Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 06.10.2009, RV/1561-W/06

Pendlerpauschale und Streckenidentität

Rechtssätze


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Folgerechtssätze
RV/1561-W/06-RS1
wie RV/0825-W/02-RS1
Fahrtkosten für Fortbildungsveranstaltungen können nur in dem Ausmaß als Werbungs­kosten allgemeiner Art gemäß § 16 Abs 1 EStG 1988 geltend gemacht werden, als sie nicht durch den Verkehrsabsetzbetrag oder ein allenfalls zustehendes Pendlerpauschale abgegolten sind.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der A, geb. XX.XX.XXXX, whft., vom gegen den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2000 (Arbeitnehmerveranlagung) des Finanzamtes Neunkirchen Wr. Neustadt vom entschieden:

Spruch

Der Berufung wird teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der Abgabe ist dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil dieses Bescheidspruches.

Entscheidungsgründe

Die Berufungswerberin (Bw. genannt) erhob mit Schriftsatz vom14. Juni 2006 form- und fristgerecht gegen den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2000 Berufung, weil Ausgaben für Fahrten zu verschiedenen Dienstverrichtungsorten nicht in vollem Umfang als Werbungskosten berücksichtigt wurden. Vom Finanzamt waren in allen Fällen die Fahrtkosten um den Wegstrecketeil zwischen Wohnung und Arbeitsstätte vermindert worden und abweichend von der Erklärung nur Werbungskosten von S 4.116 anerkannt worden.

Die Bw. hat ihren Wohnsitz in B. und ist als Juristin bei der C beschäftigt. Ihre Dienststelle befindet sich am Sitz der C , in 1010 Wien, D.. Die einfache Wegstrecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte beträgt 75 km. Ihre Arbeitszeit besteht in einer 40-Stundenwoche, jeweils montags bis freitags von 07.30 bis 15.30 Uhr. Zu ihren Tätigkeiten gehören regelmäßige Außendienstleistungen im Zusammenhang mit veranstaltungsrechtlichen Angelegenheiten sowie zur Leistungen exekutiven Journaldienstes am 6 km von ihrer Dienststelle entfernt Zentraljournal im Bundesamtsgebäude 1030 Wien, E.. Diese Außendienstleistungen waren zum Teil während der Arbeitszeit und zum Teil in der Freizeit (auch an Samstagen, Sonntagen und Feiertagen) als Überstundenleistung zu erbringen.

An Tagen an denen kein Außendienst zu verrichten ist, benützte die Bw. für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte das öffentliche Verkehrsmittel. Diese Aufwendungen wurden durch die kleine Pendlerpauschale für Wegstrecken über 60 km (ATS 15.840,--) steuerlich berücksichtigt.

Wenn aber Außendienst zu verrichten war, wurde von der Bw. der Pkw für die gesamte Wegstrecke zwischen Wohnung - Dienstverrichtungsort - Büro - Wohnung verwendet. Bei den Außendienstleistungen war nämlich die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel nicht möglich oder nicht zumutbar.

In einer Beilage zu Berufung gliederte die Bw. sämtliche Fahrten mit dem PKW auf Grund von Außendienstleistungen unter Angabe der einfachen Wegstrecken auf. Im Monat Mai waren zwölf Fahrten an denen die Bw. wegen Außendienste den Pkw verwenden musste und an diesen Tagen auch ihre Arbeitstätte (Büro) in 1010 Wien aufsuchte. In den anderen Kalendermonaten waren es jeweils weniger als 11 Fahrten.

Für die Fahrten zu den außerhalb der Dienststelle gelegenen Einsatzorten erhielt die Bw. von ihrem Arbeitgeber keine Ersatzleistungen - weder eine Reisekostenvergütung noch eine Reisezulage.

Über die Berufung wurde erwogen:

Der vorstehende Sachverhalt beruht auf dem Vorbringen der Bw, das vom Finanzamt als glaubhaft erachtet wurde. Dieser Sachverhalt steht zwischen den Parteien außer Streit, ist widerspruchsfrei und entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung, sodass er der Entscheidung zu Grunde gelegt wurde.

Strittig ist die Rechtsfrage, inwieweit für die beruflich notwendigen Fahrten mit dem Pkw an Tagen, an denen Außendienst zu verrichten war zusätzliche Werbungskosten zustehen.

Beruflich veranlasste Fahrtaufwendungen sind - unabhängig vom Vorliegen einer Reise - stets in ihrer tatsächlichen Höhe gemäß § 16 Abs. 1 leg. cit. als Werbungskosten anzusetzen, wobei eine Schätzung mit dem amtlichen Kilometergeld in vielen Fällen zu einem zutreffenden Ergebnis führt.

Eine Ausnahme vom Grundsatz, dass Fahrtkosten in ihrer tatsächlichen Höhe zu berücksichtigen sind, enthält § 16 Abs. 1 Z. 6 EStG 1988 für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte:

"Gemäß § 16 Abs. 1 Z. 6 EStG 1988 idF BGBl. I 1995/297 sind Werbungskosten auch Ausgaben des Steuerpflichtigen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte.

Für die Berücksichtigung dieser Aufwendungen gilt:

a) Diese Ausgaben sind bei einer einfachen Fahrtstrecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte bis 20 km grundsätzlich durch den Verkehrsabsetzbetrag (§ 33 Abs. 5) abgegolten.

b) Beträgt die einfache Fahrtstrecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, die der Arbeitnehmer im Lohnzahlungszeitraum überwiegend zurücklegt, mehr als 20 km und ist die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zumutbar, dann werden zusätzlich als Pauschbeträge berücksichtigt:

Bei einer Fahrtstrecke von

20 km bis 40 km 5.280 S jährlich

40 km bis 60 km 10.560 S jährlich

über 60 km 15.840 S jährlich

c) Ist dem Arbeitnehmer im Lohnzahlungszeitraum überwiegend die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zumindest hinsichtlich der halben Fahrtstrecke nicht zumutbar, dann werden anstelle der Pauschbeträge nach lit. b folgende Pauschbeträge berücksichtigt:

Bei einer einfachen Fahrtstrecke von

2 km bis 20 km 2.880 S jährlich

20 km bis 40 km 11.520 S jährlich

40 km bis 60 km 20.160 S jährlich

über 60 km 28.800 S jährlich

Mit dem Verkehrsabsetzbetrag und den Pauschbeträgen nach lit. b und c sind alle Ausgaben für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte abgegolten. Für die Inanspruchnahme der Pauschbeträge hat der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber auf einem amtlichen Vordruck eine Erklärung über das Vorliegen der Voraussetzungen der lit. b und c abzugeben. Der Arbeitgeber hat die Erklärung des Arbeitnehmers zum Lohnkonto (§ 76) zu nehmen. Änderungen der Verhältnisse für die Berücksichtigung dieser Pauschbeträge muss der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber innerhalb eines Monates melden. Die Pauschbeträge sind auch für Feiertage sowie für Lohnzahlungszeiträume zu berücksichtigen, in denen sich der Arbeitnehmer im Krankenstand oder auf Urlaub (Karenzurlaub) befindet. Wird der Arbeitnehmer im Lohnzahlungszeitraum überwiegend im Werkverkehr (§ 26 Z 5) befördert, dann stehen ihm die Pauschbeträge nach lit. b und c nicht zu. Erwachsen ihm für die Beförderung im Werkverkehr Kosten, dann sind diese bis zur Höhe der sich aus lit. b und c ergebenden Beträge als Werbungskosten zu berücksichtigen."

Kennzeichnend für diese Fahrten ist, dass sie mit dem Ziel unternommen werden, die Arbeitsstätte aufzusuchen bzw. von dieser in die Wohnung zurückzukehren.

Der VwGH vertritt in dem zur Streckenidentität richtungsweisenden Erkenntnis, 97/14/0103 vom die Auffassung, dass nicht jede Fahrt des Steuerpflichtigen, soweit sie mit seiner Wegstrecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte identisch ist, von der Abgeltungswirkung des § 16 Abs. 1 Z. 6 EStG 1988 erfasst ist. Für Fahrten in der dienstfreien Zeit zum Besuch der Werkmeisterschule, die auf der Wegstrecke zur Arbeitsstätte gelegen ist, kann Kilometergeld in Abzug gebracht werden. Nur wenn die Fahrt zur Fortbildungseinrichtung mit der Fahrt zur Arbeitsstätte verbunden ist, wird vom Steuerpflichtigen die Wegstrecke Wohnung-Arbeitsstätte-Wohnung zurückgelegt, weshalb die Abgeltungswirkung des Verkehrsabsetzbetrages bzw. Pendlerpauschales eintritt.

Die Reichweite der Abgeltungswirkung des § 16 Abs. 1 Z 6 EStG geht über den Wortlaut der Tatbestandsmerkmale "Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte" nicht hinaus. Als Ergebnis dieser gebotenen Wortinterpretation liegen nach ständiger Rechsprechung des VwGH Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nur dann vor, wenn sie mit dem Ziel unternommen werden, die Arbeitstätte aufzusuchen oder von dieser zur Wohnung zurückzukehren. Die Begriffe Wohnung und Arbeitsstätte definieren einen punktuellen Ort und umfassen nicht das ganze Gemeindegebiet (anders eben die Bezeichnung Wohnort oder Arbeitsort).

Die Arbeitsstätte gilt auch dann als aufgesucht, wenn die Dienstreiseersätze vom Arbeitsort aus berechnet werden. Die z.B. in der Reisegebührenvorschrift enthaltene arbeitsrechtliche Fiktion (§ 5 RGV), dass eine Dienstreise immer bei der Arbeitsstätte beginnt und endet - auch wenn sie direkt von der Wohnung aus erfolgt - ist nach dieser Ansicht auch im Einkommensteuerrecht maßgebend (, UFS, RV/0825-W/02 sowie ausführlich RV/1586-W/07 vom ). Dies hat zur Folge, dass für eine direkte Reisebewegung zwischen Wohnung und Dienstverrichtungsort, deshalb nicht die tatsächlichen Fahrtkosten in Abzug gebracht werden dürfen, weil die Arbeitsstätte - kraft arbeitsrechtlicher gesetzlicher Fiktion - als aufgesucht gilt. Umgekehrt können diese Fahrten einen Anspruch auf die Pendlerpauschale begründen, obwohl der Steuerpflichtige überhaupt nicht die Arbeitsstätte aufgesucht hat.

Die gesetzliche Fiktion der RGV über Beginn und Ende der Dienstreise bei der Arbeitsstätte kommt aber für die steuerrechtliche Beurteilung des Anspruches und der Abgeltungswirkung nach § 16 Abs. 1 Z 6 EStG nur dann zur Anwendung, wenn für die Dienstreise auf Grund dieser arbeitrechtlichen Bestimmung auch tatsächlich Reisekostenersätze geleistet wurden.

Da die Bw. für die Dienstreisen weder Reisekostenersätze berechnet hat noch von ihrem Arbeitgeber welche erhalten hat, kommt ein Aufsuchen der Dienststelle kraft gesetzlicher Fiktion nicht zu Tragen (in diesem Sinne auch LStR 2002 RZ 264).

Somit ergibt sich für den gegenständlichen Streit folgende Lösung:

Für jene Fahrten die direkt zwischen Wohnung und auswärtigen Dienstverrichtungsort erfolgten (Sa., So., Ft. Wohnung - Zentraljournal - Wohnung) stehen die tatsächlichen Fahrtkosten als Werbungskosten zu. Die Abgeltungswirkung des § 16 Abs. 1 Z. 6 EStG greift nicht, weil die Wegstrecke Wohnung - Arbeitsstätte nicht aufgesucht wurde.

Weiters ist Kilometergeld zu berücksichtigen für die Fahrten von der Arbeitsstätte zum Dienstverrichtungsort (Arbeitsstätte - Veranstaltungsort - Arbeitsstätte oder Arbeitstätte - Zentraljournal). Für jene Tage, an denen Außendienst geleistet wurde und während des Arbeitstages auch die Arbeitsstätte aufgesucht wurde, ist der "Umweg" zu ermitteln und hierfür auf Basis des Kilometergeldes Werbungskosten anzusetzen. (Z.B. Wohnung - Dienstverrichtungsort - Büro - Dienstverrichtungsort - Wohnung gesamt 166,6 km abzüglich Abgeltung der Wegstrecke Wohnung-Arbeitsstätte-Wohnung 150 km = Umweg 16,6 km)

Vom UFS wurden die Wegstrecken für die entsprechend der vorstehenden Ausführungen Werbungskosten gemäß § 16 Abs. 1 EStG anzusetzen sind mit insgesamt 1944,5 km ermittelt. Das Ergebnis dieser Ermittlung wurde unter Anschluss der Berechnungsunterlage den Parteien übermittelt. Die Bw. stimmte dieser Sachverhaltsermittlung zu und erteilte die Zustimmung zur Erlassung einer Berufungsvorentscheidung. Auch vom Finanzamt wurde gegen das Ermittlungsergebnis kein Einwand erhoben. Aus rechtlichen Gründen aber kein BVE erlassen.

Die Bw. hat im Kalendermonat Mai außerdem 12-mal wegen Außendienstleistungen die Wegstrecke Wohnung - Arbeitsstätte - Wohnung mit ihrem Pkw zurücklegen müssen. Da ihr in diesem Lohnzahlungszeitraum überwiegend die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zumindest hinsichtlich der halben Fahrtstrecke nicht zumutbar war, bestand Anspruch auf das große Pendlerpauschale. Dieses ist bezogen auf einen Monat um S 1080 höher als die bisher berücksichtigte kleine Pendlerpauschale für Wegstrecken über 60 km.

Es waren daher für die 1944, 5 km beruflich veranlassten Fahrten S 9.528,05 (KM-Geld S 4,90) sowie die Differenz beim Pendlerpauschale von S 1.080 - also gesamt S 10.608,05 - als Werbungskosten in Abzug zu bringen.

Beilage : 1 Berechnungsblatt

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at