Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 03.02.2005, RV/0668-W/04

Hochwasserkatastrophe und Zweitwohnsitz

Rechtssätze


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Folgerechtssätze
RV/0668-W/04-RS1
wie RV/0246-S/04-RS1
Die Kosten für die Sanierung von Vermögensgegenständen, die durch die Hochwasserkatastrophe beschädigt wurden oder für die Ersatzbeschaffung zerstörter Vermögensgegenstände scheiden als außergewöhnliche Belastung aus, wenn sie aufgrund ihres Zusammenhanges mit dem Zweitwohnsitz nicht für die übliche Lebensführung notwendig sind.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw., gegen den Bescheid des Finanzamtes für den 9., 18., und 19. Bezirk und Klosterneuburg betreffend Einkommensteuer 2002 entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Entscheidungsgründe

Der Berufungswerber (Bw.) machte in seiner Einkommensteuererklärung 2002 unter dem Titel "Katastrophenschäden (ohne Selbstbehalt)" einen Betrag von € 8.656,41 als außergewöhnliche Belastung geltend. Die Aufwendungen sind ihm durch die Hochwasserkatastrophe des Jahres 2002 an einer Liegenschaft in Niederösterreich entstanden.

Der Bw. hat folgende Rechnungen, die auf ihn und seine Gattin lauten, vorgelegt:


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Rechnungs datum
Rechnungsbetrag (brutto)
Leistungsbeschreibung
Höhe der tatsächlichen Zahlung
Datum der Zahlung
4.600
Ufersanierung nach Hochwasser, Schwemmgut beseitigen
4.000
3.891,17
Fundamentierung für Holzschuppen nach Hochwasser
3.891,17
765,24
Kantholz, Holzschutzlasur etc.
765,24
nicht ersichtlich
Summe
8.656,41

Das Finanzamt anerkannte die geltend gemachte außergewöhnliche Belastung nicht; zum einen seien gem. § 34 Abs. 6 EStG 1988 Wiederbeschaffungskosten von zerstörten Wirtschaftsgütern nach Katastrophenschäden nur in Höhe des gemeinen Wertes (Zeitwert vor dem Schadenseintritt) absetzbar. Darüber hinaus müsse die Wiederbeschaffung selbst zwangsläufig sein. Aufwendungen für die Wiederbeschaffung könnten nur dann als außergewöhnliche Belastung anerkannt werden, wenn dem Abgabepflichtigen die weitere Lebensführung ohne Wiederbeschaffung der zerstörten Wirtschaftsgüter nicht zuzumuten wäre. Wiederbeschaffungskosten, die den Hauptwohnsitz betreffen, stellten dementsprechend eine außergewöhnliche Belastung dar. Katastrophenschäden, die einen Zweitwohnsitz betreffen, führten hingegen nicht zu einer außergewöhnlichen Belastung.

In seiner dagegen gerichteten Berufung wandte der Bw. ein, die Kosten für die Ersatzbeschaffung stünden in keinem Zusammenhang mit dem gemeinen Wert des untergegangenen bzw. beschädigten Wirtschaftsgutes, sondern seien mit den Anschaffungs- bzw, Herstellungskosten im tatsächlichen Ausmaß zu berücksichtigen.

Das gegenständliche Gebäude befinde sich weiters im Rohbau, weshalb die Begründung eines Hauptwohnsitzes nicht möglich sei. Das Gebäude werde aber als Alterssitz errichtet und stelle daher nach Fertigstellung einen beziehbaren Hauptwohnsitz dar. Gerne komme er dieser Nachweisführung bei Fertigstellung nach. Im Übrigen fände eine Qualifikation als Hauptwohnsitz zur Anerkennung einer außergewöhnlichen Belastung im Gesetzestext keine Deckung.

Das Finanzamt wies die Berufung mittels Berufungsvorentscheidung ab; die Absetzbarkeit beschränke sich auf die Wiederbeschaffung notwendiger Wirtschaftsgüter. Nicht maßgeblich sei die Qualifizierung als Haupt- oder Nebenwohnsitz; vielmehr wäre allein auf die Frage abzustellen, ob das betreffende Wirtschaftsgut für die weitere Lebensführung zwingend notwendig sei. Der Bw. verfüge über einen Wohnsitz in Wien, weshalb die Beschädigung des offensichtlich in Bau befindlichen Gebäudes in Niederösterreich, wenn hierdurch auch ein finanzieller Schaden erwachsen sei, seine weitere Lebensführung nicht derart zu beeinträchtigen vermöge, dass eine Beseitigung der Schäden als zwangsläufig angesehen werden könne.

Die als außergewöhnliche Belastung geltend gemachten Aufwendungen wären daher mangels Zwangsläufigkeit sowie mangels ausreichenden Nachweises dafür, dass tatsächlich Katastrophenschäden beseitigt wurden, zur Gänze steuerlich nicht anzuerkennen.

Angemerkt werde ferner, dass die Rechnung vom laut Beleg erst im Jänner 2003 bezahlt worden sei, weshalb sie schon allein aus diesem Grund nicht im Jahr 2002 abzugsfähig wäre.

Eine steuerliche Berücksichtigung sei jedoch aus den obigen Gründen auch im Veranlagungszeitraum 2003 nicht zulässig.

Im Vorlageantrag führte der Bw. aus, für ein Haus im Waldviertel sei ein Holz-Trockenschuppen für Brennholz eine Lebensnotwendigkeit.

Der Schuppen wäre nicht neu erbaut worden. Nachdem das Hochwasser die gemauerten Fundamente zerstört, die Wände eingedrückt und das lagernde Holz mitgerissen hätte, habe sich der Schuppen in einem Baum verfangen. Ein Kran habe, nachdem das Dach abgedeckt wurde, den im Grundgerüst noch im Wesentlichen intakten Schuppen beiseite gestellt. Dann wäre nach Entfernung des Schwemmguts ein neues Fundament betoniert und das alte Schuppengestell wieder auf den alten Platz hinüber gehoben worden. Zu erneuern seien nur wenige Balken und Wände gewesen. Auch die Ziegel seien wieder verwendet worden.

Über die Berufung wurde erwogen:

Bei der Ermittlung des Einkommens eines unbeschränkt Steuerpflichtigen sind gemäß § 34 Abs. 1 EStG 1988 nach Abzug der Sonderausgaben außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss folgende Voraussetzungen erfüllen:

1. Sie muss außergewöhnlich sein.

2. Sie muss zwangsläufig erwachsen.

3. Sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen.

Die Belastung darf weder Betriebsausgaben, Werbungskosten noch Sonderausgaben sein.

Die Belastung erwächst dem Steuerpflichtigen nach Abs. 3 zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.

Nach Abs. 6 leg.cit. idF BGBl I 2002/155 können ohne Berücksichtigung des Selbstbehaltes Aufwendungen zur Beseitigung von Katastrophenschäden, insbesondere Hochwasser-, Erdrutsch, Vermurungs- und Lawinenschäden im Ausmaß der erforderlichen Ersatzbeschaffungskosten abgezogen werden.

Nach § 19 Abs. 2 erster Satz EStG 1988 sind Ausgaben für das Kalenderjahr abzusetzen, in dem sie geleistet worden sind.

Das Abflussprinzip des § 19 Abs. 2 EStG 1988 gilt uneingeschränkt auch für Aufwendungen im Sinne des § 34 EStG 1988 (vgl. Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer, TZ. 6 zu § 34 Abs. 1; Wiesner/Atzmüller/Grabner/Leitner/Wanke, EStG 1988, § 34 Anm. 6). Damit ist aber die Berufung schon entschieden; da sämtliche Zahlungen, deren Absetzung im Jahr 2002 begehrt wird, erst im Jahr 2003 geleistet wurden, können diese Aufwendungen mangels tatsächlicher Ausgaben im Kalenderjahr 2002 - ohne weitere Überprüfung des Vorliegens aller im § 34 Abs.1 und 6 EStG 1988 aufgezählten Voraussetzungen - keine Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastungen im Kalenderjahr 2002 finden.

Zur Klarstellung wird allerdings festgehalten:

Eine Steuerermäßigung wegen außergewöhnlicher Belastung kommt nur dann in Betracht, wenn sämtliche Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 EStG 1988 vorliegen. Es können daher nur solche Aufwendungen zur Beseitigung von Katastrophenschäden als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden, die dem Steuerpflichtigen zwangsläufig erwachsen.

Es ist dem Bw. zwar Recht zu geben, dass aus dem Gesetzestext nicht explizit hervorgeht, nicht den Hauptwohnsitz betreffende Katastrophenschäden seien grundsätzlich nicht abzugsfähig; allerdings sind auch diese Aufwendungen am Tatbestandsmerkmal der Zwangsläufigkeit zu messen.

Allgemein gesehen dienen der Beseitigung von Katastrophenschäden folgende (Arten von) Kosten:

- Kosten für die Beseitigung der unmittelbaren Katastrophenfolgen (zB Beseitigung von Wasser- und Schlammresten, Beseitigung von Sperrmüll sowie unbrauchbar gewordener Gegenstände, Raumtrocknung sowie Mauerentfeuchtung, Anschaffung (Anmietung) von Trocknungs- und Reinigungsgeräten).

- Kosten für die Reparatur und Sanierung durch die Katastrophe beschädigter, aber weiter nutzbarer Vermögensgegenstände (zB bei weiter nutzbaren Wohnhäusern bzw. Wohnungen der Ersatz des Fußbodens, die Erneuerung des Verputzes, das Ausmalen von Räumen, die Sanierung der Kanalisation bzw. Senkgruben, die Reparatur bzw. Wiederherstellung von Zäunen und sonstigen Grundstücksumfriedungen, die Sanierung von Gehsteigen und Hofpflasterungen, weiters die Reparatur beschädigter PKW).

- Kosten für Ersatzbeschaffungen durch die Katastrophe zerstörter Vermögensgegenstände (zB der erforderliche Neubau des gesamten Wohngebäudes oder von Gebäudeteilen, die Neuanschaffung von Einrichtungsgegenständen, die Neuanschaffung eines PKW, die Neuanschaffung von Kleidung, Geschirr).

Von diesen Kosten können unter Berücksichtigung des Elements der Zwangsläufigkeit steuerlich abgesetzt werden:

- Von den mit der Beseitigung der unmittelbaren Katastrophenfolgen im Zusammenhang stehenden Kosten sämtliche Kosten und diese in vollem Umfang. Dabei ist es gleichgültig, ob die Kosten im Zusammenhang mit dem Erstwohnsitz oder einem weiteren Wohnsitz anfallen oder im Zusammenhang mit einem "Luxusgut" stehen.

- Die Kosten für die Reparatur und Sanierung weiter nutzbarer Vermögensgegenstände allerdings nur in dem Umfang, in dem diese Gegenstände für die übliche Lebensführung benötigt werden. Nicht abgesetzt werden können also Kosten für die Reparatur und Sanierung von Gegenständen, die nicht mehr der üblichen Lebensführung zugerechnet werden können.

- Die Kosten für die Ersatzbeschaffung von Gegenständen, allerdings nur in dem Umfang, in dem Gegenstände für die übliche Lebensführung benötigt werden. Nicht absetzbar sind somit die Kosten für die Ersatzbeschaffung von Gütern, die für die übliche Lebensführung nicht notwendig sind bzw. einem gehobenen Bedarf dienen. Werden Gegenstände ersatzbeschafft, die üblicherweise zur Lebensführung benötigt werden, gehen aber die Ersatzbeschaffungskosten über einen durchschnittlichen Standard hinaus, sind diese Kosten nur im Ausmaß des üblichen Standards absetzbar. (Vgl. ÖStZ 2002, S 868 ff, sowie SWK 2002, T 151).

Bei der Geltendmachung von Aufwendungen für die Wiederbeschaffung beschädigter oder zerstörter Wirtschaftsgüter des Privatvermögens sind also Einschränkungen zu beachten. Nur die Wiederbeschaffung von (existenz-) notwendigen Wirtschaftsgütern ist steuerlich berücksichtigungsfähig. Wiederbeschaffungskosten für gehobene Bedarfsgüter scheiden als Abzugsposten damit gleichermaßen aus wie die Nachschaffung von Liebhabereigegenständen oder die Mehrkosten einer Luxusausstattung von grundsätzlich notwendigen Wirtschaftsgütern. Aus dem gleichen Grund werden auch Wiederbeschaffungskosten im Zusammenhang mit Feriendomizilen (Zweitwohnsitzen) vom Abzug ausgeschlossen. (Vgl. Pülzl/Pircher, Steuerliche Berücksichtigung von Katastrophenschäden, RdW 2002, 627).

Auch der Verwaltungsgerichtshof unterstellt, dass Aufwendungen nur dann zwangsläufig erwachsen, wenn dem Steuerpflichtigen die weitere Lebensführung ohne Wiederbeschaffung des zerstörten Wirtschaftsgutes nicht zuzumuten ist. ( vgl. , sowie , 88/14/0164). Nur die Wiederbeschaffung von (existenz-) notwendigen Wirtschaftsgütern ist steuerlich berücksichtigungsfähig. Aufwendungen zur Beseitigung von Katastrophenschäden an einem Ferienhaus (Zweitwohnsitz) sind daher nicht zwangsläufig. (Vgl. Gaedke, Aufwendungen zur Beseitigung von Katastrophenschäden, SWK 2002, S 689).

Sachverhaltsmäßig steht fest, dass der Bw. derzeit seinen Hauptwohnsitz in Wien hat. An der Eigenschaft der Liegenschaft in Niederösterreich als Nebenwohnsitz zum Zeitpunkt der Hochwasserkatastrophe kann somit auch der Umstand nichts ändern, dass der Bw. möglicherweise seinen Hauptwohnsitz dorthin verlegen wird.

Potentiell abzugsfähig sind somit nur die unmittelbaren Aufwendungen zur Beseitigung der Katastrophenschäden; hierunter könnten allenfalls (Teilbeträge) der ersten Rechnung vom fallen, nicht aber die Kosten für die Neuerrichtung bzw. Reparatur des Schuppens.

Hierbei ist allerdings zweierlei zu beachten:

  • Ersatzleistungen durch Dritte kürzen die abzugsfähigen Ausgaben, auch wenn sie in einem anderen Jahr zufließen. Sofern also beispielsweise eine Katastrophenbeihilfe gewährt worden wäre, ist diese als schadensmindernd zu berücksichtigen (vgl. Wiesner/Atzmüller/Grabner/Leitner/Wanke, EStG 1988, § 34 Anm. 10).

  • Laut Aktenlage steht die gegenständliche Liegenschaft jeweils im Hälfteeigentum des Bw. und dessen Ehegattin, die ein eigenes Einkommen bezieht. Auch die Rechnungen lauten auf beide Ehegatten. Somit könnte auch nur der auf den Bw. entfallende Anteil an den Aufwendungen Berücksichtigung finden.

Da aber, wie oben ausgeführt, die tatsächlichen Zahlungen nicht im Streitjahr erfolgten, war die Berufung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Schlagworte
Ersatzbeschaffung
Zwangsläufigkeit
Verweise


Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at