Keine Abzugsfähigkeit für normale Gebrauchsgüter als außergewöhnliche Belastung
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RV/1449-L/02-RS1 | Allein die Bezeichnung "Hilfsmittel" oder "Heilbehandlung" stellt darauf ab, dass es sich um Güter oder Maßnahmen handelt, die so beschaffen sind, dass sie nur für kranke bzw. behinderte Personen verwendet werden können. Güter, die sich durch nichts von normalen Gebrauchsgegenständen unterscheiden und die für jedermann nutzbar sind, können nicht unter die Begriffe "Hilfsmittel" oder "Heilbehandlung" subsumiert werden. |
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw., gegen den Bescheid des Finanzamtes Ried im Innkreis vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2000 entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Entscheidungsgründe
Der Berufungswerber (Bw.) erzielte im berufungsgegenständlichen Jahr 2000 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.
In der Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung für 2000 beantragte er eine Steuerermäßigung wegen außergewöhnlicher Belastung in Höhe von 35.597,45 S (Kostenbeitrag Lebenshilfe für Oktober bis Dezember 2000 4.130,00 S, Anschaffungskosten Fahrrad 9.449,05 S, Anschaffungskosten PC 10.170,00 S, Fahrtkosten zu Therapien 10.143,00 S, Behandlungsbeitragsvorschreibung 2000 1.705,40 S) für seinen zu 80 % behinderten Sohn Martin.
Das Finanzamt berücksichtigte nachgewiesene Kosten aus der Behinderung eines Kindes in Höhe von 15.978,00 S (Kostenbeitrag Lebenshilfe für Oktober bis Dezember 2000 4.130,00 S, Fahrtkosten zu Therapien 10.143,00 S, Behandlungsbeitragsvorschreibung 2000 1.705,40 S). Hingegen wertete es die Anschaffungskosten für Fahrrad und PC nicht als außergewöhnliche Belastungen (Bescheid vom ).
Gegen diesen Bescheid erhob der Bw. mit Schriftsatz vom (eingelangt beim Finanzamt am ).
Begründend führte er im Wesentlichen aus, bei der Anschaffung des Fahrrades und des Computers handle es sich - entgegen der Ansicht des Finanzamtes - sehr wohl um eine Vermögensminderung und keinesfalls um eine Vermögensumschichtung. Fahrrad und Computer seien jetzt in Besitz seines behinderten Sohnes, der selbst über kein Einkommen verfüge; der gesamte Lebensunterhalt des nun erwachsenen Sohnes werde aus dem Familienbudget bestritten. Die Anschaffungen seien für die Lebensqualität seines Sohnes maßgeblich und würden wesentlich zur Behandlung seiner Krankheit bzw. Behinderung beitragen. Die Wertminderung dieser Gebrauchsgegenstände sei erheblich und betrage nach einem Jahr 50 % (Fahrrad) bzw. 90 % (Computer).
Mit Berufungsvorentscheidung vom wies das Finanzamt die Berufung als unbegründet ab.
Mit Schriftsatz vom (eingelangt beim Finanzamt am ) beantragte der Bw. die Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde II. Instanz und führte begründend aus, es handle sich beim Fahrrad bzw. Computer sehr wohl um "Hilfsmittel, die geeignet sind, die mit der Behinderung verbundenen Beeinträchtigungen zu beseitigen". Dies sei auch von der Universitätsklinik München bestätigt worden. Neben körperlichen Behinderungen gebe es eine Vielzahl von geistigen Behinderungen, für die andere Hilfsmittel als Rollstuhl, Prothesen ua. notwendig seien. Es handle sich daher nicht um Wirtschaftsgüter sondern um besonders wichtige "Hilfsmittel, die dazu dienten, mentale Beeinträchtigungen zu beseitigen"; die Anschaffung dieser Güter stelle eine außergewöhnliche Belastung dar.
Laut ärztlichem Attest der Universitätsklinik München vom befindet sich der Sohn des Bw. seit Oktober 2000 mit der Diagnose Tourette-Syndrom (kombinierte vokale und multiple motorische Tics) in der hauseigenen Spezialambulanz für Ticstörungen in Behandlung: Die medikamentöse Therapie mit Risperdal 3mg habe zu einer deutlichen Abnahme der Ticsymptomatik geführt. Neben der konsequenten medikamentösen Behandlung sei eine Ergo- und Logotherapie absolut indiziert. Da ein konzentriertes Arbeiten bei vielen Patienten mit Tourette-Syndrom eine vorübergehende Verbesserung der Tics bewirke, wäre auch ein spielerisches Arbeiten am Computer ein wichtiger therapeutischer Beitrag. Weiters seien auch sportliche Aktivitäten in der Gruppe (Radfahren, Schwimmen) zur Verbesserung der Körperwahrnehmung, aber auch zum Training sozialer Kompetenzen sehr günstig.
Laut den vorgelegten Rechnungen handelt es sich um einen normalen Computer und um ein handelsübliches Fahrrad.
Über die Berufung wurde erwogen:
Gemäß § 34 Abs. 1 EStG 1988 sind bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben (§18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss folgende Voraussetzungen erfüllen: Sie muss außergewöhnlich sein (Abs. 2), sie muss zwangsläufig erwachsen (Abs. 3), sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4). Die Belastung darf weder Betriebsausgaben, Werbungskosten noch Sonderausgaben sein.
Gemäß § 35 Abs. 5 EStG 1988 können auch die tatsächlichen Kosten aus dem Titel der Behinderung geltend gemacht werden (§ 34 Abs. 6).
Aufgrund der §§ 34 und 35 EStG 1988 erließ der Bundesminister für Finanzen die Verordnung BGBl. Nr. 303/1996.
Gemäß § 4 dieser VO sind nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Hilfsmittel (zB Rollstuhl, Hörgerät, Blindenhilfsmittel) und Kosten der Heilbehandlung im nachgewiesenen Ausmaß zu berücksichtigen.
Hilfsmittel im Sinne obiger VO sind nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Gegenstände oder Vorrichtungen, die geeignet sind, die Funktion fehlender oder unzulänglicher Körperteile zu übernehmen oder die mit einer Behinderung verbundenen Beeinträchtigungen zu beseitigen (sh. Beispiele laut § 4 der VO).
Als Kosten der Heilbehandlung gelten Arztkosten, Spitalskosten, Kurkosten für ärztlich verordnete Kuren, Therapiekosten, Kosten für Medikamente, sofern sie im Zusammenhang mit der Behinderung stehen. Ebenso stellen die in diesem Zusammenhang anfallenden Fahrtkosten bzw. Kosten des Krankentransportes im Ausmaß der tatsächlichen Kosten oder des amtlichen Kilometergeldes bei Verwendung des (familien-)eigenen Kraftfahrzeuges Kosten der Heilbehandlung dar. Nicht als Kosten der Heilbehandlung sind Aufwendungen anzusehen, die regelmäßig durch die Pflegebedürftigkeit verursacht werden, wie Kosten für Pflegepersonal, Bettwäsche, Verbandsmaterialien usw. Diese Kosten werden durch das Pflegegeld abgegolten.
Soweit allerdings ein ursächlicher Zusammenhang zwischen den geltend gemachten tatsächlichen Kosten und der die Behinderung begründeten Krankheit nicht dargelegt wird, ist eine Berücksichtigung unter Außerachtlassung des Selbstbehaltes ausgeschlossen (Doralt, Einkommensteuergesetz, Kommentar Band II, § 35 Tz 9).
Zu klären ist im gegenständlichen Fall, ob die strittigen Anschaffungskosten für Fahrrad und PC Kosten der Heilbehandlung, die in einem ursächlichen Zusammenhang mit der Behinderung (Tourette-Syndrom) stehen, darstellen:
Allein die Bezeichnung "Hilfsmittel" oder "Heilbehandlung" stellt darauf ab, dass es sich um Güter oder Maßnahmen handelt, die so beschaffen sind, dass sie nur für kranke bzw. behinderte Personen verwendet werden können.
Bei den strittigen Gütern handelt es sich um einen normalen Computer und um ein handelsübliches Fahrrad.
Nach Ansicht des Unabhängigen Finanzsenates können Güter, die sich durch nichts von normalen Gebrauchsgegenständen unterscheiden und die für jedermann nutzbar sind, nicht unter die Begriffe "Hilfsmittel" bzw. "Heilbehandlung" subsumiert werden.
Eine Berücksichtigung im Rahmen des § 35 EStG 1988 ist daher ausgeschlossen.
Zu untersuchen ist weiters, ob die Kosten für die Anschaffung des PC und Fahrrades im Sinne des § 34 EStG 1988 unter Anrechnung eines Selbstbehaltes abzugsfähig sind:
Nur eine Belastung des Steuerpflichtigen kommt als außergewöhnliche Belastung in Betracht; damit sind Vermögensumschichtungen nicht als außergewöhnliche Belastungen anzusehen. Als Belastungen sind nur solche zu verstehen, die mit einem endgültigen Verbrauch, Verschleiß oder sonstigen Wertverzehr verbunden sind. Nur "verlorener Aufwand" ist berücksichtigungsfähig; soweit die Aufwendungen einen Gegenwert schaffen, sind sie keine "Belastung" (Gegenwerttheorie). Hingegen sind die Kosten abzugsfähig, wenn das neu geschaffene Wirtschaftsgut im Wesentlichen nur eine eingeschränkte Verkehrsfähigkeit hat; unter diese Ausnahme fallen Wirtschaftsgüter, die nur für den eigenen persönlichen Gebrauch angeschafft werden (zB Prothesen, Seh- oder Hörhilfen) oder die wegen ihrer spezifischen Beschaffenheit nur für Behinderte verwendet werden können (wie zB Rollstühle) (Doralt, a.a.O., § 34 Tz 20).
Im gegenständlichen Fall haben die angeschafften Wirtschaftsgüter keine eingeschränkte Verkehrsfähigkeit, sie können - wie bereits ausgeführt - sowohl von gesunden als auch kranken Menschen genutzt werden.
Eine Abzugsfähigkeit der Anschaffungskosten für PC und Fahrrad als außergewöhnliche Belastung ist daher nicht gegeben.
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 34 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 35 Abs. 5 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 4 Außergewöhnliche Belastungen, BGBl. Nr. 303/1996 |
Schlagworte | normale Wirtschaftsgüter für Behinderte |
Zitiert/besprochen in | RdW 2009/396, 431 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at