Familienbeihilfe wird nur auf Antrag gewährt
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., vertreten durch Dr. Herbert Wabnegg, Rechtsanwalt, 1010 Wien, Bösendorferstrasse 7, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 2/20/21/22, vertreten durch Mag. Irene König, vom betreffend Abweisung eines Antrages vom auf "Familienbeihilfe für das Kind G J geb. XX.XX.XXXX für die Zeit vom 9/2000 bis 4/2004" entschieden:
Der Berufung wird Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 289 Abs. 2 BAO aufgehoben.
Entscheidungsgründe
Am überreichte die Bw. persönlich dem Finanzamt Wien 21/22 mit dem Formular Beih 1 einen Antrag auf Familienbeihilfe für ihre im Jahr 1993 geborene Tochter J. Laut Eintragung auf Seite 2 oben des Formulars werde die Gewährung der Familienbeihilfe ab "5/2004" beantragt.
Die Bw. wohne in Wien 21, sei von Beruf selbständige Marktfahrerin, ledig und allein erziehend. Sie sei ungarische Staatsbürgerin.
Auch J sei ungarische Staatsbürgerin, lebe bei der Bw. und besuche eine kooperative Mittelschule in Wien 21.
Beigelegt war eine ins Deutsche übersetzte Geburtsurkunde von J und Bestätigungen aus dem Zentralen Melderegister, wonach hervorgeht, dass die Bw. seit dem und ihre Tochter seit dem an der angegebenen Adresse in Wien 21 (Hauptwohnsitz) gemeldet seien.
Einer vom Finanzamt am vorgenommenen Versicherungsdatenabfrage zufolge war die Bw. bei zwei Dienstgebern beschäftigt (MS, Foto W Video Handelsgesellschaft m.b.H.) und auch bei der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft versichert.
Am übersendete das Finanzamt der Bw. einen Vorhalt, in dem diese gebeten wurde, sowohl eine Arbeitserlaubnis, als auch eine Dienstgeberbestätigung bis vorzulegen.
Hierauf übermittelte die Bw. am einen Auszug aus dem Gewerberegister vom , wonach die Bw. am an ihrer Wohnsitzadresse das Gewerbe des Marktfahrers angemeldet.
Nachdem das Finanzamt weder die Familienbeihilfe ausbezahlte noch weitere Ermittlungsschritte setzte, gab am der rechtsfreundliche Vertreter dem Finanzamt seine gem. § 8 RAO erteilte Vollmacht bekannt und ersuchte um Mitteilung, ob noch weitere Unterlagen benötigt werden. Seine Mandantin habe am einen Antrag auf Familienbeilhilfe gestellt, über welchen seitens des Finanzamtes noch nicht beschieden worden sei.
In weiterer Folge kam es im Juli 2006 zu einem Telefongespräch zwischen dem rechtsfreundlichen Vertreter und dem Finanzamt, über dessen Inhalt sich den Akten nichts entnehmen lässt.
Mit Schriftsatz vom wurde vom rechtsfreundlichen Vertreter um Übersendung des vom Finanzamt offenbar im Telefonat vom Juli 2006 angekündigten Ersuchens um Ergänzung der noch benötigten Unterlagen ersucht.
Das Finanzamt erstellte hierauf am einen Versicherungsdatenauszug der Bw., wonach sie vom bis zum als Arbeiterin (bei MS ) und seit dem gewerblich selbständig erwerbstätig gewesen sei. Vom bis zum war sie außerdem noch geringfügig beschäftigt (bei Foto W).
Aktenkundig ist auch ein Einkommensteuerbescheid der Bw. für das Kalenderjahr 2004 vom , der Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von € 3.872,13 ausweist.
Am langte am Finanzamt ein Schreiben der Botschaft der Republik Ungarn, Konsularabteilung, ein, aus dem hervorgeht, dass sich die Bw. an die Botschaft um Hilfe gewandt habe. Seit November 2004 sei die Bw. in Österreich als Unternehmerin tätig. Sie habe alle verlangten Unterlagen dem Finanzamt zur Verfügung gestellt, der Antrag auf Familienbeihilfe sei aber bis heute nicht erledigt worden. Das Verfahren dauere schon jahrelang. Die Bw. habe schon mehrmals versucht, sich nach der Ursache der Verzögerung zu erkundigen, habe allerdings keine Auskunft erhalten. Die Konsularabteilung bitte höflich um Auskunft, wann mit einem Bescheid des Finanzamtes gerechnet werden könne.
Offenbar wurde in weiterer Folge vom Finanzamt am ein Ergänzungsersuchen gestellt, dessen Inhalt sich jedoch nicht dem vorgelegten Familienbeihilfenakt entnehmen lässt.
Auf dieses Ergänzungsersuchen reagierte der rechtsfreundliche Vertreter mit Schreiben vom mit einem Fristverlängerungsansuchen betreffend Vorlage der vom Finanzamt angeforderten ungarischen Dokumente.
Wie aus einem Aktenvermerk vom in dem vom Finanzamt vorgelegten Familienbeihilfenakt hervorgeht, wurde das Formular E 411 (Anfrage betreffend Anspruch auf Familienleistungen in dem Mitgliedstaat, in dem die Familienangehörigen wohnen) "an die ungarischen Behörden geschickt".
Am teilte der rechtsfreundliche Vertreter im Auftrag seiner Mandantin mit, dass "sie die in Ihrem Ersuchen um Ergänzung angeforderten ungarischen Dokumente noch immer nicht von der zuständigen ungarischen Behörde ausgefolgt erhalten hat. Dies wird noch eine Weile in Anspruch nehmen. Wir ersuchen daher um Erstreckung der für die Vorlage der Urkunden festgesetzten Frist bis zum ".
Am langten vom rechtsfreundlichen Vertreter "in Entsprechung des Ersuchens vom " folgende Beilagen ein:
sechs Jahreszeugnisse für J für die Jahre 2001 bis 2006 (Ganztagesvolksschule in Wien 21, kooperative Mittelschule in Wien 21,
eine Einnahmen-Ausgaben-Rechnung für das Jahr 2004 und das Jahr 2005,
eine Arbeitsbestätigung, ausgestellt von Herrn MS für den Zeitraum 22.3. bis . Die Bw. habe in diesem Zeitraum bei ihm als Kassiererin gearbeitet.
Ein Schreiben des ungarischen Schatzamtes vom , aus dem hervorgehe, dass das Formular E 411 lediglich auf Ersuchen der zuständigen österreichischen Behörde ausgestellt werde, ist entgegen dem Vorbringen des rechtsfreundlichen Vertreters nicht aktenkundig.
Wie der rechtsfreundliche Vertreter in diesem Schreiben darüber hinaus ausführt, sei es richtig, dass die Bw. und ihre Tochter erst ab dem Jahre 2003 in Österreich amtlich gemeldet seien.
Die Tatsache, dass diese bereits seit September 2000 in Österreich wohnhaft seien, ergäbe sich jedoch unzweifelhaft aus den vorgelegten Schulzeugnissen. Einer Arbeit sei die Bw. im Zeitraum September 2000 bis inkl. Februar 2003 nicht nachgegangen; sie sei vielmehr in diesem Zeitraum von ihren Eltern unterstützt worden.
Am ersuchte der rechtsfreundliche Vertreter schriftlich um Mitteilung des Verfahrensstandes. Es stünde unzweifelhaft fest, dass J zum gegenwärtigen Zeitpunkt in Österreich in die Schule gehe und gemeinsam mit ihrer Mutter in Österreich lebe. Es stünde der Bw. auf jeden Fall die laufende Familienbeihilfe zu.
In einem Schreiben an das Finanzamt vom wiederholte der rechtsfreundliche Vertreter sein Vorbringen vom und erklärte, dass die Rechtsgrundlage für den Aufenthalt der Bw. im Zeitraum September 2000 bis inklusive Februar 2003 Touristenvisa gewesen seien.
Es könnten daher weder Aufenthaltsbewilligung, noch Arbeitserlaubnis, noch Dienstgeberbestätigung für diesen Zeitraum vorgelegt werden.
Mit Datum erließ das Finanzamt Wien 2/20/21/22 an die Bw. einen "Abweisungsbescheid", dessen Spruch wie folgt lautet:
"Ihr Antrag vom auf Familienbeihilfe für das Kind J, geb. XX.XX.XXXX, für die Zeit 9/2000 bis 4/2004 wird abgewiesen."
Begründend führte das Finanzamt aus, dass gem. § 3 Abs. 1 FLAG 1967 in der bis gültigen Fassung Personen, die nicht österreichische Staatsbürger seien, nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe hätten, wenn sie im Bundesgebiet bei einem Dienstgeber beschäftigt seien und aus dieser Beschäftigung Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erhielten. Gem. § 2 Abs. 8 FLAG 1967 hätten Personen, die sowohl im Bundesgebiet als auch im Ausland einen Wohnsitz hätten, nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie den Mittelpunkt der Lebensinteressen im Bundesgebiet hätten und sich ihre Kinder ständig im Bundesgebiet aufhielten. Diese Anspruchsvoraussetzungen hätten für den Zeitraum September 2000 bis April 2004 nicht nachgewiesen werden können. Über den Antrag ab dem Zeitraum ab dem EU-Beitritt Ungarns werde gesondert entschieden.
Am erhob der rechtsfreundliche Vertreter gegen den genannten Bescheid das Rechtsmittel der Berufung und führte darin aus:
"I. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde mein Antrag vom auf Familienbeihilfe für meine Tochter J G, geboren XX.XX.XXXX im Wesentlichen mit der Begründung, daß ich meine Lebensinteressen im oa. Zeitraum nicht im Bundesgebiet hatte und sich meine Tochter nicht ständig im Bundesgebiet aufgehalten hat, und ich nicht in Österreich bei einem Dienstgeber beschäftigt gewesen bin und aus dieser Beschäftigung keine Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erhalten habe, abgewiesen.
Die maßgeblichen anzuwendenden Rechtsvorschriften lauten:
§ 3 FLAG in der bis zum gültigen Fassung
Abs 1: Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind, haben nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie im Bundesgebiet bei einem Dienstgeber beschäftigt sind und aus dieser Beschäftigung Einkünfte aus nicht selbständiger Arbeit oder zufolge einer solchen Beschäftigung Bezüge aus der gesetzlichen Krankenversicherung im Bundesgebiet beziehen; kein Anspruch besteht jedoch, wenn die Beschäftigung nicht länger als drei Monate dauert. Kein Anspruch besteht außerdem, wenn die Beschäftigung gegen bestehende Vorschriften über die Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer verstößt.
Abs 2 : Abs 1 gilt nicht für Personen, die sich seit mindestens 60 Kalendermonaten ständig im Bundesgebiet aufhalten sowie für Staatenlose und Flüchtlinge im Sinne des Art. 1 des Abkommens für die Rechtstellung der Flüchtlinge vom , BGBl Nr. 55/1955, und des Protokolls über die Rechtstellung der Flüchtlinge, BGBl Nr. 78/1974.
Abs 3: Ist der Elternteil, der den Haushalt Überwiegend führt (§ 2a Abs 1) nicht österreichischer Staatsbürger, genügt für dessen Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn der andere Elternteil österreichischer Staatsbürger ist oder die Voraussetzungen nach Abs 1 oder 2 erfüllt.
§ 2 Abc 1 lit a und Abs 8 der bis zum gültigen Fassung
Abs 1 : Anspruch auf Familienbeihilfe haben Personen, die im 3undesgebiet ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben.
a) für minderjährige Kinder . . .
Abs 8 : Personen, die sowohl im Bundesgebiet als auch im Ausland einen Wohnsitz haben, haben nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen im Bundesgebiet haben und sich die Kinder ständig im Bundesgebiet aufhalten.
II. Eine Person hat den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen in dem Staat, zu dem sie die engeren wirtschaftlichen Beziehungen hat. Das Tatbestandsmerkmal gewöhnlicher Aufenthalt verlangt aber jedenfalls körperliche Anwesenheit, wobei die Umstände dafür sprechen müssen, dass die Anwesenheit nicht nur eine vorübergehende sein soll, sondern eine gewisse sachlich-räumliche Beziehung zum Aufenthaltsort besteht (). Außer Streit steht, dass meine Tochter im September 2000 die erste Klasse der Ganztagsvolksschule 1210 Wien, ..., besucht hat und in der Folge ihre schulische Ausbildung an österreichischen Schulen fortgesetzt hat. Nach den Erfahrungen des täglichen Lebens ist nämlich anzunehmen, dass ein gerade einmal siebenjähriges Kind regelmäßig den gewöhnlichen Aufenthalt dort hat, wo auch die ganze Familie, dh im konkreten Fall ich, die Mutter, wohne. In diese Richtung hat auch der Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung Nr. 2002/14/0103 vom entschieden und ausgesprochen, dass ein Kind im Regelfall auch seinen gewöhnlichen Aufenthalt am Schulort hat. Aus diesem Grunde ergibt sich eindeutig, dass mein ständiger Aufenthalt am selben Ort wie der meiner Tochter und daher in Wien war.
Aus diesem Grunde ergibt sich die Anspruchsvoraussetzung für die Familienbeihilfe gemäß § 2 Abs 1 FLAG.
Ich befinde mich jedoch mit meiner Tochter bereits seit dem Sommer des Jahres 2000 in Österreich und halte mich seit diesem Zeitpunkt ständig im Bundesgebiet auf. Im Sommer 2000 bin ich zu meinem Lebensgefährten MS nach Wien gezogen und habe meine Tochter mitgenommen, da ich in der Folge in Österreich und nicht mehr in Ungarn leben und meine Tochter in Österreich sozial und sprachlich integrieren wollte. Seit Sommer 2000 lag der Mittelpunkt meiner Lebensinteressen in Österreich und hat sich meine Tochter seit diesem Zeitpunkt ständig in Österreich aufgehalten. Aus diesem Grunde liegt bereits seit Sommer 2000 ein ständiger Aufenthalt in Österreich vor.
Da im konkreten Verfahren meine Mitwirkungspflicht in den Vordergrund tritt und ich durch konkrete und vollständige Aufklärung den Anschein zu widerlegen habe, der sich für die Abgabenbehörde aufgrund der ihr zur Kenntnis gelangten Umstände bietet () beantrage ich zum Beweis dafür, dass ich mich bereits seit Sommer 2000 ständig mit meiner
Tochter in Österreich aufhalte, die Einvernahme meines Lebensgefährten MS, ...
III. Richtig ist, dass ich im berufungsgegenständlichen Zeitraum auf jedem Fall zwischen dem 22.03. und dem einer unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgegangen bin. Ich verweise diesbezüglich auf die von mir mit Schreiben vom vorgelegte Arbeitsbestätigung des Herrn MS und stelle den Antrag auf Durchführung einer Abfrage vom Hauptverband der Sozialversicherungsträger dahingehend, wann ich im Zeitraum 09/2000 bis 04/2004 in Österreich unselbständig beschäftigt war und auf Einvernahme des Herrn MS hinsichtlich des tatsächlichen Vorliegens eines Beschäftigungsverhältnisses im Zeitraum 22.03. bis .
Im Zeitraum 22.03. bis war ich auf jeden Fall unselbständig beschäftigt und habe aus dieser Beschäftigung Einkünfte bezogen. Für diesen Zeitraum gebührt mir daher nach Maßgabe des § 3 Abs 1 FLAG auf jeden Fall die Familienbeihilfe.
Im übrigen halte ich mich seit mindestens 60 Kalendermonaten ständig im Bundesgebiet auf und gebührt mir daher unabhängig von dem Umstand, ob ich Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit bezogen habe, Familienbeihilfe, da auch die Anspruchsvoraussetzungen gem § 3 Abs 2 FLAG gegeben sind.
IV. Ich stelle daher den Antrag,
1. den erstinstanzlichen Bescheid abzuändern und meinem Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe für meine Tochter JG, geboren XX.XX.XXXX, für die Zeit vom 09/2000 bis 04/2004 Folge zu geben, in eventu
2. den erstinstanzlichen Bescheid aufzuheben und die Angelegenheit der Behörde erster Instanz zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen."
Hierauf führte das Finanzamt verschiedene Ermittlungen in Bezug auf Meldedaten und Sozialversicherungsdaten durch.
Das Finanzamt richtete in weiterer Folge mit Datum ein Ergänzungsersuchen an die Bw.:
"Ergänzungspunkte:
(Kopien genügen, sofern nicht ausdrücklich ein Original verlangt wird)
Nachweis, dass Sie und lhre Tochter seit September 2000 ständig in Österreich leben bzw. gemeldet sind, da Sie laut Zentralmelderegister erstmals mit in Österreich gemeldet sind.
Reispass mit Ein- und Ausreisestempel von lhnen und Kind seit September 2000 bis April 2004.
Aufenthaltsbewilligungen von Ihnen und Kind ab September 2000 bis April 2004
Arbeitserlaubnis bzw. Befreiungsschein von Ihnen ab September 2000
Kopie Dienstvertrag mit Fa. MS"
Mit Schreiben vom legte hierauf der rechtsfreundliche Vertreter unter Bezug auf dieses Ergänzungsersuchen folgende Urkunden vor:
1. Bestätigung des Herrn MS vom , aus der hervorgeht, das Frau T und deren Tochter bereits seit August 2000 ständig Ihren regelmäßigen Aufenthalt in Österreich haben, da diese seit diesem Zeitraum an zwei Adressen - mit Ausnahme von kurzen Urlaubsreisen - bei ihm gewohnt haben.
2. Bestätigung des Ph. Institutes L GesmbH vom (seinerzeitiger Vermieter der Wohnung, in der Frau T und deren Tochter gemeinsam mit Herrn S im Zeitraum August 2000 bis April 2003 gewohnt haben) aus der hervorgeht, das Frau T und deren Tochter dort ständig aufhältig waren,
3. Kopie der ersten Seite des ungarischen Reisepasses der J G , welcher am ausgestellt ist; der alte Reisepassnjnj5 ist nicht mehr auffindbar,
4. Kopie des Reisepasses der J T mit einigen Ein- und Ausreisestempel (hiezu wird angemerkt, das von den österreichischen und ungarischen Behörden nicht bei jeder Ein- und Ausreise eine Stampiglie angebracht wurde - dies ist ohnehin amtsbekannt),
5. Bescheidkopie des AMS vom , durch den eine Beschäftigungsbewilligung für J T für die berufliche Tätigkeit als Schaustellergehilfin im Zeitraum bis erteilt wurde,
6. Diesbezügliche Bescheidausfertigung vom , welche auch an Frau J T ergangen ist,
7. Konvolut "noch auffindbarer" Lohnzettel für die oa. Beschäftigung der J T; "es wird darauf hingewiesen, dass Frau T im gesamten Zeitraum am bis .2003 bei Herrn S als Schaustellergehilfin beschäftigt war".
Das Finanzamt führte hierauf am neuerlich verschiedene Meldeabfragen durch und erstellte erneut einen Versicherungsdatenauszug, aus dem sich folgende Daten ergeben:
" - gewerbl.selbständig Erwerbstätiger
- . nicht bezahlte Beiträge BSVG, GSVG, FSVG SVA d.g.W., Lst. Wien
- KV-PflVers. § 2/1/1 - § 2/1/3 GSVG SachL SVA d. gewerblichen Wirtschaft
- Arbeiter BHT GESELLSCHAFT M.B.H.
- Arbeiter BHT GESELLSCHAFT M.B.H.
- Notstandshilfe, Überbrückungshilfe Arbeitsmarktservice
- Beitragsgrundlage für Arbeitslosenbezug
- Notstandshilfe, Überbrückungshilfe Gebietskrankenkasse Wien
- PflVers. freier DV 9 4 Abs. 4 ASVG Arb. SP
- Arbeiter
- Urlaubsabfindung, Urlaubsentschädigung RE
- Arbeiter MSp
- Arbeiter F- GESELLSCHAFT M.B.H."
Am langte beim Finanzamt Wien 2/20/21/22 das von der ungarischen Behörde Magyar Államkinestár am gefertigte Formular E 411 betreffend MS als "Arbeitnehmer" und J T als (frühere) Ehegattin oder sonstige Person, deren Anspruch auf Familienleistung im Wohnland der Familienangehörigen ermittelt werden soll; und Mutter der J G.
Vom "2006/01" an habe Frau T keine berufliche Tätigkeit ausgeübt und habe keinen Anspruch auf Familienleistungen, da Österreich das hierfür zuständige Land sei.
Die Bw. sprach in der Folge beim Infocenter des Finanzamtes vor, wo ihr nach ihren Angaben mitgeteilt worden sei, das Schreiben vom samt Unterlagen sei beim Finanzamt nicht eingelangt.
Der rechtsfreundliche Vertreter übermittelte hierauf mit Schreiben vom eine Kopie des Schreiben vom samt Beilagen und ersuchte "um rasche Bearbeitung der Angelegenheit sowie um bescheidmäßige Erledigung des für den Zeitraum 05/2004 bis dato geltend gemachten Anspruchs auf Familienbeihilfe."
Da das Finanzamt untätig blieb, erhob die Bw. durch ihren rechtsfreundlichen Vertreter am Säumnisbeschwerde gemäß Art. 131 Abs. 1 Z 1 B-VG an den Verwaltungsgerichtshof.
Unter einem wurde beim Unabhängigen Finanzsenat ein Devolutionsantrag betreffend Gewährung von Familienbeihilfe ab Mai 2004 eingebracht, der zur Zahl RD/0042-W/09 protokolliert wurde.
Am wurde das Finanzamt durch den Unabhängigen Finanzsenat gemäß § 311 Abs. 3 BAO aufgefordert, bis zum in der dem Devolutionsantrag zugrunde liegenden Sache zu entscheiden und eine Abschrift des Bescheides vorzulegen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht oder nicht mehr vorliegt.
Im Hinblick auf die im Devolutionsantrag mitgeteilte Säumnisbeschwerde betreffend Nichterledigung der Berufung gegen den Abweisungsbescheid auf Zuerkennung der Familienbeihilfe für den Zeitraum September 2000 bis April 2004 wurde das Finanzamt ersucht, die Berufung gem. § 276 BAO ungesäumt der Abgabenbehörde zweiter Instanz vorzulegen oder eine Berufungsvorentscheidung zu erlassen.
Das Finanzamt Wien 2/20/21/22 legte hierauf mit Bericht vom die Berufung gegen den Bescheid vom mit dem Bemerken dem Unabhängigen Finanzsenat vor, dass strittig sei, ob die Familienbeihilfe für den Zeitraum September 2000 bis April 2004 auch dann zustehe, wenn ungeklärt sei, ob der Mittelpunkt der Lebensinteressen der Bw. in diesem Zeitraum in Österreich belegen sei.
Das Finanzamt führte dazu aus:
"Der Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe wurde von der Berufungswerberin am rückwirkend ab September 2000 gestellt. Daraufhin wurde mit Vorhalt vom die Arbeitserlaubnis und Dienstgeberbestätigung abverlangt. Als Vorhaltsbeantwortung legte die Berufungswerberin am einen Gewerbeschein vor. Mit weiterem Vorhalt wurden am neuerlich Arbeitserlaubnis und Dienstgeberbestätigung und daneben die Niederlassungsbewilligung für die Bw. und ihre Tochter ab September 2000, alle Jahreszeugnisse der Tochter ab Juni 2001, die vom vÜbersetzung und Bestätigung über die Auszahlungen von Kinderleistungen, den amtlichen Nachweis über den Aufenthalt der Bw. und ihrer Tochter ab September 2000 abverlangt.
Am wurde das vorgelegte Formular E 411 an die zuständige ungarische Behörde gesandt. Am wurde eine Arbeitsbestätigung für den Zeitraum bis , eine Einnahmen/Ausgabenrechnung für die Jahre 2004 und 2005 sowie Zeugnisse der Tochter der Bw. von der Bw. vorgelegt.
Da aus den vorgelegten Unterlagen geschlossen wurde, dass die Voraussetzungen für die Belegenheit des Mittelpunktes der Lebensinteressen in Österreich im Streitzeitraum nicht erfüllt wurden, da dafür keine Nachweise erbracht worden waren, wurde der Antrag mit Bescheid vom 29.1.12008 abgewiesen. Gegen den Bescheid wurde fristgerecht am berufen, woraufhin am neuerlich Unterlagen abverlangt wurden. Be diesen handelt es sich erstens um die bereits abverlangten Nachweise für den ständigen Aufenthalt von Mutter und Kind im Inland ab September 2000, da die amtliche Meldung laut Zentralmelderegister erst seit vorlag. Zweitens wurde der Reisepass mit Aus- und Einreisestempeln ab September 2000 bis April 2004, die Aufenthaltsbewilligung für Mutter und Kind für den Streitzeitraum sowie Arbeitserlaubnis bzw. Befreiungsschein der Bw. ab September 2000 abverlangt. Drittens wurde ersucht, den Dienstvertrag mit der Firma MS vorzulegen.
In der Vorhaltsbeantwortung wurden die Arbeitserlaubnis für den Zeitraum vom bis Oktober 2003 für die Firma MS vorgelegt.
Bis dato fehlen die für die Beurteilung des Sachverhaltes wichtigen ausgefüllten Formulare E 411 und E 401 der ungarischen Behörden (Bezug von Kinderleistungen ab Mai 2005). Auch wurden trotz wiederholter Aufforderung weder eine Arbeitserlaubnis für den gesamten Zeitraum, noch wurden Niederlassungsbewilligungen für die Bw. und ihre Tochter ab September 2000 beigebracht. Der Behörde liegt lediglich eine Beschäftigungsbewilligung für den Zeitraum bis vor.
Da die Bw., wie aus den obigen Ausführungen klar ersichtlich, trotz hinreichend geführtem Vorhalteverfahren und damit verbundener wiederholter Abverlangung einzelner für die Beurteilung allerdings wichtiger Unterlagen, keinen Nachweis dafür erbracht hat, dass die Anspruchsvoraussetzungen des § 2 Abs 8 iVm § 3 Abs 1 FLAG 1967 für den Zeitraum September 2000 bis April 2004 erfüllt wurden, wird beantragt, die Berufung als unbegründet abzuweisen.
Die Vorlage der Berufung ohne vorherige Erlassung einer BVE erfolgt auf Grund des Umstandes, dass in dieser Angelegenheit bereits eine Säumnisbeschwerde anhängig ist."
Über die Berufung wurde erwogen:
§ 10 Abs. 1 FLAG 1967 lautet:
"(1) Die Familienbeihilfe wird nur auf Antrag gewährt; die Erhöhung der Familienbeihilfe für ein erheblich behindertes Kind (§ 8 Abs. 4) ist gesondert zu beantragen."
Gemäß § 311 Abs. 1 BAO sind die Abgabenbehörden verpflichtet, über Anbringen der Parteien ohne unnötigen Aufschub zu entscheiden.
Nach der Aktenlage hat die Bw. am beim Finanzamt Wien 2/20/21/22 beantragt, für ihre im Jahr 1993 geborene Tochter J ab "5/2004" zu gewähren.
Ein Antrag auf Familienbeihilfe "für die Zeit vom 9/2000 bis 4/2004" lässt sich dem gesamten der Abgabenbehörde zweiter Instanz vorgelegten Familienbeihilfenakt nicht entnehmen.
Die Ausführungen des Finanzamtes im Vorlagebericht, dass am Familienbeihilfe ab September 2000 beantragt wurde, sind aktenwidrig.
Die Bw. hat offenkundig Familienbeihilfe ab dem Wirksamwerden des Beitritts Ungarn zur Europäischen Union beantragt. Über diesen Antrag hat das Finanzamt bislang nicht entschieden.
Aus welchen Gründen weitwendige Ermittlungen für Zeiträume, die nicht vom Antrag der Bw. umfasst sind, gepflogen wurden, anstatt den Antrag der Bw., ihr Familienbeihilfe ab Mai 2004 zu gewähren, zu erledigen, ist nicht ersichtlich.
Das Anbringen vom war eindeutig auf die Gewährung von Familienbeihilfe ab "5/2004" gerichtet.
Das Finanzamt Wien 2/20/21/22 hat mit seinem Bescheid vom über ein von der Bw. gar nicht gestelltes Anbringen abgesprochen.
Ein antragsbedürftiger Verwaltungsakt - wie hier die Gewährung oder Nichtgewährung von Familienbeihilfe - darf nur dann ergehen, wenn der Behörde im Zeitpunkt ihrer Entscheidung ein auf die Setzung dieses Verwaltungsaktes gerichteter Antrag vorliegt ().
Wird ein antragsbedürftiger Verwaltungsakt ohne Vorliegen eines entsprechenden Parteienantrages erlassen, ist er rechtswidrig ().
Dies trifft auch dann zu, wenn die Behörde dabei über den gestellten Antrag hinausgeht ().
Eine amtswegige Gewährung von Familienbeihilfe ist nach § 10 Abs. 1 FLAG 1967 nicht vorgesehen.
Da die Abgabenbehörde erster Instanz mit dem Bescheid vom über das Anbringen der Bw., Familienbeihilfe ab Mai 2004 zu gewähren, hinausgegangen ist, und über Zeiträume abgesprochen hat, die von dem Anbringen der Bw. gar nicht umfasst waren, ist der angefochtene Bescheid rechtswidrig ergangen und war daher von der Berufungsbehörde gemäß § 289 Abs. 2 BAO ersatzlos aufzuheben.
Über das seit mehr als vier Jahren unerledigte Anbringen auf Gewährung der Familienbeihilfe ab Mai 2004 wird das Finanzamt - wie mit Verfügung des im Verfahren RD/0042-W/09 gemäß § 311 Abs. 3 BAO aufgetragen - ungesäumt zu entscheiden haben.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | |
betroffene Normen | § 10 Abs. 1 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 311 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Schlagworte | Familienbeihilfe auf Antrag antragsbedürftiger Verwaltungsakt Parteienantrag amtswegige Gewährung von Familienbeihilfe |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at