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Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 29.06.2012, RV/2847-W/10

Vorliegen eines haftungsbegründenden Sachverhaltes

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw, gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 2/20/21/22 vom betreffend Haftung gemäß § 9 BAO entschieden:

Der Berufung wird insoweit Folge gegeben, als die Haftung auf € 3.232,94 anstatt € 8.921,94 eingeschränkt wird.

Im Übrigen wird die Berufung als unbegründet abgewiesen.

Entscheidungsgründe

Mit Haftungsbescheid vom nahm das Finanzamt den Berufungswerber (Bw) als Haftungspflichtigen gemäß § 9 Abs. 1 BAO für aushaftende Abgabenschuldigkeiten der G-GmbH im Ausmaß von € 8.921,94 in Anspruch.

In der dagegen eingebrachten Berufung führte der Bw aus, dass dieser Bescheid seinem gesamten Inhalt nach angefochten werde.

Zunächst sei auszuführen, dass sich der angefochtene Bescheid in floskelhaften formelartigen Hinweisen erschöpfe und - ohne auf konkrete, im gegenständlichen Fall zutreffende Sachverhalte einzugehen - nur Gesetz und Rechtsprechung zitierend sich auf jegliche Erwägung von Billigkeit vermissende und überlagernde abstrakte Zweckmäßigkeitserwägungen stütze und eine sachbezogene Abwägung des Für und Wider der Inanspruchnahme des Bw sprechenden Argumente nicht enthalte.

Außerdem fehlten die Gründe, die dafür sprächen, den Bw und nicht vorrangig den Abgabenhauptschuldner in Anspruch zu nehmen. Schon allein aus diesem Grunde sei der angefochtene Bescheid einer nachprüfenden Kontrolle unzugänglich und habe daher der Aufhebung zu verfallen.

Des Weiteren verweise der angefochtene Bescheid darauf, dass der Haftungspflichtige nachweisen müsse, dass ihm für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft keine oder nicht ausreichende Mittel zur Verfügung gestanden seien, er aber dennoch diese Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft verwendet habe und die Abgabenschulden daher im Verhältnis nicht schlechter behandelt habe als andere Verbindlichkeiten.

Abgesehen davon, dass auch hier der bereits seit der Antike geltende Grundsatz "negativa non sunt probanda" gelte, verlange die ständige Rechtsprechung, dass der in Haftung genommene Vertreter seine Schuldlosigkeit an der Pflichtverletzung "darzutun" habe, womit offensichtlich zum Ausdruck gebracht werde, dass dem Vertreter nicht unbedingt eine strenge Nachweispflicht aufzuerlegen sei, sondern dass die Glaubhaftmachungausreichend sei.

Wie sich aus den dem Bescheid angeschlossenen Kopien der Körperschaftsbescheide bezüglich der G-GmbH für die Jahre 2001 - 2006 ergebe, sei das Einkommen der Gesellschaft jeweils € 0,00 gewesen. Andere Mittel seien dem Geschäftsführer nicht zur Verfügung gestanden und seien auch keine anderen Ausgaben getätigt worden, sodass eine Benachteiligung der Abgabenbehörde mangels irgendwelcher Zahlungen an andere Gläubiger nicht gegeben sei.

Dieser Umstand sei jedoch befreiend für den Haftungspflichtigen.

Ein strenger Nachweis könne nicht erfolgen, zumal eben der Grundsatz "negativa non sunt probanda" herrsche und das Nichtvorhandensein von Mitteln sich aus den dem angefochtenen Bescheid beigefügten Körperschaftssteuerbescheiden mit dem Ergebnis € 0,00 ergebe. Ein Einkommen von € 0,00 über derart viele Jahre lasse es wohl auch als glaubhaft erscheinen, dass keinerlei andere Mittel zur Verfügung gestanden seien, sodass schon alleine aus diesem Grunde eine Bevorzugung anderer Gläubiger, die im Übrigen ebenfalls nicht vorhanden gewesen seien, gegenüber der Abgabenbehörde nicht erfolgt sei.

Der Bw beantrage, der Berufung Folge zu geben und den angefochtenen Bescheid ersatzlos aufzuheben.

Das Finanzamt wies die Berufung mit Berufungsvorentscheidung vom als unbegründet ab.

Mit Eingabe vom beantragte der Bw die Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Unbestritten ist, dass dem Bw als selbstständig vertretungsbefugtem Geschäftsführer der Abgabepflichtigen laut Eintragung im Firmenbuch seit (bis neben einem weiteren Geschäftsführer) die Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten der Gesellschaft oblag.

Die ebenfalls nicht bestrittene Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben bei der Primärschuldnerin steht auf Grund der Eintragung der amtswegigen Löschung deren Firma im Firmenbuch am fest.

Entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Erkenntnis vom , 97/15/0115) ist es im Falle der Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Gesellschaft Sache des Geschäftsführers darzutun, weshalb er nicht Sorge getragen hat, dass die Gesellschaft die anfallenden Abgaben rechtzeitig entrichtet hat, widrigenfalls die Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung annehmen darf. In der Regel wird nämlich nur der Geschäftsführer jenen ausreichenden Einblick in die Gebarung der GmbH haben, der ihm entsprechende Behauptungen und Nachweise ermöglicht.

Hatte der Geschäftsführer Gesellschaftsmittel zur Verfügung, die zur Befriedigung sämtlicher Schulden der Gesellschaft nicht ausreichten, so ist er nur dann haftungsfrei, wenn er im Verwaltungsverfahren nachweist, dass er die vorhandenen Mittel zur anteiligen Befriedigung aller Verbindlichkeiten verwendet und somit die Abgabenschulden nicht schlechter behandelt hat. Wenn die Behauptung und Nachweisung des Ausmaßes der quantitativen Unzulänglichkeit der in den Fälligkeitszeitpunkten der Abgaben zur Verfügung stehenden Mittel im Verwaltungsverfahren unterlassen wird, kommt eine Beschränkung der Haftung bloß auf einen Teil der uneinbringlichen Abgabenschulden nicht in Betracht.

Dass für die Entrichtung der haftungsgegenständlichen Abgaben keine Mittel zur Verfügung gestanden wären, wurde vom Bw mit dem Hinweis auf das Einkommen der G-GmbH laut Körperschaftsteuerbescheide für die Jahre 2001 bis 2006 in Höhe von jeweils € 0,00 behauptet. Zwar wurde dieses Vorbringen im Vorlageantrag vom Bw insofern ergänzt, als schon allein aus der Schätzung der Besteuerungsgrundlagen für die Jahre 2001 und 2002 zu schließen sei, dass keine Geschäftstätigkeit entfaltet und keinerlei Umsätze erzielt worden seien, doch geht aus der Aktenlage hervor, dass noch für Jänner 2001 Umsätze in Höhe von S 26.400,00 vorangemeldet wurden und für Dezember 2001 ein abziehbarer Vorsteuerbetrag von S 19.537,00 geltend gemacht wurde. Auch geht aus der Abfrage der Buchungen am Abgabenkonto der Gesellschaft hervor, dass bis zumindest geringfügige Zahlungen (: € 150,00) auf das Abgabenkonto erfolgten.

Es ist somit davon auszugehen, dass bis zu diesem Zeitpunkt Mittel zur anteiligen Entrichtung der Abgaben zur Verfügung standen, zumal die Tatsache der teilweisen Abgabenentrichtung nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () auf das Vorhandensein liquider Mittel, nicht jedoch auf eine aliquote Befriedigung des Abgabengläubigers schließen lässt.

Auf Grund des nachweislichen Vorhandenseins von Mittel bis konnten dem Bw mangels Darlegung des Fehlens der Mittel im maßgeblichen Zeitraum der Fälligkeit der Abgabenverbindlichkeiten zu deren vollständiger Entrichtung, was er nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () tauglich nur durch Darstellung auch der Einnahmesituation der Primärschuldnerin hätte aufzeigen können, und mangels Behauptung und Nachweisung des Ausmaßes der quantitativen Unzulänglichkeit der in den Fälligkeitszeitpunkten der Abgaben zur Verfügung stehenden Mittel nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. ) die - bis zu diesem Zeitpunkt fälligen - uneinbringlichen Abgaben, sofern sie in der Zeit fällig wurden, in der der Bw Geschäftsführer der Gesellschaft war, zur Gänze vorgeschrieben werden.

Infolge Einstellung der Zahlungen nach dem bestehen nach der Aktenlage ab diesem Zeitpunkt deutliche Anhaltspunkte für das Fehlen der Mittel zur Abgabenentrichtung, daher war der Berufung mangels entgegenstehender Feststellungen hinsichtlich der danach fällig werdenden Abgaben stattzugeben.

Es verbleibt somit die Haftung für die Vorauszahlungen auf die Körperschaftsteuer für das 4. Kalendervierteljahr 2001 in Höhe von € 321,94, für das 1., 2. und 3. Kalendervierteljahr 2002 und das 2. und 3. Kalendervierteljahr 2003 in Höhe von jeweils € 437,00, das 4. Kalendervierteljahr 2002 in Höhe von € 439,00 und das 1. Kalendervierteljahr 2003 in Höhe von € 287,00.

Infolge der schuldhaften Pflichtverletzung durch den Bw konnte die Abgabenbehörde nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () auch davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung Ursache für die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben war.

Sofern der Bw mit den Einwänden, dass sich der angefochtene Bescheid auf jegliche Erwägung von Billigkeit vermissende und überlagernde abstrakte Zweckmäßigkeitserwägungen stütze, eine sachbezogene Abwägung der Argumente nicht enthalte und die Gründe fehlten, die dafür sprächen, den Bw und nicht vorrangig den Abgabenhauptschuldner in Anspruch zu nehmen, ist dem zu entgegnen, dass laut Firmenbuchauszug der Bw im haftungsrelevanten Zeitraum einziger Geschäftsführer der Gesellschaft war, somit der einzige in Betracht kommende Haftende im Sinne der § 9 Abs. 1 in Verbindung mit §§ 80 ff. BAO, und diese Abgabenschulden bei der Gesellschaft nicht mehr eingebracht werden können. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () ist die Behörde daher in Ausübung des ihr eingeräumten Ermessens nicht rechtswidrig vorgegangen.

Auf Grund des Vorliegens der Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 BAO erfolgte somit die Inanspruchnahme des Bw für die laut Kontoabfrage vom nach wie vor unberichtigt aushaftenden Abgabenschuldigkeiten der G-GmbH im Ausmaß von € 3.232,94 zu Recht.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 9 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Schlagworte
Geschäftsführer
schuldhafte Pflichtverletzung
Uneinbringlichkeit
Ermessensübung

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at