Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 25.08.2010, RV/1821-W/10

Vorliegen eines Pflichtveranlagungstatbestandes

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw., vertreten durch Dr. Heinz Neuner, Rechtsanwalt, 1130 Wien, Hietzinger Kai 5/18, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 2/20/21/22, vertreten durch Mag. Karin Ladovitsch, vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2008 und gegen den Bescheid betreffend Einkommensteuervorauszahlung für das Jahr 2010 vom entschieden:

Die Berufung betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2008 wird als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Die Berufung betreffend Einkommensteuervorauszahlung 2010 wir gem. § 256 Abs 3 BAO gegenstandslos erklärt.

Entscheidungsgründe

Aus den vom Finanzamt vorgelegten Aktenteilen sowie den im Abgabeninformationssystem der Finanzverwaltung des Bundes und aus der Ediktsdatei des Bundesministeriums für Justiz abrufbaren Informationen lässt sich entnehmen:

Laut Versicherungsdatenauszug vom bezog der Bw. im Jahr 2008 bis Krankengeld, ferner war er Angestellter ( bis ), als gewerblich selbständig Erwerbstätiger bei der SVA der gewerblichen Wirtschaft versichert (im Jahr 2008: bis ) und bezog ab eine vorzeitige Alterspension infolge langer Versicherungsdauer.

Der Berufungswerber (Bw.) wurde mit Bescheid vom zur Einkommensteuer für das Jahr 2008 veranlagt. Am gleichen Tag erging ein Bescheid, wonach die Vorauszahlungen an Einkommensteuer für 2010 und Folgejahre, basierend auf dem Einkommensteuerbescheid 2008, festgesetzt wurden.

Dem Einkommensteuerbescheid 2008 zufolge erzielte der Bw. im Jahr 2008 folgende lohnsteuerpflichtige Einkünfte:


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Arbeitgeber
Bezugszeitraum
steuerpflichtige Bezüge
Tankstelle H
1.1. bis
16.783,77
Pensionsversicherungsanstalt
1.12. bis
2.126,14
Wiener Gebietskrankenkasse
1.1. bis
5.983,93

Darüber hinaus werden im Bescheid keine Einkünfte ausgewiesen.

Mit beim Finanzamt am eingelangtem Schreiben erhob der Bw. durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid 2008 sowie gegen den Einkommensteuervorauszahlungsbescheid 2010 und Folgejahre:

"Gegen den mir zugestellten ESt-Bescheid für 2008 mit einer Nachzahlungsverpflichtung über € 1.020,48 sowie gegen den Vorauszahlungsbescheid 2010 über € 1.112,32 - je vom 22. Februar 201 0 - erhebe ich in offener Frist

B E R U F U N G

Die beiden Bescheide werden ihrem gesamten Inhalte nach angefochten.

Ich war seinerzeit zu 25 % Gesellschafter und alleiniger Geschäftsführer der H Tankstelle Gesellschaft mbH.

Über das Vermögen dieser Gesellschaft wurde mit Beschluss des HG Wien vom das Konkursverfahren eröffnet, dieses steht vor dem Abschluss.

Beweis:

beiliegendes Konkursedikt vom

Die HTankstelle GesmbH betreibt keine Gewerbe und kein Unternehmen mehr, sie wird im Firmenbuch des HG Wien gelöscht werden.

Ich selbst ging mit Konkurseröffnung in Pension und wurde (auch) über mein Vermögen vom BG Donaustadt mit Beschluss vom das Schuldenregulierungsverfahren eröffnet.

In der Prüfungstagsatzung am haben meine Gläubiger meinen im Rahmen des Schuldenregulierungsverfahrens unterbreiteten Zahlungsplanantrag angenommen, das Konkursverfahren wurde mit Beschluss des BG Donaustadt vom - nach rk. Bestätigung des Zahlungsplanes - wieder aufgehoben.

Beweis:

beiliegender Beschluss des BG Donaustadt vom

beiliegender Beschluss des BG Donaustadt vom

beizuschaffender des BG Donaustadt

Einer meiner drei Gläubiger im Schuldenregulierungsverfahren war im übrigen die Republik Österreich (Finanzamt), die nun gegen mich erhobene Forderung (ESt-Nachzahlung 2008) - wurde - gleichwohl auf 2008 zurückgehend bzw. datierend -im Schuldenregulierungsverfahren aber nicht angegeben bzw. angemeldet.

Es handelt sich dabei sohin gleichfalls um eine Konkursforderung, die durch Nichtanmeldung untergegangen ist.

Selbst im andere Falle - um meinen Zahlungsplan (auch gegenüber dem FA) erfüllen zu können, muss ich sogar bis unter das Existenzminimum alle meine Einkünfte meinen Gläubigem zur Verfügung stellen - entsprächen nun (weitere) Zahlungsverpflichtungen meinerseits im Sinne des § 197 KO nicht meiner Einkommens- und Vermögenslage, zumal mir - wie ausgeführt - für meinen Lebensbedarf nicht einmal mehr das Existenzminimum verbleibt.

Ich stelle daher den höflichen

ANTRAG

den angefochtenen Einkommenssteuerbescheid 2008 sowie den (darauf fußenden) Vorauszahlungsbescheid 2010 ersatzlos zu beheben, in eventu die Abgabennachforderung sowie die Vorauszahlungen für 2010 mit einem Betrag von € 0,- festzusetzen."

Mit Berufungsvorentscheidung vom wies das Finanzamt Wien 2/20/21/22 die Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid 2010 als unbegründet ab:

"Gemäß § 41 Abs 1 Z 3 i s t eine Veranlagung durchzuführen, wenn i m Kalenderjahr Bezüge gemäß § 69 Abs 2,3,5,6,7 oder 8 zugeflossen sind. Dem Berufungsbegehren (Aufhebung des Bescheides) kann daher nicht entsprochen werden."

Mit Bescheid vom selben Tag wurden die Vorauszahlungen an Einkommensteuer 2010 und Folgejahre mit € 0,00 festgesetzt.

Mit Schreiben vom betreffend "ESt-Bescheid 2008, Vorauszahlungsbescheid" beantragte der Bw. durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter unter Hinweis auf sein bisheriges Vorbringen die Vorlage seiner Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz.

Mit Bericht vom legte das Finanzamt Wien 2/20/21/22 die Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid 2008 sowie gegen den Einkommensteuervorauszahlungsbescheid 2010 und Folgejahre dem Unabhängigen Finanzsenat als Abgabenbehörde zweiter Instanz zur Entscheidung vor.

Über die Berufung wurde erwogen:

§ 41 EStG 1988 lautet i. d. F. BGBl. I Nr. 99/2007:

"Veranlagung von lohnsteuerpflichtigen Einkünften

§ 41. (1) Sind im Einkommen lohnsteuerpflichtige Einkünfte enthalten, so ist der Steuerpflichtige zu veranlagen, wenn

1. er andere Einkünfte bezogen hat, deren Gesamtbetrag 730 Euro übersteigt,

2. im Kalenderjahr zumindest zeitweise gleichzeitig zwei oder mehrere lohnsteuerpflichtige Einkünfte, die beim Lohnsteuerabzug gesondert versteuert wurden, bezogen worden sind.

3. im Kalenderjahr Bezüge gemäß § 69 Abs. 2, 3, 5, 6, 7 oder 8 zugeflossen sind,

4. in einem Freibetragsbescheid für das Kalenderjahr berücksichtigte besondere Verhältnisse gemäß § 63 Abs. 1 nicht in der ausgewiesenen Höhe zustehen,

5. der Alleinverdienerabsetzbetrag oder der Alleinerzieherabsetzbetrag berücksichtigt wurde, aber die Voraussetzungen nicht vorlagen.

6. der Arbeitnehmer eine unrichtige Erklärung abgegeben hat oder seiner Meldepflicht gemäß § 16 Abs. 1 Z 6 nicht nachgekommen ist.

§ 39 Abs. 1 dritter Satz ist anzuwenden.

(2) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 1 nicht vor, so erfolgt eine Veranlagung nur auf Antrag des Steuerpflichtigen. Der Antrag kann innerhalb von fünf Jahren ab dem Ende des Veranlagungszeitraums gestellt werden. § 39 Abs. 1 dritter Satz ist anzuwenden.

(3) Sind im Einkommen lohnsteuerpflichtige Einkünfte enthalten, ist von den anderen Einkünften ein Veranlagungsfreibetrag bis zu 730 Euro abzuziehen. Der Freibetrag vermindert sich um jenen Betrag, um den die anderen Einkünfte 730 Euro übersteigen.

(4) Bei der Ermittlung der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit bleiben Bezüge, die nach § 67 Abs. 1 oder § 68 steuerfrei bleiben oder mit dem festen Satz des § 67 oder mit den Pauschsätzen des § 69 Abs. 1 zu versteuern waren, außer Ansatz. Die Steuer, die auf die sonstigen Bezüge innerhalb des Jahressechstels im Sinne des § 67 Abs. 1 und 2 entfällt, ist aber neu zu berechnen. Übersteigen die sonstigen Bezüge innerhalb des Jahressechstels gemäß § 67 Abs. 1 und 2 die Freigrenze von 2.000 Euro, beträgt die Steuer unter Anwendung des § 67 Abs. 12 6% des 620 Euro übersteigenden Betrages. Die Steuer beträgt jedoch höchstens 30% des 2.000 Euro übersteigenden Betrages. Ungeachtet des vorläufigen Steuerabzugs gemäß § 69 Abs. 2 und 3 gilt ein Siebentel dieser Bezüge als ein Bezug, der mit dem festen Steuersatz des § 67 Abs. 1 zu versteuern war und von dem 6% Lohnsteuer einbehalten wurde. Ein Siebentel der Bezüge gemäß § 69 Abs. 5 gilt als Bezug, der mit dem festen Steuersatz des § 67 Abs. 1 zu versteuern ist."

§ 69 Abs. 2 EStG 1988 lautet:

"(2) Bei Auszahlung von Bezügen aus einer gesetzlichen Kranken- oder Unfallversorgung sowie aus einer Kranken- oder Unfallversorgung der Versorgungs- und Unterstützungseinrichtungen der Kammern der selbständig Erwerbstätigen gemäß § 25 Abs. 1 Z 1 lit. c und e sind 22% Lohnsteuer einzubehalten, soweit diese Bezüge 20 Euro täglich übersteigen. Wird ein 13. bzw. 14. Bezug zusätzlich ausgezahlt, hat ein vorläufiger Lohnsteuerabzug von diesen Bezügen zu unterbleiben. Zur Berücksichtigung dieser Bezüge im Veranlagungsverfahren haben die Versicherungsträger bis zum 31. Jänner des folgenden Kalenderjahres einen Lohnzettel (§ 84) auszustellen und an das Finanzamt der Betriebsstätte zu übermitteln. In diesem Lohnzettel ist ein Siebentel gesondert als sonstiger Bezug gemäß § 67 Abs. 1 auszuweisen."

Der Bw. hat im Jahr 2008 von der Wiener Gebietskrankenkasse Krankengeld erhalten. Hierbei handelt es sich um einen Bezug aus einer gesetzlichen Krankenversorgung i. S. d. § 41 Abs. 1 Z 3 i. V. m. § 69 Abs. 2 EStG 1988.

Daher hat eine Pflichtveranlagung des Bw. zu erfolgen (vgl. Atzmüller/Wanke in Wiesner/Atzmüller/Grabner/Lattner/Wanke, MSA EStG 10. GL § 41 Anm. 19).

Nach der Aktenlage wurde über das Vermögen der HTankstelle GmbH am der Konkurs eröffnet.

Ferner wurde mit Beschluss vom des BG Donaustadt, hinsichtlich des Bw. ein Schuldenregulierungsverfahren eröffnet.

Zwischen dem Bw. und den Gläubigern wurde am ein Zahlungsplan abgeschlossen und am konkursgerichtlich bestätigt.

Mit Beschluss vom wurde der Zahlungsplan rechtskräftig bestätigt und das Schuldenregulierungsverfahren aufgehoben.

Beim Schuldenregulierungsverfahren handelt es sich um eine Sonderform des Konkursverfahrens für natürliche Personen, die kein Unternehmen betreiben (siehe §§ 181 und 182 KO).

Die mit der KO-Nov 1993, BGBl 1993/974, in die Konkursordnung eingefügten Sonderbestimmungen für natürliche Personen über das Konkurs- und Schuldenregulierungsverfahren (§§ 181 ff) sehen bei Erfüllung des Zahlungsplanes eine Restschuldbefreiung vor. Diese Restschuldbefreiung wirkt nach § 214 Abs. 1 KO gegen alle Konkursgläubiger (auch für die Gläubiger, die ihre Forderungen nicht angemeldet haben), sowie für Forderungen nach § 58 Z 1 KO.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erk. , dargetan hat, wird das Recht bzw. die Pflicht der Abgabenbehörde, Abgabenansprüche im Abgabenfestsetzungsverfahren bescheidmäßig geltend zu machen, durch einen Zwangsausgleich nicht berührt. Erst im Abgabeneinhebungsverfahren ist dem Umstand Rechnung zu tragen, dass der Gemeinschuldner gemäß § 156 Abs 1 KO durch den rechtskräftig bestätigten Ausgleich von der Verbindlichkeit befreit wird, seinen Gläubigern den Ausfall, den sie erleiden, nachträglich zu ersetzen, gleichviel, ob sie am Konkursverfahren oder an der Abstimmung über den Ausgleich teilgenommen oder gegen den Ausgleich gestimmt haben oder ob ihnen ein Stimmrecht überhaupt nicht gewährt worden ist. Das im Abgabenfestsetzungsbescheid enthaltene Leistungsgebot betrifft stets den materiell-rechtlichen Abgabenanspruch, welcher Gegenstand der Abgabenfestsetzung ist. Die Prüfung der Frage, ob und in welcher Höhe der Abgabenanspruch zum Zeitpunkt der Abgabenfestsetzung noch aushaftet bzw inwieweit er bereits durch Zahlungen befriedigt wurde, erfolgt hingegen nicht im Abgabenfestsetzungsverfahren, in welchem die Abgabenverrechnung unberücksichtigt bleiben muss, sondern erst im Abgabeneinhebungsverfahren ().

"Anders als beim Zustandekommen eines Zwangsausgleiches erlöschen Konkursforderungen keineswegs zur Gänze dadurch, daß sie quotenmäßig befriedigt werden. Vielmehr bleiben sie in jenem Maße aufrecht, in dem sie nicht beglichen werden. Dies gilt auch für Abgabenschuldigkeiten. Soweit der AbgPfl die Anmeldung der Abgabenforderung im Konkursverfahren ins Spiel bringt und er die Auffassung vertritt, daß der dadurch geschaffene Exekutionstitel als "entschiedene Rechtssache" einer Abgabenvorschreibung entgegenstehe, so übersieht er, daß es sich bei der Forderungsanmeldung um eine Maßnahme der Abgabeneinhebung handelt, während die Erlassung des streitgegenständlichen Umsatzsteuerbescheides eine solche der Abgabenfestsetzung darstellt" ().

Ein nach rechtskräftiger Bestätigung eines angenommenen Zahlungsplanes aufgehobenes Schuldenregulierungsverfahren steht somit der bescheidmäßigen Festsetzung des ungekürzten Abgaben-Leistungsgebotes nicht entgegen (vgl. ; ; -I/04; ).

Da sich der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2008 somit als rechtmäßig erweist, war die gegen diesen gerichtete Berufung als unbegründet abzuweisen.

Inwieweit die auf den Einkommensteuerbescheid 2008 zurückgehende Nachzahlung Billigkeitsmaßnahmen im Weg der Abgabeneinhebung zugänglich ist, kann in diesem Verfahren nicht beurteilt werden.

Mit Schriftsatz vom zog der rechtsfreundliche Vertreter die Berufung gegen den Einkommensteuervorauszahlungsbescheid für das Jahr 2010 zurück. Die Berufung war somit in diesem Punkt als gegenstandslos zu erklären.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 256 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 197 KO, Konkursordnung, RGBl. Nr. 337/1914
§ 41 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 69 Abs. 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 181 KO, Konkursordnung, RGBl. Nr. 337/1914
§ 182 KO, Konkursordnung, RGBl. Nr. 337/1914
§ 214 Abs. 1 KO, Konkursordnung, RGBl. Nr. 337/1914
§ 58 Z 1 KO, Konkursordnung, RGBl. Nr. 337/1914
§ 156 Abs. 1 KO, Konkursordnung, RGBl. Nr. 337/1914
Verweise

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at