Familienheimfahrten nach Bosnien-Herzegowina
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Miterledigte GZ: |
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RV/3538-W/12 |
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufungen des B.M., vertreten durch Dr.P, gegen den Bescheide des Finanzamtes XY betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) für die Jahre 2007 und 2008 entschieden:
Den Berufungen wird Folge gegeben.
Die angefochtenen Bescheide werden abgeändert.
Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der Abgaben sind den als Beilage angeschlossenen Berechnungsblättern zu entnehmen und bilden einen Bestandteil dieses Bescheidspruches.
Entscheidungsgründe
Der Berufungswerber ist bosnischer Staatsangehöriger. Er begehrt für monatliche Familienheimfahrten nach Bosnien-Herzegowina für die Jahre 2007 und 2008 die Berücksichtigung von jährlich 1.740 € als Werbungskosten (12 Fahrten pro Jahr zu jeweils 145 €). Für das Jahr 2007 legte der Berufungswerber entsprechende Busfahrscheine vor.
Das Finanzamt forderte den Berufungswerber zunächst auf, einen Einkommensnachweis seiner Ehefrau für das Jahr 2007 vorzulegen bzw bei Vorliegen einer Landwirtschaft den jährlichen Erlös mittels Einkommensnachweis anzugeben.
Der Berufungswerber teilte dem Finanzamt mit, dass seine Ehefrau den landwirtschaftlich genutzten Grundbesitz (eine Familienhauswirtschaft) am Familienwohnsitz bewirtschafte.
In weiterer Folge forderte das Finanzamt hinsichtlich der vom Berufungswerber bekannt gegebenen Familienhauswirtschaft in Bosnien-Herzegowina Angaben hinsichtlich Größe (Acker, Weidefläche ...), Tierhaltung, Anbau (Obst, Gemüse, Getreide ..) und erzielte Erlöse für 2007.
Der Berufungswerber brachte dazu vor, seine Ehefrau erziele durch den kleinen landwirtschaftlich genutzten Grundbesitz in Bosnien-Herzegowina keine Erlöse, sondern diene dieser der Eigenversorgung der Familie mit frischen Lebensmitteln und Heizmaterial. Er verwies in diesem Zusammenhang auf die Entscheidungen des RV/0440-G/04 und vom , RV/1616-W/07, wonach auch ein der Eigenversorgung der Familie dienender Grundbesitz am Familienwohnsitz bzw der große Kaufkraftunterschied in den Lebenshaltungskosten zwischen Österreich und den Ländern des ehemaligen Jugoslawien eine grundsätzliche Unzumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes nach Österreich begründe.
Das Finanzamt verweigerte die Berücksichtigung der strittigen Aufwendungen, wobei es (Einkommensteuerbescheid 2007) ausführte, aus den vom Berufungswerber vorgelegten Unterlagen sei nicht erkennbar, ob die Landwirtschaft überhaupt groß genug sei, eine Familie mit frischen Lebensmitteln und vor allem Heizmaterial zu versorgen, dies sei jedoch für die Beurteilung der Unzumutbarkeit der Wohnsitzverlegung von großer Bedeutung bzw (Einkommensteuerbescheid 2008) der Berufungswerber habe die noch benötigten Unterlagen nicht beigebracht.
Der Berufungswerber legte im Verfahren (zT erst nach Ergehen des Einkommensteuerbescheides 2007) folgende Unterlagen vor:
.) Eine Landwirtschaftsbescheinigung der Heimatgemeinde (die Übersetzung datiert bereits aus dem Jahr 2002). In dieser heißt es:
[...] (der Berufungswerber), welcher sich bei der zeitweiligen Arbeit in Österreich befindet, hat eine Familienhauswirtschaft in Ort R***, Gemeinde C***. Dort hat er einen landwirtschaftlichen Besitz, welcher von seiner Ehefrau [...] während seiner Beschäftigung in Österreich bewirtschaftet werden muss.
.) Eine im Zuge der Berufung vorgelegten Bestätigung, in der ausgeführt wird:
Bestätigung mit welcher vom Ortsverband R*** bestätigt wird, dass [...] (der Berufungswerber), ein Haus besitzt, in welchem seine Familie (Ehefrau und zwei Kinder) lebt. Die Bestätigung wird auf Antrag des Genannten ausgestellt, dient zur Regelung der Reisekosten und kann für keinen anderen Zweck verwendet werden.
.) Einen erst nach Ergehen des Einkommensteuerbescheides 2007 vorgelegten Abschriftauszug aus dem Grundbuch (datiert mit ), Gemeinde C***, Katastergemeinde R***. Darin wird bestätigt, dass der Berufungswerber Eigentümer von mehreren landwirtschaftlichen Parzellen mit zusammen rund 4.000 m² Fläche sowie mehrerer Gebäude bzw Nebengebäude ist.
In den Berufungen bringt der Berufungswerber vor, bereits der enorme Unterschied in den Lebenshaltungskosten zwischen Österreich und Bosnien-Herzegowina bewirke eine grundsätzliche Unzumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes nach Österreich. Hiezu kämen die für sogenannte Drittstaatsangehörige von Fremden, beispielsweise die Ehefrau und die Kinder des Bw als bosnische Staatsbürger, nach wie vor bestehenden restriktiven fremdenrechtlichen Bestimmungen, insbesondere die Quotenpflicht im Zuge der Erteilung von Erstaufenthaltstitel zum Zweck der Familiengemeinschaft mit Fremden für die Ehefrau des Berufungswerbers. Die Erteilung von Erstaufenthaltstiteln zum Zweck der Familiengemeinschaft mit Fremden sei für bereits volljährige Kinder, wie jene des Berufungswerbers, die im Heimatstaat mangels Selbsterhaltungsfähigkeit noch im Haushalt des Berufungswerbers lebten, überhaupt nicht vorgesehen. Er beantrage daher, die geltend gemachten Werbungskosten für die regelmäßigen Familienheimfahrten zur Ehefrau und zu den beiden, mangels Selbsterhaltungsfähigkeit noch im Haushalt des Berufungswerbers am Familienwohnsitz in Bosnien-Herzegowina befindlichen Kindern steuerlich zu berücksichtigen.
Über die Berufung wurde erwogen:
Folgender Sachverhalt steht fest:
Der Berufungswerber ist bosnischer Staatsangehöriger. Er ist Eigentümer einer Familienhauswirtschaft in Bosnien-Herzegowina mit rund 4.000 m² landwirtschaftlich genutzter Fläche.
Diese Familienhauswirtschaft wird von der Ehefrau des Berufungswerbers bewirtschaftet. Im gemeinsamen Haushalt in Bosnien-Herzegowina lebten in den Streitjahren mangels Selbsterhaltungsfähigkeit auch die beiden bereits volljährigen Kinder des Berufungswerbers. Der Berufungswerber und seine Ehefrau erzielen aus der Familienhauswirtschaft keine Erlöse, sondern dient diese der Eigenversorgung der Familie mit frischen Lebensmitteln und Heizmaterial.
Der Berufungswerber war in den Streitjahren in Österreich berufstätig und reiste einmal monatlich zu seiner Familie nach Bosnien-Herzegowina. Dabei entstanden ihm in den Streitjahre Aufwendungen von jährlich 1.740 €.
Beweiswürdigung:
Diese Feststellungen gründen sich auf das Vorbringen des Berufungswerbers und die vom Berufungswerber vorgelegten Urkunden.
Rechtlich folgt daraus:
Gemäß § 16 Abs 1 EStG sind Werbungskosten allgemein die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen. Sie sind bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind. Hingegen dürfen gemäß § 20 Abs 1 EStG die für den Haushalt des Steuerpflichtigen und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen aufgewendeten Beträge und Aufwendungen oder Ausgaben für die Lebensführung, selbst wenn sie die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt und sie zur Förderung des Berufes oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen, bei den einzelnen Einkünften nicht abgezogen werden.
Liegt der Familienwohnsitz des Steuerpflichtigen außerhalb der üblichen Entfernung vom Beschäftigungsort, so können Familienheimfahrten vom Wohnsitz am Arbeitsort zum Familienwohnsitz unter bestimmten Voraussetzungen Werbungskosten sein, nämlich dann, wenn die Beibehaltung des Wohnsitzes außerhalb der üblichen Entfernung vom Arbeitsort aus beruflichen Gründen erfolgt. Ist die Wahl oder Beibehaltung des Familienwohnsitzes außerhalb der üblichen Entfernung vom Beschäftigungsort hingegen auf der privaten Sphäre zuzuordnende Gründe zurückzuführen, sind die daraus entstandenen Aufwendungen nicht abzugsfähig ( mwN).
Die Beibehaltung des Familienwohnsitzes ist aus der Sicht jener Erwerbstätigkeit, die in unüblicher Entfernung von diesem Wohnsitz ausgeübt wird, niemals durch diese Erwerbstätigkeit, sondern immer durch Umstände veranlasst, die außerhalb dieser Erwerbstätigkeit liegen. Berufliche Veranlassung der mit der doppelten Haushaltsführung verbundenen Mehraufwendungen des Steuerpflichtigen und deren daraus resultierende Qualifizierung als Werbungskosten liegen nur dann vor, wenn dem Steuerpflichtigen die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Ort seiner Beschäftigung nicht zuzumuten ist, wobei die Unzumutbarkeit unterschiedliche Ursachen haben kann. Die Unzumutbarkeit der Wohnsitzverlegung kann ihre Ursache auch in weiteren Erwerbstätigkeiten des Steuerpflichtigen haben ().
Wirtschaftliche Gründe, die eine Verlegung des Familienwohnsitzes an den Beschäftigungsort unzumutbar machen liegen vor, wenn am Familienwohnsitz eine eigene - wenn auch kleine und nur der eigenen Selbstversorgung dienende - Landwirtschaft bewirtschaftet wird (LStR 2002 Rz 245 unter Hinweis auf Entscheidungen des Unabhängigen Finanzsenates).
Der Berufungswerber hat den Nachweis erbracht, dass seine Frau am Familienwohnsitz in Bosnien-Herzegowina seinen kleinen landwirtschaftlichen Betrieb bewirtschaftet, welcher ausschließlich der Eigenversorgung der Familie mit landwirtschaftlichen Produkten dient. Wirtschaftliche Gründe, die eine Verlegung des Familienwohnsitzes an den Beschäftigungsort unzumutbar machen, liegen daher im Streitfall vor. Die Berufungen erweisen sich damit als berechtigt.
Den Berufungen war daher Folge zu geben und die angefochtenen Bescheide gemäß § 289 Abs 2 BAO abzuändern
Beilage: 2 Berechnungsblätter
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 16 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Verweise |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at