Pfändung und Überweisung einer Geldforderung; Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
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Miterledigte GZ: |
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RV/0146-L/08 |
VwGH-Beschwerde zur Zl. 2009/15/0007 eingebracht. Einstellung des Verfahrens mit Beschluss vom .
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Rechtssätze | |
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Stammrechtssätze | |
RV/0035-L/08-RS1 | Bei bestrittenen Zustellungen ohne Zustellnachweis hat die Behörde die Tatsache der Zustellung nachzuweisen. In diesem Fall muss - mangels Zustellnachweises - der Beweis der erfolgten Zustellung auf andere Weise von der Behörde erbracht werden. Gelingt dies nicht, muss die Behauptung der Partei über die nicht erfolgte Zustellung als richtig angenommen werden (). |
RV/0035-L/08-RS2 | Die Verletzung der Zuständigkeitsvorschriften bewirkt nicht die Nichtigkeit eines Bescheides, sondern nur dessen Rechtswidrigkeit, welche durch die Rechtskraft des Bescheides geheilt wird (). |
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufungen des K, vertreten durch Dr. Alfred Windhager, Rechtsanwalt, 4040 Linz, Flußgasse 15,
1) vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Linz vom betreffend Pfändung und Überweisung einer Geldforderung (§ 65 AbgEO, § 71 AbgEO), und
2) vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Linz vom betreffend Zurückweisung eines Wiedereinsetzungsantrages (§ 308 BAO)
entschieden:
1) Der Berufung gegen den erstangeführten Bescheid wird teilweise Folge gegeben. Die Summe der in diesem Bescheid angeführten Abgabenschuld wird von 94.367,34 € auf 74.199,11 € reduziert. Im Übrigen wird die Berufung als unbegründet abgewiesen.
2) Die Berufung gegen den zweitangeführten Bescheid wird als unbegründet abgewiesen.
Entscheidungsgründe
Nach den umfangreichen Ermittlungen der damaligen Prüfungsabteilung Strafsachen (nunmehr Steuerfahndung) hat der Berufungswerber seit 1993 im Inland einen Handel mit aus Tschechien bezogenen Welleternitplatten betrieben ohne die daraus resultierenden Abgaben bekannt zu geben und zu entrichten.
Mit Bescheiden des Finanzamtes Perg vom wurden daher Umsatz- und Einkommensteuern für die Jahre 1993 bis 1999 in Höhe von insgesamt 1.039.076,00 ATS vorgeschrieben. Die Bescheide sowie die ergänzende Bescheidbegründung wurden nachweislich mit RSb-Briefen an die damalige Wohnadresse des Berufungswerbers in P zugestellt. Die Bescheide erwuchsen in Rechtskraft.
Eine Fülle weiterer Bescheide wurde dagegen ohne Zustellnachweis abgefertigt. Laut Zentralem Melderegister war der Berufungswerber von bis in E, gemeldet. Für den Zeitraum vom bis scheinen im Zentralen Melderegister keine Meldedaten auf. Die Grunddaten im Abgabeninformationssystem (AIS) wurden ab dem dahingehend geändert, dass die für den Berufungswerber bestimmten Bescheide an die Anschrift des Finanzamtes Perg ergingen. Eine Weiterleitung dieser Bescheide an den Berufungswerber erfolgte offenkundig nicht, da sich eine ganze Reihe von Originalbescheiden samt Buchungsmitteilungen nach wie vor im Veranlagungsakt findet. Eine Zustellung unterblieb daher auch zu einem späteren Zeitpunkt, als dem Finanzamt wieder eine inländische Zustelladresse bekannt war.
Für die Zeit vom bis findet sich im Zentralen Melderegister wieder ein inländischer Wohnsitz in L1. Diese Adresse wurde erst ab im AIS berücksichtigt. Seit ist der Berufungswerber in L2 gemeldet. Diese Adresse wird auch seit im AIS ausgewiesen. Am wurde der Akt an das Finanzamt Linz abgetreten.
Das Verfahren zur Einbringung der aushaftenden Abgabenschulden verlief über Jahre ohne Erfolg. Eine im Jahr 2000 versuchte Pfändung eines Kraftfahrzeuges blieb erfolglos. Der Berufungswerber meldete den Pkw noch am Tag des Pfändungsversuches auf seine Ehegattin um. Es wurden in weiterer Folge mehrfach die wirtschaftlichen Verhältnisse erhoben, ohne dass verwertbares Vermögen festgestellt werden konnte.
Mit Eingabe vom brachte der Berufungswerber ein Nachsichtsansuchen gemäß § 236 BAO ein, welches mit Bescheid vom abgewiesen wurde.
Am stellte das nunmehr zuständige Finanzamt Linz einen Rückstandsausweis über Abgabenschulden in Höhe von insgesamt 94.367,34 € aus. Darin waren die eingangs eingeführten Umsatz- und Einkommensteuern 1993 bis 1999 mit einem Gesamtbetrag von 74.199,11 € enthalten.
Im Zuge einer SV-Abfrage vom wurde als Dienstgeber des Berufungswerbers der Verein "F" in Linz festgestellt. Auf Grundlage des genannten Rückstandsausweises verfügte das Finanzamt mit Bescheid vom die Pfändung und Überweisung der dem Berufungswerber gegen den Verein zustehenden beschränkt pfändbaren Forderungen aus einem Arbeitsverhältnis oder sonstige Bezüge gemäß § 290a EO. Als geschuldeter Abgabenbetrag wurde dabei die im Rückstandsausweis enthaltene Gesamtsumme von 94.367,34 € (zuzüglich Barauslagen für die Pfändung) angeführt.
Die Drittschuldnerin teilte am zu dieser Forderungspfändung mit, dass der Berufungswerber bereits am aus ihrem Unternehmen ausgetreten sei.
Am wurden neuerlich die wirtschaftlichen Verhältnisse des Berufungswerbers erhoben. Verwertbares Vermögen konnte nicht festgestellt werden.
In einer Eingabe des Rechtsvertreters vom wurde zunächst ausgeführt, dass der im Pfändungsbescheid angeführte Betrag an Abgabenschulden nicht nachvollziehbar sei, pauschal die rechtswirksame Zustellung aller Abgabenbescheide bestritten, und die ordnungsgemäße Zustellung der Bescheide beantragt.
Da dem Berufungswerber die Bescheide bisher nicht ordnungsgemäß zugestellt worden seien, wären dieselben auch nicht rechtskräftig. Fällige Beträge beruhten allenfalls auf "Einschätzungen", die unrichtig seien. Durch die nicht ordnungsgemäße Zustellung sei ihm auch die Möglichkeit genommen, gegen die Bescheide das Rechtsmittel der Berufung zu ergreifen. Er sei daher in seinen Grundrechten erheblich eingeschränkt. Er sei sohin durch ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis nicht in der Lage, rechtzeitig "Mittel" gegen die Abgabenbescheide zu erheben. Auch habe er keine Kenntnis vom Inhalt der Bescheide gehabt. Ein Verschulden an der Versäumung von allfälligen Fristen könne ihm ebenfalls durch die nicht ordnungsgemäße Zustellung nicht zur Last gelegt werden. Er beantrage daher, ihm die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Gleichzeitig wurde nochmals die Zustellung sämtlicher Bescheide beantragt.
Schließlich wurde "vorsichtshalber" auch gegen den Pfändungs- und Überweisungsbescheid vom Berufung erhoben und die "aufschiebende Wirkung gemäß des angefochtenen Bescheides" beantragt. Die Pfändung der Geldforderung hänge offensichtlich mit den nicht ordnungsgemäß zugestellten Bescheiden zusammen. Dem ausgewiesenen Vertreter sei am von der Behörde mitgeteilt worden, dass über eine ordnungsgemäße Zustellung keine Unterlagen vorhanden wären. Es ergebe sich zwangsläufig, dass eine Wiedereinsetzung gerechtfertigt erscheine und eine Zustellung der Bescheide "neuerlich" vorgenommen werden müsse. Er sei in Tschechien steuerpflichtig gewesen und habe dort alles ordnungsgemäß versteuert, eine Doppelversteuerung sei rechtswidrig.
Am wurde der Fall von Organwaltern des Finanzamtes Linz mit dem Berufungswerber und seinem Rechtsvertreter erörtert. Dabei wurden diesen auch die im Akt erliegenden Rückscheine zur Kenntnis gebracht.
Der Antrag vom auf "Zustellung der Bescheide" wurde mit Bescheid vom abgewiesen. Das pauschale Vorbringen, die Steuerbescheide wären nicht zugestellt worden, habe sich - wie der Berufungswerber im Zuge der Akteneinsicht vom selbst feststellen habe können - als tatsachenwidrig erwiesen. Für "alle maßgeblichen Bescheide" lägen eindeutige Zustellnachweise vor, die gegenständlichen Steuerbescheide seien rechtskräftig, der Antrag auf Zustellung der Bescheide daher abzuweisen.
Der in der Eingabe vom weiters gestellte Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde mit Bescheid vom gemäß § 309 BAO als unzulässig zurückgewiesen. Bei den gegenständlichen rechtskräftigen Bescheiden habe die Rechtsmittelfrist im Jahr 2000 geendet, die Fünfjahresfrist des § 309 BAO sei daher abgelaufen. Im Übrigen liege auch kein tauglicher Wiedereinsetzungsgrund vor.
Schließlich wurde mit Berufungsvorentscheidung vom die Berufung gegen den Bescheid über die Pfändung und Überweisung der genannten Forderung im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, dass zum Zeitpunkt der Pfändung am Abgabenkonto ein vollstreckbarer Abgabenrückstand von 94.367,34 € unberichtigt ausgehaftet und eine allfällige Hemmung der Einbringung nach § 230 BAO nicht bestanden habe. Ferner wurde darauf hingewiesen, dass zu Unrecht die Zustellung der maßgeblichen Steuerbescheide bestritten worden sei.
Gegen den Zurückweisungsbescheid vom betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde mit Eingabe vom Berufung erhoben. Es möge zwar zutreffen, dass der Berufungswerber teilweise "Zustellungen unterfertigt" habe, er sei jedoch seit in Linz gemeldet, insbesondere habe er seit September 2001 in Linz gearbeitet. Das Finanzamt Perg sei daher für ihn nicht mehr zuständig gewesen und hätte auch die Zustellungen an seinen neuen Wohnort vornehmen müssen. Im Jahr 2001 sei er überdies in Enns, B-Gasse, gemeldet gewesen. Auch "diesbezüglich" sei das Finanzamt Perg nicht zuständig gewesen und hätte dort die ordentliche Zustellung durchführen müssen. Im Übrigen sei nur am Rande erwähnt, dass ein Teil der Unterschriften auch nicht von ihm stamme und ihm andere Unterschriften offensichtlich von seiner Ex-Gattin "untergejubelt" worden wären. Er habe sohin von den Zustellungen keine Kenntnis gehabt. Der Zurückweisungsbescheid möge daher aufgehoben und die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bewilligt werden.
Diese Berufung wies das Finanzamt mit Berufungsvorentscheidung vom unter neuerlichem Hinweis auf § 309 BAO ab. Ergänzend wurde ausgeführt, dass es im Übrigen an der Grundvoraussetzung für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, nämlich einer Fristversäumnis fehle, wenn lediglich die Nichtzustellung von Bescheiden behauptet wird. Bei tatsächlicher Nichtzustellung sei es nicht möglich eine Rechtsmittelfrist zu versäumen. Da die Rechtskraft der "gegenständlichen Bescheide" im Kalenderjahr 2000 eingetreten sei, spiele auch die spätere Wohnsitzänderung keine Rolle. Schließlich wurde noch auf den rechtskräftigen Bescheid vom über die Abweisung des Antrages auf Zustellung der Bescheide Bezug genommen.
Mit Eingabe vom wurde ohne weiteres Sachvorbringen die Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz beantragt. Weiters wurde der Antrag gestellt, das gegenständliche Verfahren bis zur rechtskräftigen Beendigung des "präjudiziellen" Finanzstrafverfahrens zu SN 000 zu unterbrechen.
Auch hinsichtlich der Berufungsvorentscheidung vom betreffend Pfändung und Überweisung einer Geldforderung wurde mit Eingabe vom die Entscheidung über die Berufung durch die Abgabebehörde zweiter Instanz beantragt.
Über die Berufungen wurde erwogen:
1) Pfändung und Überweisung einer Geldforderung
Gemäß § 65 Abs. 1 AbgEO erfolgt die Vollstreckung auf Geldforderungen des Abgabenschuldners mittels Pfändung derselben, die mit Zustellung des Zahlungsverbotes an den Drittschuldner als bewirkt anzusehen ist (§ 65 Abs. 3 AbgEO).
Im gegenständlichen Fall hatte die Drittschuldnerin mitgeteilt, dass der Berufungswerber bereits am (somit vor Durchführung der Forderungspfändung) aus ihrem Unternehmen ausgetreten sei. Offene und pfändbare Forderungen bestanden daher nicht (mehr), weshalb auch keinerlei Eingang aus dieser Forderungspfändung an den Überweisungsgläubiger zu verzeichnen war. Besteht eine gepfändete Forderung nicht, dann ist die Pfändung wirkungslos, die Pfändung einer nicht bestehenden Forderung geht ins Leere (Liebeg, AbgEO, § 65 Tz 8 mit Judikaturnachweisen). Eine Berufung gegen einen solchen Pfändungsbescheid erübrigt sich daher im Regelfall.
Gemäß § 13 AbgEO kann der Abgabenschuldner im Exekutionsverfahren den Eintritt der Vollstreckbarkeit bestreiten. Abgabenschuldigkeiten, die nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet werden, sind in dem von der Abgabenbehörde festgesetzten Ausmaß vollstreckbar (§ 226 BAO). Liegt daher - etwa mangels ordnungsgemäßer Zustellung der Abgabenbescheide - keine rechtswirksame Abgabenfestsetzung vor, fehlt es an der Vollstreckbarkeit der Abgabenschuldigkeiten.
Tatsächlich finden sich im gegenständlichen Fall nur für die Abgabenbescheide vom (aufgrund des Umfanges der Sendung) insgesamt sechs Zustellnachweise. Fünf RSb-Briefe betreffen die Bescheide selbst, ein weiterer RSb-Brief enthielt die ergänzende Bescheidbegründung zu diesen Bescheiden. Auf vier RSb-Briefen zu den Bescheiden sowie dem RSb-Brief zur ergänzenden Bescheidbegründung wurde die Übernahme durch den Berufungswerber am bestätigt, und findet sich auch dessen Unterschrift. Auf einem weiteren RSb-Brief wird als Übernahmedatum der vermerkt, die Übernahme erfolgte durch die Ehegattin des Berufungswerbers. Alle RSb-Briefe wurden an die damalige Wohnadresse des Berufungswerbers in P, adressiert. Aufgrund der Rückscheine ist von einer ordnungsgemäßen und rechtswirksamen Zustellung aller Bescheide vom auszugehen. Dies gilt auch für jene Bescheide, die von der Ehegattin des Berufungswerbers als Ersatzempfängerin übernommen worden waren. Der Berufungswerber hat weder bei der Akteneinsicht am , noch in den weiteren Eingaben konkret behauptet, welche dieser Bescheide vom er tatsächlich nicht erhalten hätte, da sie von seiner Ehefrau übernommen und ihm nicht weitergeleitet worden wären. Das diesbezügliche unsubstantiierte Vorbringen in der Berufung vom gegen den Zurückweisungsbescheid betreffend Wiedereinsetzung ist daher lediglich als unzutreffende Schutzbehauptung zu werten. Im Übrigen war auch in der ergänzenden Bescheidbegründung zu diesen Bescheiden vom ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass die Bescheide die Umsatzsteuer 1993 bis 1999 und die Einkommensteuer 1993 bis 1999 betreffen, das allfällige Fehlen von Bescheiden hätte daher dem Berufungswerber auffallen müssen, wenn sie ihm von seiner Ehefrau tatsächlich nicht ausgehändigt worden wären.
Im September 2000 fand eine Umsatzsteuersonderprüfung für den Zeitraum Jänner bis Juli 2000 statt. Die Niederschrift über die Schlussbesprechung wurde dem Berufungswerber zwar mit RSb-Brief (durch Hinterlegung) zugestellt, für die Bescheide betreffend Festsetzung von Umsatzsteuervorauszahlungen finden sich dagegen keine Zustellnachweise. Aus dem Umstand, dass die Niederschrift zugestellt wurde, kann nicht zwingend auf eine ordnungsgemäße Zustellung der Bescheide geschlossen werden, wie dies in einem Aktenvermerk des Finanzamtes festgehalten wurde. Die Behörde muss bei Zustellungen ohne Zustellnachweis die Folgen dafür auf sich nehmen, dass der Behauptung der Partei, sie habe ein Schriftstück nicht empfangen, nicht wirksam entgegengetreten werden kann. Bei bestrittenen Zustellungen ohne Zustellnachweis hat die Behörde die Tatsache der Zustellung nachzuweisen. In diesem Fall muss - mangels Zustellnachweises - der Beweis der erfolgten Zustellung auf andere Weise von der Behörde erbracht werden. Gelingt dies nicht, muss die Behauptung der Partei über die nicht erfolgte Zustellung als richtig angenommen werden ().
Insgesamt gesehen liegen daher nur für die Bescheide vom Zustellnachweise vor, die eine rechtswirksame Zustellung dokumentieren. Die im Pfändungs- und Überweisungsbescheid angeführte Summe war somit auf jene Abgabenschuldigkeiten einzuschränken, hinsichtlich derer tatsächlich Vollstreckbarkeit eingetreten war.
Soweit in der Berufung schließlich noch die inhaltliche Richtigkeit der Abgabenfestsetzung mit dem Hinweis darauf bestritten wird, dass der Berufungswerber in Tschechien steuerpflichtig gewesen wäre, und dort seine Tätigkeiten ordnungsgemäß versteuert hätte, genügt ein Hinweis darauf, dass Einwendungen, die sich gegen den Abgabenanspruch oder gegen die Höhe der Abgabe richten, im Veranlagungsverfahren mit Berufung gegen die Abgabenbescheide geltend zu machen sind, und im nachfolgenden Exekutionsverfahren nicht mehr nachgeholt werden können. Im Verfahren gemäß §§ 12 und 13 AbgEO können daher keine Einwendungen gegen die Richtigkeit des Abgabenbescheides (mehr) erhoben werden (Liebeg, AbgEO, § 12 Tz 3 mit Judikaturnachweisen).
Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.
2) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
Gegen die Versäumung einer Frist (§§ 108 bis 110) ist gemäß § 308 Abs. 1 BAO auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Der Antrag auf Wiedereinsetzung muss binnen einer Frist von drei Monaten nach Aufhören des Hindernisses bei der Abgabenbehörde, bei der die Frist wahrzunehmen war, bei Versäumung einer Berufungsfrist oder einer Frist zur Stellung eines Vorlageantrages (§ 276 Abs. 2) bei der Abgabenbehörde erster oder zweiter Instanz eingebracht werden. Spätestens gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag hat der Antragsteller die versäumte Handlung nachzuholen (§ 308 Abs. 3 BAO).
Wenn die Zuständigkeit zur Abgabenerhebung auf eine andere Abgabenbehörde übergegangen ist, kann der Antrag unter gleichzeitiger Nachholung der versäumten Handlung auch bei der Abgabenbehörde erster Instanz eingebracht werden, die im Zeitpunkt der Antragstellung zur Abgabenerhebung zuständig ist (§ 308 Abs. 4 BAO).
Nach Ablauf von fünf Jahren, vom Ende der versäumten Frist an gerechnet, ist ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht mehr zulässig (§ 309 BAO).
Die Umsatz- und Einkommensteuerbescheide 1993 bis 1999 vom wurden am und rechtswirksam zugestellt, und erwuchsen nach Ablauf der einmonatigen Berufungsfrist des § 245 BAO in formelle und materielle Rechtskraft. Auf die obigen Ausführungen unter Punkt 1) wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen. Soweit sich der gegenständlichen Wiedereinsetzungsantrag vom auf die versäumte Berufungsfrist hinsichtlich dieser Bescheide bezieht, wurde er daher vom Finanzamt zu Recht als verspätet im Sinne des § 309 BAO zurückgewiesen. Im Übrigen wäre gemäß § 308 Abs. 3 BAO spätestens gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag die versäumte Handlung (Berufung) nachzuholen gewesen. Eine Berufung gegen die Bescheide vom wurde nie eingebracht.
Hinsichtlich der übrigen Bescheide wies das Finanzamt in der Berufungsvorentscheidung vom zutreffend darauf hin, dass eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand überhaupt nur in Betracht kommt, wenn tatsächlich eine Frist versäumt wurde. Der Berufungswerber hatte im Wiedereinsetzungsantrag pauschal die rechtswirksame Zustellung aller Abgabenbescheide bestritten. Soweit die Zustellungen ohne Rückschein erfolgt sind, kann diese Verantwortung nicht widerlegt werden (siehe auch dazu die obigen Ausführungen unter Punkt 1). Zutreffend ist sie im Übrigen jedenfalls hinsichtlich jener Abgabenbescheide, die an die Adresse des Finanzamtes Perg zugestellt wurden, und dem Berufungswerber schon deshalb nie tatsächlich zugekommen sein können, weil sich die Originalbescheide nach wie vor im Veranlagungsakt finden. Kann aber eine Frist schon deshalb nicht versäumt sein, weil das den Fristlauf auslösende Schriftstück nicht zugestellt wurde, so ist keine Wiedereinsetzung möglich. Ein dennoch eingereichter Wiedereinsetzungsantrag ist zurückzuweisen (Ritz, BAO³, § 308 Tz 4 mit Judikaturnachweisen). Bescheide, die zu Unrecht von einer Fristversäumnis ausgehend diesbezügliche Folgen aussprechen, sind mit Berufung anzufechten und nicht mit einem Wiedereinsetzungsantrag zu bekämpfen (Ritz, a.a.O.).
Der gegenständliche Wiedereinsetzungsantrag wurde daher zu Recht als unzulässig zurückgewiesen, da er zum Teil verspätet im Sinne des § 309 BAO war, im Übrigen mangels Zustellung der Abgabenbescheide keine Fristversäumnis vorlag, die einer Wiedereinsetzung zugänglich wäre.
Zum in der gegenständlichen Berufung vom erhobenen Unzuständigkeitseinwand wird noch bemerkt, dass das Finanzamt Perg jedenfalls zur Erlassung der Umsatz- und Einkommensteuerbescheide 1993 bis 1999 vom im Hinblick auf den damaligen Wohnsitz des Berufungswerbers in P, örtlich und sachlich zuständig war. Zutreffend und unwidersprochen wies das Finanzamt in der Berufungsvorentscheidung daher darauf hin, dass die Rechtskraft der Abgabenbescheide vom im Jahr 2000 und damit vor der späteren Wohnsitzänderung eingetreten ist. Der Berufungswerber hat nur eingewendet, dass er im Jahr 2001 in Enns und anschließend in Linz gemeldet gewesen sei. Nebenbei bemerkt bewirkt selbst die (hinsichtlich der Bescheide vom ohnehin nicht vorliegende) Verletzung der Zuständigkeitsvorschriften nie die Nichtigkeit eines Bescheides, sondern nur dessen Rechtswidrigkeit, welche durch die Rechtskraft des Bescheides geheilt wird ().
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 65 AbgEO, Abgabenexekutionsordnung, BGBl. Nr. 104/1949 § 226 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 308 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 309 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 26 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982 § 50 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Schlagworte | Zustellung ohne Zustellnachweis Beweislast Vollstreckbarkeit Zuständigkeit Unzulässigkeit eines Wiedereinsetzungsantrages |
Verweise | |
Zitiert/besprochen in | UFS Newsletter 2009/02 UFSaktuell 2009, 124 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at