Aussetzung der Einhebung nach aufhebendem Erkenntnis des VwGH weiterhin aufrecht
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw., vertreten durch Rechtsanwalt, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Hollabrunn Korneuburg Tulln vom betreffend Aussetzungsantrag gemäß § 212a BAO entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Anlässlich des Ergehens der Berufungsentscheidung wird der Spruch des angefochtenen Bescheides insoweit abgeändert als der Antrag des Berufungswerbers auf Aussetzung der Einhebung der Lohnabgaben und Säumniszuschläge der Jahre 2000 bis 2004 nunmehr gemäß § 273 Abs. 1 lit. a BAO zurückgewiesen anstatt abgewiesen wird.
Entscheidungsgründe
Mit Schreiben vom beantragte der Berufungswerber (Bw.) gemäß § 212a BAO die Aussetzung der Einhebung von Lohnabgaben und Säumniszuschlägen der Jahre 2000 bis 2004 im Gesamtbetrag von € 488.198,69.
Begründend wurde vorgebracht, dass den Festsetzungsbescheiden vom kein Anbringen zu Grunde liege bzw. diese zumindest hinsichtlich der genannten Abgaben von seinem Anbringen abweichen würden.
Gegen diese Bescheide hätte er am Berufung erhoben und damit - bis auf einen nicht bestrittenen Betrag von € 54,45 - die Inanspruchnahme und die Höhe der Abgaben und Zuschläge angefochten und gleichzeitig die Aussetzung der Einhebung beantragt.
Die angerufene Behörde hätte mit Bescheid vom seinem Aussetzungsantrag stattgegeben und die Aussetzung bewilligt.
Mit Berufungsentscheidung vom hätte der Unabhängige Finanzsenat als Berufungsbehörde seiner Berufung Folge gegeben und den Bescheid 2004 auf € 54,45 abgeändert.
Die angerufene Behörde hätte aus diesem Grund mit Bescheid vom den Ablauf der bewilligten Aussetzung verfügt.
Mit dem auf Grund der Amtsbeschwerde der angerufenen Behörde ergangenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom wäre die Berufungsentscheidung des Unabhängigen Finanzsenates vom aufgehoben und somit die oben genannten, angefochtenen Bescheide vom gemäß § 254 BAO wieder wirksam geworden.
Die angerufene Behörde hätte offenbar aus diesem Grund mit Buchungsmitteilung Nr.1 vom die Lohnabgaben 2000 bis 2004 neuerlich festgesetzt und die Zahlung bis aufgetragen. Die Säumniszuschläge für diese Abgaben hätte die angerufene Behörde nicht neuerlich festgesetzt; dennoch wären sie auf Grund der Anführung in den gemäß § 254 BAO wirksamen Bescheiden wieder einhebbar.
Die Inanspruchnahme und die Höhe der damit einzuhebenden Abgaben würden daher von der (neuerlichen) Erledigung seiner Berufung vom abhängen. Diese einzuhebenden Abgaben wären auf die oben genannten angefochtenen Bescheide vom zurückzuführen; diesen Bescheiden liege kein Anbringen zu Grunde bzw. würden diese Bescheide von seinem Anbringen abweichen (§ 212a Abs. 1 BAO).
Nach dem die Berufungsentscheidung aufhebenden Erkenntnis des VwGH hätte der Unabhängige Finanzsenat über seine Berufung vom noch nicht wieder entschieden (§ 212a Abs. 3 BAO).
Die in § 212a Abs. 2 BAO genannten Hindernisse für eine Aussetzung würden nicht vorliegen:
Auf Grund der Tatsache, dass die Berufungsbehörde bereits einmal seiner Berufung Folge gegeben hätte, wäre aus einer ex-ante-Betrachtung jedenfalls auszuschließen, dass seine Berufung wenig erfolgversprechend wäre.
Außerdem hätte der VwGH den Berufungsbescheid des Unabhängigen Finanzsenates vom wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und nicht wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Darüber hinaus wäre das Verhalten des Bw. nicht auf eine Gefährdung der Einbringlichkeit, sondern auf die Klärung einer Grundsatzfrage gerichtet.
Mit Bescheid vom wies das Finanzamt den Aussetzungsantrag ab, da gemäß § 212a Abs. 2 lit. c BAO die Aussetzung der Einhebung nicht zu bewilligen wäre, wenn das Verhalten des Abgabepflichtigen auf eine Gefährdung der Einbringlichkeit der Abgabe gerichtet wäre. Dies wäre etwa dann der Fall, wenn er sein Vermögen an Angehörige übertrage (; ). Dabei hätte die Abgabenbehörde nicht nur ein gefährdendes Verhalten zu berücksichtigen, das mit dem Aussetzungsantrag in einem engen zeitlich Zusammenhang stehe; sie hätte vielmehr auch zeitlich davor liegendes Verhalten zu berücksichtigen. Entscheidend wäre die mit dem Verhalten verbundene objektive Gefährdungseignung, nicht jedoch das Motiv des Abgabepflichtigen ().
Durch die Veräußerung des dem Bw. gehörenden Liegenschaftsanteiles in Adresse_X, an die Gattin S.K. am wäre ein derartiges Gefährdungsverhalten zu erblicken, weshalb der Antrag abzuweisen wäre.
In der dagegen am rechtzeitig eingebrachten Berufung brachte der Bw. vor, dass die Rechtsansicht der Erstbehörde hinsichtlich des Gefährdungsverhaltens nicht richtig wäre, weil diese Veräußerung nicht auf eine Gefährdung der Einbringlichkeit gerichtet wäre und die negativen Voraussetzungen des § 212a Abs. 2 lit. c BAO nicht vorliegen würden:
Die Haftungs- und Abgabenbescheide je vom über die Abgaben, deren Einhebung auszusetzen wäre, wären mit Bescheid des Unabhängigen Finanzsenates vom aufgehoben worden. Da dies die letzte Instanz gewesen wäre, wäre diese Aufhebung rechtskräftig geworden. Mehr als drei Jahre lang vor der Veräußerung wären daher diese Abgaben rechtlich nicht mehr existent gewesen.
Auch die Amtsbeschwerde beim Verwaltungsgerichtshof könne daran nichts ändern, weil es sich dabei nur um einen außerordentlichen Rechtsbehelf handle und die aufschiebende Wirkung dieser Beschwerde nicht einmal beantragt worden wäre.
Auch das zum Zeitpunkt der Veräußerung noch offene Verfahren beim Verwaltungsgerichtshof über diese Amtsbeschwerde könne nicht rechtfertigen, dass die Veräußerung auf eine Gefährdung der Einbringlichkeit der Abgaben gerichtet wäre, da zum Veräußerungszeitpunkt der Ausgang des Verfahrens völlig offen gewesen wäre. Auf Grund der geringen Erfolgsquote von Beschwerden beim Verwaltungsgerichtshof wäre - ex ante - mit einem Erfolg der Amtsbeschwerde auch eher nicht zu rechnen gewesen. Die Rechtsprechung, dass eine zumindest drohende Abgabenschuld die Gefährdung eines Verhaltens begründe, wäre daher hier nicht heranzuziehen.
Die veräußerten Liegenschaftsanteile wären zum Zeitpunkt der Übergabe und auch derzeit erheblich belastet und somit nicht befriedigungstauglich (gewesen), weil der - insbesondere steuerliche - Wert der Liegenschaftsanteile weit unter der Summe der Belastungen liege.
Die Veräußerung von ohnedies überbelasteten und somit nicht befriedigungstauglichen Liegenschaftsanteilen könne daher kein die Einbringlichkeit gefährdendes Verhalten darstellen.
Über die Berufung wurde erwogen:
Gemäß § 212a Abs. 1 BAO ist die Einhebung einer Abgabe, deren Höhe unmittelbar oder mittelbar von der Erledigung einer Berufung abhängt, auf Antrag des Abgabepflichtigen insoweit auszusetzen, als eine Nachforderung unmittelbar oder mittelbar auf einen Bescheid, der von einem Anbringen abweicht, oder auf einen Bescheid, dem kein Anbringen zu Grunde liegt, zurückzuführen ist, höchstens jedoch im Ausmaß der sich bei einer dem Begehren des Abgabepflichtigen Rechnung tragenden Berufungserledigung ergebenden Herabsetzung der Abgabenschuld.
Gemäß § 212a Abs. 5 BAO besteht die Wirkung einer Aussetzung der Einhebung in einem Zahlungsaufschub. Dieser endet mit Ablauf der Aussetzung oder ihrem Widerruf ( § 294 BAO ). Der Ablauf der Aussetzung ist anlässlich einer über die Berufung (Abs. 1) ergehenden
a) Berufungsvorentscheidung oder
b) Berufungsentscheidung oder
c) anderen das Berufungsverfahren abschließenden Erledigung
zu verfügen. Die Verfügung des Ablaufes anlässlich des Ergehens einer Berufungsvorentscheidung schließt eine neuerliche Antragstellung im Fall der Einbringung eines Antrages auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz ( § 276 BAO ) nicht aus.
Gemäß § 42 Abs. 3 VwGG tritt durch die Aufhebung des angefochtenen Bescheides nach Abs. 2 die Rechtssache in die Lage zurück, in der sie sich vor Erlassung des angefochtenen Bescheides befunden hatte.
Zunächst war festzustellen, dass laut ,
"der mit der Verfügung des Ablaufes der Aussetzung der Einhebung nach § 212a Abs. 5 dritter Satz BAO gesetzte Rechtsakt nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes mit dem aufgehobenen Berufungsbescheid im Abgabenverfahren, der das Berufungsverfahren abgeschlossen und die Verfügung des Ablaufes der Aussetzung der Einhebung daher ausgelöst hatte, in einem solchen unlösbaren Zusammenhang steht, welcher eine Anwendung der von Lehre und Rechtsprechung aus § 42 Abs. 3 VwGG abgeleiteten Folgewirkungen auf den nach § 212a Abs. 5 dritter Satz BAO erlassenen Bescheid grundsätzlich rechtfertigen konnte (Hinweis Zorn, Rechtswirkungen des verwaltungsgerichtlichen Erkenntnisses im fortgesetzten Verfahren, in "Das verwaltungsgerichtliche Verfahren in Steuersachen", Wien 1999, 259).
Der von Zorn an späterer Stelle seines Beitrages (a.a.O., 261 f) geäußerten Ansicht, dass für die Frage der Verzinslichkeit der Abgabenrückstände die Rückwirkungsanordnung der Bestimmung des § 42 Abs. 3 VwGG nicht zum Tragen komme, vermag sich der Verwaltungsgerichtshof nicht anzuschließen. Diese Ansicht lässt sich mit dem vom gleichen Autor eingeräumten Wegfall des den Ablauf der Aussetzung verfügenden Bescheides als Rechtsfolge der Aufhebung der Berufungsentscheidung im Abgabenverfahren rechtlich nicht in Einklang bringen. Bedarf der Ablauf der Aussetzung eines konstitutiven Aktes, dann hat der Wegfall dieses Aktes den Weiterbestand der bewilligten Aussetzung mit den aus § 212a Abs. 5 letzter Satz und Abs. 9 BAO resultierenden Rechtsfolgen zwingend zur Konsequenz.
Die von Zorn für seine Auffassung ins Treffen geführten Überlegungen zur Möglichkeit einer durch ein rückwirkend herbeigeführtes Fortleben der Aussetzung bewirkten Schlechterstellung solcher Abgabepflichtiger, deren Beschwerden vom Verwaltungsgerichtshof aufschiebende Wirkung nach § 30 Abs. 2 VwGG bewilligt worden war oder denen gegenüber die Abgabenbehörde während der Dauer des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ohne Stundungsantrag von der Einbringung der Abgabenforderung faktisch Abstand genommen hatte, überzeugen nicht. Auswirkungen eines Auslegungsergebnisses können dessen Richtigkeit dann in Frage stellen, wenn sie eine in die Verfassungssphäre reichende Unsachlichkeit der gefundenen Lösung besorgen ließen, was hier zu verneinen ist, weil der eine Aussetzung der Einhebung bescheidmäßig vorgeschriebener Abgaben beantragende Abgabenpflichtige die aus seiner Antragstellung resultierenden Konsequenzen des Anfallens von Aussetzungszinsen nach § 212a Abs. 9 BAO in Kauf genommen hat."
Daraus folgt, dass durch die vom VwGH am , 2008/13/0243, aufgehobene Berufungsentscheidung vom , RV/0040-G/07, als Konsequenz auch die Aufhebung der Bescheide vom sowie vom betreffend Verfügung des Ablaufes der Aussetzung der Einhebung (Anmerkung: und auch des Bescheides betreffend Festsetzung von Aussetzungszinsen) zur Folge hatte.
Daraus folgt wiederum, dass die auf Grund der Berufung und des Aussetzungsantrages vom mit Bescheiden vom sowie vom bewilligte Aussetzung der Einhebung nach wie vor (bis zum Ergehen der neuerlichen Berufungsentscheidung bzw. des neuerlichen Ablaufbescheides) aufrecht ist.
Dies betrifft auch die noch nicht wieder vorgeschriebenen Säumniszuschläge, die aber als mittelbare Folge des aufhebenden Erkenntnisses des VwGH ebenfalls wieder aufleben und nach wie vor von der Einhebung gemäß § 212a BAO ausgesetzt sind.
Da wegen res iudicata infolge der aufrechten Aussetzung der Einhebung keine neuerliche Bewilligung erteilt werden kann, war die Berufung abzuweisen und der gegenständliche Antrag auf Aussetzung der Einhebung zurückzuweisen.
Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 212a Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 212a Abs. 5 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 42 Abs. 3 VwGG, Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 10/1985 § 212a Abs. 5 dritter Satz BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | -G/07 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at