Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 22.01.2007, RV/1932-W/06

Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung - Unzumutbarkeit der täglichen Heimfahrt aus gesundheitlichen Gründen

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/1932-W/06-RS1
Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung und Familienheimfahrten sind auch dann anzuerkennen, wenn bei vergleichsweise geringer Entfernung Wohnung-Arbeitsstätte medizinische Gründe eine tägliche Rückkehr zum Wohnort unzumutbar erscheinen lassen.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des AZ, K, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 1/23 vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2005 entschieden:

Der Berufung wird teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der Abgabe ist dem Ende der folgenden Entscheidungsgründe zu entnehmen und bildet einen Bestandteil dieses Bescheidspruches.

Entscheidungsgründe

Der Bw., AZ bezieht Einkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit.

Im Rahmen seiner Arbeitnehmerveranlagung für 2005 beantragte er u.a. die Berücksichtigung der Kosten für doppelte Haushaltsführung sowie Familienheimfahrten als Werbungskosten (i.H.v. € 3.807,96) und den Ansatz von Krankheitskosten seinenes Sohnes G als außergewöhnliche Belastung (i.H.v. € 875,38).

Das Finanzamt Wien 1/23 erließ einen von der Erklärung abweichenden Einkommensteuerbescheid für 2005. Demnach seien die Krankheitskosten für den Sohn nur unter Anrechnung des Selbstbehaltes als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen. Die beantragten Kosten der doppelten Haushaltsführung und Familienheimfahrten wurden nicht anerkannt, nachdem die Arbeitsstätte in einer zumutbaren Entfernung vom Familienwohnsitz lag.

Mit Eingabe vom erhob AZ zeit- und formgerecht Berufung gegen obigen Bescheid.

Sein Sohn leide seit Silvester 2004/2005 an einem durch einen Knallkörper hervorgerufenen schweren Tinitus. Trotz mehrmaliger Spitalsaufenthalte hätte keine Besserung erzielt werden können, erst die Behandlung in einer Spezialklinik habe eine Besserung erbracht. Die Kosten seien ohne Selbstbehalt anzusetzen, nachdem von einer lebenslangen Behinderung auszugehen sei. Zudem seien entsprechende Behandlungskosten per 2004 als außergewöhnliche Belastungen ohne Selbstbehalt anerkannt worden.

Zu den Aufwendungen betreffend die doppelte Haushaltsführung gab der Bw. bekannt, dass die von der Behörde in der Bescheidbegründung dargelegte Mindestentfernung von 120km nur einen Richtsatz darstellen würde und unter bestimmten Voraussetzungen auch geringer sein könne.

Die öffentlichen Verkehrsmittel würden überdies zu Zeiten verkehren, zu denen ein pünktlicher Arbeitsbeginn nicht möglich sei. Die Fahrzeit betrage für eine einfache Wegstrecke 2 Stunden. Nachdem er eine Behinderung mit festgestellter 50%iger Minderung der Erwerbsfähigkeit aufweise (Wirbelgleiten bei mehreren Lendenwirbeln), sei eine tägliche Reisezeit von 4 Stunden nicht zumutbar.

Auch für diese Aufwendungen gelte, dass sie per 2004 von der Behörde anerkannt worden seien.

Die Behörde erließ in der Folge eine Berufungsvorentscheidung mit der sie die Berücksichtigung der beantragten Aufwendungen als Werbungskosten bzw. außergewöhnliche Belastung erneut abwies.

Hinsichtlich der Krankheitskosten für den Sohn wurde dargelegt, eine außergewöhnliche Belastung ohne Selbstbehalt könne nur dann berücksichtigt werden, wenn der Grad der Behinderung des Kindes mindestens 25% betrage. Diese sei durch Bescheinigung (ab 2005 durch das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen) nachzuweisen. Nachdem keine entsprechende Bescheinigung vorliege, seien die Krankheitskosten daher zu Recht als außergewöhnliche Belastung unter Anwendung des Selbstbehaltes berücksichtigt worden.

Zu den Aufwendungen für die doppelte Haushaltsführung wurde zunächst dargelegt, dass eine derartige durch die Erwerbstätigkeit veranlasst sei, soferne eine Wohnsitzverlegung in die übliche Entfernung vom Ort der Erwerbstätigkeit nicht zugemutet werden könne. Die Begründung eines eigenen Haushalts am Beschäftigungsort sei beruflich veranlasst, wenn der Familienwohnsitz so weit entfernt sei, dass eine tägliche Rückkehr nicht zugemutet werden könne und entweder die Beibehaltung des Familienwohnsitzes außerhalb des Beschäftigungsortes nicht privat veranlasst sei oder die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Beschäftigungsort nicht zugemutet werden könne. Unzumutbarkeit sei jedenfalls bei einer Entfernung von mehr als 120 km des Familienwohnsitzes vom Beschäftigungsort gegeben. Der Bw. habe mit einen Wohnsitz in K im Einzugsbereich des Beschäftigungsortes begründet und seine berufliche Tätigkeit beim Magistrat der Stadt Wien ausgeübt. Er habe bekanntgegeben, zum Zeitpunkt der Verehelichung mit MZ ab einen weiteren Familienwohnsitz in W begründet zu haben. Nachdem bereits ein Wohnort am Beschäftigungort vorhanden gewesen sei, sei die Verlegung des Familienwohnsitzes außerhalb des Beschäftigungsortes nicht beruflich veranlasst und die Berücksichtigung der Kosten zu versagen gewesen.

Mit Eingabe vom beantragte der Bw. die Entscheidung der Berufung durch die Abgabenbehörde 2. Instanz. Die Berufungsvorentscheidung sei nicht nachvollziehbar, auf die Berufungsbegründung sei nicht näher eingegangen worden. Zudem wurde darauf verwiesen, dass die Aufwendungen für die Krankheitskosten des Sohnes sowie die doppelte Haushaltsführung im Rahmen der Arbeitnehmerveranlagung 2004 anerkannt worden seien.

Mit Vorhalt des wurde der Bw. zur Angabe näherer Auskünfte aufgefordert.

Hinsichtlich seines Dienstgebers sei der genaue Arbeitsort in Wien ebenso bekanntzugeben wie die Arbeitszeiten sowie die Möglichkeit der Inanspruchnahme von Gleitzeit. Die Angaben des Bw., nach dem dieser nicht in der Lage sei, seinen Dienstort rechtzeitig zu erreichen wurde aufgrund beigelegter Fahrpläne (Verkehrsverbund Ost) hinterfragt.

Hinsichtlich seiner Behinderung wurde der Bw. aufgefordert, den Behindertenpass für den Fall vorzulegen, dass dieser eine Eintragung über die Unzumutbarkeit der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel enthalte. Allenfalls sei ein ärztliches Attest vorzulegen, aus dem hervorgehe, dass der Bw. für 2005 gehindert sei, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen.

Hinsichtlich der beantragten Krankheitskosten für seinen Sohn wurden die gesetzlichen Vorschriften dargelegt. Demnach könne wie bereits im Rahmen der Berufungsvorentscheidung dargelegt, eine Berücksichtigung derartiger Kosten ohne Anrechnung des Selbstbehaltes nur dann erfolgen, wenn mit Bescheinigung des BMf. Soziales der Grad der Behinderung nachgewiesen werde.

Im Rahmen einer telefonischen Rücksprache gab der Bw. bekannt, die Eintragung der Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme öffentlicher Verkehrsmittel in den Behindertenpass zu beantragen.

Mit Schreiben vom beantwortete der Bw. den Fragenvorhalt des UFS.

Sein Arbeitsort liege in H.

Hinsichtlich der angestrebten Eintragung habe er einen negativen Bescheid des Bundessozialamtes erhalten. Eine solche Eintragung sei nur dann zulässig, wenn ein Fußweg in der Länge von 300m mangels körperlicher Einschränkungen nicht möglich sei. Der untersuchende Arzt des Bundessozialamtes habe zwar die Unzumutbarkeit einer 4-stündigen Fahrzeit mündlich attestiert, eine entsprechende schriftliche Bestätigung sei im Sinne des Behindertengesetzes jedoch nicht möglich.

Der behandelnde Facharzt des Bw. habe einen Fußweg von 300-400m gleichermaßen als erträglich, eine tägliche Fahrtzeit von 4 Stunden jedoch als unzumutbar angesehen und dies in einem fachärztlichen Befundbericht zum Ausdruck gebracht, der dem Schreiben beigelegt wurde.

Über die Berufung wurde erwogen:

§ 16. (1) EStG 1988 lautet (auszugsweise):

Werbungskosten sind die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen.

§ 20 Abs. 1 Z 2 lit. e EStG 1988 lautet:

§ 20. (1) Bei den einzelnen Einkünften dürfen nicht abgezogen werden:

...

lit e) Kosten der Fahrten zwischen Wohnsitz am Arbeits-(Tätigkeits-)ort und Familienwohnsitz (Familienheimfahrten), soweit sie den auf die Dauer der auswärtigen (Berufs-)Tätigkeit bezogenen höchsten in § 16 Abs. 1 Z 6 lit. c angeführten Betrag übersteigen.

§ 34 Abs. 1-4 EStG 1988 lautet:

(1) Bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen sind nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muß folgende Voraussetzungen erfüllen:

1. Sie muß außergewöhnlich sein (Abs. 2).

2. Sie muß zwangsläufig erwachsen (Abs. 3).

3. Sie muß die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich

beeinträchtigen (Abs. 4).

Die Belastung darf weder Betriebsausgaben, Werbungskosten noch Sonderausgaben sein.

(2) Die Belastung ist außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse erwächst.

(3) Die Belastung erwächst dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.

(4) Die Belastung beeinträchtigt wesentlich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, soweit sie einen vom Steuerpflichtigen von seinem Einkommen (§ 2 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 5) vor Abzug der außergewöhnlichen Belastungen zu berechnenden Selbstbehalt

übersteigt.

Der Selbstbehalt beträgt bei einem Einkommen

von höchstens 7 300 Euro 6%.

mehr als 7 300 Euro bis 14 600 Euro 8%.

mehr als 14 600 Euro bis 36 400 Euro 10%.

mehr als 36 400 Euro 12%.

Der Selbstbehalt vermindert sich um je einen Prozentpunkt

- wenn dem Steuerpflichtigen der Alleinverdienerabsetzbetrag oder

der Alleinerzieherabsetzbetrag zusteht,

- für jedes Kind (§ 106).

§ 34 Abs. 6 EStG 1988 lautet (auszugsweise):

Folgende Aufwendungen können ohne Berücksichtigung des Selbstbehaltes abgezogen werden:

........

- Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung, wenn der Steuerpflichtige selbst oder bei Anspruch auf den Alleinverdienerabsetzbetrag der (Ehe)Partner (§ 106 Abs. 3) oder

bei Anspruch auf den Kinderabsetzbetrag oder den Unterhaltsabsetzbetrag das Kind (§ 106 Abs. 1 und 2) pflegebedingte Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage) erhält, soweit sie die Summe dieser pflegebedingten Geldleistungen übersteigen.

Der Bundesminister für Finanzen kann mit Verordnung festlegen, in welchen Fällen und in welcher Höhe Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung ohne Anrechnung auf einen Freibetrag nach § 35 Abs. 3 und ohne Anrechnung auf eine pflegebedingte Geldleistung zu berücksichtigen sind.

§ 35 EStG 1988 lautet (auszugsweise):

§ 35. (1) Hat der Steuerpflichtige außergewöhnliche Belastungen

-....

- bei Anspruch des Steuerpflichtigen selbst oder seines (Ehe)Partners auf den Kinderabsetzbetrag durch eine Behinderung des Kindes (§ 106 Abs. 1 und 2), für das keine erhöhte Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 gewährt wird, und erhält weder der Steuerpflichtige noch sein (Ehe)Partner noch sein Kind eine pflegebedingte Geldleistung (Pflegegeld, Pflegezulage oder Blindenzulage), so steht ihm jeweils ein Freibetrag (Abs. 3) zu.

§ 35 Abs. 2 Z. 2 EStG 1988 bestimmt:

Die Höhe des Freibetrages bestimmt sich nach dem Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung).

....

Die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) sind durch eine amtliche Bescheinigung der für diese Feststellung zuständigen Stelle nachzuweisen. Zuständige Stelle ist:

....

In allen übrigen Fällen sowie bei Zusammentreffen von Behinderungen verschiedener Art das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen; dieses hat den Grad der Behinderung durch

Ausstellung eines Behindertenpasses nach §§ 40 ff des Bundesbehindertengesetzes, im negativen Fall durch einen in Vollziehung dieser Bestimmungen ergehenden Bescheid zu

bescheinigen.

§ 35 Abs. 3 EStG 1988 legt ab einem 25%igen Grad der Behinderung gestaffelte Pauschalbeträge dar.

§ 35 Abs. 5 EStG 1988 lautet:

(5) Anstelle des Freibetrages können auch die tatsächlichen Kosten aus dem Titel der Behinderung geltend gemacht werden (§ 34 Abs. 6).

Der Bw. legt zunächst dar, seine Aufwendungen hinsichtlich doppelter Haushaltsführung bzw. Krankheitskosten seien im Zuge der Arbeitnehmerveranlagung 2004 unbeanstandet geblieben. Die entsprechenden Zahlungen seien daher infolge identer gesetzlicher Bestimmungen per 2005 auch für dieses Jahr anzuwenden.

Der Bw. spricht hiebei (ohne ihn ausdrücklich zu erwähnen) den Grundsatz von Treu und Glauben an.

Wie der VwGH in ständiger Rechtssprechung judiziert, ist das Legalitätsprinzip (Art. 18 B-VG) jedoch grundsätzlich stärker als jeder andere Grundsatz, insbesondere jener von Treu und Glauben (vgl. Ritz BAO3 § 114 Rz. 7 mit Judikaturverweisen).

So kann die Partei aus einer rechtswidrigen Vorgangsweise der Behörde in anderen Fällen keine Rechte für sich ableiten (vgl. Ritz a.a.O § 114 Rz. 4).

Dies gilt auch für den Fall einer allenfalls rechtswidrigen Vorgangsweise der Behörde in Vorjahren beim Bw. Ein Rechtsanspruch auf Beibehaltung einer erkannt rechtswidrigen Vorgangsweise ist nicht gegeben.

Krankheitskosten

Die Krankheitskosten des Sohnes des Bw. i.H.v. € 875,38 wurden zunächst als a.g. Belastung unter Kennziffer (KZ 429) der elektronisch eingereichen Abgabenerklärung, somit ohne Anwendung des Selbstbehaltes geltend gemacht.

Wie aus den oben zitierten rechtlichen Bestimmungen hervorgeht, ist eine derartige Vorgangsweise nur unter der Bedingung der Vorlage einer Bescheinigung der zutreffenden Stelle, d.i. das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen zulässig.

Wenn der Bw. im Rahmen der Berufungsschrift vermeint, es sei von einer lebenslangen Behinderung auszugehen, so lag es an ihm, eine diese attestierende Bescheinigung im Verfahren vorzulegen.

Wenn das Finanzamt infolge Nichtvorlage einer Bescheinigung über den Grad der Behinderung die Krankheitskosten unter KZ 730 (als außergewöhnliche Belastung unter Bedachtnahme auf den Selbstbehalt) erfasste, wobei dem angefochtenen Bescheid zu entnehmen ist, dass die außergewöhnliche Belastung diesfalls unter dem Selbstbehalt lag, so ist dies nicht als rechtswidrig anzusehen. Die Berufung ist in diesem Punkt abzuweisen.

Doppelte Haushaltsführung, Familienheimfahrten

Der Verwaltungsgerichtshof judiziert in ständiger Rechtssprechung, dass die Beibehaltung des Familienwohnsitzes aus der Sicht einer Erwerbstätigkeit, die in unüblicher Entfernung von diesem Wohnsitz ausgeübt wird, niemals durch die Erwerbstätigkeit, sondern immer durch Umstände veranlasst ist, die außerhalb dieser Erwerbstätigkeit liegen. Der Grund, warum Aufwendungen für Familienheimfahrten dennoch als Betriebsausgaben oder Werbungskosten bei den aus der Erwerbstätigkeit erzielten Einkünften Berücksichtigung finden liegt darin, dass derartige Aufwendungen so lange als durch die Erwerbstätigkeit veranlasst gelten, als dem Erwerbstätigen eine Wohnsitzverlegung in übliche Entfernung vom Ort der Erwerbstätigkeit nicht zugemutet werden kann. Das bedeutet aber nicht, dass zwischen den für eine solche Unzumutbarkeit sprechenden Gründen und der Erwerbstätigkeit ein ursächlicher Zusammenhang bestehen müsse. Die Unzumutbarkeit kann ihre Ursachen sowohl in der privaten Lebensführung haben (dies insbesondere aus der Sicht einer sofortigen Wohnsitzverlegung), als auch in einer weiteren Erwerbstätigkeit des Steuerpflichtigen oder in einer Erwerbstätigkeit seines Ehegatten liegen.

Wie der VwGH im Erkenntnis vom 96/14/0018 erkannt hat, hat die Behörde, indem sie von der Rechtswidrigkeit des Bescheides deshalb ausgegangen war, weil der Bf. nur private Gründe für seine doppelte Haushaltsführung vorgebracht hat, die Rechtslage verkannt.

Das Finanzamt hat die Ablehnung der Berücksichtigung der Kosten der doppelten Haushaltsführung im Rahmen der Berufungsvorentscheidung auf zwei Überlegungen gestützt.

Der Bw. habe bereits seit über einen Wohnsitz in K im Einzugsbereich des Beschäftigungsortes innegehabt. Infolge Verehelichung mit MZ ab habe er einen weiteren Familienwohnsitz in W begründet. Die Verlegung des Familienwohnsitzes außerhalb des Beschäftigungsortes sei nicht beruflich veranlasst.

Gemäß Doralt, Einkommensteuergesetz Kommentar3 §4 Rz. 349 ist Familienwohnsitz jener Ort, an dem der Steuerpflichtige mit seinem Ehegatten bzw. Lebensgefährten einen gemeinsamen Hausstand unterhält, der den Mittelpunkt der Lebensinteressen bildet (gleichlautend u.a. Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuerhandbuch EStG 1988 § 16 Tz. 102).

Der Bw. hat im Sinne obiger Definition entgegen den Ausführungen der Behörde mit der Verehelichung erstmals einen Familienwohnsitz und keinen ,weiteren' Familienwohnsitz begründet.

Die Gattin des Bw., MZ ist an der Adresse W seit (Hauptwohnsitz), somit bereits Jahre vor der Verehelichung polizeilich gemeldet. Sie bezog im berufungsgegenständlichen Zeitraum wie auch in Vorjahren nachhaltige Einkünfte aus einer Beschäftigung u.a. bei der L bzw. F beide in Wn die ein allenfalls zur Beurteilung heranzuziehendes untergeordnetes Ausmaß deutlich überstiegen.

Es erscheint durchaus üblich, anlässlich der Verehelichung den Wohnsitz eines der Ehegatten (nach Wahl) zu beziehen und solcherart einen Familienwohnsitz zu begründen. Im vorliegenden Fall geschah dies wohl auch unter Bedachtnahme auf die Wohnungsgröße der Wohnung in K, die lediglich über eine Nutzfläche von 31,11qm verfügt.

Angesichts der Nähe des Familienwohnsitzes zum Beschäftigungsort der Ehegattin, das Finanzamt geht in der Berufungsbegründung von einer Entfernung von 10-15km nach WN aus, ist von einer auf Dauer angelegten doppelten Haushaltsführung auszugehen, kann doch dem Bw. eine Verlegung unter Aufgabe des bisherigen Familienwohnsitzes nicht zugemutet werden, weil ungeachtet von in der Privatsphäre gelegenen Neigungen die Gattin des Bw. diesfalls gezwungen wäre, ihren bisherigen Wohnsitz aufzugeben und aus der Nähe ihres Beschäftigungsortes ,wegzuziehen'.

Weiters legt das Finanzamt dar, die Arbeitsstätte in H liege in einer zumutbaren Entfernung vom gegenwärtigen Wohnsitz und führt hiezu unter Bezugnahme auf die Lohnsteuerrichtlinien eine einfache Fahrtstrecke von 120km an.

Dass die tatsächliche Fahrtstrecke vom Familienwohnsitz an die Arbeitsstätte innerhalb dieser Entfernung liegt, (das Finanzamt geht von rund 70 bis 75km bei Benützung öffentlicher Verkehrsmittel aus, die Entfernung mit PKW liegt lt. Bw. bei 46km) blieb unbestritten.

Die Fahrtzeit für eine einfache Fahrt wurde entsprechend den Angaben des Bw. mit rund 2 (mit öffentlichen Verkehrsmitteln) Stunden ermittelt.

Der Bw. führt an, die Entfernung von 120km würde einen allgemeinen Richtsatz darstellen der unter bestimmten Voraussetzungen auch unterschritten werden könne.

Der Bw. ist diesbezüglich im Recht (es liegt keine starre Grenze vor), wenn auch der VwGH z.B. im Erkenntnis vom Zl. 91/14/0227 eine Entfernung zwischen Arbeitsstätte und Familienwohnsitz von 78km, die der Bf. mit dem Auto in einer Stunde zurücklegen konnte, als zumutbar erachtet hat.

Von ausschlaggebender Bedeutung und der Berufung zum Erfolg verhilft im vorliegenden Fall die substanziiert vorgebrachte Darstellung des Bw., nachder er durch ein physisches Leiden stark beeinträchtigt ist. Maßgeblich ist dabei nicht, dass er Inhaber eines Behindertenpasses mit ausgewiesener 50%iger Erwerbsminderung ist, sondern die Art seiner Beschwerden (jahrelange Schmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule) die eine tägliche Fahrtzeit von 4 Stunden mit öffentlichen Verkehrsmitteln als unzumutbar erscheinen lassen. Der Bw. brachte zu diesen, von ihm in der Berufungsschrift dargestellten Ausführungen im Rahmen der Vorhaltsbeantwortung einen diese Darstellung bestätigenden fachärztlichen Befundbericht bei.

Dem Bw. stehen Kosten für die doppelte Haushaltsführung sowie Familienheimfahrten somit zu.

Der Bw. beantragt neben den Kosten für wöchentliche Familienheimfahrten in Höhe des amtlichen Kilometergeldes die Aufwendungen für die Mietwohnung bzw. einer Garage als solche der doppelten Haushaltsführung.

Der VwGH hat mit Erkenntnis vom Zl. 95/14/0096 ausgesprochen: ,Lediglich unvermeidbare Mehraufwendungen, die dem Abgabepflichtigen dadurch erwachsen, dass er am Beschäftigungsort wohnen muss und ihm eine Verlegung des Familienwohnsitzes an den Beschäftigungsort ebenso wenig zugemutet werden kann wie die tägliche Rückkehr zum Familienwohnsitz, werden als beruflich bzw. betrieblich bedingte Mehraufwendungen bei jener

Einkunftsart abzuziehen sein, bei der sie erwachsen sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 88/14/0081).'

Die Kosten für auf Dauer angelegte auswärtige Tätigkeiten sind gemäß § 20 Abs. 1 Z 2 lit e EStG 1988 insoweit begrenzt, als sie den höchsten in § 16 Abs. 1 Z 6 lit c EStG 1988 angeführten Betrag übersteigen.

Eine allfällige Anwendung der (geringeren) Richtsätze gemäß § 16 Abs. 1 Z 6 lit b EStG 1988 (kleines Pendlerpauschale) lässt sich aus obiger Bestimmung nicht ableiten (Hofstätter/Reichl Einkommensteuer § 20 Rz. 6.2. sprechen hinsichtlich der betraglichen Beschränkung überhaupt von einer verfassungsmäßig bedenklichen Regelung).

Die Anwendbarkeit der Sätze des ,kleinen Pendlerpauschales' war für den vorliegenden Fall auch deshalb nicht gegeben, weil die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in den persönlichen Verhältnissen des Bw. begründet ist.

Die geltend gemachten Fahrtkosten (i.H.v. € 1.438,88) übersteigen die in § 16 Abs. 1 Z 6 lit c EStG 1988 genannten Beträge für die im vorliegenden Fall anzuwendende einfache Fahrtstrecke zwischen 40 und 60km (i.H.v. € 1.692,-) nicht und sind ebenso anzuerkennen wie die beantragten Mietkosten.

Hinsichtlich der Garagierungskosten liegen nach Ansicht des UFS hingegen vermeidbare Aufwendungen vor. Vergleichbaren Dienstnehmern ohne doppelte Haushaltsführung ist die Geltendmachung von Garagierungskosten am Wohnsitz als Werbungskosten grundsätzlich verwehrt. Eine doppelte Haushaltsführung kann aber nicht dazu führen, Dienstnehmer denen Kosten derselben grundsätzlich als Werbungskosten anerkannt werden gegenüber anderen in unsachlicher Weise zu begünstigen.

Dem Antrag des Bw. ist insoferne teilweise stattzugeben.

Die Besteuerungsgrundlagen stellen sich wie folgt dar:


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Doppelte Haushaltsführung, Familienheimfahrten
2005
Werbungskosten lt. Bw.
3.807,96
abzüglich Kosten Garagierung
-321,16
Werbungskosten lt. UFS
3.486,80

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der Abgabe beträgt:


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Einkommensteuer 2005
2005
Einkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit
30.163,20
Werbungskosten lt. UFS
-3.486,80
Gesamtbetrag der Einkünfte
26.676,40
abzüglich Sonderausgaben
-483,97
abzügich a.g. Belastungen
- Freibetrag wegen eigener Behinderung §35 (3) EStG 1988
-243,00
- Nachgewiesene Kosten eigene Behinderung
-328,04
Einkommen
25.621,39
Steuer vor Abzug der Absetzbeträge
6.020,90
Unterhaltsabsetzbetrag
-306,00
Verkehrsabsetzbetrag
-291,00
Arbeitnehmerabsetzbetrag
-54,00
Steuer nach Abzug der Absetzbeträge
5.369,90
Steuer sonstige Bezüge
268,28
Einkommensteuer
5.638,18
Anrechenbare Lohnsteuer
-7.840,40
Festgesetzte Einkommensteuer (Gutschrift)
-2.202,22
Einkommensteuer bisher
-739,65

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Schlagworte
Doppelte Haushaltsführung
Familienheimfahrten
zumutbare Entfernung
Zitiert/besprochen in
UFSaktuell 2007, 91

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at