Entziehen aus der zollamtlichen Überwachung.
VwGH-Beschwerde zur Zl. 2007/16/0026 eingebracht. Mit Erk. v. als unbegründet abgewiesen.
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Beschwerde des Bf., vertreten durch Burghofer & Pacher, Rechtsanwälte GmbH, 1060 Wien, Köstlergasse 1/30, vom gegen die Berufungsvorentscheidung des Zollamtes Wien vom , Zl. 100/59760/2002-13, betreffend Eingangsabgaben und Nebengebühren entschieden:
Der bekämpfte Bescheid wird wie folgt abgeändert:
In der Zeit vom bis hat Bf. die in dem dem Bescheid vom beiliegenden Berechnungsblatt genannten Waren als einfuhrabgabepflichtige Waren zum Teil der zollamtlichen Überwachung entzogen bzw. war am Entziehen aus der zollamtlichen Überwachung beteiligt.
Es entstand für ihn gemäß Art. 203 Abs. 1, Absatz 2 und Absatz 3 erster und zweiter Anstrich in Verbindung mit § 2 Abs. 1 ZollR-DG die Zollschuld.
Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Entscheidungsgründe
Mit Bescheid vom , Zl. 100/57960/2002 schrieb das Hauptzollamt Wien dem Beschwerdeführer (Bf.) eine gemäß Art. 203 Abs. 1 Buchstabe a Zollkodex (ZK) entstandene Zollschuld und eine Abgabenerhöhung gemäß § 108 Zollrechtsdurchführungsgesetz (ZollR-DG) zur Entrichtung vor.
In der gegen diesen Bescheid gerichteten Berufung ficht der Bw. durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter den oben angeführten Bescheid unter Zitierung der Bestimmung des Artikel 203 ZK seinem gesamten Inhalt nach an.
Richtig sei, dass der Berufungswerber vier- bis fünfmal optische Produkte von Ungarn nach Österreich geführt habe, in der Meinung, dass eine Zollschuld nicht entstehe. Der Berufungswerber habe die gegenständliche Lieferung nicht persönlich durchgeführt.
Weiters wird in der Berufung das Fehlen einer Begründung für die Heranziehung des Bf. als Zollschuldner gerügt, da Art. 203 Abs. 3 ZK drei verschiedene Personen als Zollschuldner vorsehe.
Der Berufungswerber sei auch nicht derjenige der die Lieferung der Waren durchgeführt habe, Lieferant sei die E.R.. gewesen.
Zu Beginn der Geschäftsbeziehung mit der Firma L.M. sei der Berufungswerber mit ungefähr 25 Musterlinsen nach Wien gefahren und habe den Zöllner nach der Verpflichtung, diese zollamtlich behandeln zu lassen gefragt. Der Zöllner habe dies, weil er davon ausging, dass Muster nicht zu verzollen seien verneint.
Der Berufungswerber habe dies dahingehend interpretiert, dass für Linsen kein Zoll zu bezahlen sei und habe dann in der Folge, soweit er noch vier bis fünf Lieferungen durchführte die zollamtliche Behandlung nicht für notwendig erachtet. Das Nichtdeklarieren der Waren sei also durch ein Missverständnis entstanden, das zumindestens auch zum Teil vom Zollbeamten ausgelöst worden sei.
Tatsächlich sei auch die Ansicht des Berufungswerbers nicht unrichtig. Wenn ein EUR-1 Formular ausgefüllt worden wäre, wäre kein Zoll zu bezahlen gewesen, auch die Einfuhrumsatzsteuer erhalte man wieder zurück. Dem Berufungswerber könne demnach lediglich vorgeworfen werden, dass er die Formulare nicht ausgefüllt habe. Es sei demnach fraglich, ob dass bloße Vergessen, ein Formular auszufüllen die Zollschuld entstehen lässt.
Mit Berufungsvorentscheidung vom wies das Zollamt Wien vorstehende Berufung als unbegründet ab und änderte den Spruch des bekämpften Bescheides insoferne, als der Bf. die im Berechnungsblatt des Erstbescheides genannten einfuhrabgabepflichtigen Waren vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht hatte bzw. an deren Verbringung beteiligt war.
In der gegen diese Berufungsvorentscheidung erhobenen Beschwerde wendet sich der Bf. gegen die Vorschreibung der Einfuhrumsatzsteuer. Diese sei mittlerweile von der L.M. an das Finanzamt Graz Stadt bezahlt worden, sodass eine Umsatzsteuerschuld keinesfalls mehr vorhanden sein könne. Durch die Bezahlung der Einfuhrumsatzsteuer durch einen der Steuerschuldner müsse diese auch den anderen Steuerschuldnern erlassen werden, da eine solidarische Haftung bestehe.
Im übrigen wurde nach erneuter Zitierung und Wiedergabe des Art. 203 ZK, obwohl der bekämpfte Bescheid sich auf die Bestimmung des Art. 202 ZK stützt, gleichlautend wie in der oben dargestellten Berufung vorgebracht.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Gemäß Art. 203 Abs. 1 ZK entsteht eine Einfuhrzollschuld, wenn eine einfuhrabgabenpflichtige Ware der zollamtlichen Überwachung entzogen wird. Die Zollschuld entsteht in dem Zeitpunkt, in dem die Ware der zollamtlichen Überwachung entzogen wird (Art. 203 Abs. 2 ZK).
Zollschuldner ist gemäß Art. 203 Abs. 3 ZK die Person, die die Ware der zollamtlichen Überwachung entzogen hat, bzw. die Personen, die an dieser Entziehung beteiligt waren, obwohl sie wussten oder billigerweise hätten wissen müssen, dass sie die Ware der zollamtlichen Überwachung entziehen.
Gemäß Art. 37 Abs. 1 ZK unterliegen Waren, die in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht werden, vom Zeitpunkt des Verbringens an der zollamtlichen Überwachung. Sie können nach dem geltenden Recht zollamtlich geprüft werden. Solche Waren bleiben gemäß Art. 37 Abs. 2 ZK so lange unter zollamtlicher Überwachung, wie es für die Ermittlung ihres zollrechtlichen Status erforderlich ist, und, - wie vorliegend - im Fall von Nichtgemeinschaftswaren, bis sie ihren zollrechtlichen Status wechseln, in eine Freizone oder ein Freilager verbracht, wiederausgeführt oder nach Art. 182 ZK vernichtet oder zerstört werden. Die zollamtliche Überwachung beinhaltet gemäß Art. 4 Nummer 13 ZK allgemeine Maßnahmen, um die Einhaltung des Zollrechts und gegebenenfalls der sonstigen für Waren unter zollamtlicher Überwachung geltenden Vorschriften zu gewährleisten.
Dem gegenständlichen Verfahren liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:
Der Bf. hat im Zeitraum vom bis 4. Februar 2000die im Berechnungsblatt des Bescheides des Hauptzollamtes Wien vom genannten einfuhrabgabepflichtigen Waren teilweise selbst, teilweise durch andere Personen ohne Anmeldung bei einem Zollamt in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht bzw. durch andere nicht ausgeforschte Personen verbringen lassen.
Dieser Sachverhalt wurde im Erkenntnis des Spruchsenates beim Hauptzollamt Wien als Finanzstrafbehörde erster Instanz vom , in dem der Bf. des Schmuggels und der Bestimmung nicht ausgeforschter Personen zum Schmuggel hinsichtlich der verfahrensgegenständlichen Waren rechtskräftig für schuldig erkannt wurde, festgestellt.
Für die erkennende Behörde besteht kein Zweifel am vorliegenden Sachverhalt, zumal dieser in einem vom Grundsatz der Amtswegigkeit der Erforschung der materiellen Wahrheit beherrschten Verfahren festgestellt worden war.
Die im oben angeführten Berechnungsblatt genannten Waren sind somit durch die erfolgte Einfuhr nach Österreich, ohne diese einer zollamtlichen Behandlung zuzuführen der zollamtlichen Überwachung entzogen worden, wobei der Bf. teilweise als derjenige der die Waren der zollamtlichen Überwachung entzogen hat gemäß Art. 203 abs. 3 erster Anstrich und teilweise als Beteiligter gemäß Art. 203 Abs. 3 zweiter Anstrich zum Zollschuldner wurde.
Andere in Betracht kommende Zollschuldner sind aus der Aktenlage nicht ersichtlich, insbesondere konnten die Personen, die die optischen Waren im Auftrag des Bf. nach Österreich verbrachten nicht ausgeforscht werden.
In der Begründung des vorzitierten Erkenntnisses des Zollamtes Wien ist wie folgt ausgeführt:
Der Beschuldigte hielt es zumindest ernstlich für möglich und fand sich damit ab, dass bei der Einfuhr der im Spruch genannten Linsen Eingangsabgaben zu leisten sind, bzw. diese Waren dem Zoll zu stellen wären. In jenen Fällen, in denen er die Waren nicht selbst über die Grenze brachte, wies er die transportierenden Personen an, die Waren über die Grenze zu führen, nicht jedoch diese beim Zoll zu stellen. Er hielt es somit auch ernstlich für möglich und fand sich damit ab, dass auch diese Waren ohne Stellung beim Zoll über die Grenze gebracht werden.
Gemäß Art. 4 Nr. 19 ZK ist Gestellung die Mitteilung an die Zollbehörde in der vorgeschriebenen Form, dass sich die Waren bei der Zollstelle oder bei einem anderen von den Zollbehörden bezeichneten oder zugelassenen Ort befinden.
Gemäß § 37 ZollR-DG zu Art. 4 Nr. 19 ist es zur Gestellung ausreichend, dass Waren auf verkehrsübliche Weise befördert werden und das einschreitende Zollorgan daher von ihrem Vorhandensein ohne Schwierigkeiten Kenntnis erlangen kann.
Aus dem vorliegenden Akteninhalt ist nicht ersichtlich, dass die verfahrensgegenständlichen Linsen in Verstecken nach Österreich gelangten, weshalb diese nach erfolgter Gestellung mit Verlassen des Amtsplatzes des Zollamtes der zollamtlichen Überwachung entzogen wurden.
Auf eine Zollfreiheit für Muster kann sich der Bf. nicht mit Erfolg berufen, da es sich bei sämtlichen verfahrensgegenständlichen Waren um von der Firma Leica bestellte und zu bezahlende Ware handelte.
Das gemeinschaftliche Zollrecht sieht für Waren, für die eine Zollschuld auf andere Weise als nach Art. 201 ZK entstanden ist, eine Abgabenbegünstigung durch Vorliegen einer Warenverkehrsbescheinigung EUR 1 nicht vor. Diese lässt sich nämlich nur bei ordnungsgemäßer Anmeldung der Ware zur Überführung in den freien Verkehr der Gemeinschaft erreichen.
Auch die Voraussetzungen für einen Erlass nach Art. 900 Buchstabe o ZK-DVO, der nicht Gegenstand dieses Verfahrens ist liegen schon aus dem Grund einer Schuldspruches nach § 35 FinStrG (betrügerische Absicht) nicht vor.
Gemäß §1 Abs. 1 Ziffer 3 UStG unterliegt die Einfuhr von Gegenständen der Umsatzsteuer. Eine Einfuhr liegt vor, wenn ein Gegenstand aus dem Drittlandsgebiet in das Inland, ausgenommen die Gebiete Jungholz und Mittelberg gelangt.
Gemäß §26 UStG gelten für die Einfuhrumsatzsteuer, soweit in diesen Rechtsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, die Rechtsvorschriften für Zölle sinngemäß.
Wenn der Bf. sinngemäß vorbringt die Einfuhrumsatzsteuerschuld sei durch die Entrichtung der Umsatzsteuer der E.R. . durch die Firma L.M. an das Finanzamt Graz Stadt bereits erloschen, so befindet er sich damit im Rechtsirrtum.
Diese Umsatzsteuer betrifft nach der Aktenlage die Lieferung der verfahrensgegenständlichen optischen Linsen durch die Firma E.R.. an die Firma L.M. in Österreich und besteht diese Umsatzsteuerschuld unabhängig von der durch Entziehung aus der zollamtlichen Überwachung für den Bf. entstandenen Einfuhrumsatzsteuerschuld.
Die Frage einer etwaigen Berechtigung zum Abzug der entrichteten Einfuhrumsatzsteuer als Vorsteuer ist nicht Gegenstand des Verfahrens.
Die vom Bf. eingewandte bezahlte Umsatzsteuer der Firma L.M. an das Finanzamt Graz Stadt ändert nichts am Bestehen der Einfuhrumsatzsteuerschuld für den Bf.
Die zur Entrichtung vorgeschriebene Abgabenerhöhung gemäß § 108 ZollR-DG besteht gleichfalls zu Recht.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Zoll |
betroffene Normen | Art. 203 ZK, VO 2913/92, ABl. Nr. L 302 vom S. 1 § 1 Abs. 1 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 § 26 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 |
Schlagworte | Entziehen aus der zollamtlichen Überwachung Beteiligung Einfuhrumsatzsteuer |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at