Wiederaufnahme (Rechtzeitigkeit des Antrages) und Antrag auf Bescheidänderung nach § 295 BAO.
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Miterledigte GZ: |
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RV/0218-S/09 |
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat durch den Vorsitzenden Dr. Ralf Schatzl und die weiteren Mitglieder Dr. Johann Taferner, Mag. Bernadette Reichl und Dr. Otmar Sommerauer über die Berufungen des Bw,
vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Salzburg-Stadt, vom , StNr., betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer 1989, sowie
vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Salzburg-Stadt, vom , StNr., betreffend Zurückweisung eines Antrages nach § 295 BAO
nach der am in 5026 Salzburg-Aigen, Aignerstraße 10, durchgeführten Berufungsverhandlung entschieden:
Die Berufungen werden als unbegründet abgewiesen.
Die angefochtenen Bescheide bleiben unverändert.
Entscheidungsgründe
Der Berufungswerber (in der Folge: Bw) hat am einen Antrag nach § 303 BAO auf Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer 1989, StNr., das mit Bescheid vom abgeschlossen worden ist, eingebracht. Die Abgabenbehörde I. Instanz hat diesen Antrag mit Bescheid vom , StNr., zurückgewiesen mit der Begründung, dass Verjährung eingetreten sei und auch die Frist des § 304 lit. b BAO abgelaufen sei.
Mit den Eingaben vom hat der Bw gegen den Zurückweisungsbescheid Berufung erhoben und gleichzeitig auch den Antrag auf Erlassung eines abgeleiteten Bescheides gemäß § 295 BAO gestellt.
Mit Berufungsvorentscheidung vom , StNr., wurde die Berufung als unbe-gründet abgewiesen. Die Abgabenbehörde I. Instanz stützte sich dabei auf eine Entscheidung des , eine UFS-Entscheidung die in der Folge unbekämpft blieb.
Der Antrag auf Erlassung eines abgeleiteten Bescheides gemäß § 295 BAO wurde von der Abgabenbehörde I. Instanz mit Bescheid vom , StNr., zurückgewiesen. Dagegen wurde am Berufung erhoben, welche - ohne Erlassung einer Berufungsvorentscheidung - gemeinsam mit dem Vorlageantrag vom betreffend Zurückweisung des Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens an den UFS vorgelegt wurde.
Eine weitere UFS-Entscheidung vom , RV/0058-S/09, miterledigt RV/0189-S/09, war Gegenstand des Verfahrens vor dem VfGH, der die Behandlung der Beschwerde ablehnte und vor dem VwGH, der am , 2010/15/0064, die Beschwerde als unbegründet abgewiesen hat. Diesem Verfahren lag ein Sachverhalt zugrunde, der mit dem vorliegenden Sachverhalt nahezu ident ist. Dabei geht es um eine Beteiligung an einer Publikumspersonen-gesellschaft, nämlich der Firma-GmbH und ehemaliger atypisch stiller Gesellschafter, StNr.Firma, Fin-anzamt Wien 6/7/15. Diese Entscheidung wurde dem Bw zur Kenntnis gebracht mit der Einla-dung zur Stellungnahme.
Mit Bescheid vom waren die Verfahren nach § 281 BAO ausgesetzt worden. Nachdem der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde abgelehnt hatte und nunmehr in der - der Aussetzung zugrundeliegenden - Rechtsache die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zu GZ. 2010/15/0064 am ergangen ist, war gem. § 281 Abs. 2 BAO aufgrund der rechtskräftigen Beendigung des Verfahrens, das Anlass zur Aussetzung gegeben hat, das ausgesetzte Berufungsverfahren vom Amts wegen fortzusetzen. Ein entsprechender Vorhalt ist dem Bw am zugegangen.
Über die Berufung wurde erwogen:
Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom , 2010/15/0064, wörtlich ausgeführt:
"1. Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens:
Gemäß § 303 Abs. 1 lit. b BAO ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Be-scheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkom-men, die im abgeschlossenen Verfahren ohne grobes Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbei-geführt hätte.
Nach § 303 Abs. 2 BAO ist der Antrag auf Wiederaufnahme binnen einer Frist von drei Mona-ten von dem Zeitpunkt an, in dem der Antragsteller nachweislich von dem Wiederaufnahme-grund Kenntnis erlangt hat, bei der Abgabenbehörde einzubringen, die im abgeschlossenen Verfahren den Bescheid in erster Instanz erlassen hat.
Tatsachen im Sinne des § 303 BAO sind ausschließlich mit dem Sachverhalt des abgeschlos-senen Verfahrens zusammenhängende tatsächliche Umstände, also Sachverhaltselemente, die bei einer entsprechenden Berücksichtigung zu einem anderen Ergebnis geführt hätten, wie etwa Zustände, Vorgänge, Beziehungen und Eigenschaften. Neue Erkenntnisse in Bezug auf die rechtliche Beurteilung solcher Sachverhaltselemente - auch wenn diese späteren rechtlichen Erkenntnisse (neuen Beurteilungskriterien) durch die Änderung der Verwaltungs-praxis oder der Rechtsprechung gewonnen werden - sind keine derartigen Tatsachen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2012/15/0147, mwN).
Das Verfahren nach § 188 BAO stellt sich als Bündelung eines Ausschnittes der Einkommen-steuerverfahren aller Beteiligten dar. Solcherart wird die Person, welche im Feststellungsver-fahren dem Finanzamt gegenüber für die Personenvereinigung auftritt, für die Gesellschafter der Personenvereinigung (im Hinblick auf diesen Ausschnitt ihres Einkommensteuerverfah-rens) tätig. Die Kenntnis des Vertreters über einen Wiederaufnahmegrund ist auch der vertre-tenen Partei zuzurechnen. Aus der einkommensteuerlichen Natur des Verfahrens nach § 188 BAO folgt, dass die Kenntnis des im Feststellungsverfahren agierenden Vertreters auch den Beteiligten (hinsichtlich ihrer Einkommensteuerverfahren) zuzurechnen ist (vgl. das hg. Er-kenntnis vom , 2009/15/0153).
Bereits in der zu hg. 2002/13/0224 erhobenen Beschwerde wurde vom Vertreter (unter ande-rem auch) des nunmehrigen Beschwerdeführers vorgebracht, bei etwa fünfzig der in den Lis-ten der belangten Behörde genannten Personen sei es - vor allem dadurch, dass Beteiligte verstorben seien - zwischen Mai 1990 und Juni 2002 zu Rechtsnachfolgen gekommen, auf die die belangte Behörde bei der Bezeichnung der Bescheidadressaten durch Verweisung auf diese Listen nicht Bedacht genommen habe. Weiter wurden in dieser Beschwerde auch Be-hauptungen über die mangelnde Bescheidqualität schon der erstinstanzlichen Erledigungen aufgestellt.
Damit waren aber dem Vertreter (auch) des Beschwerdeführers bereits zum Zeitpunkt der Einbringung jener Beschwerde im Jahr 2002 jene Tatsachen (Todesfälle von Beteiligten) bekannt, aus denen abzuleiten war, dass der dort angefochtenen Erledigung, aber auch der jener Erledigung zugrunde liegenden erstinstanzlichen Erledigungen (hier der Erledigung über die Feststellung von Einkünften für das Jahr 1989, datiert mit ) keine Be-scheidqualität zukam. Nur auf die Kenntnis dieser Tatsachen, nicht aber auf die aus diesen Tatsachen ableitbare mangelnde Bescheidqualität (auch wenn diese Rechtsfolge von der Finanzverwaltung bestritten wurde) kommt es für die Frage der Rechtzeitigkeit der Einbringung des Antrages auf Wiederaufnahme an (vgl. neuerlich das hg. Erkenntnis vom , 2009/15/0153).
Damit wurde aber der Antrag des Beschwerdeführers auf Wiederaufnahme des Verfahrens (weit) außerhalb der Frist des § 303 Abs. 2 BAO eingebracht.
Der belangten Behörde kann daher schon deswegen nicht entgegengetreten werden, wenn sie den Antrag auf Wiederaufnahme zurückgewiesen hat."
Da die Kenntnis des im Feststellungsverfahren agierenden Vertreters auch den Beteiligten hinsichtlich ihrer Einkommensteuerverfahren zuzurechnen ist, kommt es nicht mehr auf den Zeitpunkt der Kenntnisnahme durch den Bw an. Aus diesem Grunde wurde der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens außerhalb der Frist des § 303 Abs. 2 BAO gestellt. Weiters führte der VwGH im zit. Erkenntnis zum Antrag nach § 295 BAO aus:
"2. Antrag auf Erlassung eines abgeleiteten Bescheides gemäß § 295 BAO :
Ist ein Bescheid von einem Feststellungsbescheid abzuleiten, so ist er gemäß § 295 Abs. 1 BAO ohne Rücksicht darauf, ob die Rechtskraft eingetreten ist, im Fall der nachträglichen Ab-änderung, Aufhebung oder Erlassung des Feststellungsbescheides von Amts wegen durch einen neuen Bescheid zu ersetzen oder, wenn die Voraussetzungen für die Erlassung des ab-geleiteten Bescheides nicht mehr vorliegen, aufzuheben. Mit der Änderung oder Aufhebung des Feststellungsbescheides kann gewartet werden, bis die Abänderung oder Aufhebung des Feststellungsbescheides oder der nachträglich erlassene Feststellungsbescheid rechtskräftig geworden ist.
§ 295 Abs. 1 BAO soll gewährleisten, dass abgeleitete Bescheide - hier der Einkommen-steuerbescheid für das Jahr 1989 - dem aktuell vorliegenden Grundlagenbescheid (und der materiellen Rechtslage) entsprechen. Die grundsätzliche Funktion der genannten Vorschrift besteht darin, abgeleitete Bescheide mit den aktuellen Inhalten der zu Grunde liegenden Fest-stellungsbescheide in Einklang zu bringen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2006/13/0115, mwN). Eine Abänderung (oder Aufhebung) nach § 295 Abs. 1 BAO setzt aber voraus, dass nachträglich (nach Erlassung des "abgeleiteten" Bescheides, hier also im Jahr 1998) ein Feststellungsbescheid abgeändert, aufgehoben oder erlassen wird (vgl. Ritz, aaO § 295 Tz 3).
Ein derartiger Fall liegt hier aber nicht vor:
Der "Feststellungsbescheid", auf den sich der abgeleitete Einkommensteuerbescheid 1989 stützte, wurde nach Erlassung des Einkommensteuerbescheides nicht abgeändert oder auf-gehoben; es wurde auch kein Feststellungsbescheid (erstmals) erlassen. Es wurde vielmehr durch Zurückweisung der Berufung gegen diesen Feststellungsbescheid im Rahmen der Be-gründung des Zurückweisungsbescheides festgehalten, dass dieser "Feststellungsbescheid" keine Bescheidwirkungen entfaltete. Dieser Umstand führt zwar dazu, dass sich der Einkom-mensteuerbescheid 1989 als rechtswidrig erweist, da für die Abänderung gemäß § 295 BAO im Jahr 1998 die Tatbestandsvoraussetzung des § 295 Abs. 1 BAO , nämlich die Abänderung eines Grundlagenbescheides nicht gegeben war. Dies wäre aber in einer Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid geltend zu machen gewesen (vgl. hiezu etwa die hg. Erkenntnisse vom , 93/15/0088, und vom , 93/14/0203). Der Einkommen-steuerbescheid 1989 erwuchs aber - unstrittig - unangefochten in Rechtskraft. Die Bestim-mung des § 295 Abs. 4 BAO (idF BGBl. I Nr. 76/2011) ist im vorliegenden Fall noch nicht an-zuwenden.
Eine Abänderung eines Grundlagenbescheides (oder eine erstmalige Erlassung eines sol-chen), auch nicht in der Weise, dass ein "negativer Grundlagenbescheid iSd § 188 BAO" er-lassen worden wäre, liegt damit aber nicht vor. Damit ist die Tatbestandsvoraussetzung des § 295 Abs. 1 BAO nicht gegeben.
Der belangten Behörde kann daher schon deswegen nicht entgegengetreten werden, wenn sie dem Antrag des Beschwerdeführers auf Erlassung eines abgeleiteten Bescheides gemäß § 295 BAO keine Folge gegeben hat."
Diese Begründung der höchstgerichtlichen Entscheidung trifft vollinhaltlich auf die vorliegen-den Berufungen, die inhaltlich jenen verfahrensgegenständlichen Berufungen in weiten Berei-chen entsprechen, zu.
§ 295 Abs 1 BAO räumt dem Abgabepflichtigen kein subjektives Recht zur Stellung eines An-trages ein (arg. von Amts wegen). Diese Bestimmung bindet ausschließlich die Abgabenbe-hörde. Ein auf diese Norm gestützter Antrag ist folglich mangels Antragslegitimation zurückzu-weisen. Die Unzulässigkeit eines solchen Antrages besteht unabhängig vom Eintritt der (ab-soluten) Verjährung (vgl. ).
Salzburg, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 295 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 303 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 304 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 281 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 281 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 303 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 303 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 188 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 295 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 295 Abs. 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at