Unter welchen Voraussetzungen hat ein jugoslawischer Staatsbürger Anspruch auf Familienbeihilfe?
Rechtssätze
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Stammrechtssätze | |
RV/2945-W/07-RS1 |
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw., W.,S-Gasse, vertreten durch Dr. Christian Burkhardt, Rechtsanwalt, 1010 Wien, Am Hof 13, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 4/5/10 vom betreffend erhöhte Familienbeihilfe ab Jänner 2001 bis Dezember 2005 entschieden:
Der angefochtene Bescheid wird - soweit damit über den Monat Jänner 2001 abgesprochen wird - aufgehoben.
Im Übrigen wird die Berufung als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid bleibt - soweit damit über den Zeitraum Februar 2001 bis Dezember 2005 abgesprochen wird - unverändert.
Entscheidungsgründe
Der Berufungswerber (Bw.) beantragte mit Schreiben vom - vertreten durch seinen Sachwalter - die Zuerkennung der erhöhten Familienbeihilfe für sich selbst ab Februar 2001.
Mit Schreiben vom wurde der Antrag auf Zuerkennung der erhöhten Familienbeihilfe auf Jänner 2001 ausgedehnt.
Laut Gutachten des Bundessozialamtes vom beträgt der Gesamtgrad der Behinderung des Bw. 50%, ist die rückwirkende Anerkennung der Einschätzung des Grades der Behinderung ab aufgrund der vorgelegten Befunde möglich und ist der Bw. voraussichtlich dauernd außer Stande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.
Mit Bescheid vom wurde der Antrag auf Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe für die Zeit von Jänner 2001 bis Dezember 2005 - gestützt auf § 3 Abs. 2 FLAG 1967 - als unbegründet abgewiesen, da ein ständiger Aufenthalt des Bw. im Bundesgebiet frühestens mit Anfang 2001 angenommen werden könne, weshalb erst ab Jänner 2006 ein Anspruch auf erhöhte Familienbeihilfe bestünde.
In der dagegen erhobenen Berufung rügte der Sachwalter des Bw. die Feststellung der Abgabenbehörde erster Instanz, ein ständiger Aufenthalt des Bw. in Österreich könne frühestens mit Anfang 2001 angenommen werden. Tatsächlich habe der Bw. in Österreich bereits die Volksschule besucht.
Die Abgabenbehörde erster Instanz ersuchte den Sachwalter, einen Nachweis vorzulegen, dass sich der Bw. in der Zeit ab 1995 bis Ende 2000 in Österreich aufgehalten habe. Hingewiesen wurde darauf, es gäbe keine Familienbeihilfenbezug, der den ständigen Aufenthalt in Österreich untermauere, auch beim Kindesvater (Anm.: Vater des Bw.) lägen keinerlei Bezüge im fraglichen Zeitraum vor.
Einer in weiterer Folge übermittelten historischen Meldebestätigung ist zu entnehmen, dass in der Zeit vom bis keine polizeiliche Meldung im Bundesgebiet vorlag.
Mit Berufungsvorentscheidung wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen, woraufhin der Sachwalter in weiterer Folge die Vorlage der Berufung zur Entscheidung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz beantragte.
Im Ermittlungsverfahren vor der Abgabenbehörde zweiter Instanz wurde der Sachwalter des Bw. darauf hingewiesen, dass sich ein Familienbeihilfenanspruch für den Bw. erst ab dem Monat ergebe, ab dem er sich 60 Monate ständig im Inland aufhalte. Der Beobachtungszeitraum beginne mit Jänner 2001 und umfasse daher den Zeitraum Jänner 1996 bis Dezember 2000. Gerade dieser Zeitraum sei durch die vorgelegte historische Meldebestätigung nicht abgedeckt, da von bis keine Meldung im Inland vorliege. Selbst unter Berücksichtigung der Krankenhausaufenthalte im Jahr 2000 (vom 22.7.- und vom 9.12.-) liege im fraglichen Zeitraum kein ständiger Aufenthalt im Inland von sechzig Kalendermonaten vor.
In Beantwortung dieses Ersuchschreibens führte der Sachwalter aus, die Bestimmung des § 3 FLAG 1967 beträfe nur Fälle, wo Eltern für ihre Kinder erhöhte Familienbeihilfe beantragen würden. Die Anwendung auf den vorliegenden Fall sei schon deshalb widersinnig, weil der Eigenantrag auf Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe eine vor dem 21. Lebensjahr eingetretene Behinderung, die zur selbständigen Verschaffung des Unterhalts unfähig mache, verlange. Sei diese Voraussetzung gegeben, könne nicht gleichzeitig gefordert werden, es müsse eine Beschäftigung über einen bestimmten Zeitraum vorgelegen haben.
Dies habe auch der Gesetzgeber so gesehen, weil er bestimmt habe, dass "Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten und die sich nicht auf Kosten der Jugendwohlfahrtspflege oder der Sozialhilfe in Heimerziehung befinden,.... unter den selben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe haben, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat". Diese wiederum hätten einen Anspruch dann, wenn sie wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder wegen einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 27. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande seien, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.
Über die Berufung wurde erwogen:
Die Behörde nahm folgenden Sachverhalt als erwiesen an:
Der Bw. wurde am 00.00.1980 geboren, ist jugoslawischer Staatsbürger und besachwaltert.
Der ursprüngliche, vom Sachwalter am gestellte Antrag auf Zuerkennung der erhöhten Familienbeihilfe umfasste den Zeitraum ab Februar 2001; dieser Zeitraum wurde mit den am ausgefüllten Anträgen auf den Jänner 2001 ausgedehnt.
Mit Gutachten des Bundessozialamtes vom wurde dem Bw. ein Grad der Behinderung von 50% rückwirkend per attestiert und ausgesprochen, dass er voraussichtlich dauernd außer Stande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.
In der Zeit vom bis hielt sich der Bw. nicht ständig in Österreich auf.
Dieser Sachverhalt gründet sich auf die im Akt befindlichen Anträge, die vom Sachwalter vorgelegten Unterlagen und auf die folgende Beweiswürdigung:
Für den Zeitraum vom bis liegt keine aufrechte Meldung im Bundesgebiet vor. Die Vorlage einer Bestätigung, dass der Bw. von 1989 bis 1995 die Schule in Österreich besuchte, beweist nicht den ständigen Aufenthalt des Bw. in Österreich in der Zeit vom bis . Auch die im Jahr 2000 notwendigen Krankenhausaufenthalte in der Zeit vom 22.7. bis und vom 9.12. bis reichen nicht aus, um einen ständigen Aufenthalt im Inland von sechzig Kalendermonaten zu bejahen. Trotz Aufforderung wurde nicht versucht, den ständigen Aufenthalt im Inland in der fraglichen Zeit auf sonstige Art und Weise unter Beweis zu stellen, sodass die Behörde in freier Beweiswürdigung zur Überzeugung gelangte, dass sich der Bw. in der fraglichen Zeit nicht ständig im Bundesgebiet aufhielt.
Rechtliche Würdigung:
1. Monat Jänner 2001:
Gemäß § 10 Abs. 3 FLAG werden die Familienbeihilfe und die erhöhte Familienbeihilfe für ein erheblich behindertes Kind (§ 8 Abs. 4) höchstens für fünf Jahre rückwirkend vom Beginn des Monats der Antragstellung gewährt.
Hinsichtlich des Monates Jänner 2001 wäre der Antrag des Bw. daher zurückzuweisen gewesen, weshalb der Abweisungsbescheid - soweit damit über den Monat Jänner 2001 abgesprochen wird - aufgehoben wird.
2. Zeitraum Februar 2001 bis Dezember 2005
Gemäß § 6 Abs. 1 FLAG 1967 haben auch minderjährige Vollwaisen Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn
a) sie im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,
b) ihnen nicht Unterhalt von ihrem Ehegatten oder ihrem früheren Ehegatten zu leisten ist und
c) für sie keiner anderen Person Familienbeihilfe zu gewähren ist.
Nach Abs. 2 leg. cit. haben volljährige Vollwaisen Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn auf sie die Voraussetzungen des Abs. 1 lit a bis c zutreffen und wenn sie
a) .....
b) .....
c) .....
d) wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 27. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, und sich in keiner Anstaltspflege befinden, oder
e) .....
f) .....
g) .....
h) .....
Entsprechend der Bestimmung des § 6 Abs. 5 FLAG 1967 haben Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten und die sich nicht auf Kosten der Jugendwohlfahrtspflege oder der Sozialhilfe in Heimerziehung befinden, unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (Abs. 1 bis 3).
Der Bw. ist im Streitzeitraum - wie bereits oben angeführt - nicht österreichischer Staatsbürger und auch nicht Staatsbürger eines EU-Mitgliedstaates. Es ist daher - entgegen der Ansicht des Sachwalters - auch § 3 FLAG 1967 in den für den Streitzeitraum gültigen Fassungen anzuwenden (vgl Berufungsentscheidung des RV/0325-G/06).
Gemäß § 3 Abs. 1 FLAG in den für den Zeitraum Februar 2001 bis Dezember 2005 geltenden Fassungen haben Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind, nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie im Bundesgebiet bei einem Dienstgeber beschäftigt sind und aus dieser Beschäftigung Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit oder zufolge einer solchen Beschäftigung Bezüge aus einer gesetzlichen Krankenversicherung im Bundesgebiet beziehen; kein Anspruch besteht jedoch, wenn die Beschäftigung nicht länger als drei Monate dauert. Kein Anspruch besteht außerdem, wenn die Beschäftigung gegen bestehende Vorschriften über die Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer verstößt.
Nach Abs. 2 der zitierten Bestimmung gilt Abs. 1 nicht für Personen, die sich seit mindestens sechzig Kalendermonaten ständig im Bundesgebiet aufhalten, .....
Die Bestimmung spricht allgemein von "Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind" und schränkt den Anwendungsbereich nicht auf Eltern ein, die Familienbeihilfe für ihre Kinder beantragen. Vielmehr sind darunter neben den Eltern, die für ihre Kinder Familienbeihilfe beantragen, auch die Personen zu subsumieren, die für sich selbst unter den in § 6 FLAG angeführten Voraussetzungen Familienbeihilfe beantragen.
Wenn der Sachwalter vorbringt, dass Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten und die sich nicht auf Kosten der Jugendwohlfahrtspflege oder der Sozialhilfe in Heimerziehung befinden, unter den selben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe haben, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat, ist er insoweit damit im Recht, als auch eine Vollwaise, die weder die österreichische Staatsbürgerschaft noch die eines EU-Mitgliedstaates besitzt, ebenfalls die in § 3 FLAG normierten Voraussetzungen erfüllen muss.
Wie bereits oben ausgeführt, müssen im vorliegenden Fall, da der Bw. weder die österreichische Staatsbürgerschaft noch die Staatsbürgerschaft eines EU-Mitgliedstaates besitzt, zusätzlich zu den in § 6 genannten Voraussetzungen auch die in § 3 festgelegten Bedingungen erfüllt sein. Der Bw. hielt sich jedoch in der Zeit von Jänner 1996 bis Dezember 2000 nicht im Bundesgebiet auf und erfüllte auch die in § 3 Abs. 1 FLAG normierte Voraussetzung nicht. Die Berufung hinsichtlich des Zeitraumes 2/2001 bis 12/2005 war daher als unbegründet abzuweisen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | |
betroffene Normen | § 10 Abs. 3 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 6 Abs. 1 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 6 Abs. 2 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 6 Abs. 5 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 3 Abs. 1 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 3 Abs. 2 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 3 Abs. 2 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
Schlagworte | ständiger Aufenthalt Meldebestätigung aufrechte Meldung |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at