Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 28.06.2012, RV/0852-W/11

Zeitpunkt der Geltendmachung eines Pflichtteilsanspruches

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der X, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien vom betreffend Erbschaftssteuer entschieden:

Der Berufung wird teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Höhe der Bemessungsgrundlage beträgt 347.916,00 €, die Abgabe beträgt 31.312,44 €.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Entscheidungsgründe

Frau L. verstarb am . In ihrem Testament setzte sie ihre Tochter S. als Erbin ein und teilte ihren weiteren Kindern Herrn A. und Frau X., der Berufungswerberin (Bw.), folgende Vermächtnisse zu: Der Sohn sollte 1/3 ihrer Beteiligung an der Y Holding mbH erhalten, die Erbin den Rest und der Berufungswerberin sollte eine Barabfindung im Wert der Hälfte des der Erbin zukommenden Anteiles zukommen, wobei lt. einem Nachtrag zum Testament als Wert die Nominale der Beteiligung zuzüglich Rücklagen und nicht ausgeschütteten Gewinnen anzusetzen sei.

Die Erbin Frau S., vertreten durch den RA Y., gab am die unbedingte Erbantrittserklärung ab und legte am die Vermögenserklärung dem Abhandlungsgericht vor. Darin wurden die Vermächtnisansprüche der Bw. mit 202.606,16 € und ihr Pflichtteilsanspruch mit 165.628,12 € ausgewiesen. Nach einer Außenprüfung bei der Erbin erließ das Finanzamt am an die Bw. einen Erbschaftssteuerbescheid über 33.884,00 €, wobei die zwei oben genannten Ansprüche die Bemessungsgrundlage bildeten.

Gegen diese Vorschreibung wurde Berufung erhoben und vorgebracht, dass nach Überprüfung der letztwilligen Anordnung sich ergeben habe, dass ihr gesetzlicher Pflichtteil verletzt sei. Es habe in der Folge Verhandlungen zwischen ihrer Rechtsvertreterin, Z. und dem Vertreter der Erbin, Y., stattgefunden. Mangels Nichteinigung hinsichtlich der Ziffern habe ihre Rechtsvertreterin Z. mit Schreiben an den gegnerischen Vertreter vom u.a. in ihrem Namen den Pflichtteil geltend gemacht und beziffert. Nach mehrmaligen ergänzenden Verhandlungen habe man sich schließlich auf einen Pflichtteilsbetrag in Höhe von 312.116,91 € geeinigt. Dieser Betrag sei mit Wertstellung auf ihrem Konto gutgeschrieben worden. Auf alle Ansprüche aus den letztwilligen Verfügungen (zB Legate) habe sie verzichtet. Als Beweis wurde die Einvernahme von Z. als Zeugin beantragt.

Mit sei das Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz ausgelaufen. Sie habe ihren Pflichtteilsanspruch erst nach diesem Zeitpunkt geltend gemacht, nämlich durch den von ihr bevollmächtigten Anwalt. Im Fall eines Pflichtteilsanspruches entstehe die Steuerschuld mit dem Zeitpunkt der Geltendmachung (§ 12 Abs. 1 Z 1 lit. b ErbStG) und dies sei im gegenständlichen Fall nach dem gewesen, weshalb der Erbschaftssteuerbescheid zur Gänze aufzuheben sei.

Auch die Bemessungsgrundlage sei unrichtig. Die Berechnung basiere auf der Vermögenserklärung der Erbin. Diese einseitigen Angaben der Erbin seien nicht richtig. Sie habe ihren Pflichtteilsanspruch geltend gemacht und wurde ihr dieser in Höhe von 312.116,91 € am gutgeschrieben. Sonst habe sie keine Empfänge erhalten.

Das Finanzamt ersuchte die Erbin um Bekanntgabe, welche Zahlungen im Hinblick auf die Erfüllung des Legates und welche im Hinblick auf die Erfüllung des Pflichtteilsanspruches erfolgten. Der steuerliche Vertreter der Erbin gab daraufhin bekannt, dass zwei Zahlungen erfolgt seien: nämlich am 312.116,91 € und am über 38.000,00 €, insgesamt also 350.116,91 €. Die Zahlungen seien in Erfüllung des Legates als auch der Abgeltung der Pflichtteilsforderung geleistet worden.

Die Bw. wurde vom Finanzamt aufgefordert, den Schriftverkehr hinsichtlich der Verhandlungen zwischen Z. und Y., ua. das Schreiben vom vorzulegen.

Die Bw. legte daraufhin zwei Aktenvermerke vom und vom der Kanzlei Z über Gespräche mit Y. vor und das Schreiben von Z. vom (abgeschickt am ), wobei erläutert wurde, dass einigen Passagen deshalb aus Gründen der Verschwiegenheitspflicht geschwärzt worden seien, weil die Kanzlei Z auch andere Personen vertreten hätte.

Auf die Anfrage des Finanzamtes vom , wann der Pflichtteil von der Bw. geltend gemacht worden sei, antwortete der steuerliche Vertreter der Erbin, dass nach Rückfrage bei der Kanzlei Y. vor dem Gespräche über die Höhe des Pflichtteilsanspruches der Bw. und deren Abdeckung geführt worden seien und ein Korrespondenzwechsel erfolgt sei.

Mit Berufungsvorentscheidung vom gab das Finanzamt der Berufung hinsichtlich der Höhe der Bemessungsgrundlage teilweise statt und setzte nur mehr die vom Steuerberater der Erbin bekanntgegebenen Zahlungen in Höhe von 350.116,91 € an. Aus der Auskunft des Steuerberaters der Erbin schloss das Finanzamt, dass der Pflichtteil bereits vor dem geltend gemacht worden und die Steuerpflicht daher entstanden sei.

Mit Vorlageantrag beeinspruchte die Bw. diese Erledigung und beantragte, ihre Vertreterin Z. zur Widerlegung der Aussage des Steuerberaters der Erbin als Zeugin betreffend des Zeitpunktes der Geltendmachung ihres Pflichtteilsanspruches einzuvernehmen.

Der Unabhängige Finanzsenat führte die Zeugenbefragung durch eine schriftliche Einvernahme durch. In der Beantwortung gab die Zeugin ua. an, dass die Kanzlei keine rechtsfreundliche Vertretung der Bw. übernommen habe, sondern die rechtsfreundliche Vertretung des Bruders der Bw. wahrnahm. Die Bw. sei von Dr. E, einem emeritierten Rechtsanwalt, beraten worden. Die Zeugin habe Verhandlungen für den erbl. Sohn KR A. und der Y Privatstiftung betreffend der Bewertung der Verlassenschaft gehörenden Geschäftsanteile geführt. Es sei um die Berechnung des Aufgriffspreises bei Übernahme der erbl. Geschäftsanteile durch die Stiftung gegangen. Besprechungen mit Y. hätten sich auf diese Frage bezogen und fanden am , , , , und statt. Die Bewertung sei eine Vorfrage für allfällige Ansprüche von der Bw. gewesen, weswegen bei ihr auch ein Interesse an der Bewertung der Geschäftsanteile bestand. Ihr sei kein Schriftstück bekannt, in dem die Bw. formal ihren Pflichtteilsanspruch gegenüber der Erbin geltend machte. Die Vergleichsansprüche dauerten bis April 2009. Erst am habe die Abtretung des erbl. Geschäftsanteiles an die die Y Privatstiftung stattgefunden. Eine Besprechung mit Y. mit einer Geltendmachung des Pflichtteils der Bw. habe in ihrer Gegenwart vor dem nicht stattgefunden. Sie sei von KR A. beauftragt worden, Überlegungen und Berechnungen anzustellen, ab welchem Betrag die Pflichtteile der erbl. Kinder erfüllt bzw. verletzt wären. Dazu berechnete sie am als Gesprächsbasis für weitere Gespräche mit Y. auf Grundlage des damals von Herrn Y. abgegebenen Vergleichsanbotes für die Geschäftsanteile der Verlassenschaft die mögliche Höhe der Nachlass- und Schenkungspflichtteile. Aufgrund der damaligen Bewertungen habe sich ein Pflichtteilsergänzungsanspruch für die Bw. ergeben. Ab diesem Zeitpunkt ging die Bw. davon aus, dass sie ihren Pflichtteil geltend gemacht hätte, weil sie erkennen musste, dass eine familiäre einvernehmliche Lösung nicht erreicht werden könne.

Eine weitere Zeugeneinvernahme von Herrn Y. unterblieb, weil sich der Rechtsanwalt auf das Verweigerungsrecht nach § 171 Abs. 1 lit. c BAO berief, da er von der Verschwiegenheitspflicht nicht entbunden worden sei.

Die Ergebnisse des Beweisverfahrens wurden der Bw. und dem Finanzamt zur Kenntnis gebracht. In einer Stellungnahme vom führte die Bw. aus, dass sie ihren Bruder KR A. gebeten habe, dass Z. im Rahmen der Verlassenschaftsabhandlung auch ihre Interessen mitvertritt. Sowohl der Bruder als auch die Anwältin seien damit einverstanden gewesen. Der emeritierte Dr. E habe als ihr interner Berater fungiert, habe auch an einem Gespräch in der Kanzlei Z teilgenommen, aber sei in der Sache selbst gegenüber ihrer Schwester bzw. deren Vertreter nie aktiv gewesen. Auch sie habe mit ihrer Schwester nie Verhandlungen geführt, diese seien ausschließlich von Z geführt worden.

Nach Kenntnis der letztwilligen Verfügungen habe festgestellt werden müssen, ob ihr Pflichtteil verletzt worden sei oder nicht und habe ihr Frau Z bei einer der ersten Besprechungen mitgeteilt, dass primär das Schätzgutachten abgewartet werden müsse, erst dann könne entschieden werden, ob sie ihre Ansprüche lt. den letztwilligen Verfügungen geltend mache oder auf die Erfüllung des Pflichtteiles beharre. Aus den vorgelegten Urkunden, bzw. Schriftverkehr, ergebe sich, dass bis Ende August 2008 nie von einem Pflichtteilsanspruch die Rede gewesen sei. Erst nach Vorliegen des Verkehrswertgutachtens seien Berechnungen der Nachlasspflichtteile seitens Frau Z angestellt worden. Die Bw. verwies nochmals auf ein Schreiben vom , wonach in ihrem Namen der Pflichtteilsanspruch geltend gemacht worden sei und dass sie erst am die Zahlung von 312.116,91 € erhalten habe. Frau Z habe in keiner Besprechung mit Y. vor dem in ihrem Namen den Pflichtteil geltend gemacht und habe auch sie selbst keine diesbzgl. Verhandlungen geführt und habe es keine anderen Vertreter gegeben, sodass evident sei, dass der Pflichtteilsanspruch erst nach dem geltend gemacht worden sei.

In einer Stellungnahme des Finanzamtes wird hingewiesen, dass die Kanzlei von Z die Vertretung der drei erbl. Kinder dem BG Xy. am 25. Feber 2008 bekanntgegeben hat. Für die Entstehung der Steuerschuld sei kein Schriftstück zur Geltendmachung des Pflichtteilsanspruches notwendig. Durch die Teilnahme an den Gesprächen habe die Bw. jedenfalls nach außen bekundet, dass sie entschlossen sei, ihren Pflichtteil zu verlangen. Aus den Aussagen der Bw., dass nach Kenntnis der letztwilligen Verfügungen ihrer Mutter primär festgestellt werden musste, ob ihr Pflichtteil verletzt worden sei und das Schätzgutachten abzuwarten sei, gehe eindeutig hervor, dass die Bw. nicht vorhatte, auf ihren Pflichtteil zu verzichten. Bei den Verhandlungen sei es zumindest auch um das Ausmaß des den Pflichtteilsberechtigten zustehenden Betrages gegangen. Im vorgelegten Aktenvermerk über eine Besprechung vom sei festgehalten, dass die Erbin der Bw. den Differenzbetrag auf den berechneten Pflichtteil bezahlen müsse. Nach den Erfahrungen des täglichen Lebens müsse es bereits Besprechungen über die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruches gegeben haben, wenn doch bereits detaillierte Ausführungen betreffend Verlassenschaftspflichtteil und Schenkungspflichtteil gemacht werden.

Auch aus dem Argument einer möglichen "Erbsteuerbefreiung" im Besprechungsprotokoll vom sei der Schluss zu ziehen, dass Frau Z für die Bw. verhandelt hat. Zuletzt wurde nochmals auf die Vorhaltsbeantwortung der Erbin vom verwiesen und die Ansicht vertreten, dass die Bw. ihren Pflichtteilsanspruch vor dem geltend gemacht hat bzw. zu erkennen gegeben hat, auf den Pflichtteil nicht verzichten zu wollen.

Über die Berufung wurde erwogen:

Strittig ist im gegenständlichen Fall, ob die auf Grundlage des Verlasses nach L. erfolgten Zuwendungen an die Bw. zur Gänze als Pflichtteilsansprüche nicht mehr der Erbschaftssteuer unterliegen, weil die Steuerschuld erst nach Aufhebung der Erbschaftssteuer entstanden sei.

Gemäß § 1 Abs. 1 Z 1 ErbStG 1955 idF vor der Aufhebung durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , G 54/06 ua., unterlag der Erwerb von Todes wegen der Steuer nach diesem Gesetz.

Der Verfassungsgerichtshof bestimmte im oben genannten Erkenntnis, dass die Aufhebung des Grundtatbestandes des Erbschaftssteuergesetzes mit Ablauf des in Kraft treten solle. Nach § 2 Abs.1 Z 1 ErbStG 1955 gilt als Erwerb von Todes wegen der Erwerb durch Erbanfall, durch Vermächtnis oder auf Grund eines geltend gemachten Pflichtteilsanspruches.

Nach § 12 Abs. 1 Z 1 ErbStG 1955 entsteht die Steuerschuld bei Erwerben von Todes wegen mit dem Tode des Erblassers, jedoch für den Erwerb eines geltend gemachten Pflichtteilsanspruches mit dem Zeitpunkt der Geltendmachung (lit. b).

Dabei ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes als Zeitpunkt der Geltendmachung des Pflichtteiles jener anzunehmen, in dem der Pflichtteilsberechtigte nach außen hin - sei es auch außergerichtlich - zu erkennen gibt, er wolle seinen Pflichtteilsanspruch wahren und nicht darauf verzichten (vgl. ; ). Die Geltendmachung kann durch Klage, Klagsandrohung oder ein anderes Verhalten zur Durchsetzung von Pflichtteilsansprüchen erfolgen. Von einer Geltendmachung spricht man daher nicht nur in dem Fall, in dem ein bestimmter Betrag formell als Pflichtteilsanspruch bekanntgegeben wird, sondern auch in den Fällen, wo durch ein nach außen gerichtetes Verhalten erkennbar ist, dass auf den Pflichtteilsanspruch dem Grunde nach nicht verzichtet wird.

Die Erbin wurde vom Finanzamt befragt, wann der Pflichtteil von der Bw. geltend gemacht worden sei. In der Beantwortung wurde auf eine Rückfrage bei dem die Erbin beim Verlassenschaftsverfahren vertretenden Rechtsanwalt verwiesen und sodann mitgeteilt, dass vor dem Gespräche über die Höhe der Pflichtteilsanspruches der Bw. und dessen Abdeckung geführt wurden und ein Korrespondenzwechsel erfolgt sei.

Die Bw. geht dagegen davon aus, dass sie ihren Pflichtteilsanspruch erst mit Schreiben der RA Z vom geltend gemacht und beziffert hätte. Nun ist es dadurch zwar evident, dass Z im Namen der Bw. zu diesem Zeitpunkt den Pflichtteilsanspruch in betragsmäßiger Höhe an die Gegenseite bekanntgegeben hat, dies bedeutet aber nicht, dass zu diesem Zeitpunkt der Pflichtteilsanspruch erstmals geltend gemacht wurde. Es ist davon auszugehen, dass die Bw. bereits vor dem ihren Willen kundgetan hat, auf ihren Pflichtteilsanspruch nicht zu verzichten, um aus der Erbschaft - unabhängig von der noch nicht bestimmten Höhe des Legates - zumindest den Pflichtteil zu erhalten.

Dies wird auch durch das von der Bw. vorgelegte Gedächtnisprotokoll über die Besprechung zwischen den Anwälten Y. und Z vom gestützt, in dem festgehalten ist, dass Y. "ergänzt, dass Frau S Frau x den Differenzbetrag auf den berechneten Pflichtteil bezahlen muss" und er bereits detaillierte Berechnungen zum Verlassenschaftspflichteil und Schenkungspflichtteil bekanntgibt, wobei er "von folgender Rechnung ausgeht, die er aus den bisher gemeinsam erstellten Tabellen ableitet."

Aus dem von der Zeugin vorgelegten e-mail-Wechsel im August ist zu ersehen, dass es im Monat August vor dem Besprechungstermin des 25. August zu keiner weiteren Besprechung zwischen den Rechtsanwälten aufgrund der wechselweisen Urlaube gekommen ist und bezog sich der e-mail Verkehr vom 4., 5. und 6. August hauptsächlich auf Terminfragen. Daraus ist zu schließen, dass der Erbin bzw. ihrem Vertreter bereits vor dem erkennbar gewesen sein musste, dass die Bw. nicht nur ihren Legatsanspruch, sondern auch ihren Pflichtteilsanspruch wahren wollte. Wenn auch die Höhe des Legatsanspruches der Bw. zunächst nicht feststand und Gegenstand von Verhandlungen war, die sich über den hinausgezogen haben, so bedeutet dies nicht, dass erst mit der betraglichen Fixierung des Pflichtteilsergänzungsanspruches die Geltendmachung des Pflichtteils im Sinne des ErbStG erfolgt ist.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der Pflichtteil bereits dann im Sinne des § 12 Abs. 1 Z 1 lit b ErbStG 1955 geltend gemacht, wenn der Pflichtteilsberechtigte Maßnahmen zur Wahrung seines Anspruches setzt. Dabei muss der Anspruch weder der Höhe nach bekannt oder beziffert werden. Es ist ausreichend, wenn nach außen hin erkennbar gemacht wird, dass der Anspruch dem Grunde nach gewahrt wird.

Die Erblasserin verstarb am . Am wurde ihr Testament, wonach die Tochter S. als Erbin eingesetzt worden ist und deren Geschwister A. und die Bw. mit Legaten bedacht worden sind, dem Gericht übergeben. Mit Schreiben des Gerichtskommisärs vom wurde der Bw. die letztwilligen Verfügungen zur Kenntnis gebracht.

Die Bw. schildert selbst das weitere Geschehen in ihrer Berufung vom : "Eine Überprüfung dieser letztwilligen Anordnungen ergab, dass selbst unter Berücksichtigung von Vorausschenkungen mein gesetzlicher Pflichtteil verletzt wurde. Es haben in der Folge Verhandlungen zwischen meiner Rechtsvertreterin, Frau Z., und dem Vertreter der Erbin S., Herrn Y., beide Rechtsanwälte in Wien, stattgefunden. Mangels Nichteinigung hinsichtlich der Ziffern hat meine Rechtsvertreterin Frau Z. mit Schreiben an den gegnerischen Vertreter vom u.a. in meinem Namen den Pflichtteil geltend gemacht und beziffert. Nach mehrmaligen ergänzenden Verhandlungen einigte man sich schließlich auf einen Pflichtteilsbetrag in Höhe von 312.116,91 €. Dieser Betrag ist mit Wertstellung meinem Konto gutgeschrieben worden. Auf alle Ansprüche aus den letztwilligen Verfügungen (zB Legate) habe ich verzichtet."

In der Stellungnahme der Bw. vom führte sie weiter aus: "Nach Kenntnis der letztwilligen Verfügungen meiner Mutter musste primär festgestellt werden, ob mein Pflichtteil verletzt worden ist oder nicht. Frau Z teilte mir daher bei einer der ersten Besprechungen mit, dass primär das Vorliegen der Schätzgutachten abgewartet werden muss, erst dann kann entschieden werden, ob ich meine Ansprüche laut den letztwilligen Verfügungen geltend mache oder auf der Erfüllung des Pflichtteils beharre."

Auch diese Schilderungen des Ablaufes weisen darauf hin, dass bereits sehr früh, nämlich bei Überprüfung der letztwilligen Anordnungen, klar wurde, dass der gesetzliche Pflichtteil verletzt worden ist und kommt der Aussage des steuerlichen Vertreters vom eine hohe Glaubwürdigkeit zu.

In ihrer Zeugenaussage erklärt Frau Z., eine Geltendmachung des Pflichtteiles von Frau x habe in ihrer Gegenwart vor dem nicht stattgefunden und ihr sei kein Schriftstück bekannt, in dem Frau x ihren Pflichtteilsanspruch formal gegenüber der Erbin geltend machte. Damit bestätigt sie zwar den Zeitpunkt der formellen Geltendmachung eines betraglich fixierten Pflichtteilsergänzungsanspruches, darauf kommt es aber im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht an.

Der Kommentar von Dorazil/Taucher, ErbStG, § 2, Rz 4.11, interpretiert die Rechtsprechung des , so, dass es für die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruches ausreicht, dass der Berechtigte konkludente Handlungen setzt. Und zu § 12 Abs. 1 Z 1 lit. b ErbStG 1955, Rz 3.15, führt der Kommentar aus, dass es nicht erforderlich sei, dass der Berechtigte eine ausdrückliche Erklärung abgebe, es vielmehr genüge, dass der Berechtigte auch auf andere Weise ernsthaft zu erkennen gibt, dass er seinen Pflichtteil in Anspruch nehmen will. Eine Bezifferung ist nicht Voraussetzung.

Die Kanzlei Z war zunächst im Namen aller drei Kinder zur Durchführung der Verlassenschaftsabhandlung betraut (Vollmachtsbekanntgabe an das Gericht vom 25. Feber 2008). Mit gab Y. den Vollmachtswechsel seitens der Erbin auf seine Kanzlei bekannt. Die Bw. hat nach ihren Angaben, ihren Bruder A., der ständig von Frau Z. vertreten wurde, gebeten, dass diese auch ihre Interessen mitvertritt, womit beide einverstanden waren. Z. ist - wie dies auch aus den vorgelegten Unterlagen vom , und zu entnehmen ist - daher auch im Interesse der Bw. tätig geworden. Dass sich die Interessen der Bw., die ja auch selbst an einigen Besprechungen teilgenommen hat, nicht nur auf den Vermächtnisanspruch, sondern auch auf ihren Pflichtteilsergänzungsanspruch bezogen haben, liegt auf der Hand und lässt sich auch aus den Schilderungen der Bw. schließen.

Aus der Tatsache, dass der Rechtsanwalt der Erbin nicht von seiner Verschwiegenheitsverpflichtung entbunden wurde, seine Aussage verweigerte und somit nicht zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes beitragen konnte, kann jedenfalls nicht auf eine Bestätigung der Argumente der Bw. geschlossen werden.

Nach Einsicht in den Verlassakt ist festzustellen, dass das Verlassverfahren im schriftlichen Wege abgehandelt worden ist und dass die Pflichtteilsberechtigten und Legatare am im Sinne des § 176 AußStrG benachrichtigt worden sind. Der Einantwortungsbeschluss vom führt an, dass kein Pflichtteilsübereinkommen geschlossen worden ist. Ein Verzicht auf den Vermächtnisanspruch der Bw. - wie dies die Bw. in ihrer Berufung behauptet - ist im Verlassakt keinesfalls protokolliert. Daher ist davon auszugehen, dass die Bw. ihr Vermächtnis, das mit 202.606,16 € ausgewiesen wurde, angenommen hat.

Nach Ansicht des Unabhängigen Finanzsenates hat die Bw. bereits vor dem 1. August erkennen lassen, dass sie auf ihren Pflichtteilsergänzungsanspruch nicht verzichtet, sondern auf diesem beharrt, weshalb auch für diesen Geldanspruch die Steuerschuld nach § 12 Abs. 1 Z 1 lit. b ErbStG 1955 noch vor der Aufhebung der Erbschaftssteuer entstanden und die Steuervorschreibung grundsätzlich zu Recht erfolgt ist.

Hinsichtlich der Höhe der Bemessungsgrundlage für die todeswegigen Erwerbe, Vermächtnis und Pflichtteilsergänzungsanspruch, wird auf die Begründung in der Berufungsvorentscheidung vom verwiesen.

Aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen, der Lehre und der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes war über die Berufung wie im Spruch ersichtlich zu entscheiden.

Berechnung der Erbschaftssteuer:


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Legats- und Pflichtteilsanspruch
350.116,91 €
abzüglich § 14 (1) ErbStG 1955
- 2.200,00 €
ergibt
347.916,91 €
9 % v. 347.916,00 €
31.312,44 €

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Verweise

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at