interpretation komme man zu diesem Ergebnis. Hätte der Gesetzgeber auf den Zeitpunkt des Erwerbs abstellen wollen, so hätte die Bestimmung entsprechend anders gelautet. Dies komme auch ganz klar in den erläuternden Bemerkungen zum Ausdruck, wonach "damit (gemeint sei das Erkenntnis des ) die Gefahr bestünde, dass sich am Markt befindliche Wertpapiere dieser Art gleichsam rückwirkend einem neuen Besteuerungsregime (...) unterworfen werden".

Schließlich wäre es auch den Banken gar nicht technisch möglich gewesen, bei Durchführung des KESt Abzugs auf das Ausgabedatum konkreter Stücke abzustellen. Die Banken könnten bei Qualifikation eines Wertpapiers immer nur an den einer ISIN zugeordneten KESt Status anknüpfen und alle ISINS könnten nur gleich behandelt werden. Da der KESt Status aller nicht vor dem geschlossenen Emissionen auf kest pflichtig gestellt worden sei, liege es am einzelnen Investor, den Laufzeitbeginn nachzuweisen.

Im Rahmen der bei Auslandssachverhalten erhöhten Mitwirkungspflicht verweise der Bw auf die beigelegten Emissionsbedingungen. Dort seien WPKN und ISIN vermerkt und es gehe daraus zudem hervor, dass der Laufzeitbeginn vor dem liege.

Ersichtlich sei aus den Emissionsbedingungen weiters, dass es sich um eine Daueremission mit begrenztem Volumen (250.000 Zertifikate bzw. 17.750.000,00 €) handle. Auf Grund aufgetretener Zweifelsfragen betreffend die Anwendbarkeit der Übergangsbestimmung des § 124b Z 85 EStG auf Daueremissionen mit begrenztem Volumen habe das BMF RZ 6197 EStRL ergänzt bzw. überraschend mitgeteilt, dass solche Emissionen nur dann unter die Übergangsbestimmung fielen, wenn die betreffende Emission vor dem geschlossen werde. Würde vor dem keine Schließung der Emission erfolgen, hätte der Anleger im Rahmen seiner erhöhten Mitwirkungspflicht nachzuweisen, dass sein konkretes Stück von ihm oder einem anderen Anleger vor dem erworbene worden sei.

Damit sei es zu einer klar rückwirkenden Änderung bzw. Verschärfung der seinerzeitigen Interpretation der Übergangsbestimmung gekommen. Dies sei durch das Gesetz in keiner Weise gedeckt und widerspreche zudem dem Grundsatz von Treu und Glauben. Davon abgesehen müsse es jedenfalls ausreichend sein, wenn die konkreten Stücke, wie im Falle des Bw, vor dem erworben worden seien.

Durch das rückwirkende Einziehen eines früheren Stichtags würde es zu einer offenkundigen Ungleichbehandlung von Investoren, die zwischen und Altemissionen im guten Glauben erworben haben, kommen; jene Anleger, die zufällig Wertpapiere erworben hätten, deren Emission vor dem geschlossen wurde, könnten die Erträge steuerfrei vereinnahmen, während die Erträge der anderen Anleger steuerpflichtig wären. Noch heute könnten Anleger problemlos steuerfreie Altemissionen (d.h. Erstauflage vor dem und Schließung vor dem ) erwerben. Lediglich das per bestehende Volumen solcher Papiere hätte nicht ausgeweitet werden können.

Dies zeige, dass der Gesetzgeber nicht den Erwerb steuerfreier Stücke mit einem bestimmten Datum verhindern habe wollen, sondern lediglich, dass ab keine steuerfreien Produkte mehr auf den Markt kommen.

Den Nachweis, dass die Wertpapiere vor dem begeben worden seien, habe der Bw durch die Vorlage der Emissionsbedingungen erbracht. Der in RZ 6197a EStRL vom Anleger verlangte Nachweis, dass sein konkretes Stück zuvor von einem anderen Anleger vor dem erworben worden sei, sei völlig praxisfremd und undurchführbar. Nicht einmal die Emittenten oder die depotführende Bank könne unterscheiden, ob Stücke eines Zertifikats, die im Zeitraum zwischen dem und am Sekundärmarkt erworben wurden, erstmals vor oder nach dem ausgegeben worden seien. Es sei daher durchaus möglich, dass die vom Bw am erworbenen Stücke schon vor dem in Umlauf gewesen seien. Ein Nachweis dafür könne jedoch unmöglich erbracht werden (außer es wären unter Ausschaltung des öffentlichen Sekundärmarkts Stücke im Wege des direkten Depotübertrags von einem Dritten erworben worden). Ein solcher Nachweis könne daher nicht einmal im Rahmen der erhöhten Mitwirkungspflicht verlangt werden.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 27 Abs. 2 Z 2 EStG gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen auch Unterschiedsbeträge zwischen dem Ausgabewert eines Wertpapiers und dem im Wertpapier festgelegten Einlösungswert, wenn diese 2% des Wertpapiernominales übersteigen. Die anteiligen Kapitalerträge gehören gemäß § 27 Abs. 2 Z 5 bei Kapitalvermögen im Sinne des Abs. 2 Z 2 auch insoweit zu den Einkünften aus Kapitalvermögen, als sie im Erlös aus der Veräußerung oder der Einlösung eines Wertpapiers berücksichtigt werden.

Gemäß § 93 Abs. 4 Z 3 EStG sind kapitalertragsteuerpflichtig auch Unterschiedsbeträge gemäß § 27 Abs. 2 Z 2. Gemäß § 95 Abs. 4 Z 3 EStG gelten für Zwecke der Einbehaltung der Kapitalertragsteuer Kapitalerträge aus Forderungswertpapieren im Zeitpunkt der Fälligkeit der Kapitalerträge und im Zeitpunkt des Zufließens (§ 19) anteiliger Kapitalerträge anlässlich der Veräußerung des Wertpapiers oder des Wertpapierkupons als zugeflossen.

Gemäß § 124b Z 85 EStG in der für den Streitfall geltenden Fassung ist § 27 Abs. 2 Z 2 nicht auf Kapitalanlagen anzuwenden, deren Verzinsung nur von der Entwicklung eines (bestehenden oder künstlich geschaffenen) Wertpapierindex oder eines vergleichbaren Index abhängig ist, wenn a) die Kapitalanlagen vor dem begeben wurden und b) rechtlich oder faktisch eine Kapitalrückzahlung von nicht mehr als 20% des bei der Begebung eingesetzten Kapitals garantiert ist.

Die Übergangsregelung des § 124b Z 85 EStG wurde mit dem BudBG 2003 (BGBl I Nr. 71/2003) als Reaktion auf das Erkenntnis des , geschaffen, mit dem Ziel, dass Indexpapiere, die vor dem begeben wurden, nicht rückwirkend einem "neuen" Besteuerungsregime unterworfen werden. Für Indexzertifikate, die vor dem begeben wurden, wurde die damalige Verwaltungspraxis gesetzlich verankert. Derartige Finanzprodukte führen nur dann zu Einkünften aus Kapitalvermögen nach § 27 Abs. 2 Z 2 EStG, wenn sie zumindest 20% kapitalgarantiert sind. Indexpapiere mit einer Kapitalgarantie von weniger als 20% führen dagegen allenfalls zu Einkünften aus Spekulationsgeschäften (vgl. Schuchter, Indexzertifikate im Abgabenrecht, taxlex 2007, 291).

Im konkreten Fall ist unbestritten, dass der Bw eine Kapitalanlage erworben hat, deren Verzinsung nur von der Entwicklung eines Index abhängig ist (von der deutschen Commerzbank emittiertes Zertifikat auf den Polish Traded Index, für das die Emissionsbedingungen keinen laufenden Kupon, sondern die Einlösung zu einem am PTX orientierten Einlösungsbetrag vorsehen) und dass eine Kapitalgarantie für das eingesetzte Kapital nicht bestanden hat. Streit besteht darüber, ob die weitere in § 124b Z 85 EStG normierte Voraussetzung, dass die Kapitalanlage vor dem begeben wurde, erfüllt ist.

Nach dem Vorbringen des Bw wurde das gegenständliche Zertifikat als Daueremission begeben. Der Bw führt dazu unter Berufung auf RZ 6197 der EStRL, wonach eine Begebung im Sinne des § 124b Z 85 EStG vorliege, wenn der Laufzeitbeginn gemäß Emissionsbedingungen vor dem gelegen sei, aus, dass mit dem Zeitpunkt der Begebung nicht die Begebung von konkreten Stücken, sondern nur die Emission in ihrer Gesamtheit gemeint sein könne, einen Laufzeitbeginn gemäß Emissionsbedingungen könne es nur für die Emission in ihrer Gesamtheit geben. Aus den Emissionsbedingungen gehe hervor, dass der Laufzeitbeginn des gegenständlichen Produkts vor dem gelegen sei (laut dem vom Bw vorgelegten Nachtrag Nr. 113 zum unvollständigen Verkaufsprospekt wurden die Zertifikate von der Commerzbank vom an zum anfänglichen Verkaufspreis von 71,00 € freibleibend zum Verkauf gestellt).

§ 124b Z 85 EStG differenziert hinsichtlich der Frage, ob Unterschiedsbeträge aus nicht kapitalgarantierten Indexzertifikaten unter § 27 Abs. 2 Z 2 EStG fallen und daher gemäß § 93 Abs. 4 Z 3 EStG der Kapitalertragsteuer unterliegen, nach dem Emissionszeitpunkt.

Unter Emission versteht man die Ausgabe von neuen Wertpapieren; Emittieren ist das Ausgeben ("begeben") von Wertpapieren; bei Einmalemissionen liegen die Forderungspapiere nur wenige Tage zum Ersterwerb auf; von Daueremission spricht man, wenn ein Forderungspapier mit der gleichen Ausstattung über einen längeren Zeitraum am Primärmarkt zum Ersterwerb angeboten wird (http://www.wienerborse.at/beginner/lexicon).

Wenn § 124b Z 85 EStG darauf abstellt, ob eine Kapitalanlage vor dem "begeben" wurde, so geht es diesem Begriffsverständnis folgend darum, wann im Zuge einer Emission der Ersterwerb des betreffenden Wertpapiers stattgefunden hat. Es kann dabei keinen Unterschied machen, ob die Emission, also das "Begeben" eines neuen Wertpapiers, im Rahmen einer Einmalemission oder im Rahmen einer Daueremission erfolgt. Auch bei einer Daueremission findet der "Ersterwerb" mit der Zeichnung bzw. dem erstmaligen Kauf des Wertpapiers durch einen Anleger statt, bis dahin wird das Wertpapier vom Emittenten eben nur zum Ersterwerb angeboten. Wurde daher ein Wertpapier im Rahmen einer Daueremission erst am oder nach dem von einem Anleger (erstmals) gezeichnet, dann hat der Ersterwerb eben erst zu diesem Zeitpunkt stattgefunden; das Wertpapier wurde diesfalls nicht vor dem begeben.

Für dieses Ergebnis spricht auch, dass § 124b Z 85 EStG mit der Wortfolge "des bei der Begebung eingesetzten Kapitals" erkennbar von einem zeitlichen Zusammenfallen von "Begebung" und "Kapitaleinsatz" ausgeht. Einen Kapitaleinsatz leistet ein Anleger aber erst dann, wenn er das Wertpapier konkret zeichnet bzw. erwirbt. Wenn der - anlässlich des Ersterwerbs eines Wertpapiers getätigte - Kapitaleinsatz am oder nach dem getätigt wurde, so hat folglich die Begebung im Sinne des § 124b Z 85 EStG, auch wenn es sich um eine bereits vor dem erstmals angebotene Daueremission gehandelt hat, ebenfalls erst zu diesem Zeitpunkt stattgefunden.

Entgegen der Meinung des Bw ist daher das Erfordernis des "Begebens" in § 124b Z 85 EStG dahingehend zu verstehen, dass es auch bei in Daueremission ausgegebenen Wertpapieren darauf ankommt, wann das betreffende, konkrete Wertpapier begeben wurde, also der Ersterwerb des konkreten Zertifikats stattgefunden hat.

Die Ausführungen in den Erläuternden Bemerkungen zum BudBG 2003, es solle ausgeschlossen werden, dass am Markt befindliche Wertpapiere gleichsam rückwirkend steuerpflichtig werden, stehen dem nicht entgegen. Ein Wertpapier, dessen Ersterwerb zum noch nicht stattgefunden hatte, befand sich noch nicht am Markt, gleichviel ob das Wertpapier ab diesem Zeitpunkt im Rahmen einer Einmalemission oder im Rahmen einer - bereits vor diesem Zeitpunkt zur Zeichnung aufgelegten - Daueremission begeben wurde, weshalb ein solches Wertpapier auch nicht rückwirkend in eine Steuerpflicht einbezogen werden konnte.

Dass die Einkommensteuerrichtlinien, um eine Behandlung der Wertveränderungen als kapitalertragsteuerpflichtige Zinsen hintanzuhalten, es bei Daueremissionen mit begrenztem Volumen genügen lassen, wenn die Emission bis zum geschlossen wurde, vermag dem Bw nicht zum Erfolg zu verhelfen, da die Einkommensteuerrichtlinien keine bindende Rechtsgrundlage darstellen. § 124b Z 85 EStG in der Fassung des BudGB 2007, BGBl I Nr. 24/2007, kundgemacht am , das diese Verwaltungspraxis gesetzlich verankert hat, ist auf den vorliegenden Fall noch nicht anzuwenden. Davon abgesehen hat der Bw nicht vorgebracht, dass die konkrete Emission bis zum fraglichen Zeitpunkt geschlossen worden wäre.

In Bezug auf die vom Bw gerügte Verletzung des Grundsatzes von Treu und Glauben durch "eine völlige Kehrtwendung der ursprünglichen Rechtsansicht des BMF", die zu einer rückwirkenden Änderung bzw. Verschärfung der seinerzeitigen (RZ 6197 EStRL) Interpretation der Übergangsbestimmung des § 124b Z 85 EStG geführt habe, ist darauf hinzuweisen, dass Erlässen oder Richtlinien unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben nicht eine vergleichbare Wirkung beizumessen ist wie einer verbindlichen Zusage oder Auskunft für den Einzelfall, weil der Grundsatz von Treu und Glauben ein konkretes Verhältnis zwischen dem Abgabepflichtigen und der Abgabenbehörde voraussetzt, bei dem allein sich eine Vertrauenssituation bilden kann (). Dass dem Bw von der Abgabenbehörde eine verbindliche Zusage oder Auskunft im Zusammenhang mit dem Wertpapierkauf erteilt worden wäre, kann seinem Vorbringen nicht entnommen werden.

Der Bw hat das in Rede stehende Indexzertifikat am (auf dem Sekundärmarkt) erworben. Die Entscheidung der Frage, ob der anlässlich des Verkaufs des Zertifikats am realisierte Unterschiedsbetrag der Kapitalertragsteuer unterliegt, hängt davon ab, ob der Ersterwerb dieses konkreten Wertpapiers vor oder ab dem stattgefunden hat.

Der Bw hat keinen Versuch unternommen, einen Nachweis über den Zeitpunkt der Begebung zu erbringen. Dieser Nachweis oblag ihm allerdings bereits auf Grund seiner infolge des vorliegenden Auslandsbezugs und des auf die Erlangung einer abgabenrechlichen Begünstigung gerichteten Begehrens erhöhten Mitwirkungspflicht; die amtswegigen Ermittlungsmöglichkeiten sind konkret auch wegen des Bankgeheimnisses eingeschränkt (vgl. Ritz, BAO Kommentar³, § 115, Tz 10ff und die dort zitierte Judikatur).

Vor dem Hintergrund der unterlassenen Nachweisführung ist ausgehend davon, dass der einzig bekannte Sachverhalt - der Bw hat das konkrete Zertifikat im Juli 2005 erworben; die Ausgabe erfolgte im Rahmen einer Daueremission, die unstrittig über den hinausreichte - keine Anhaltspunkte für eine bereits vor dem erfolgte Begebung bietet, im Rahmen der Beweiswürdigung die Feststellung zu treffen, dass die in § 124b Z 85 EStG normierte Ausnahme vom Vorliegen kapitalertragsteuerpflichtiger Kapitaleinkünfte nicht gegeben ist.

Sollte eine Nachweisführung hinsichtlich des Zeitpunktes der Begebung, wie dies der Bw in der Berufung vorträgt, tatsächlich unmöglich sein, so würde sich diese Unmöglichkeit der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts ebenfalls zulasten des Bw auswirken.

Wenn Tatsachenfeststellungen nicht getroffen werden können, trifft nämlich die Beweislast denjenigen, zu dessen Gunsten die entsprechende Tatsache wirken würde: Die Abgabenbehörde hat damit die Beweislast für Tatsachen zu tragen, die den Abgabenanspruch begründen, der Steuerpflichtige für Tatsachen, die Begünstigungen, Steuerermäßigungen u.ä. begründen bzw. den Abgabenanspruch einschränken oder aufheben oder eine (ihn treffende) gesetzliche Vermutung widerlegen (Doralt/Ruppe, Grundriss des österreichischen Steuerrechts, II, Tz 526; Stoll, BAO, S. 238; ; ).

§ 27 Abs. 2 Z 2 und Z 5 EStG normieren eine Steuerpflicht für Unterschiedsbeträge zwischen dem Ausgabe- und dem Einlösungswert eines Wertpapiers sowie für bei einer Veräußerung aus solchem Kapitalvermögen erzielte anteilige Kapitalerträge, wobei die Steuer von diesen Kapitalerträgen gemäß § 93 Abs. 4 Z 3 EStG bzw. § 95 Abs. 4 Z 3 EStG durch Abzug von Kapitalertragsteuer zu erheben ist. § 124b Z 85 EStG schränkt diesen Abgabenanspruch bei nicht kapitalgarantierten Indexpapieren ein, indem derartige Kapitalanlagen von den Einkünften gemäß § 27 Abs. 2 Z 2 EStG ausgenommen werden, wenn sie vor dem begeben wurden. Die Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen für diese Einschränkung des Abgabenanspruchs trifft nach dem zuvor Gesagten den Bw. Da das Vorliegen dieser Voraussetzungen nach dem Vorbringen des Bw nicht festgestellt werden kann, kann seinem Antrag auch aus diesem Grund nicht Folge geleistet werden.

Die Berufung war daher spruchgemäß abzuweisen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Schlagworte
KESt
Kapitalertragsteuer
kapitalgarantiert
Indexzertifikate
Daueremission
Verweise

Schuchter, Indexzertifikate im Abgabenrecht, taxlex 2007, 291

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at