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Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 16.10.2009, RV/1976-W/09

Antrag auf Wiederaufnahme der Einkommensteuer nach Ablauf der absoluten Verjährungsfrist, weil kein rechtswirksamer Grundlagenbescheid erlassen wurde.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufungen der Bw., L., vertreten durch SWB Steuerberatung GmbH, 1130 Wien, Biraghigasse 31,

- vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 9/18/19 Klosterneuburg, vom , mit dem der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs 4 BAO betreffend Einkommensteuer 1989 abgewiesen wurde,

- vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 9/18/19 vom , mit dem der Antrag auf Abänderung des Einkommensteuerbescheides 1989 gemäß § 295 BAO abgewiesen wurde,

entschieden:

Die Berufungen werden als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid vom wird dahingehend geändert, das er ausspricht:

Der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens Einkommensteuer 1989 wird zurückgewiesen.

Der angefochtene Bescheid vom wird dahingehend abgeändert, dass er ausspricht: Der Antrag vom auf Erlassung eines abgeleiteten Bescheides betreffend Einkommensteuer 1989 gemäß § 295 BAO wird zurückgewiesen.

Entscheidungsgründe

Mit Anbringen vom beantragte die Berufungswerberin (Bw.) die Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 BAO betreffend des gemäß § 295 BAO abgeänderten Einkommensteuerbescheides 1989 vom . Zur Begründung führte sie an, es sei mit Bescheid vom festgestellt worden, dass der dem Einkommensteuerbescheid 1989 zugrunde liegende Bescheid bezüglich der Feststellung der Einkünfte gemäß § 188 BAO der "K-AG" vom mangels gültigem Bescheidadressaten der Bescheidcharakter fehle und dieser somit keine normative Kraft entfalten könne. Es handle sich um einen Nichtbescheid ().

Die Qualifizierung des Grundlagenbescheides als Nichtbescheid stelle eine neu hervorgekommene Tatsache im Sinne des § 303 Abs. 1 lit. b BAO dar und sei als tauglicher Wiederaufnahmegrund zu qualifizieren. Wenn selbst der bescheiderlassenden Behörde die Tatsache nicht bekannt war, dass der Grundlagenbescheid nicht über Bescheidcharakter verfügte, so kann diese Tatsache im Verhältnis zum Rechtsunterworfenen nur als "neu hervorgekommen" gelten.

Den Wiederaufnahmewerber treffe kein grobes Verschulden an der Nichtgeltendmachung dieses Umstandes. Diese Rechtsansicht werde durch eine Erledigung des Bundesministeriums für Finanzen vom , welche dem Antrag beigelegt wurde, geteilt.

Weiters wies die Bw. darauf hin, dass die Wiederaufnahme des rechtskräftigen Verfahrens zu einem abgeänderten Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1989 führe.

Die Bw. wies selbst darauf hin, dass der strittige Feststellungsbescheid vom zuerst mit Berufung und dann am mittels Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof bekämpft worden sei. Diese Beschwerde sei mit Beschluss vom zurückgewiesen worden (). Daraufhin habe das Finanzamt Wien 6/7/15 am einen Bescheid erlassen, mit dem es die diesbezügliche Berufung vom mangels gültigem Bescheidadressaten als unzulässig zurückgewiesen habe.

Die vorgenommene Abänderung des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 1989 gemäß § 295 BAO sei folglich auf Basis eines Nichtbescheides erfolgt und entspreche damit nicht den gesetzlichen Erfordernissen.

Die Abänderung eines abgeleiteten Bescheides gemäß § 295 BAO sei nur dann zulässig, wenn der betreffende Bescheid von einem Grundlagenbescheid abzuleiten sei. Unbestritten sei nunmehr, dass der von der Abgabenbehörde ausgefertigte Bescheid vom als auch der Bescheid vom für das Veranlagungsjahr 1989 ins Leere gegangen sei. Damit habe jedoch der Abänderung ein tauglicher Feststellungsbescheid gefehlt. Da der abgeleitete Einkommensteuerbescheid rechtswidrig erlassen worden sei und auch ein nachträglich rechtswirksam erlassener Grundlagenbescheid diesen Mangel nicht geheilt hätte, sei dem Wiederaufnahmsantrag stattzugeben. Da der Rechtszustand herzustellen sei, der ohne Abänderung gemäß § 295 BAO vorgelegen sei, sei ein Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1989 in der Fassung des ursprünglichen Einkommensteuerbescheides zu erlassen.

Diese Neuerlassung sei auch dann zwingend, wenn zu diesem Zeitpunkt bereits ein rechtswirksam erlassener Grundlagenbescheid vorliegt, der im Ergebnis dem abgeänderten Einkommensteuerbescheid entspreche. Verfahrensrechtlich berechtige dieser neue Grundlagenbescheid nämlich nur zur Abänderung des aufgrund der Wiederaufnahme neu erlassenen Bescheides.

Hinsichtlich der Verjährung weist die Bw. darauf hin, dass abgeleitete Abgabenbescheide - im Gegensatz zu Feststellungsbescheiden - der Verjährung unterliegen und damit dem Rechtsunterworfenen grundsätzlich ein Rechtsverlust drohe (Ritz, Kommentar zur Bundesabgabenordnung, 3. Auflage, S 608).

Die beantragte Wiederaufnahme ermögliche der Bw. ihre Ansprüche innerhalb der Verjährung geltend zu machen.

Das Finanzamt wies den Wiederaufnahmeantrag mit dem angefochtenen Bescheid vom ab und begründete dies ua. wie folgt:

Gemäß § 303 Abs.1 lit.b BAO ist der Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahren stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im abgeschlossenen Verfahren ohne grobes Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten. Die von der Bw. zitierte Rechtsansicht des BMF (GZ BMF-010103-0042-VI/2005) sagt aus, dass das Vorliegen eines Nichtbescheides eine neu hervorgekommene Tatsache sei. Gemäß § 303 Abs.2 BAO ist der Antrag binnen einer Frist von 3 Monaten von dem Zeitpunkt an, in dem der Antragsteller nachweislich von dem Wiederaufnahmsgrund Kenntnis erlangt hat, bei der Abgabenbehörde einzubringen, die im abgeschlossenen Verfahren den Bescheid in erster Instanz erlassen hat. Hinsichtlich der Kenntnis des Wiederaufnahmegrundes hat sich die vertretene Partei die Kenntnis des Vertreters zurechnen zu lassen (Ritz, BAO, § 303, Rz 27). Der Vertreter hätte jedoch schon Kenntnis von der Tatsache gehabt, da die fehlende Bescheidqualität die bereits Gegenstand der gegen die BP-Bescheide () erhobenen Berufung gewesen sei und auch Inhalt der dazu ergangenen zweitinstanzlichen Sachentscheidung () der Finanzlandesdirektion Wien, Niederösterreich und Burgenland geworden sei, mit Beschluss über die Beschwerdezurückweisung vom , 2002/13/0224 bestätigt wurde. Daher hätte der Vertreter bereits mit seinem Einwand der fehlenden Bescheidqualität im Berufungsverfahren gegen den BP-Bescheide, spätestens jedoch mit der Beschwerdezurückweisung vom durch den VwGH Kenntnis vom Vorliegen der neuen Tatsache des Vorliegens eines Nichtbescheides. Da somit längst bekannt gewesen sei, dass es sich beim 1997 durchgeführten Feststellungsverfahrens um einen Nichtbescheid gehandelt hätte, liege grobes Verschulden an der verspäteten Geltendmachung des Wiederaufnahmegrundes vor. Der Antrag auf Wiederaufnahme sei daher abzuweisen gewesen.

In der Berufung vom (Berufung gegen den Zurückweisungsbescheid vom ) bestritt die Bw. den Eintritt der Verjährung hinsichtlich der Einkommensteuer für das Jahr 1989. Sie stellte einen Antrag auf Erlassung eines abgeleiteten Bescheides gemäß § 295 BAO.

Sie stützte sich darauf, am sei eine einheitliche und gesonderte Feststellungserklärung der Mitunternehmerschaft abgegeben worden sei, über die am erklärungsgemäß abgesprochen worden sei.

Nach Durchführung einer Wiederaufnahme des Verfahrens sei dieser Bescheid durch den - schon oben beschriebenen - Feststellungsbescheid vom ersetzt worden, zu dem nun mit Bescheid vom (Anm. des Finanzamtes Wien 6/7/15) festgestellt worden sei, dass er nichtig gewesen sei. Grund für die nichtigen Bescheide seien Fehler in der Adressierung gewesen. Insbesondere seien in dem einheitlich und gesonderten Feststellungsbescheid bereits verstorbenen Personen angeführt worden.

Diesbezüglich sei zu beachten, dass auch in dem (Erst)Bescheid vom bereits verstorbene Personen angeführt worden seien. Somit sei auch dieser Bescheid als Nichtbescheid zu qualifizieren, womit über die Erklärung zur einheitlichen und gesonderten Feststellung der Einkünfte nicht bescheidmäßig abgesprochen worden sei. Damit sei gem. § 209a Abs. 2 BAO Verjährung für 1989 noch nicht eingetreten.

Somit könne hinsichtlich des Jahres 1989 keine Verjährung eingetreten sein, weil gem. § 209a Abs.2 BAO die Einkommensteuerveranlagung mittelbar von der Erledigung der abgegebenen einheitlich und gesonderten Feststellungserklärung abhängt (siehe Ellinger-Iro-Kramer-Sutter-Urtz in der Bundesabgabenordnung zu § 209 a BAO Anmerkung 11; Ritz Bundesabgabenordnung § 209 a Rdz 7) Zu beachten sei, dass dies Sachverhaltskonstellation auch telefonisch seitens der steuerlichen Vertretung des Treuhänders mit Dr. Ritz vom BMF durchbesprochen wurde und dieser auch klar bestätigt hätte, dass in dieser Konstellation keine Verjährung eingetreten sein kann. Ausdrücklich sei abschließend darauf zu verweisen, dass es nicht nur eine Wiederaufnahme auf Antrag, sondern auch eine Wiederaufnahme von Amts wegen gibt. Fakt sei, dass der Einkommensteuerbescheid der Bw. aufgrund eines Nichtbescheides geändert worden sei und dass dies Rechtwidrig gewesen sei und diese Rechtswidrigkeit auch durch einen Feststellungsbescheid nicht saniert werden könne (). Damit seien auch die Voraussetzungen des § 295 BAO gegeben. Ganz offensichtlich erfolgte die gebotene amtswegige Änderung des gegenständlichen Einkommensteuerbescheides nur deswegen nicht, weil sich dies zu Gunsten der Bw. auswirken würde.

Die Berufung wurde - ohne Erlassung einer Berufungsvorentscheidung - an den Unabhängigen Finanzsenat zur Entscheidung vorgelegt.

Hinsichtlich des Antrages auf Erlassung eines abgeleiteten Bescheides gemäß § 295 BAO erließ das Finanzamt am einen Bescheid, mit dem der Antrag abgewiesen wurde. Begründend wurde ausgeführt, dass gemäß § 295 Abs.1 BAO ein Bescheid, der von einem Feststellungsbescheid abzuleiten sei, ohne Rücksicht darauf, ob die Rechtskraft eingetreten sei, im Fall der nachträglichen Abänderung, Aufhebung oder Erlassung des Feststellungsbescheides von Amts wegen durch einen neuen Bescheid zu ersetzen, oder, wenn die Voraussetzungen für die Erlassung des abgeleiteten Bescheides nicht mehr vorliegen, aufzuheben sei. Voraussetzung für die Erlassung eines abgeleiteten Bescheides sei somit die Abänderung, Aufhebung oder Erlassung eines Feststellungsbescheides. Ein diesbezüglicher Sachverhalt liege jedoch nicht vor. Die Zurückweisung einer Berufung gegen einen Feststellungsbescheid wegen dessen Unwirksamkeit ist der Abänderung, Aufhebung oder Erlassung eines Feststellungsbescheides nicht gleichzuhalten. Die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen für die Erlassung eines abgeleiteten Bescheides würde daher nicht vorliegen. Der Antrag sei daher abzuweisen gewesen.

Gegen den Bescheid mit dem der Antrag auf Erlassung eines abgeleiteten Bescheides gemäß § 295 BAO abgewiesen wurde brachte die Bw. Berufung ein.

Der Antrag auf Erlassung eines neuen Bescheides gemäß § 295 BAO werde ausdrücklich aufrechterhalten, da im gegenständlichen Fall bis heute keine neuen rechtswirksamen Feststellungsbescheide ergangen seien.

Der Begründung des Behörde, dass die Tatbestandsmerkmale des § 295 BAO nicht gegeben seien, hält die Bw. entgegen, dass eindeutig im gegenständlichen Fall gemäß § 295 BAO vorzugehen sei, denn auch die nachträgliche bescheidmäßige Erledigung, dass der Grundlagenbescheid, der zur Abänderung des Einkommensteuerbescheides geführt hätte, in Wahrheit ein Nichtbescheid wäre, ist einer Aufhebung des Grundlagenbescheides gleichzusetzen. Es könne nicht sein, dass der von einem Nichtbescheid abgeleiteten Einkommensteuerbescheid zwar rechtwidrig ergangen sei, dieser aber dann nicht gem. § 295BAO wieder aufzuheben sei (vgl. Zl.93/14/0203). Diese Auslegung würde dem Zweck des § 295 BAO zuwiderlaufen. Denn hätte die Bw. damals gegen den abgeleiteten Einkommensteuerbescheid berufen, wäre die Berufung gem. § 252 BAO abgewiesen worden. Auch aus dem Blickwinkel des Rechtsschutzes könne in verfassungskonformer Interpretation § 295 nur derart ausgelegt werden, dass er auch im gegenständlichen Fall anzuwenden sei.

Fakt sei jedenfalls, dass der gegenständliche Einkommensteuerbescheid 1989 aufgrund eines Nichtbescheides geänderte worden sei, und dass dies rechtswidrig gewesen sei, und diese Rechtswidrigkeit wie oben ausgeführt auch durch einen etwaigen zukünftigen gleichlautenden einheitlichen und gesonderten Feststellungsbescheid nicht saniert werden könne ().

Das zu diesem Thema ergangene VwGH-Erkenntnis 2006/13/0115 vom sei im gegenständlichen Fall nicht anwendbar, da für das Jahr 1989 noch immer kein rechtsgültiger Feststellungsbescheid ergangen sei. Die Voraussetzungen des § 295 BAO seien gegeben. Die gebotene amtswegige Änderung des gegenständlichen Einkommensteuerbescheides scheine nur deswegen nicht zu erfolgen, weil es sich zu Gunsten des Bw. auswirken würde.

Über die Berufung wurde erwogen:

Die Entscheidung basiert auf dem nachstehend dargestellten, unbestrittenen Sachverhalt.

Festgestellt wird, dass eine einheitliche und gesonderte Feststellungserklärung der Mitunternehmerschaft abgegeben wurde, über die am erklärungsgemäß abgesprochen worden ist.

Nach Durchführung einer Wiederaufnahme des Verfahrens ist dieser Bescheid durch den - schon oben beschriebenen - Feststellungsbescheid vom ersetzt worden, zu dem nun mit Bescheid vom (Anm. des Finanzamtes Wien 6/7/15) festgestellt worden ist, dass er nichtig gewesen ist. Grund für den nichtigen Bescheid ist der Fehler in der Adressierung gewesen. Insbesondere sind in dem einheitlich und gesonderten Feststellungsbescheid bereits verstorbene Personen angeführt worden.

Im gegenständlichen Verfahren ist aufgrund der am erlassenen einheitlichen und gesonderte Feststellung gemäß § 188 BAO, nachdem das Verfahren gemäß § 303 Abs. 4 BAO wiederaufgenommen wurde, am ein gemäß § 295 BAO geänderter Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1989 ergangen.

Rechtlich ist dazu auszuführen:

A) Zur Richtigkeit des Bescheides, der über den Antrag auf Wiederaufnahme abgesprochen hat:

§ 303 Abs. 1 und 2 BAO lauten:

(1) Dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens ist stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und

a) ...

b) Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im abgeschlossenen Verfahren ohne grobes Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten, oder

c) der Bescheid von Vorfragen abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der hiefür zuständigen Behörde (Gericht) in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte (§ 303 Abs. 1 lit. b BAO).

(2) Der Antrag auf Wiederaufnahme gemäß Abs. 1 ist binnen einer Frist von drei Monaten von dem Zeitpunkt an, in dem der Antragsteller nachweislich von dem Wiederaufnahmsgrund Kenntnis erlangt hat, bei der Abgabenbehörde einzubringen, die im abgeschlossenen Verfahren den Bescheid in erster Instanz erlassen hat.

Gemäß § 304 der Bundesabgabenordnung (BAO) ist nach Eintritt der Verjährung eine Wiederaufnahme des Verfahrens ausgeschlossen, sofern ihr nicht ein

a) innerhalb des Zeitraumes, bis zu dessen Ablauf die Wiederaufnahme von Amts wegen unter der Annahme einer Verjährungsfrist (§§ 207 bis 209 Abs. 2) von sieben Jahren zulässig wäre, oder

b) vor dem Ablauf einer Frist von fünf Jahren nach Eintritt der Rechtskraft des das Verfahren abschließenden Bescheides

eingebrachter Antrag gemäß § 303 Abs. 1 BAO zugrunde liegt.

1. Eintritt der Verjährung

Um die Zulässigkeit der Wiederaufnahme des Verfahrens und damit des auf diese Maßnahme gerichteten Antrages beurteilen zu können, ist zuerst zu prüfen, ob die Verjährung hinsichtlich der Einkommensteuer für 1989 bereits eingetreten ist.

Nach § 209 Abs. 3 BAO verjährt das Recht auf Festsetzung einer Abgabe spätestens zehn Jahre nach Entstehung des Abgabenanspruches (§ 4 BAO). Der Abgabenanspruch der veranlagten Einkommensteuer entsteht nach § 4 Abs. 2 lit. a Z 2 BAO, insbesondere mit Ablauf des Kalenderjahres, für das die Veranlagung vorgenommen wird, soweit nicht der Abgabenanspruch nach § 4 Abs. 2 lit. a Z 1 BAO schon früher entstanden ist, oder wenn die Abgabepflicht im Lauf eines Veranlagungszeitraumes erlischt, mit dem Zeitpunkt des Erlöschens der Abgabepflicht.

Bei der veranlagten Einkommensteuer für das Jahr 1989 ist mit Ablauf des Jahres 1999 die absolute Verjährung eingetreten. Am Eintritt der absoluten Verjährung ändert auch der Umstand nichts, dass die absolute Verjährungsfrist erst mit dem Steuerreformgesetz 2005, BGBl. I 2004/57 ab von fünfzehn auf zehn Jahre verkürzt wurde, trat doch die absolute Verjährung der Einkommensteuer 1989 selbst nach Maßgabe einer fünfzehnjährigen absoluten Verjährungsfrist mit Ablauf des Jahres 2004 ein.

Zum Hinweis des Bw., dass nach Maßgabe des § 209a Abs. 2 BAO die Verjährung nicht eingetreten sei, ist Folgendes zu bemerken:

§ 209 a Abs. 1 und 2 BAO lauten:

"(1) Einer Abgabenfestsetzung, die in einer Berufungsentscheidung zu erfolgen hat, steht der Eintritt der Verjährung nicht entgegen.

(2) Hängt eine Abgabenfestsetzung unmittelbar oder mittelbar von der Erledigung einer Berufung oder eines in Abgabenvorschriften vorgesehenen Antrages (§ 85) ab, so steht der Abgabenfestsetzung der Eintritt der Verjährung nicht entgegen, wenn die Berufung oder der Antrag vor diesem Zeitpunkt, wenn ein Antrag auf Aufhebung gemäß § 299 Abs. 1 vor Ablauf der Jahresfrist des § 302 Abs. 1 oder wenn ein Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens rechtzeitig im Sinn des § 304 eingebracht wurde."

Schon aus dem Wortlaut dieser Bestimmungen ergibt sich, dass diese den Eintritt der Verjährung nicht verhindern, sondern unter den dort genannten Voraussetzungen eine Abgabenfestsetzung trotz des Eintrittes der Verjährung zulassen. Damit unterliegt die Bw. insoweit einem Irrtum, als sie davon ausgeht, dass die Verjährung noch nicht eingetreten sein kann.

Für den verfahrensgegenständlichen Wiederaufnahmsantrag kommt die Bestimmung des § 209a Abs. 2 BAO nicht zur Anwendung, da dieser nicht vor Eintritt der Verjährung eingebracht wurde. Der Umstand, dass allenfalls die Abgabenfestsetzung noch auf Grund anderer noch nicht erledigter Anträge trotz Eintritt der Verjährung zulässig sein könnte, bedeutet noch nicht, dass die Abgabenfestsetzung auf Grund des gegenständlichen Wiederaufnahmsantrages zulässig sein muss. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist lediglich die Frage der Zulässigkeit des Wiederaufnahmeantrages vom .

Die in einer Einzelerledigung des Bundesministeriums für Finanzen vom vertretene Rechtsansicht, wonach die Wiederaufnahme auch dann zu bewilligen sei, wenn die Bemessungsverjährung der Erlassung eines neuerlichen Änderungsbescheides entgegensteht, kann für den Unabhängigen Finanzsenat nicht bindend sein. Nach § 6 Abs. 1 des Bundesgesetzes über den unabhängigen Finanzsenat (UFSG) besteht keine Bindung an Weisungen der Mitglieder des unabhängigen Finanzsenates bei Besorgung der ihnen nach den Abgabenvorschriften (§ 3 Abs. 3 BAO) zukommenden Aufgaben. Aus diesem Grunde hat die Beurteilung der gegenständlichen Rechtsfragen anhand der gesetzlichen Bestimmungen zu erfolgen.

2. Zulässigkeit der Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 304 lit. a BAO

Für die Bewilligung der Wiederaufnahme (= Wiederaufnahme auf Antrag) sieht § 304 BAO Ausnahmen von der grundsätzlich maßgebenden Befristung durch die Verjährung vor.

Die Siebenjahresfrist des § 304 lit. a BAO ist unterbrechbar (bzw. ab 2005: verlängerbar) und hemmbar. Die absolute Verjährungsfrist (§ 209 Abs. 3 BAO) begrenzt auch die Frist des § 304 lit. a BAO (vgl. Ritz, BAO³, § 304 Tz. 5 unter Hinweis auf Ellinger ua., BAO³, § 209 Anm. 20 und § 304 Anm. 2).

Für den gegenständlichen Wiederaufnahmsantrag ist ausschlaggebend, dass dieser nicht vor Eintritt der absoluten Verjährung, welche mit eingetreten ist, eingebracht wurde. Aus diesem Grund ist die Wiederaufnahme des Verfahrens auf Grund des gegenständlichen Antrages nach § 304 lit. a BAO nicht zulässig.

3. Zulässigkeit der Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 304 lit b BAO:

Bei der Fünfjahresfrist des § 304 lit. b BAO ist unter Rechtskraft die formelle Rechtskraft zu verstehen (Ritz, ÖStZ 1995, 120; Ellinger ua, BAO³, § 304 Anm. 5). Diese Frist ist vor allem bedeutsam, wenn die Frist des § 304 lit. a BAO im Zeitpunkt der Stellung des Wiederaufnahmeantrages bereits abgelaufen ist (somit insbesondere für nach Ablauf der so genannten absoluten Verjährungsfrist des § 209 Abs. 3 BAO gestellte Wiederaufnahmsanträge).

Im gegenständlichen Fall wurde nicht bestritten, dass die formelle Rechtskraft des Einkommensteuerbescheides für 1989 vom bereits im Jahr 1997 eingetreten ist. Daraus ergibt sich, dass der nunmehr am eingebrachte Wiederaufnahmsantrag nicht innerhalb der Fünfjahresfrist des § 304 lit. b BAO eingebracht wurde.

Damit ist dem Finanzamt zuzustimmen, wenn aus diesem Grund dem gegenständliche Wiederaufnahmeantrag nicht stattgegeben wurde. Die Berufung war als unbegründet abzuweisen.

Zur vorgebrachten Denkunmöglichkeit:

Der Eintritt von Verjährung (und das Ablaufen von Fristen) durch gesetzliche Bestimmungen ist nichts Außergewöhnliches und soll den so genannten Rechtsfrieden schaffen. Ein Auslegungsergebnis von gesetzlichen Bestimmungen, das den Eintritt der Verjährung bzw. das Ablaufen einer Frist ergibt, ist daher nicht denkunmöglich.

Da eine Wiederaufnahme somit gemäß § 304 BAO "ausgeschlossen" ist, kann auf die Tauglichkeit des vorgebrachten Wiederaufnahmsgrund nicht eingegangen werden, und die erste Berufung ist abzuweisen.

B) Zur Richtigkeit des Bescheides, der abweisend über den Antrag auf Erlassung eines abgeleiteten Bescheides gemäß § 295 BAO betreffend die Einkommensteuer 1989 abgesprochen hat:

Die auf § 295 BAO gestützte Erlassung eines Bescheides ist eine amtswegige Maßnahme:

§ 295 Abs.1 BAO normiert ausdrücklich "von Amts wegen", § 295 Abs.2 BAO macht Abs.1 "sinngemäß" anwendbar und § 295 Abs.3 baut auf Abs.1 f auf (arg: "auch ansonsten").

Ein Antrag auf amtswegige Maßnahmen ist nicht zulässig, weshalb ein Antrag auf eine amtswegige Maßnahme gestellt würde und die Behörde tatsächlich die Maßnahme von Amts wegen vornähme, sodass der Antrag in der amtswegigen Maßnahme auch seine Erledigung fände (vgl. Stoll, 2999f), liegt hier nicht vor, den das Finanzamt hat eben nicht den von der Bw. gewünschten geänderten (neuen) Einkommensteuerbescheid 1989 erlassen.

§ 295 BAO sieht kein Antragsrecht neben der Vorgangsweise von Amts wegen vor. Ein solches Antragsrecht wäre auch überflüssig, weil § 295 BAO keinen Ermessensspielraum lässt und folglich durch § 311 Abs.2 BAO ohnehin ein Rechtsmittel gibt, das den Abgabepflichtigen vor Untätigkeit des Finanzamtes, wenn dieses von Amts wegen tätig zu werden hätte, schützt. (vgl. auch Ellinger ua, BAO³ § 295 Anm. 12, § 311 Anm. 18). Deshalb stellt die Unzulässigkeit eines Antrages auf Erlassung eines abgeleiteten Bescheides gemäß § 295 BAO auch kein denkunmögliches Interpretationsergebnis dar.

Eine Abweisung (Zurückweisung) des Antrages durch das Finanzamt ist daher im Ergebnis zu bestätigen und auch die zweite Berufung ist abzuweisen. Wegen der Unzulässigkeit des Antrages auf Erlassung eines abgeleiteten Bescheides gemäß § 295 BAO ist auf das theoretische Thema der behaupteten Zulässigkeit der Abgabenfestsetzung mit einem allfälligen, auf § 295 BAO gestützt erlassenen Einkommensteuerbescheid 1989 nach Ablauf der Verjährungsfrist hier nicht mehr einzugehen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 303 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 303 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 304 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 209a Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 209a Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 295 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 295 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 295 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961

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