Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 23.01.2006, RV/2205-W/02

Vorliegen eines haftungsbegründenden Sachverhaltes

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw., vertreten durch X., vom gegen den Bescheid des Finanzamtes für den 21. und 22. Bezirk vom betreffend Haftung gemäß § 9 iVm § 80 BAO entschieden:

Der Berufung wird insoweit stattgegeben, als die Haftung auf € 25.446,95 anstatt bisher € 29.351,54 (S 403.886,00) eingeschränkt wird.

Im Übrigen wird die Berufung als unbegründet abgewiesen.

Entscheidungsgründe

Mit Bescheid vom wurde der Berufungswerber (Bw.) gemäß § 9 Abs. 1 BAO in Verbindung mit § 80 BAO für Abgabenschuldigkeiten der S-GmbH in Höhe von insgesamt € 29.351,54 (S 403.886,00) zur Haftung herangezogen.

Diese Abgabenschuldigkeiten setzen sich wie folgt zusammen:


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Abgabenart
Zeitraum
Betrag in Schilling
Lohnsteuer
1998
42.327,00
Dienstgeberbeitrag
1998
66.164,00
Zuschlag zum DB
1998
7.793,00
Lohnsteuer
1-9/99
193.600,00
Dienstgeberbeitrag
1-9/99
84.097,00
Zuschlag zum DB
1-9/99
9.905,00
Summe:
403.886,00

Zur Begründung führte das Finanzamt aus, dass der Arbeitgeber die Lohnsteuer der Arbeitnehmer bei jeder Lohnzahlung einzubehalten habe. Es wäre seine Pflicht gewesen, für eine Lohnabfuhr Sorge zu tragen. Der Bw. habe jedoch die Abfuhr der fälligen Lohnsteuerbeträge unterlassen.

In diesem Zusammenhang werde hervorgehoben, dass der Arbeitgeber gemäß § 78 Abs. 3 EStG 1998 für den Fall, dass die ihm zur Verfügung stehenden Mittel zur Zahlung des vollen vereinbarten Arbeitslohnes nicht ausreichen würden, verpflichtet sei, die Lohnsteuer von dem tatsächlich zur Auszahlung gelangten niedrigeren Betrag zu berechnen, einzubehalten und abzuführen. In der Nichtbeachtung dieser Verpflichtung sei jedenfalls ein schuldhaftes Verhalten zu erblicken ().

Dagegen brachte der Bw. ohne weitere Begründung das Rechtsmittel der Berufung ein.

In der aufgrund des Mängelbehebungsauftrages vom erstatteten Berufungsergänzung führte Vertreter des Bw. aus, dass es zutreffe, dass gemäß § 9 Abs. 1 BAO die Vertreter juristischer Personen für die Abgabenpflichten der von ihnen Vertretenen haften würden, soweit die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Es treffe aber nicht zu, dass aus der bloßen Tatsache der Nichtabführung automatisch auf eine Haftung des Vertreters geschlossen werden könne, denn § 9 Abs. 1 BAO schreibe ausdrücklich fest, dass dies nur insofern der Fall sei, als es eine Folge schuldhafter Pflichtverletzung sei.

Nun treffe es nicht zu, dass den Vertreter die Beweislast für seine Schuldlosigkeit treffe. Die Haftung für Abgabenschulden wurzle im öffentlichen Recht.

§ 1298 ABGB sei aber auf privatrechtliche Verpflichtungen zugeschnitten. Seine Anwendung im Abgabenverfahren, welches trotz seiner Sonderstellung ein Verwaltungsverfahren sei, in welchem die Grundsätze der Amtswegigkeit des Ermittlungsverfahrens und der Erforschung der materiellen Wahrheit gelten würden, sei unsachgemäß. Es liege an der Behörde zu erforschen und zu begründen, warum den Vertreter allenfalls ein Verschulden treffe.

Tatsächlich treffe den Bw. kein Verschulden an der Nichtabführung der in Frage stehenden Abgaben. Ein solches könne nach der herrschenden Judikatur nämlich nur dann angenommen werden, wenn die Abgabenschulden gegenüber anderen Verbindlichkeiten nachrangig bedient worden seien. Wie aus den Büchern der Gesellschaft hervorgehe, seien alle Gläubiger gleich behandelt worden. Dem Bw. sei also keinerlei Sorgfaltswidrigkeit vorzuwerfen, weshalb seine Haftung gar nicht in Betracht komme.

Obwohl nicht den Bw., sondern die Behörde die entsprechende Beweislast treffe, werde der Bw. Beweise für seine Angaben vorlegen. Er benötige dafür aber mehr Zeit, da sich die Unterlagen momentan nicht in seiner Verfügung befänden. Der Bw. werde bei Vorlage der Urkunden ein ergänzendes Vorbringen erstatten.

Im Übrigen sei der Haftungsbescheid unbegründet geblieben. Der bloße Hinweis auf Beilagen, welche keinen Bestandteil des Bescheides bilden würden, könne dem Erfordernis einer sachgemäßen Begründung nicht entsprechen.

Die dem Haftungsbescheid zugrunde liegenden Abgaben seien unrichtig. Eine detaillierte Begründung und Beweisführung behalte der Bw. einem späteren Vorbringen vor, da er sich zurzeit nicht im Besitz der notwendigen Unterlagen befinde. Er werde dieses Vorbringen so bald als möglich erstatten.

Über die Berufung wurde erwogen:

§ 9 Abs.1 lautet: Die in den §§ 80 ff. bezeichneten Vertreter haften neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

§ 80 Abs. 1 BAO lautet: Die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen haben alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Voraussetzung für die Haftung ist die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben bei der Primärschuldnerin.

Aus der Konkurseröffnung ergibt sich noch nicht zwingend die gänzliche Uneinbringlichkeit (). Allerdings ist eine Uneinbringlichkeit bereits dann anzunehmen, wenn im Laufe des Insolvenzverfahrens feststeht, dass die Abgabenforderungen im Konkurs mangels ausreichenden Vermögens nicht befriedigt werden können ().

In Beantwortung einer Anfrage des Unabhängigen Finanzsenates vom teilte der Masseverwalter mit Telefax vom mit, dass mit einer Konkursquotenausschüttung nicht gerechnet werden kann.

Es ist daher von der Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben bei der Primärschuldnerin auszugehen.

Laut vorliegendem Firmenbuchauszug war der Bw. vom bis zur Konkurseröffnung Geschäftsführer der S-GmbH und kann, da er somit zum Kreis der im § 80 genannten Vertreter zählt, zur Haftung gemäß § 9 Abs. 1 BAO herangezogen werden.

Zu den Vorschriften der §§ 9 Abs. 1 und 80 Abs. 1 BAO hat der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung darauf hingewiesen, dass es gemäß § 1298 ABGB Sache des Vertreters ist, die Gründe darzutun, aus denen ihm die Erfüllung seiner Pflichten unmöglich war, widrigenfalls die Behörde zu der Annahme berechtigt ist, dass er seiner Pflicht schuldhafterweise nicht nachgekommen ist (siehe z.B. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 89/13/0212 und die dort jeweils erwähnte Vorjudikatur).

In der Regel wird nämlich nur der Geschäftsführer jenen ausreichenden Einblick in die Gebarung der Gesellschaft haben, der ihm entsprechende Behauptungen und Nachweise ermöglicht. Außerdem trifft den Haftenden die gleiche Offenlegungs- und Wahrheitspflicht wie den Abgabepflichtigen, sodass er für die Möglichkeit des Nachweises seines pflichtgemäßen Verhaltens vorzusorgen hat.

Hat der Vertreter schuldhaft seine Pflicht verletzt, für die Abgabenentrichtung aus den Mitteln der Gesellschaft zu sorgen, so darf die Abgabenbehörde auch davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit ursächlich war. Der Geschäftsführer haftet für nicht entrichtete Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die Mittel, die ihm für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft zur Verfügung gestanden sind, hiezu nicht ausreichten, es sei denn, er weist nach, dass er die Abgabenschulden im Verhältnis nicht schlechter behandelt hat als bei anteiliger Verwendung der vorhandenen Mittel für die Begleichung aller Verbindlichkeiten ().

Die Bevorzugung eines einzelnen oder einiger Gläubiger stellt somit eine schuldhafte Pflichtverletzung durch den Vertreter dar, sofern dieses Verhalten eine Verkürzung der Abgaben bewirkt hat.

Der Nachweis, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre, obliegt dem Vertreter. Vermag er nachzuweisen, welcher Betrag bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen abzuführen gewesen wäre, so haftet er nur für die Differenz zwischen diesem und der tatsächlich erfolgten Zahlung. Wird der Nachweis nicht angetreten, so kann dem Vertreter die uneinbringliche Abgabe zur Gänze vorgeschrieben werden.

Die qualifizierte Mitwirkungspflicht des Geschäftsführers bedeutet nicht, dass die Behörde von jeder Ermittlungspflicht entbunden wäre.

Um eine Verpflichtung der Behörde zur eigenen Ermittlungstätigkeit auszulösen, genügt es gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht, dass der in Anspruch genommene Vertreter des Beitragsschuldners unsubstantiiert behauptet, dass alle Forderungen gleich behandelt worden seien ().

Die Haftung erstreckt sich auf Abgaben, deren Zahlungstermin (Fälligkeit) in die Zeit seiner Vertretertätigkeit fällt.

Da der Bw. nur bis zu Konkurseröffnung, somit bis zum Geschäftsführer war, kann er für die danach fällig gewordenen Abgaben, somit für die am fällig gewordenen Lohnabgaben für September 1999 nicht zur Haftung herangezogen werden.

Laut Berechnung des Finanzamtes (siehe Beilage) betragen Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag für den Zeitraum 1-8/99 € 12.014,68 (S 165.325,55), € 5.287,75 (S 72.761,00) und € 622,66 (S 8.568,00) und für den Zeitraum September 1999 € 2.054,77 (S 28.274,27), € 823,75 (S 11.335,00) € 97,02 (€ 97,02).

Die Verpflichtung eines Vertreters nach § 80 BAO hinsichtlich der Lohnsteuer geht über das Gebot der gleichmäßigen Behandlung aller Schulden (bzw. aller Gläubiger) hinaus. Aus der Bestimmung des § 78 Abs. 3 EStG 1988 ergibt sich nämlich die Verpflichtung, dass die Lohnsteuer - ungeachtet des Grundsatzes der Gleichbehandlung aller andrängenden Gläubiger - zur Gänze zu entrichten ist (; , 2001/14/0087).

Ungeachtet des Gleichbehandlungsgrundsatzes hätte der Bw. daher die einzubehaltende Lohnsteuer zur Gänze abzuführen gehabt, weswegen er zu Recht zur Haftung für die bei der GmbH nicht mehr einbringliche Forderung herangezogen worden ist.

Aus den bisherigen Ausführungen ergibt sich, dass hinsichtlich der haftungsgegenständlichen Lohnnebenkosten der Gleichbehandlungsgrundsatz zum Tragen kommt.

Aus dem Umstand, dass Löhne ausbezahlt wurden, ergibt sich, dass der Bw. die andrängenden Gläubiger nicht gleichmäßig befriedigt hat. Vielmehr hat er die Forderungen der Arbeitnehmer aus welchen Gründen immer bevorzugt befriedigt und damit den Grundsatz der Gleichbehandlung aller andrängenden Gläubiger, darunter des Bundes als Abgabengläubiger schuldhaft verletzt.

Hat der Geschäftsführer schuldhaft seine Pflicht verletzt, für die Entrichtung der Abgaben aus den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln zu sorgen, so darf die Behörde auch davon ausgehen, dass die Verletzung dieser Pflicht Ursache für die Uneinbringlichkeit der nicht entrichteten Abgaben gewesen ist. Der Geschäftsführer haftet für nicht entrichtete Abgaben auch dann, wenn die zur Verfügung gestandenen Mittel zur Entrichtung aller Schulden nicht ausgereicht haben, es sei denn, er weist nach, dass diese Mittel anteilig für die Begleichung aller Schulden mit Ausnahme der Abfuhrabgaben verwendet worden sind. Widrigenfalls haftet der Geschäftsführer für die nicht entrichteten Abgaben zur Gänze (-7).

Der Bw. ist daher auch zu Recht zur Haftung für die bei der GmbH nicht mehr einbringlichen Dienstgeberbeiträge und Dienstgeberzuschläge herangezogen worden.

Weiters ist das Vorbringen, dass die dem Haftungsbescheid zugrunde liegenden Abgabenbescheide unrichtig seien, nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Haftungsbescheides aufzuzeigen, da Einwendungen gegen die Richtigkeit der Abgaben in einem Haftungsverfahren dann nicht mit Erfolg erhoben werden können, wenn gegenüber dem Primärschuldner ein Bescheid ergangen ist (vgl. das Erkenntnis vom , 94/14/0148). Derartige Einwendungen können nur in einem iSd § 248 BAO geführten Verfahren erhoben werden.

In der Berufung hat der Bw. weiters ausgeführt, dass ihm die Unterlagen zur Erbringung des Nachweises für seine Angaben nicht zur Verfügung stünden und er bei Vorliegen der Urkunden ein ergänzendes Vorbringen erstatten werde. Trotz der nunmehr lange verstrichenen Zeit ist kein Ergänzungsschreiben aktenkundig. Abgesehen davon, dass der Bw. wie bereits oben ausgeführt, für die Möglichkeit des Nachweises seines pflichtgemäßen Verhaltens vorzusorgen gehabt hätte, geht jedoch aus den Ausführungen zweifelsfrei hervor, dass der Bw. seine Pflichten als Geschäftsführer schuldhaft verletzt hat.

Ergänzend wird noch festgestellt, dass Verweisungen in der Begründung eines Bescheides auf dem Bescheid angeschlossene Beilagen grundsätzlich zulässig ist.

Die haftungsgegenständlichen Abgaben haften wie folgt aus:


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Abgabenart
Zeitraum
Betrag
Lohnsteuer
1998
2.147,19
Dienstgeberbeitrag
1998
4.808,33
Zuschlag zum DB
1998
566,34
Lohnsteuer
1-8/99
12.014,68
Dienstgeberbeitrag
1-8/99
5.287,75
Zuschlag zum DB
1-8/99
622,66
Summe:
25.446,95

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Beilage: 1 Berechnungsblatt

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 80 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 78 Abs. 3 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Schlagworte
Nachweispflicht
Uneinbringlichkeit
Gleichbehandlungsgrundsatz
Lohnsteuer
Verweise

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at