Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSG vom 28.06.2012, RV/0755-G/11

Vermietung einer Eigentumswohnung an die Tochter und deren Lebensgefährten


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Miterledigte GZ:
RV/0756-G/11

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung d. Bw., vom , gegen die Bescheide des Finanzamtes Graz-Stadt vom betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 188 BAO hinsichtlich Feststellung von Einkünften nach § 188 BAO für das Jahr 2008 und Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für die Jahre 2008 und 2009 entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Die angefochtenen Bescheide bleiben unverändert.

Entscheidungsgründe

Die Miteigentumsgemeinschaft (Bw.) erklärte mit Eingabe vom den Beginn ihrer Vermietungstätigkeit und prognostizierte den voraussichtlichen Gewinn im Eröffnungsjahr mit 800 Euro und im Folgejahr mit 4000 Euro.

Im Jahr 2008 wurde von der Bw. ein Verlust iHv. 1.212,62 Euro erklärungsgemäß veranlagt. Der von der Bw. im Jahr 2009 elektronisch gemeldete Verlust betrug 927,16 Euro.

Im Zuge einer Nachbescheidkontrolle wurde die Bw. im November 2010 eingeladen Unterlagen wie Mietverträge, Fremdfinanzierungskosten, etc. nachzureichen.

Dieser Aufforderung kam die Bw. nach. In der Folge nahm das Finanzamt das Verfahren die Feststellung von Einkünften nach § 188 BAO für das Jahr 2008 betreffend gemäß § 303 (4) BAO wieder auf und setzte in den Bescheiden über die Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für die Jahre 2008 und 2009 die Einkünfte mit der Begründung, dass die Wohnung ab dem Jahr 2008 nicht fremdüblich vermietet werde, mit Null fest.

Dagegen wandte sich die Bw. mit dem Rechtsmittel der Berufung und führte darin im Wesentlichen aus:

Bei der Einreichung der Erklärung bzw. Vorlage des Mietvertrages seien sämtliche erklärungsrelevanten Tatsachen und Beweismittel zur Kenntnis gebracht worden, sodass der Wiederaufnahmegrund nicht ersichtlich sei.

Die Wohnung werde seit fremdüblich vermietet. Ab werde nur mehr die Hälfte der Wohnung entgeltlich vermietet und zwar an den damaligen Lebensgefährten der Tochter der Wohnungseigentümer.

In der in der Folge ergangenen Berufungsvorentscheidung wies das Finanzamt darauf hin, dass der Mietvertrag nicht mit der Einreichung der Erklärung am , sondern erst auf Ansuchen des Finanzamtes übermittelt worden sei. Somit handle es sich um eine neu hervorgekommene Tatsache.

Ab 1. Jänner sei die Wohnung an den derzeitigen Schwiegersohn vermietet worden. Laut Mietvertrag werden 250 Euro verrechnet, obwohl bereits im Jahre 2006 600 Euro an Miete bezahlt worden seien. Es handle sich daher bei diesen Einkünften um keine steuerlich anerkannte Einkunftsquelle gemäß § 2 (3) EStG 1988.

In ihrem Antrag auf Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz brachte die Bw. vor, dass der Mietvertrag für die Zeit ab beim Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern vorgelegen sei. Nach der Rechtsprechung sei es nicht Sache des Abgabepflichtigen, das Nichtvorliegen eines Wiederaufnahmegrundes nachzuweisen, sondern Aufgabe der Abgabenbehörde, die von ihr verfügte Wiederaufnahme durch unmissverständliche Hinweise darauf zu begründen, welche Tatsachen oder Beweismittel neu hervorgekommen sind.

Es werde darauf hingewiesen, dass ab nur mehr die Hälfte der Wohnung entgeltlich vermietet werde. Demgemäß seien ab 2008 nur die anteiligen Ausgaben als Werbungskosten geltend gemacht worden. Die entgeltliche Vermietung sei an den damaligen Lebensgefährten (jetzigen Gatten) der Tochter erfolgt. Der zweite Teil der Wohnung sei an die Tochter unentgeltlich vermietet worden. Die Informationen betreffend Identität und Nahebeziehung zu den Vermietern seien aus dem Mietvertrag vom ersichtlich und dem Finanzamt mit Vorlage beim Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern bekannt.

Der nunmehrige Schwiegersohn bezahle nur die Hälfte (300 Euro) des monatlichen Mietzinses der Vormieter (600 Euro). Die Differenz von 50 Euro ergebe sich aus der Lage (Zuggeleis) der Wohnung.

Über die Berufung wurde erwogen:

Wiederaufnahme des Verfahrens

Gemäß § 303 Abs. 4 BAO ist eine Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen unter den Voraussetzungen des Abs. 1 lit. a und c und in allen Fällen zulässig, in denen Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im Verfahren nicht geltend gemacht worden sind, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Neuhervorkommen von Tatsachen und Beweismitteln nur aus der Sicht des jeweiligen Verfahrens derart zu beurteilen, dass es darauf ankommt, ob der Abgabenbehörde im wieder aufzunehmenden Verfahren der Sachverhalt so vollständig bekannt gewesen ist, dass sie schon in diesem Verfahren bei richtiger rechtlicher Subsumtion zu der nunmehr im wieder aufgenommenen Verfahren erlassenen Entscheidung hätte gelangen können (vgl. ). Das Neuhervorkommen von Tatsachen bezieht sich damit auf den Wissensstand, der sich auf Grund der Abgabenerklärungen und ihrer Beilagen ergibt (vgl. ).

Werden sowohl der Wiederaufnahmebescheid als auch der im wieder aufgenommenen Verfahren ergangene Sachbescheid mit Berufung bekämpft, so ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zunächst über die Berufung gegen den Wiederaufnahmebescheid zu entscheiden.

Entscheidend für die Beurteilung der Frage ist jedoch, ob im gegenständlichen Fall das Neuhervorkommen von Tatsachen oder Beweismitteln zu bejahen ist.

Die berufungswerbende Miteigentümergemeinschaft wendet dagegen ein, dass der Mietvertrag für die Zeit ab beim Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern vorgelegen sei.

Zu diesen Ausführungen ist jedoch darauf hinzuweisen, dass das Hervorkommen von Tatsachen und Beweismitteln nach ständiger Rechtsprechung aus der Sicht des jeweiligen Verfahrens zu beurteilen ist (Ritz, BAO4, § 303, Tz 13 und die dort zitierte Judikatur).

Zur Beurteilung der Frage, ob eine Tatsache im Erstverfahren bereits bekannt war, ist damit auf das jeweilige konkrete (Steuer)Verfahren abzustellen. Es kommt daher nicht auf den Kenntnisstand der Behörde als Gesamtorganisation an, sondern entscheidend ist vielmehr der Kenntnisstand des Organträgers im konkreten (Steuer-)Verfahren bei Erlassung des (wiederaufgenommenen) Erstbescheides (-I/05).

In Anbetracht der Tatsache, dass der Umstand des Mieterwechsels und die nunmehrige Vermietung an die Tochter und deren Lebensgefährten zum Zeitpunkt der Erlassung des Einkommensteuerbescheides zwar dem Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern, jedoch nicht dem für die Einkommensteuerveranlagung zuständigen Veranlagungsreferat des Finanzamtes Graz Stadt bekannt war, stellt dies eine neu hervorgekommene Tatsache dar.

Feststellungsbescheide 2008 und 2009

Verträge zwischen nahen Angehörigen sind daraufhin zu untersuchen, ob nicht hinter einer nach außen vorgegebenen Leistungsbeziehung in Wahrheit eine familienhafte Veranlassung besteht.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () können vertragliche Vereinbarungen zwischen nahen Angehörigen für den Bereich des Steuerrechts - ungeachtet ihrer zivilrechtlichen Gültigkeit - nur als erwiesen angenommen werden und damit Anerkennung finden, wenn sie

1. nach außen ausreichend zum Ausdruck kommen;

2. einen eindeutigen, klaren und jeden Zweifel ausschließenden Inhalt haben und

3. auch zwischen Familienfremden unter den gleichen Bedingungen abgeschlossen worden wären.

Auch die Erfüllung der vertraglichen Vereinbarung zwischen nahen Angehörigen muss diesen Anforderungen genügen (). Diese Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen, haben Bedeutung im Rahmen der - vom VwGH nur auf ihre Schlüssigkeit zu prüfenden - Beweiswürdigung (§ 167 Abs. 2 BAO) und kommen daher in jenen Fällen zum Tragen, in denen berechtigte Zweifel am wahren wirtschaftlichen Gehalt einer behaupteten vertraglichen Gestaltung bestehen. Die Rechtsprechung über die steuerliche Anerkennung von Verträgen zwischen nahen Angehörigen ist Ausfluss der wirtschaftlichen Betrachtungsweise des § 21 BAO (siehe Jakom/Lenneis, EStG, 2010, § 4, Rz. 332).

Vorliegendenfalls wird die Anerkennung eines Mietvertrages zwischen der Bw., ihrer Tochter und ihres derzeitigen Schwiegersohnes begehrt.

Es wird im Folgenden zu überprüfen sein, ob der gegenständliche Mietvertrag unter Berücksichtigung des Gesamtbildes der Verhältnisse den von der Judikatur entwickelten Voraussetzungen für die Anerkennung von Verträgen zwischen nahen Angehörigen entspricht und die Aufwendungen für eine Einkunftsquelle angefallen sind.

Dieser Mietvertrag wurde am abgeschlossen und bezeichnet ausdrücklich die Bw. als Vermieter; die Tochter und deren Lebensgefährten als Mieter. Der Vertrag wurde auf unbestimmte Zeit abgeschlossen. Fest gehalten wurde, dass er jedenfalls zum Zeitpunkt der Auflösung der Lebensgemeinschaft endet.

Nach § 1 dieses Vertrages besteht der Mietgegenstand der Mieterin/des Mieters aus vier Zimmern, Küche, Bad, WC und Nebenräumen im Ausmaß von 112,6 m2.

Nach § 3 beträgt der frei vereinbarte Hautmietzins 250 Euro monatlich.

Auf Basis dieses Mietzinses wurde die Selbstberechnung durchgeführt und unter Nennung der Tochter und deren Lebensgefährten als Mieter beim Finanzamt Graz-Umgebung (Gebühren und Verkehrsteuern) eingezahlt.

Nach Auffassung des Unabhängigen Finanzsenates ist dieser Mietvertrag eindeutig als fremdunüblich anzusehen.

Die Fremdüblichkeit von Vereinbarungen muss nicht auf fiktiver, sondern auf realer Basis geprüft werden (). Die Leistungsbeziehungen müssen bereits zu Beginn fremdüblich gestaltet sein ().

Dagegen spricht im Berufungsfall, dass die Eltern ihrer Tochter und deren Lebensgefährten für die Dauer der Lebensgemeinschaft eine Wohnung von 112,6 m2 um 250 Euro monatlich vermieten. Das entspricht einem m2-Preis von rund 2,22 Euro. Wogegen der Richtwert des Streitjahres mit 6,52 Euro festgelegt wurde und einem Mietzins von rund 734 Euro entsprechen würde. Wenn die Bw. mit Einreichung der Erklärung im Jahr 2010 erstmals behauptet, sie hätte ab nur mehr die Hälfte der Wohnung an den zukünftigen Schwiegersohn vermietet und in der Folge auch nur einen anteilsmäßigen Verlust geltend gemacht so spricht Nachstehendes dagegen:

Die Regelung dieses Vertrages ist eindeutig und lässt nicht erkennen, dass nur ein Teil der Wohnung an den zukünftigen Schwiegersohn vermietet wurde, wie nachträglich im Berufungsverfahren behauptet. Vielmehr hat der Lebensgefährte als Mieter ausdrücklich das Recht, sowohl den Mietgegenstand zur Gänze als auch den Gartenanteil und die Garage für die Dauer der Lebensgemeinschaft uneingeschränkt zu nutzen. Es gibt keine vertragliche Vereinbarung, die die im Berufungsverfahren aufgestellte Behauptung untermauert und sein Mietrecht beschränkt. Vielmehr wird diese Wohnung an die Tochter und den zukünftigen Schwiegersohn um den frei vereinbarten Hauptmietzins von 250 Euro vermietet. Bedingung, war einzig, wie vertraglich vereinbart, die aufrechte Lebensgemeinschaft.

Die Bw. hat in den Streitjahren bewusst von den Marktkonditionen abgesehen und die Wohnung an ihre Tochter und deren nunmehrigen Ehegatten zu Konditionen vermietet, die gerade ausreichen, die Betriebskosten abzudecken und folglich Verluste nach sich ziehen.

Eine derartige Vereinbarung ist zwischen Familienfremden denkunmöglich. Es fehlt an dem zwischen Fremden bestehenden Interessengegensatz, der aus dem Bestreben der Vorteilsmaximierung jedes Vertragspartners resultiert.

Die gewählte Vorgangweise ist nur dann sinnvoll, wenn das Wohnbedürfnis von Familienmitgliedern in das äußere Erscheinungsbild einer Einkunftsquelle gekleidet werden soll.

Die Abgabenbehörde erster Instanz hat folglich zu Recht das Vorliegen einer Einkunftsquelle verneint, weshalb wie im Spruch ersichtlich zu entscheiden war.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 303 Abs. 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at