Vorliegen der Voraussetzungen für die Steuerfreiheit einer innergemeinschaftlichen Lieferung?
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., vertreten durch X, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes A, vertreten durch B, vom betreffend Umsatzsteuer für das Jahr 2007 entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
Entscheidungsgründe
Die Berufungswerberin (Bw.), eine GmbH, deren Unternehmensgegenstand im Einzelhandel mit Kraftwagenteilen und Zubehör sowie in der Instandhaltung und Reparatur von Kraftwagen besteht und als deren Gesellschafterin-Geschäftsführerin Y (nunmehr verehelichte Z) fungiert, fand im Jahr 2008 eine Außenprüfung gemäß § 147 Abs. 1 BAO sowie eine Nachschau gemäß § 144 Abs. 1 BAO iVm § 99 Abs. 2 FinStrG, ua. betreffend Umsatzsteuer für den Zeitraum Juli 2007 bis Juli 2008, statt. Dabei traf die Betriebsprüferin des Finanzamtes A ua. folgende Feststellung (Niederschrift vom ):
"Feststellungen zur Umsatzsteuerprüfung 7/2007 bis 7/2008
[...]
Tz 4 Innergemeinschaftliche Lieferung
Am erfolgte ein Einkauf über einen gebrauchten Lkw Marke C mit der Fahrgestellnummer D und einen Sattelanhänger E mit der Fahrgestellnummer F von der Firma G, H, I, Ungarn, um 59.000,00 € (bar entrichtet erst im November 2007).
Verkauft wurden diese Fahrzeuge am an eine Firma JU, K, Ungarn. Diese beiden Fahrzeuge wurden laut Aussage der Geschäftsführerin von Herrn L abgeholt und waren auch auf dem Gelände der [Bw.] abgestellt.
Um eine innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei durchzuführen, ist in Abholfällen vom Unternehmer die Identität des Abholenden festzuhalten und wie die Fahrzeuge befördert worden sind. Laut Auskunft der Frau Y kam der Kontakt für den Verkauf zufällig zustande. Es wurden diese Fahrzeuge dann mit ungarischen Fahrzeugen abgeholt und als Abholender wurde der ungarische Bekannte Herr L [Vorname:] M (Kopie des Reisepasses) festgehalten.
Soweit dazu festgestellt wurde, hat er mit der Firma JU, K, die die Fahrzeuge gekauft hat, nichts zu tun. Eine entsprechende Vollmacht zur Abholung dieser Fahrzeuge für die ungarische Firma konnte nicht vorgelegt werden. Es wurde auch nicht dokumentiert, mit welchen Fahrzeugen diese abgeholt wurden.
Erhebungen bei der Firma N, Österreich, ergaben, dass diese Fahrzeuge im Dezember 2007 für kurze Zeit in Österreich angemeldet waren und an die Firma G nach Ungarn am (Übernahmebestätigung von G vorhanden) verkauft wurden.
Es wurde somit nirgends festgehalten, dass die Fahrzeuge für die Firma J, Ungarn, abgeholt und ausgeführt wurden.
Da für die Firma J der buchmäßige Nachweis nicht erbracht worden ist, kann die innergemeinschaftliche Lieferung nicht als steuerfrei belassen werden.
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Zeitraum | 7-12/2007 | |||
Verkauf nach Ungarn | AR 5/2007 | Anhänger E | 19.000,00 € | |
Verkauf nach Ungarn | AR 4/2007 | Lkw | 41.000,00 € | |
brutto | 60.000,00 € | |||
Umsatzsteuer | 10.000,00 €" |
Das Finanzamt A folgte den Feststellungen der Betriebsprüferin und erließ am den Umsatzsteuerfestsetzungsbescheid für den Zeitraum August bis Dezember 2007, aus dem eine Abgabennachforderung von 10.709,22 € resultierte.
Gegen den angeführten Bescheid erhob der steuerliche Vertreter der Bw. mit Telefax vom Berufung:
Diese richte sich gegen die Tz 4 (innergemeinschaftliche Lieferung) der Feststellungen zur Umsatzsteuerprüfung für den Zeitraum Juli 2007 bis Juli 2008. Begründend wurde dazu ausgeführt, der am von der ungarischen Firma G eingekaufte, gebrauchte Lkw der Marke C sowie der ebenfalls an diesem Tag von jener Firma eingekaufte, gebrauchte Sattelanhänger E seien mit an die ungarische Firma J verkauft worden. Der Transport ab Werk Wien sei vom Kfz-Händler Herrn L durchgeführt worden.
Da die von der Betriebsprüferin angeforderten Dokumentationsunterlagen nicht sofort beigebracht hätten werden können (fortgeschrittene Gravidität der Geschäftsführerin, Schwierigkeiten bei der Dokumentenanforderung aus dem Ausland infolge von Übersetzungsproblemen), sei die innergemeinschaftliche Lieferung nicht als steuerfrei belassen worden.
In der Beilage würden nachfolgende Unterlagen übermittelt, welche den buchmäßigen Nachweis für die innergemeinschaftliche Lieferung an J darstellen sollten:
1. CMR von der Bw. an J.
2. Firmenbuchauszug von J und Personaldokument vom Geschäftsführer der J, Herrn R.
3. Adressenbestätigung J.
4. UID-Nummer J.
5. Kaufverträge Bw. - J.
6. Anmeldebestätigungen aus Ungarn.
(Anmerkung: Diese mit Telefax übermittelten Unterlagen befinden sich auf S 21 bis 38 Veranlagungsakt, Aktenkonvolut "Vorlagebericht". Der unter Punkt 2. angeführte Firmenbuchauszug sowie die unter den Punkten 3. und 6. genannten Dokumente wurden in ungarischer Sprache vorgelegt).
In ihrer am verfassten Stellungnahme zur Berufung führte die Betriebsprüferin aus, es sei bereits in der Begründung zur Niederschrift vom erläutert worden, dass die entsprechende Vollmacht zur Abholung dieser Fahrzeuge für die ungarische Firma J nicht habe vorgelegt werden können.
Das jetzt im Berufungsverfahren nur in Kopie vorgelegte CMR weise nicht den Abholenden aus und sei nicht brauchbar. Auch aus der Anmeldebestätigung sei nur ersichtlich, dass die Fahrzeuge angeblich (da in ungarischer Sprache und nur in Kopie vorgelegt) von einer Firma O am angemeldet worden seien.
Alle anderen Beilagen zur Berufung seien bereits bei der Prüfung vorgelegt worden.
Es werde nochmals darauf hingewiesen, dass die Voraussetzungen für eine innergemeinschaftliche Lieferung vom Unternehmer buchmäßig nachgewiesen werden müssten. Wie der Unternehmer den Nachweis der Beförderung oder Versendung und den Buchnachweis zu führen habe, regle die VO des BMF über den Nachweis der Beförderung oder Versendung und den Buchnachweis bei innergemeinschaftlichen Lieferungen, BGBl. Nr. 401/1996.
Seien die im Rahmen einer Prüfung vorgelegten Beförderungsnachweise iSd des § 2 der VO, BGBl. Nr. 401/1996, mangelhaft (zB Fehlen der original unterschriebenen Empfangsbestätigung des Abnehmers oder seines Beauftragten bzw. - in Abholfällen - Fehlen einer original unterschriebenen Erklärung des Abnehmers oder seines Beauftragten, dass er den Gegenstand in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördern werde), so sei die Steuerfreiheit zu versagen. Eine nachträgliche Sanierung dieses Mangels sei nicht möglich.
Der Nachweis der amtlichen Zulassung oder Registrierung der Fahrzeuge in einem anderen Mitgliedstaat ersetze nur bei der Lieferung neuer Fahrzeuge bei Privaten den Nachweis der Beförderung oder Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet. Für Kfz-Lieferungen im Unternehmensbereich sei eine derartige Vereinfachungsregelung nicht vorgesehen. Auch eine eidesstattliche Erklärung einer Begleitperson könne den Beförderungsnachweis iSd § 2 der VO, BGBl. Nr. 401/1996, nicht ersetzen.
Laut BFH , V R 26/05, sei bei Handeln im Namen des Abnehmers eine Vollmacht nachzuweisen.
Die steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung an die Firma J könne mangels Vorlage des erforderlichen Buchnachweises nicht anerkannt werden.
Mit Berufungsvorentscheidung vom wies das Finanzamt die Berufung als unbegründet ab:
Im gegenständlichen Fall mangle es an wesentlichen Voraussetzungen für die Steuerfreiheit, wobei der Bw. schon aufgrund der gesetzlichen Formulierung die Nachweispflicht obliege, zumal es sich um eine Begünstigungsbestimmung (Steuerfreiheit) handle.
Die in Art. 7 UStG 1994 normierte Voraussetzung des Vorliegens einer innergemeinschaftlichen Lieferung, nämlich die Beförderung des Gegenstandes der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet, welche nach § 1 der VO, BGBl. Nr. 401/1996, vom Unternehmer eindeutig und leicht nachprüfbar nachzuweisen sei, liege nicht vor. Die vorgelegten Beförderungsnachweise iSd § 2 leg. cit. seien mangelhaft (zB Fehlen der original unterschriebenen Empfangsbestätigung des Abnehmers oder seines Beauftragten oder - in Abholfällen - das Fehlen einer original unterschriebenen Erklärung des Abnehmers oder seines Beauftragten, dass er den Gegenstand in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördern werde). Auch die anlässlich der Berufung vorgelegten CMR wiesen den Abholer nicht aus.
Der Nachweis der amtlichen Zulassung in einem anderen Mitgliedstaat ersetze nur bei der Lieferung neuer Fahrzeuge an Private den Nachweis der Beförderung oder Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet. Für Kfz-Lieferungen im Unternehmensbereich seien derartige Vereinfachungsregelungen nicht vorgesehen (zudem sei aus der vorgelegten Anmeldebestätigung nur ersichtlich, dass die Fahrzeuge offenbar von einer Firma O angemeldet worden seien). Es habe daher nicht eindeutig und leicht nachprüfbar nachgewiesen werden können, dass die Fahrzeuge durch eine Lieferung der Bw. in das übrige Gemeinschaftsgebiet gelangt seien.
Die vorgelegten Rechnungen und Unterlagen seien nicht ausreichend. Der Nachweis der Lieferung der Waren in das übrige Gemeinschaftsgebiet sei somit nicht erbracht worden.
Der ausländische Abnehmer stehe nicht mit hinreichender Sicherheit fest. Der Abnehmernachweis sei somit nicht erbracht worden.
In diesem Zusammenhang sei auszuführen, dass nach der Literatur bei der durch den Unternehmer durchzuführenden Beurteilung, ob Steuerfreiheit gegeben sei, der Maßstab der Sorgfaltspflicht eines ordentlichen Kaufmanns anzulegen sei. Erschienen die Angaben des Abnehmers dem Lieferer zweifelhaft, wonach im gegenständlichen Fall - bei Annahme von Gutgläubigkeit - bei derartigen Geschäftsbeziehungen und -abwicklungen jedenfalls auszugehen sei, so könne es zur Vermeidung von Umsatzsteuernachforderungen zweckmäßig sein, die Lieferung als steuerpflichtig zu behandeln und den Abholenden auf die Möglichkeit des Umsatzsteuererstattungsverfahrens hinzuweisen (zB Scheiner/Kolacny/Caganek, Kommentar zur Mehrwertsteuer, Art. 7 UStG Anm. 65 f.). Anderenfalls, wie im vorliegenden Fall, müsse der Unternehmer mit Umsatzsteuernachforderungen rechnen.
Darüber hinaus mangle es auch am Buchnachweis:
Dieser sei eine materiell-rechtliche Voraussetzung für die Steuerfreiheit einer innergemeinschaftlichen Lieferung. Könne der Unternehmer den Buchnachweis nicht erbringen, gehe die Steuerfreiheit verloren (Scheiner/Kolacny/Caganek, Art. 7 UStG Anm. 42).
Der Wortlaut des Art. 7 Abs. 3 UStG 1994 spreche dafür, dass es sich beim Buchnachweis um eine materiell-rechtliche Voraussetzung für die Steuerfreiheit einer innergemeinschaftlichen Lieferung handle. Die Voraussetzungen müssten vom Unternehmer nachgewiesen "sein". Die Formulierung "nachgewiesen werden" hätte dagegen zum Ausdruck gebracht, dass dem Nachweis bloß formal-rechtliche Bedeutung zukomme. Historisch betrachtet entspreche die Formulierung des Art. 7 Abs. 3 1. Satz UStG 1994 im Wesentlichen dem Wortlaut des § 7 Abs. 1 Z 3 UStG 1972 ("nachgewiesen sein"), der für die Ausfuhrlieferung den Buchnachweis als materiell-rechtliche Voraussetzung normiert habe. Auch die Formulierung des § 7 Abs. 1 letzter Satz UStG 1994, welche den buchmäßigen Nachweis für Ausfuhrlieferungen fordere, enthalte die Formulierung "nachgewiesen sein" (vgl. Tumpel, Mehrwertsteuer im innergemeinschaftlichen Warenverkehr, 1997, S 379).
Art. 28c Teil A 1. Satz der 6. MwSt-RL idgF stelle die Festlegung der Bedingungen für die Gewährung der Befreiung von innergemeinschaftlichen Lieferungen in die Kompetenz der Mitgliedstaaten, wobei Maßnahmen, welche die Mitgliedstaaten erlassen dürften, um die Steuererhebung zu gewährleisten und Steuerhinterziehungen zu verhindern, nicht so eingesetzt werden dürften, dass sie die Neutralität der Mehrwertsteuer in Frage stellten. Die Regelungen zum Erfordernis des Buchnachweises stellten keine solchen Maßnahmen dar. Vielmehr sei der Buchnachweis, gerade weil bei innergemeinschaftlichen Lieferungen die Grenzkontrollen wegfielen, als unverzichtbare Ergänzung zum Nachweis der Beförderung oder Versendung zu werten und trete zu diesem hinzu. Der Buchnachweis sei neben dem Nachweis der innergemeinschaftlichen Versendung zu erbringen. Der Buchnachweis ergänze den Ausfuhrnachweis bzw. gehe über diesen hinaus. Ansonsten hätte der Gesetzgeber neben der Erbringung der übrigen Nachweise nicht auch noch die Erbringung des Buchnachweises normiert bzw. verlangt (siehe ).
Der Buchnachweis sei zeitnah zu führen, dh. spätestens bis zum Termin der Abgabe der Voranmeldung. Die für den buchmäßigen Nachweis erforderlichen Aufzeichnungen seien unmittelbar nach Ausführung des Umsatzes vorzunehmen, der Buchnachweis sei für jeden einzelnen Umsatz zu führen, der steuerfrei bleiben solle (siehe ).
Der Buchnachweis sei durch Bücher oder Aufzeichnungen iVm Belegen zu führen. Als Buchnachweis für innergemeinschaftliche Lieferungen könnten somit nur auf entsprechende Belege bezogene und zeitnah geführte Aufzeichnungen angesehen werden, die leicht nachprüfbare Angaben über den Gegenstand der Lieferung, den Abnehmer, das Entgelt sowie die Ausfuhr und Lieferung enthielten (; ).
Der Buchnachweis müsse vollständig, eindeutig (Gewährleistung des zweifelsfreien Auffindens der Geschäftsfälle), zeitnah und fortlaufend geführt werden. Die einzelnen Belege müssten geordnet aufbewahrt werden, sodass der einzelne Beleg jederzeit leicht greifbar sei (Achatz (Hrsg.), Praxisfragen im Umsatzsteuerbinnenmarkt, 1997, S 50 ff).
Wie bereits ausgeführt, lägen im gegenständlichen Fall derartige Aufzeichnungen iVm den Belegen nicht vor bzw. würden die vorgelegten Bestätigungen nicht anerkannt; darüber hinaus könnten sie auch nicht leicht und rasch nachvollzogen werden, da sie zudem auch in ungarischer Sprache vorgelegt worden seien.
Der buchmäßige Nachweis für das Vorliegen der Voraussetzungen der innergemeinschaftlichen Lieferungen sei der Bw. somit nicht gelungen.
Am erließ das Finanzamt den Umsatzsteuerjahresbescheid für 2007. Zum Berufungspunkt führte es in der Begründung aus:
"Nichtanerkennung der steuerfreien ig. Lieferung von 60.000,00 € mangels des buchmäßigen Nachweises. Es wird auf die Berufungsvorentscheidung verwiesen."
Gegen diesen Bescheid erhob der steuerliche Vertreter mit Telefax vom Berufung, wobei er inhaltlich auf die gegen den Umsatzsteuerfestsetzungsbescheid für den Zeitraum August bis Dezember 2007 erhobene Berufung betreffend Tz 4 der Feststellungen der Betriebsprüferin (innergemeinschaftliche Lieferung) verwies.
Am wurde das Rechtsmittel der Abgabenbehörde II. Instanz zur Entscheidung vorgelegt.
Über die Berufung wurde erwogen:
A) Rechtsgrundlagen:
Der mit "Innergemeinschaftliche Lieferung" übertitelte Art. 7 der Binnenmarktregelung (Anhang zu § 29 Abs. 8 UStG 1994, BGBl. Nr. 663/1994) lautet:
"(1) Eine innergemeinschaftliche Lieferung (Art. 6 Abs. 1) liegt vor, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen vorliegen:
1. Der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet;
2. der Abnehmer ist
a) ein Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat,
b) eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat, oder
c) bei der Lieferung eines neuen Fahrzeuges auch jeder andere Erwerber und
3. der Erwerb des Gegenstandes der Lieferung ist beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat steuerbar.
Der Gegenstand der Lieferung kann durch Beauftragte vor der Beförderung oder Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet bearbeitet oder verarbeitet worden sein.
(2) Als innergemeinschaftliche Lieferung gelten auch
1. das einer Lieferung gleichgestellte Verbringen eines Gegenstandes (Art. 3 Abs. 1 Z 1) und
2. (Anm.: aufgehoben durch BGBl. Nr. 756/1996)
(3) Die Voraussetzungen der Abs. 1 und 2 müssen vom Unternehmer buchmäßig nachgewiesen sein. Der Bundesminister für Finanzen kann durch Verordnung bestimmen, wie der Unternehmer den Nachweis zu führen hat, dass der Gegenstand in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet worden ist.
(4) Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen nach Abs. 1 nicht vorliegen, so ist die Lieferung dennoch als steuerfrei anzusehen, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte. In diesem Fall schuldet der Abnehmer die entgangene Steuer. In Abholfällen hat der Unternehmer die Identität des Abholenden festzuhalten."
B) Festgestellter Sachverhalt:
Nach den Feststellungen der Betriebsprüfung hat die Bw. den gebrauchten Lkw Marke C und den gebrauchten Sattelanhänger E am von der ungarischen Firma G angekauft und am selben Tag (bzw. am ; diesbezüglich enthalten die Bezug habenden Dokumente unterschiedliche Angaben, vgl. etwa S 22, 28, 31 Akt "Nachschauauftrag" zur Auftragsbuch-Nr. Q, und S 34 f. Veranlagungsakt, Aktenkonvolut "Vorlagebericht") an die ungarische Firma J verkauft. Der Transport der beiden Fahrzeuge nach Ungarn (Abholung) am wurde nach Aussage der Gesellschafterin-Geschäftsführerin der Bw. und deren steuerlichem Vertreter von Herrn L durchgeführt.
Weiters hat die Betriebsprüfung festgestellt, dass die beiden Fahrzeuge bereits am von der Firma N in Wien an die ungarische Firma G verkauft worden waren (Bestellung vom und Rechnungen vom über 40.000,00 € netto bzw. 18.000,00 € netto; S 7 f., 10 und 35 Akt "Erhebungsauftrag" zur Auftragsbuch-Nr. P).
Wegen angeblicher Schwierigkeiten (rumänischer Typenschein) konnte die ungarische Firma G diese Fahrzeuge nicht anmelden, weshalb sie anschließend wieder nach Österreich verbracht wurden (Schreiben des Finanzamtes A an die Steuerfahndung bzw. das Zentrale Verbindungsbüro für Internationale Zusammenarbeit vom ; S 57 f. Akt "Nachschauauftrag" zur Auftragsbuch-Nr. Q), in Österreich einzeltypisiert (Einzelgenehmigungsbescheide vom 3. und ; S 24 ff und 35 ff Akt "Nachschauauftrag" zur Auftragsbuch-Nr. Q) und dort vom 5. bis zum auf die Firma N in Wien zum Verkehr zugelassen wurden (S 18 und 20 Akt "Nachschauauftrag").
Jeweils am wurden die Verkaufsrechnungen an die ungarische Firma G von der Firma N in Wien betreffend beide Fahrzeuge storniert (Gutschriften (interne Belege) der Firma N vom ; S 20 und 36 Akt "Erhebungauftrag" zur Auftragsbuch-Nr. P). Jeweils am wurden von der Firma N in Wien erneut Verkaufsrechnungen über die beiden Fahrzeuge an die ungarische Firma G (wieder über 40.000,00 € netto bzw. 18.000,00 € netto; S 21 und 37 Akt "Erhebungsauftrag") ausgestellt. Gemäß den vom steuerlichen Vertreter im Berufungsverfahren vorgelegten, ungarischen Anmeldebestätigungen sind der gegenständliche Lkw Marke C und der Sattelanhänger E seit bzw. auf die ungarische Firma S, T, angemeldet.
C) Rechtliche Würdigung:
Streit zwischen den Parteien des verwaltungsbehördlichen Verfahrens besteht darüber, ob die im Anschluss an den Verkauf der beiden Fahrzeuge durch die Bw. an die ungarische Firma J erfolgte Beförderung ins übrige Gemeinschaftsgebiet (Abholung) eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung (Art. 7 der Binnenmarktregelung (BMR)) darstellt.
Dazu ist aus Sicht des Unabhängigen Finanzsenates folgendes festzuhalten:
Steuerfrei ist die innergemeinschaftliche Lieferung nach Art. 6 Abs. 1 iVm Art. 7 BMR, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind (vgl. Scheiner/Kolacny/Caganek, Kommentar zur Mehrwertsteuer - UStG 1994, Art. 7 BMR Anm. 8):
- Der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet.
- Der Abnehmer ist ein Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat, oder eine juristische Person (im Falle der Lieferung neuer Fahrzeuge jeder Abnehmer).
- Die Lieferung muss steuerbar sein.
- Der Erwerb des Gegenstandes der Lieferung ist beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat steuerbar.
- Die genannten Voraussetzungen müssen buchmäßig nachgewiesen sein.
- Bei der Lieferung dürfen nicht die Vorschriften über die Differenzbesteuerung zur Anwendung gelangen.
Mit VO, BGBl. Nr. 401/1996, wurde bestimmt, wie der Nachweis der Beförderung oder Versendung und der Buchnachweis bei innergemeinschaftlichen Lieferungen zu führen ist (Scheiner/Kolacny/Caganek,Art. 7 BMR Anm. 46 ff). Bei Beförderung des Gegenstandes durch den Lieferer oder Abnehmer ist der Nachweis zu führen (§ 2 der VO):
1. Durch die Durchschrift oder Abschrift der Rechnung,
2. durch einen handelsüblichen Beleg, insbesondere Lieferschein, aus dem sich der Bestimmungsort ergibt, und
3. a) durch eine Empfangsbestätigung des Abnehmers (oder seines Beauftragten) oder
b) in den Fällen der Beförderung des Gegenstandes durch den Abnehmer (Abholfälle) durch eine Erklärung des Abnehmers (oder seines Beauftragten), dass er den Gegenstand in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördern wird (vgl. Scheiner/Kolacny/Caganek,Art. 7 BMR Anm. 47).
Dabei handelt es sich um zwingende Vorschriften, hat doch der Unternehmer eindeutig und leicht nachprüfbar nachzuweisen, dass er oder der Abnehmer den Liefergegenstand in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet hat (vgl. Ruppe/Achatz, UStG4, Art. 7 BMR Tz 25).
Die Erklärung des Abnehmers oder seines Beauftragten, dass er den Gegenstand in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördern wird (§ 2 der VO, BGBl. Nr. 401/1996), liegt im gegenständlichen Fall nicht vor. (Anzumerken ist, dass das Fehlen dieser Erklärung einen Verstoß der Bw. bzw. von deren Gesellschafterin-Geschäftsführerin gegen die Sorgfaltspflicht eines ordentlichen Kaufmanns darstellt, weil in Abholfällen der Lieferant die Anforderungen des Art. 7 Abs. 4 BMR (Festhalten der Identität des Abholenden) und des § 2 der VO, BGBl. Nr. 401/1996 (im Wesentlichen muss der Lieferant über eine Empfangsbestätigung des Abnehmers oder seines Beauftragten und dessen Erklärung verfügen, dass der Gegenstand in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert wird), zu beachten hat, um der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns Genüge zu tun (vgl. Ruppe/Achatz, Art. 7 BMR Tz 36)).
Dazu kommt, dass der Abholende der gegenständlichen Fahrzeuge, Herr L, kein Organ des Abnehmers, der Firma J, ist (gemäß den vom steuerlichen Vertreter in der Beilage zur Berufung übermittelten Unterlagen fungiert als Geschäftsführer der Firma J Herr R, der jedoch die Fahrzeuge unstrittig nicht abgeholt hat); dass es sich bei Herrn L um einen Angehörigen der Firma J handelt, wurde vom steuerlichen Vertreter nicht einmal behauptet (dieser hat in seiner Berufung lediglich ausgeführt, Herr L sei ein Kfz-Händler). Auch ein Nachweis (bzw. eine Bestätigung), dass Herr L im gegenständlichen Fall als Beauftragter des Abnehmers aufgetreten ist (vgl. BFH , V R 26/05, BStBl. 2009 II 49, und Ruppe/Achatz, Art. 7 BMR Tz 26), liegt nicht vor. Damit sind aber die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit der strittigen Lieferung nicht erfüllt; der Abholende hat nicht für sein Unternehmen erworben (vgl. Ruppe/Achatz, Art. 7 BMR Tz 40).
Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass schon auf Grund des fehlenden Beförderungsnachweises die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit der gegenständlichen Lieferung nicht erbracht sind (das vom steuerlichen Vertreter im Berufungsverfahren vorgelegte CMR weist, wie schon die Abgabenbehörde I. Instanz ausgeführt hat, den Abholer nicht aus und bezieht sich lediglich auf eines der beiden Fahrzeuge (den Sattelanhänger E); abgesehen davon kommt der CMR-Frachtbrief als Belegnachweis nur in Versendungsfällen in Betracht, vgl. Scheiner/Kolacny/Caganek, Art. 7 BMR Anm. 48). Der fehlende Beförderungsnachweis schließt die Anwendbarkeit der Vertrauensschutzregelung (Art. 7 Abs. 4 BMR) aus (Ruppe/Achatz, Art. 7 BMR Tz 37; zu dem im gegenständlichen Fall vorliegenden Verstoß gegen die Sorgfaltspflicht eines ordentlichen Kaufmanns siehe bereits oben).
Den Beweis dafür, dass trotz Nichterfüllung der Anforderungen an den Beförderungsnachweis die Voraussetzungen der Steuerbefreiung der gegenständlichen Lieferung objektiv vorliegen (vgl. , "Collee"), hat die Bw. (diesfalls trägt sie als Abgabepflichtige die Beweislast: Scheiner/Kolacny/Caganek, Art. 7 BMR Anm. 53e), nicht erbracht:
- Die vom steuerlichen Vertreter im Berufungsverfahren vorgelegten Unterlagen (CMR, Firmenbuchauszug der J etc.) belegen lediglich die Existenz, die Adresse und die UID-Nummer dieser ungarischen Firma sowie die Identität ihres Geschäftsführers (zur Würdigung des übermittelten CMR siehe bereits oben); die vorgelegten ungarischen Anmeldebestätigungen besagen lediglich, dass die streitgegenständlichen Fahrzeuge seit bzw. auf eine andere ungarische Firma - die S - angemeldet sind. Auch die jeweils nur aus einer Seite bestehenden, mit datierten Kaufverträge (S 34 f. Veranlagungsakt, Aktenkonvolut "Vorlagebericht"), die den Verkauf der strittigen Fahrzeuge durch die Bw. an die Firma J zum Gegenstand haben (der den Lkw betreffende Vertrag ist seitens der Bw. zwar abgestempelt, aber nicht unterschrieben), vermögen die Steuerbefreiung der strittigen Lieferung nicht nachzuweisen (an diesen Kaufverträgen fällt weiters auf, dass kein Kaufpreis angegeben ist und dass die Bw. als Verkäuferin darin bestätigt, dass die Fahrzeuge ihr alleiniges Eigentum sind und von keiner Seite irgendwelche Forderungen an denselben bestehen, obwohl feststeht, dass die Bw. den von ihr zu leistenden Kaufpreis in Höhe von 59.000,00 € für diese am von der ungarischen Firma G angekauften Fahrzeuge erst am 16., 19. und in Raten - bar - an G bezahlt hat (S 41 bis 43 Akt "Nachschauauftrag zur Auftragsbuch-Nr. Q)).
- Auch der von der Betriebsprüfung festgestellte, ungewöhnliche Geschäftsverlauf (siehe oben Punkt "B) Festgestellter Sachverhalt") spricht gegen das Vorliegen der Voraussetzungen für die Steuerbefreiung, wurden doch die beiden Fahrzeuge bereits am von der Firma N in Wien an die ungarische Firma G verkauft, anschließend wieder nach Österreich verbracht und am 3. bzw. in Österreich einzeltypisiert; dort waren sie vom 5. bis zum auf die Firma N in Wien zum Verkehr zugelassen, obwohl sie in der Zwischenzeit (21. August bzw. ) von der Bw. (die sie am von der ungarischen Firma G angekauft hatte) an die ungarische Firma J verkauft wurden. Merkwürdig erscheint in diesem Zusammenhang auch, dass trotz letzteren Verkaufes, demzufolge eigentlich die J Eigentümerin der Fahrzeuge geworden sein sollte, seitens der Firma N in Wien am deren Verkaufsrechnungen an die ungarische Firma G storniert wurden (Gutschriften (interne Belege) der Firma N vom ) und am von der Firma N in Wien erneut Verkaufsrechnungen über die beiden Fahrzeuge an die ungarische Firma G ausgestellt wurden. Letztendlich wurde im Berufungsverfahren auch kein Nachweis betreffend die Anmeldung der Fahrzeuge in Ungarn auf die J vorgelegt (die vom steuerlichen Vertreter übermittelten ungarischen Anmeldebestätigungen betreffen die Anmeldung auf die S, siehe oben).
Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | Art. 7 UStG 1994 - Anhang, Umsatzsteuergesetz 1994 - Anhang (Binnenmarkt), BGBl. Nr. 663/1994 § 2 Nachweis der Beförderung bei innergemeinschaftlichen Lieferungen, BGBl. Nr. 401/1996 |
Schlagworte | innergemeinschaftliche Lieferung Binnenmarktregelung Beförderung Abholung Lieferant Abnehmer Beauftragter Gemeinschaftsgebiet Empfangsbestätigung Vertrauensschutzregelung Sorgfaltspflicht eines ordentlichen Kaufmanns |
Verweise |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at