Strittig ist, ob die kostenlose Verköstigung der Mitarbeiter in der betriebseigenen Kantine eines Produktionsbetriebes eine Eigenverbrauchsbesteuerung auslöst.
Rechtssätze
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Stammrechtssätze | |
RV/0123-F/03-RS1 | Werden den Mitarbeitern eines Produktionsbetriebes während der Arbeitszeit kostenlos Verköstigungen zur Verfügung gestellt, damit diese den Betrieb nicht verlassen müssen und es so zu keiner oder nur zu einer kurzen Produktionsunterbrechung kommt, so erfolgt diese Verköstigung im überwiegenden betrieblichen Interesse und löst daher keine Eigenverbrauchsbesteuerung aus. |
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der unabhängige
Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., vertreten durch RTG Rümmele
Treuhand GmbH, 6850 Dornbirn, Marktstraße 30, gegen den Bescheid des
Finanzamtes Feldkirch, vertreten durch HR Walter Angerer, betreffend
Umsatzsteuer für die Jahre 1998 bis 2000 entschieden:
Der Berufung wird Folge
gegeben.
Die angefochtenen Bescheide werden abgeändert.
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Die Umsatzsteuer wird für
das Jahr 1998 festgesetzt
mit | 365.596,90 € |
Berechnung in
Schilling: | |
Gesamtbetrag der
Entgelte | 591.943.760,14 S |
Davon zu versteuern
mit | Steuer |
Normalsteuersatz
6.561.904,49 S | 1.312.380,90 S |
ermäßigter Steuersatz
585.381.855,65 S | 58.538.185,57 S |
Gesamtbetrag der abziehbaren
Vorsteuern | -54.819.842,98 S |
Umsatzsteuerzahllast | 5.030.723 S |
Umsatzsteuerzahllast in
Euro | 365.596,90 € |
Die Umsatzsteuer wird für
das Jahr 1999 festgesetzt
mit | 262.089,42 € |
Berechnung in
Schilling: | |
Gesamtbetrag der
Entgelte | 553.080.733,67 S |
Davon zu versteuern
mit | Steuer |
Normalsteuersatz
6.276.046,36 S | 1.255.209,27 S |
ermäßigter Steuersatz
546.804.687,31 S | 54.680.468,73 S |
Gesamtbetrag der
steuerpflichtigen innergemeinschaftlichen Erwerbe
21.250.772,10 S | |
Davon zu versteuern
mit: | Steuer |
Normalsteuersatz
5.425.686 S | 1.085.137,20 S |
ermäßigter Steuersatz
15.825.086,10 S | 1.582.508,61 S |
Gesamtbetrag der abziehbaren
Vorsteuern | -54.996.894.42 S |
Umsatzsteuerzahllast | 3.606.429 S |
Umsatzsteuerzahllast in
Euro | 262.089,42 € |
Die Umsatzsteuer wird für
das Jahr 2000 festgesetzt
mit | -318.636,29 € |
Berechnung in
Schilling: | |
Gesamtbetrag der Entgelte
1.048.812.107,93 S | |
Steuerfrei (Art. 6 Abs. 1)
3.496.591,56 S | |
Davon zu versteuern
mit | Steuer |
Normalsteuersatz
10.899.764,03 S | 2.179.952,81 S |
ermäßigter Steuersatz
1.034.415.752,34 S | 103.441.575,23 S |
Gesamtbetrag der
steuerpflichtigen innergemeinschaftlichen Erwerbe 29.753.146,45 S
| |
Davon zu versteuern
mit: | Steuer |
Normalsteuersatz
5.694.227,85 S | 1.138.845,57 S |
ermäßigter Steuersatz
24.058.918,60 S | 2.405.891,86 S |
Gesamtbetrag der abziehbaren
Vorsteuern | -113.550.796,33 S |
Umsatzsteuergutschrift | -4.384.531 S |
Umsatzsteuerzahllast in
Euro | 318.636,29 € |
Entscheidungsgründe
Die Berufungswerberin betreibt ein Fleischerzeugungs- und
vermarktungsunternehmen. In diesem Unternehmen wird der überwiegende Teil
der Mitarbeiter kostenlos verpflegt, und zwar derart, dass jedem Dienstnehmer
täglich eine Jause sowie ein Mittagessen in der werkseigenen Kantine
verabreicht werden. Diese kostenlose Verköstigung wurde von der
Berufungswerberin als nicht steuerbarer Umsatz behandelt und dementsprechend
keiner Umsatzversteuerung unterzogen.
Im Zuge einer Buch- und Betriebsprüfung die Jahre 1998
bis 2000 betreffend wurde diese steuerliche Behandlung der kostenlosen
Verpflegung durch die Berufungswerberin seitens der Betriebsprüfung in
Streit gezogen. Nach Meinung des Prüfers setzte der Begriff
"Dienstleistung" gegen Entgelt im Sinne des Art. 2 Z 1 der 6.
EG-Richtlinie das Bestehen eines unmittelbaren Zusammenhanges zwischen der
erbrachten Dienstleistung und dem empfangenen Gegenwert voraus. Ein derartiger
Zusammenhang liege dann nicht vor, wenn der Arbeitnehmer für die
Sachzuwendung nichts zu bezahlen habe und auch kein dem Wert dieser
Sachzuwendung entsprechender Abzug vom Lohn erfolge bzw. die auszuführende
Arbeit und der bezogene Lohn nicht davon abhingen, ob der Arbeitnehmer die ihm
vom Arbeitgeber gebotene Sachleistung in Anspruch nehme. Stehe wie im
vorliegenden Fall fest, dass ein Leistungsaustausch nicht bestehe, sei in einem
nächsten Schritt zu prüfen, ob die Leistung primär der Deckung
privater Bedürfnisse der Arbeitnehmer diene. Dies sei im
prüfungsgegenständlichen Fall zu bejahen. Die für die Gast-,
Schank- und Beherbergungsgewerbe geltenden Erleichterungen könnten im
prüfungsgegenständlichen Fall nicht zur Anwendung gelangen. Die
unentgeltliche Verköstigung der Dienstnehmer der Berufungswerberin stelle
daher einen Eigenverbrauch im Sinne des
§ 1 Abs. 1 Z 2 UStG 1994 dar. Für die
Berechnung des Eigenverbrauches seien die lohnsteuerlichen Sachbezugswerte lt.
VO BGBl. Nr. 642/1992 heranzuziehen.
Das Finanzamt nahm im Anschluss an diese Prüfung die
Umsatzsteuerverfahren für die Jahre 1998 bis 2000 wieder auf und
erließ am neue Umsatzsteuerbescheide für diese
Jahre, in denen sie die Personalverpflegung der Umsatzsteuer unterwarf.
Gegen dieses Bescheide erhob die Berufungswerberin mit
Schriftsatz vom Berufung, die ihre steuerliche Vertretung wie
folgt begründete: Art. 2 der 6. Mehrwertsteuerrichtlinie (6. MWSt-RL) nenne
als Steuertatbestände der Mehrwertsteuer nur die Lieferung von
Gegenständen oder Dienstleistungen gegen Entgelt sowie die Einfuhr von
Gegenständen aus dem Drittlandsgebiet in das Inland. Entgegen der
Bestimmung des § 1 Abs. 1 Z 2 UStG sei der 6.
MWSt-RL ein Eigenverbrauch hingegen fremd. Vielmehr sei in Art. 5 Abs. 6 der 6.
MWSt-RL einer Lieferung gegen Entgelt die Entnahme eines Gegenstandes durch
einen Steuerpflichtigen aus seinem Unternehmen für seinen privaten Bedarf,
für den Bedarf seines Personals oder als unentgeltliche Zuwendung oder
allgemein für unternehmensfremde Zwecke gleichgestellt, wenn dieser
Gegenstand oder seine Bestandteile zu einem vollen oder teilweisen Abzug der
Mehrwertsteuer berechtigt hätten. Jedoch fielen Entnahmen für
Geschenke von geringem Wert und für Warenmuster zu Zwecken des Unternehmens
nicht darunter. Eine ähnliche Bestimmung sei in Art. 6 Abs. 2 der 6.
MWSt-RL vorgesehen, wonach einer Dienstleistung gegen Entgelt die Verwendung
eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstandes für den privaten Bedarf des
Steuerpflichtigen, für den Bedarf seines Personals oder allgemein für
unternehmensfremde Zwecke gleichgestellt sei, wenn dieser Gegenstand zum vollen
oder teilweisen Abzug der Mehrwertsteuer berechtigt habe. Ebenfalls einer
Dienstleistung gegen Entgelt gleichgestellt sei die unentgeltliche Erbringung
von Dienstleistungen durch den Steuerpflichtigen für seinen privaten Bedarf
oder für den Bedarf seines Personals.
In der Rechtssache Fillibeck
( C.258/95), in der es um die unentgeltliche
Beförderung von Arbeitnehmern von der Wohnung zur Arbeitsstätte durch
den Arbeitgeber gegangen sei, sei der EuGH zum Schluss gekommen, dass damit kein
tauschähnlicher Umsatz bewirkt werde. Vielmehr habe der EuGH festgestellt,
dass die den Arbeitnehmern erbrachte Beförderungsleistung unter normalen
Umständen dem privaten Bedarf des Personals im Sinne des Art. 6 Abs. 2
lit. b der 6. MWSt-RL diene. Der Umstand, dass die Zurücklegung der
Strecke von der Wohnung zur Arbeitsstätte eine notwendige Voraussetzung
für die Anwesenheit bei der Arbeit und damit für deren Erledigung sei,
könne nach Auffassung des EuGH nicht entscheidend für die Annahme
sein, dass die Beförderung des Arbeitnehmers von seiner Wohnung zur
Arbeitsstätte und zurück nicht seinen privaten Zwecken im Sinne des
Art. 6 Abs. 2 der 6. MWSt-RL diene. Unter besonderen Umständen könnten
es die besonderen Erfordernisse des Unternehmens aber gebieten, dass der
Arbeitgeber selbst die Beförderung der Arbeitnehmer sicherstelle. So
könne die Tatsache, dass nur der Arbeitgeber über ein geeignetes
Beförderungsmittel verfüge oder dass es sich nicht um eine feste,
sondern um eine wechselnde Arbeitsstätte handle, den Arbeitgeber zwingen,
die Beförderung seiner Arbeitnehmer zu übernehmen. Unter solchen
Umständen erfolge die Organisation der Beförderung durch den
Arbeitgeber nicht zu unternehmensfremden Zwecken. Der persönliche Vorteil,
den der Arbeitnehmer in diesen Fällen habe, erscheine nach Auffassung des
EuGH gegenüber dem Bedarf des Unternehmens als nebensächlich.
Im österreichischen Schrifttum sowie in der Verwaltungspraxis
herrsche Einigkeit darüber, dass dem obzitierten EuGH-Urteil weit über
den Anlassfall hinausgehende Bedeutung zukomme. So werde das Urteil
beispielsweise im , Z 09 0112/1-IV/9/99, auf
Verpflegungsfälle im Gast-, Schank- und Beherbergungsgewerbe angewandt,
wobei sich aus der Wendung "dies ist etwa der Fall" erschließen lasse,
dass das BMF keineswegs eine Einschränkung der Unterlassung einer
Eigenverbrauchsbesteuerung bei Verpflegungen auf diese Branche beabsichtige,
sondern vielmehr bloß ein besonders klares Beispiel anführen wollte.
Diese Interpretation zwinge sich schon dadurch förmlich auf, dass eine
Einschränkung auf das Gast-, Schank- und Beherbergungsgewerbe zweifellos
eine unsachliche Diskriminierung anderer Branchen mit sich bringen würde.
Ein Blick in die Umsatzsteuerrichtlinien 2000 führe zum gleichen Resultat:
in Rz 71 werde zutreffend ausgeführt, dass im Falle einer unentgeltlichen
Beherbergung und Verköstigung von Dienstnehmern durch den Arbeitgeber
grundsätzlich Eigenverbrauch vorliege. In Rz 71 werde dann wiederum die
Beherbergung und Verköstigung im Gast-, Schank- und Beherbergungsgewerbe
als besonders eindeutiges Beispiel für eine Ausnahme von den zuvor
aufgestellten Grundsatzregel angeführt. Mit keinem Wort werde jedoch
ausgeführt, dass die Ausnahmebestimmung von der Eigenverbrauchsbesteuerung
nur auf diese Branche eingeschränkt sein sollte.
Insbesondere
folgende Erwägungen sprächen für das Vorliegen von "besonderen
Umständen" im Sinne des vorerwähnten EuGH-Urteiles und damit gegen die
Vornahme einer Eigenverbrauchsbesteuerung:
Die Berufungswerberin sei in
einem Bereich tätig, in der strenge Hygienevorschriften gälten. So sei
ua. vorgeschrieben, dass die in der Produktion tätigen Mitarbeiter
keimfreie Arbeitskleidung trügen und zum Zwecke der Desinfektion vor dem
Eintritt in die Produktion jeweils spezielle Duschen verwendet würden. Der
Vorgang des Ein- und Auskleidens nehme jeweils erhebliche Zeit (ca. 10 bis 15
Minuten) in Anspruch. Würde den Mitarbeitern erlaubt, zum Zwecke der
Nahrungsaufnahme das Haus zu verlassen, so käme es durch das neuerliche
Ein- und Auskleiden und Desinfizieren zu erheblichen Produktionsunterbrechungen
und müsste überdies die dafür verwendete Zeit als Dienstzeit
bezahlt werden. Hinzu komme, dass längere Produktionsunterbrechungen nicht
nur höhere (Leer)kosten verursachten, sondern darüber hinaus die
Qualität des Produktes gefährdeten, was in der Lebensmittelbranche
sehr rasch zu einem Umsatzeinbruch bis hin zu einer Gefährdung der Existenz
des Unternehmens führen könne. Darüber hinaus befänden sich
in der näheren Umgebung des Betriebes der Berufungswerberin keine
Verpflegungsunternehmen, die in der Lage wären, eine an den
Produktionsprozess angepasste Verpflegungsgelegenheit zu bieten. Ein
überwiegendes Interesse an der Verpflegung der Mitarbeiter im Hause
könne indirekt auch daraus abgeleitet werden, dass den Mitarbeitern aus den
genannten Gründen strengstens untersagt sei, den Betrieb während des
Schichtdienstes zu verlassen. Angesicht der in der Kantine vorherrschenden
Bedingungen (die Kantine unterliege wie der Produktionsbereich strengen
Hygienevorschriften und vermittle daher einen sterilen, ungemütlichen
Eindruck) und den äußerst kurzen Pausen könne auch nicht
argumentiert werden, dass die Verpflegung im Betrieb im Interesse des
Arbeitnehmers gelegen wäre. Im Gegenteil würden viele Mitarbeiter auch
für den Fall, dass sie das Essen selbst bezahlen müssten, den Betrieb
gerne für eine gewisse Zeit verlassen, um von den im Betrieb herrschenden
Bedingungen (Kälte, Feuchtigkeit, Lärm, Geruchsbelästigung)
wenigstens für eine Weile Abstand nehmen zu können. Dafür liefere
die im Produktionsbereich mit ca. 20% p.a. weit überdurchschnittliche
Fluktuation an Mitarbeitern einen eindeutigen Beleg.
Das Finanzamt wies die Berufung mit
Berufungsvorentscheidung vom als unbegründet ab.
Zusammengefasst begründete es diese Entscheidung damit, dass das Argument,
die Kantine unterliege wie der Produktionsbereich strengen Hygienevorschriften
und vermittle daher einen sterilen, ungemütlichen Eindruck, nicht dazu
führen könne, dass das Interesse an der Verpflegung der Arbeitnehmer
vorrangig der Berufungswerberin als Arbeitgeberin zugeschrieben werden
könne. Vielmehr sei davon auszugehen, dass die Arbeitnehmer im Falle der
Einnahme von Mahlzeiten außer Haus eine wesentlich längere
Dienstunterbrechung in Kauf nehmen müssten, weil ja die mit der
Essenseinnahme verbundenen Mühen wie Fahrzeit und Fahrtaufwand wesentlich
zeitaufwendiger seien, als die Einnahme des Essens in der betriebseigenen
Kantine. Eine allenfalls in der Umgebung des Betriebes der Berufungswerberin
fehlende Infrastruktur zur Verpflegung der Mitarbeiter würde zu Lasten der
Arbeitszeit der Dienstnehmer gehen. Auch der Hinweis auf das Verbot,
während des Schichtdienstes das Haus zu verlassen, könne nicht dazu
beitragen, das Interesse an der Mitarbeiterverpflegung durch das Unternehmen dem
Betrieb zuzurechnen, weil mit der Einnahme der Mahlzeit eine
Dienstzeitunterbrechung verbunden wäre und eine Verlängerung der
Arbeitszeitunterbrechung zu Lasten der Arbeitnehmer wohl eher deren Interessen
zuwider laufen würde. Es werde zwar nicht bestritten, dass ein Interesse
für den Dienstgeber an der Übernahme der Verpflegung der Arbeitnehmer
dadurch gegeben sei, dass bei Wegfall der Nahrungsaufnahme durch die Mitarbeiter
im Haus, dem Unternehmen zur Erfüllung von Hygienevorschriften
zusätzlich zu bezahlende Aufwendungen aus der Arbeitszeitgestaltung
resultierten. Es sei auch glaubhaft, dass durch das Tragen keimfreier
Arbeitskleidung zum Zwecke der Desinfektion vor dem Eintritt in die Produktion
und der damit verbundenen Maßnahmen des Verwendens spezieller Duschen dem
Arbeitgeber durch das Verlassen des Hauses zur Einnahme einer Mahlzeit durch die
Mitarbeiter gewisse Nachteile verbunden sein könnten. All diese Argumente
könnten aber in Summe nicht zur Zurechnung des Interesses an Verpflegung
der Dienstnehmer an die Berufungswerberin führen.
Mit Schriftsatz vom stellte die
Berufungswerberin den Antrag auf Vorlage der Berufung zur Entscheidung durch die
Abgabenbehörde zweiter Instanz, worin wie schon im Berufungsschriftsatz
darzulegen versucht wurde, dass die Vorteile des Arbeitnehmers aus der
Verpflegung im Betrieb im Verhältnis zu den Vorteilen des Arbeitgebers,
wenn überhaupt vorhanden, äußerst gering seien.
Über
die Berufung wurde erwogen:
Im vorliegenden Fall ist ausschließlich strittig, ob
die Verpflegung der Mitarbeiter durch die Berufungswerberin der
Eigenverbrauchsbesteuerung unterliegt oder nicht. Ein Eigenverbrauch liegt
gemäß
§ 1 Abs. 1 Z 2 UStG 1994 ua. vor,
wenn ein Unternehmer im Rahmen seines Unternehmens Leistungen der in
§ 3 a Abs. 1 bezeichneten Art für Zwecke
ausführt, die außerhalb des Unternehmens liegen (§
1 Abs. 1 Z 2 lit. b). Die grundlegenden
gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen für die Eigenverbrauchsbesteuerung
finden sich in Art. 5 und Art. 6 der 6. MWSt-RL. Nach Art. 5 Abs. 6 der 6.
MWSt-RL wird einer Lieferung gegen Entgelt die Entnahme eines Gegenstandes durch
den Steuerpflichtigen aus seinem Unternehmen für seinen privaten Bedarf,
für den Bedarf seines Personals, als unentgeltliche Zuwendung oder
allgemein für unternehmensfremde Zwecke, wenn dieser Gegenstand oder seine
Bestandteile zu einem vollen oder teilweisen Abzug der Mehrwertsteuer berechtigt
haben. Gemäß Art. 6 Abs. 2 leg. cit. werden
Dienstleistungen gegen Entgelt gleichgestellt
a) die Verwendung eines dem
Unternehmen zugeordneten Gegenstandes für den privaten Bedarf des
Steuerpflichtigen, für den Bedarf seines Personals oder allgemein für
unternehmensfremde Zwecke, wenn dieser Gegenstand zum vollen oder teilweisen
Abzug der Mehrwertsteuer berechtigt hat sowie
b) die unentgeltliche
Erbringung von Dienstleistungen durch den Steuerpflichtigen für seinen
privaten Bedarf oder für den Bedarf seines Personals oder allgemein
für unternehmensfremde Zwecke.
Steuerpflicht besteht nach dem EG-Recht somit auch dann,
wenn Gegenstände oder Dienstleistungen für den Bedarf des Personals
zur Verfügung gestellt werden. Dies gilt seit dem EuGH-Urteil in der
Rechtssache Fillibeck, Rs C-258/95, allerdings nur dann, wenn die Sachleistung
überwiegend im Interesse des Arbeitnehmers liegt.
Nach Meinung des Finanzamtes ist die während der
Arbeitszeit kostenlos zur Verfügung gestellte Verköstigung durch die
Berufungswerberin im überwiegenden Interesse der Mitarbeiter gelegen und
unterliegt daher der Eigenverbrauchsbesteuerung. Diese Meinung teilt der
unabhängige Finanzsenat nicht: Die Berufungswerberin hat nach seiner
Auffassung glaubhaft dargetan, dass die Einnahme der Mahlzeiten durch die
Mitarbeiter außer Haus im Vergleich zur Essenseinnahme in der Kantine zu
erheblichen Produktionsunterbrechungen führen würde. In ersteren Fall
müssten die Mitarbeiter die kompletten Hygienevorschriften einhalten, d.h.
Kleidungswechsel und Körperreinigung vor Verlassen und vor Wiederbetreten
der Produktionsräume. Der hiefür geschätzte Zeitaufwand
betrüge 25 Minuten. Hinzu käme ein weiterer Zeitverlust infolge des
Fehlens einer entsprechenden gastronomischen Infrastruktur in der näheren
räumlichen Umgebung des Betriebes der Berufungswerberin. Demgegenüber
müssen die Arbeitnehmer bei der Essenseinnahme in der Kantine nur durch
eine Hygieneschleuse gehen, was beinahe ohne Zeitverlust geschieht. In diesem
Fall wäre also nur die Zeit für die Essensausgabe und -einnahme
zu rechnen.
Das betriebliche Interesse an der Verköstigung der
Mitarbeiter in der Kantine steht daher für den unabhängigen
Finanzsenat außer Zweifel. Das Interesse der Mitarbeiter ist
demgegenüber, auch angesichts des Umstandes, dass die Essenseinnahme in
einer strengen Hygienevorschriften unterliegenden und deshalb sterilen und
ungemütlichen Kantine in Arbeitskleidung einen nur geringen Erholungswert
aufweist und tatsächlich auf eine bloße Nahrungsmittelzufuhr
reduziert ist, von untergeordneter Bedeutung.
Eine Einschränkung der Steuerfreiheit auf die
unentgeltliche Verköstigung von Dienstnehmern im Gast-, Schank- und
Beherbergungsgewerbe lässt sich aus dem Gesetz jedenfalls nicht ableiten
und widerspräche zudem dem Gemeinschaftsrecht. In diesem Sinne hat bereits
der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom , 98/13/0178, entschieden.
In dem diesem Erkenntnis zugrunde liegenden Sachverhalt hat ein
Großhändler (und somit ein Handelsbetrieb) seinen Mitarbeitern
kostenlose Mahlzeiten gewährt, damit sie in den Mittagspausen telefonisch
erreichbar seien. Der Verwaltungsgerichtshof bejahte das überwiegende
Interesse des Dienstgebers und verneinte eine Eigenverbrauchsbesteuerung.
Nichts anderes kann im vorliegenden Fall
gelten.
Der Berufung war daher stattzugeben.
Feldkirch,
am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 1 Abs. 1 Z 2 lit. b UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 Art. 5 Abs. 6 6. Mehrwertsteuer-Richtlinie, RL 77/388/EWG, ABl. Nr. L 145 vom S. 1 Art. 6 Abs. 2 6. Mehrwertsteuer-Richtlinie, RL 77/388/EWG, ABl. Nr. L 145 vom S. 1 |
Schlagworte | kostenlose Verköstigung Arbeitnehmer Kantine betriebliches Interesse Eigenverbrauch |
Verweise | |
Anmerkung | Abweichend: BMF UStR 2000, Rz 71 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at
Fundstelle(n):
DAAAD-15851