Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSI vom 25.06.2012, RV/0516-I/11

Geltendmachung von Kinderfreibeträgen im Wege eines Antrags gemäß § 293b BAO

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/0516-I/11-RS1
Bringt der Steuerpflichtige durch seine Angaben in der Steuererklärung (Alleinverdiener, 1 Kind) zum Ausdruck, dass ihm oder seiner (Ehe-)Partnerin für mehr als sechs Monate im Kalenderjahr ein Kinderabsetzbetrag zusteht, liegt ein Kind nach § 106 EStG 1988 vor. Daran anknüpfend steht ihm aber auch der Kinderfreibetrag zu. Ein Einkommensteuerbescheid, der bei einer derartigen Sachverhaltskonstellation den Kinderfreibetrag in Höhe von 220 € unberücksichtigt lässt, erweist sich als offensichtlich unrichtig.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw, vertreten durch Berater, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes ABC, vertreten durch Finanzanwalt, vom betreffend Abweisung eines Antrages auf Berichtigung des Einkommensteuerbescheides 2009 gemäß § 293b BAO entschieden:

Der Berufung wird Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

Entscheidungsgründe

Der Bw (Berufungswerber) hat in der elektronisch übermittelten Abgabenerklärung (Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2009) für das Jahr 2009 den Alleinverdienerabsetzbetrag beantragt. Weiters hat der Bw bekanntgegeben, für ein Kind mindestens sieben Monate Familienbeihilfe bezogen zu haben.

Die Veranlagung erfolgte erkärungsgemäß. Der Einkommensteuerbescheid 2009 erging am . Gegen den genannten Bescheid wurde am "Berufung" erhoben und der Kinderfreibetrag geltend gemacht. Die Berufung wurde vom Finanzamt als verspätet zurückgewiesen (Bescheid vom ).

Am wurde ein Antrag auf Berichtigung des Einkommensteuerbescheides 2009 gemäß § 293b BAO gestellt und beantragt den Kinderfreibetrag für die Tochter A, SV-Nr. 1111 zu berücksichtigen. Begründend wurde ausgeführt, als eine aus der Abgabenerklärung selbst erkennbare offensichtliche Unrichtigkeit komme auch ein nicht berücksichtigter Freibetrag in Betracht, obwohl erkennbar ein solcher zustehe ( Z 05 2601/5-IV/5/89).

Bei ordnungsgemäßer Prüfung hätte das Finanzamt, ohne ein Ermittlungsverfahren durchzuführen, diese Unrichtigkeit erkennen müssen, da der Bw einen Alleinverdienerabsetzbetrag gemäß § 33 Abs. 4 Z 1 zweiter Teilstrich EStG 1988 beantragt habe, welcher als normative Voraussetzung ein Kind im Sinne des § 106 leg. cit. fordere. Die Unrichtigkeit ergebe sich somit zum einen aus einem in sich widersprüchlichen Spruch zum anderen sei die Abgabenerklärung mit aktenkundigen Umständen nicht vereinbar.

Mit Bescheid vom wurde der Antrag auf Berichtigung des Einkommensteuerbescheides 2009 gemäß § 293b BAO abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, es liege hinsichtlich des Jahres 2009 nur ein Antrag auf Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung vor. Ein Antrag auf Berücksichtigung eines Kinderfreibetrages (Beilage L1k) liege jedoch nicht vor. Es habe daher auch keine Unrichtigkeit aus den Abgabenerklärungen übernommen werden können.

In der gegen den genannten Bescheid fristgerecht erhobenen Berufung vom wurde ergänzend noch ausgeführt, eine offensichtliche Unrichtigkeit könne auch dann vorliegen, wenn der Inhalt der Abgabenerklärungen mit aktenkundigen Umständen unvereinbar sei. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs komme es für die Zulässigkeit einer Bescheidänderung nach § 293b BAO nicht auf die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben des Steuerpflichtigen in der Steuererklärung an. Die unterlassene Abgabe der Erklärung L1k stehe im Widerspruch mit dem übrigen Akteneinhalt. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Freibetrages seien unstrittig erfüllt. Es sei lediglich die Einreichung einer Beilage übersehen worden.

Die Berufung wurde ohne Erlassung einer Berufungsvorentscheidung direkt der Abgabenbehörde zweiter Instanz vorgelegt.

Über die Berufung wurde erwogen:

1.) Nach § 293b BAO kann die Abgabenbehörde auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen einen Bescheid insoweit berichtigen, als eine Rechtswidrigkeit auf der Übernahme offensichtlicher Unrichtigkeiten aus Abgabenerklärungen beruht.

2.) Eine Unrichtigkeit ist offensichtlich, wenn sie ohne nähere Untersuchung im Rechtsbereich und ohne Ermittlungen im Tatsachenbereich deutlich erkennbar ist. Eine offensichtliche Unrichtigkeit liegt vor, wenn die Abgabenbehörde bei ordnungsmäßiger Prüfung der Abgabenerklärung die Unrichtigkeit hätte erkennen müssen.

Ist die Unrichtigkeit erst nach Durchführung eines diesbezüglichen (über die Bedachtnahme auf die Aktenlage hinausreichenden) Ermittlungsverfahrens erkennbar, so ist sie nicht gemäß § 293b BAO beseitigbar (vgl. Ritz, BAO 3, § 293b, Rz 5 und 6 und die dort angeführte Judikatur).

3.) Bei offensichtlichen Unrichtigkeiten iSd § 293b kann es sich um unrichtige rechtliche Beurteilungen, um aktenwidrige Sachverhaltsannahmen oder um Widersprüche zwischen Angaben in den Abgabenerklärungen (den ausgefüllt eingereichten Erklärungsvordrucken) und in den Beilagen hiezu handeln. Sie müssen aus den Abgabenerklärungen (einschließlich Beilagen) selbst oder aus diesen in Verbindung mit der übrigen Aktenlage erkennbar sein (Ellinger-Iro-Kramer-Sutter-Utz, BAO-Kommentar, Rz 9 zu § 293b). Eine offensichtliche Unrichtigkeit kann somit auch dann vorliegen, wenn Abgabenerklärungen mit aktenkundigen Umständen nicht vereinbar sind (vgl. ).

4.) Entscheidungswesentlich ist somit, ob im Streitfall aus der Abgabenerklärung (Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2009) in Verbindung mit der übrigen Aktenlage eine offensichtliche Unrichtigkeit erkennbar gewesen ist. Der Bw hat im Antrag auf Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung 2009 den Alleinverdienerabsetzbetrag beantragt. Weiters hat der Bw bekanntgegeben, dass er für ein Kind zumindest sieben Monate Familienbeihilfe bezogen hat.

5.) Der Alleinverdienerabsetzbetrag hat nach der im Berufungsjahr geltenden Rechtslage bei einem Kind (§ 106 Abs. 1) 494 Euro betragen. Als Kinder im Sinne der angeführten Bestimmung gelten Kinder, für die dem Steuerpflichtigen oder seinem (Ehe)Partner (Abs. 3) mehr als sechs Monate im Kalenderjahr ein Kinderabsetzbetrag nach § 33 Abs. 3 zusteht. § 33 Abs. 3 Abs. 3 stellt wiederum auf die Gewährung von Familienbeihilfe aufgrund des Familienlastenausgleichgesetzes (FLAG) ab. Als Kind im Sinne des EStG gilt folglich eine Person, für die der Steuerpflichtige Familienbeihilfe nach dem FLAG bezieht. Ein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht grundsätzlich nur für haushaltszugehörige Kinder (vgl. Jakom/Kanduth-Kristen, EStG 2011, § 33 Rz 42).

6.) Der Freibetrag gemäß § 106a EStG steht für ein Kind (iSd § 106 Abs. 1 oder 2 EStG) zu. Er vermindert die steuerliche Bemessungsgrundlage. Die Entlastungswirkung ist daher umso größer, je höher der Grenzsteuersatz ist.

Der Gesetzgeber hat vorgesehen, dass der Kinderfreibetrag aufgeteilt werden kann. Es liegt in der Disposition der (Ehe-)Partner, ob nur ein Partner einen Freibetrag von 220 € beanspruchen will oder ob beide Partner einen Freibetrag von je 132 €, zusammen 264 €, geltend machen. Durch den erhöhten Freibetrag (von in Summe 120%) bei beidseitiger Inanspruchnahme sollen Anreize für das Erwerbsleben der Frau, insbesondere für die Aufnahme einer existenzsichernden Vollzeittätigkeit gesetzt werden (Erläuterungen zur Regierungsvorlage des StRefG 2009).

7.) Der Kinderfreibetrag wird im Rahmen der Veranlagung berücksichtigt. In der Steuererklärung des Steuerpflichtigen ist für diese Zwecke die Versicherungsnummer bzw. persönliche Kennnummer jedes Kindes, für das ein Freibetrag beansprucht wird, anzuführen. Die Verpflichtung zur Anführung der genannten Daten in der Steuererklärung stellt jedoch - nach dem Wortlaut des Gesetzes - keine Anwendungsvoraussetzung für die Gewährung des Freibetrags dar. Sie ist eine reine Ordnungsvorschrift. Der Freibetrag steht wohl vielmehr zu, wenn die Voraussetzungen gemäß § 106a Abs. 1 oder Abs. 3 erfüllt sind. Wird die Sozialversicherungsnummer des Kindes nicht angegeben, kann die Berücksichtigung des Kinderfreibetrages wohl nicht verweigert werden (vgl. Doralt/Hammerl, EStG 13, § 106a, Rz 15).

8.) Der Bw hat durch seine Angaben in der Steuererklärung zum Ausdruck gebracht, dass ihm oder seiner (Ehe-)Partnerin für mehr als sechs Monate im Kalenderjahr ein Kinderabsetzbetrag zusteht, damit liegt im Streitfall aber ein Kind nach § 106 EStG 1988 vor. Daran anknüpfend steht für solche Kinder nach § 106a Abs. 1 EStG 1988 auch der Kinderfreibetrag zu, der pro Kind grundsätzlich 220 € jährlich beträgt, sofern er nicht gesplittet wird (vgl. Mayr, RdW 2009, 186, 228).

Der Bw ist Alleinverdiener mit einem Kind. Bei einer derartigen Sachverhaltskonstellation ist es aber augenscheinlich, dass ein Splitting des Kinderfreibetrages (mangels steuerlicher Auswirkung) nicht in Frage kommt. Der Einkommensteuerbescheid 2009, der den Kinderfreibetrag in Höhe von 220 € unberücksichtigt lässt, erweist sich somit als offensichtlich unrichtig.

9.) Anzumerken ist in diesem Zusammenhang, dass der vom Bw. begehrte Freibetrag (von 220 €) mit Rücksicht auf sein steuerliches Einkommen keineswegs als geringfügig anzusehen. Dem Grundsatz der Rechtsrichtigkeit seines Einkommensteuerbescheides ist daher der Vorrang vor dem Grundsatz der Rechtsbeständigkeit einzuräumen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden. Über den (wiederum unerledigten) Antrag vom wird durch die Abgabenbehörde erster Instanz neuerlich zu entscheiden sein. Zuständig für die Erlassung des berichtigenden Bescheides ist nämlich jene Abgabenbehörde, die den zu berichtigenden Bescheid zu erlassen hat.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 293b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 106 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at