Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSS vom 20.01.2009, RV/0481-S/08

Wiederaufnahmeantrag aufgrund Nichtbescheid im F-Verfahren

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/0481-S/08-RS1
hier war die Tatsache aufgrund einer VwGH-Beschwerde bereits fünf Jahr lang bekannt
Folgerechtssätze
RV/0481-S/08-RS1
wie RV/1339-L/07-RS1
Fällt ein Grundlagenbescheid nachträglich weg, weil er infolge Falschadressierung zu einem "Nichtbescheid" wird, kann grundsätzlich eine Abänderung des Einkommensteuerbescheides mittels Wiederaufnahme des Verfahrens erfolgen, weil eine neue Tatsache vorliegt. Dies gilt allerdings dann nicht, wenn die Wiederaufnahmegründe schon lange - jedenfalls drei Monate vor Stellung des Wiederaufnahmegrundes - bekannt waren. Ist sechs Monate vor der Einbringung des Wiederaufnahmeantrages dem Steuerberater bekannt, dass mehrere Gesellschafter bereits seit sieben Jahren verstorben sind, ist das Vorliegen eines "Nichtbescheides" unzweifelhaft, sodass ab diesem Zeitpunkt von neuen Tatsachen nicht mehr auszugehen ist.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Ing.A***, Adresse1, vertreten durch die Dr. Heinz Lutz Wirtschaftsprüfer und Steuerberater GmbH, 4840 Vöcklabruck, Am Neubau 1, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes St. Johann Tamsweg Zell am See, vertreten durch Mag. Bernhard Berauer, vom betreffend Zurückweisung des Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens zur Einkommensteuer 1989 vom entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Entscheidungsgründe

Mit Schreiben vom beantragte der Berufungswerber "die Wiederaufnahme des gem. § 295 abgeänderten Einkommensteuerbescheides 1989 vom ".

Als einzigen Wiederaufnahmegrund führte er an, dass mit Bescheid vom festgestellt worden sei, dass der dem Einkommensteuerbescheid 1989 zugrunde liegende Bescheid bezüglich der Feststellung der Einkünfte gem. § 188 BAO der "AGmbH***Mitges" vom mangels gültigem Bescheidadressaten der Bescheidcharakter fehle und dieser somit keine normative Kraft entfalten könne. Es handle sich um einen Nichtbescheid ().

Die Qualifizierung des Grundlagenbescheides als Nichtbescheid stelle eine neu hervorgekommene Tatsache im Sinne des § 303 Abs. 1 lit. b BAO dar und sei als tauglicher Wiederaufnahmegrund zu qualifizieren. Wenn selbst der bescheiderlassenden Behörde die Tatsache nicht bekannt gewesen sei, dass der Grundlagenbescheid nicht über Bescheidcharakter verfügte, so könne diese Tatsache im Verhältnis zum Rechtsunterworfenen nur als "neu hervorgekommen" gelten. Den Wiederaufnahmewerber treffe kein grobes Verschulden an der Nichtgeltendmachung dieses Umstandes. Diese Rechtsansicht werde durch eine Erledigung des Bundesministeriums für Finanzen vom geteilt.

Weiters wies der Berufungswerber darauf hin, dass die Wiederaufnahme des rechtskräftigen Verfahrens zu einem abgeänderten Einkommensteuerbescheid 1989 führe.

Der Berufungswerber wies selbst darauf hin, dass der strittige Feststellungsbescheid vom zuerst mit Berufung und dann am mittels Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof bekämpft worden sei. Diese Beschwerde sei mit Beschluss zurückgewiesen worden (). Daraufhin habe das Finanzamt Wien 6/7/15 mit einen Bescheid erlassen, mit dem es die diesbezügliche Berufung vom mangels gültigem Bescheidadressaten als unzulässig zurückgewiesen habe.

Die vorgenommene Abänderung des Einkommensteuerbescheides 1989 gem. § 295 BAO sei auf Basis eines Nichtbescheides erfolgt und entspreche damit nicht den gesetzlichen Erfordernissen.

Das Finanzamt wies den Wiederaufnahmeantrag mit Bescheid vom zurück und begründete dies damit, der Abgabenanspruch sei gem. § 209 Abs. 3 BAO absolut verjährt. Der Antrag sei daher verspätet eingebracht worden.

In der Berufung vom bestritt der Berufungswerber diese Tatsache. Er stützte sich darauf, am sei eine einheitliche und gesonderte Feststellungserklärung zur AGmbH***Mitges abgegeben worden, über die am erklärungsgemäß abgesprochen worden sei. Nach Durchführung einer Wiederaufnahme des Verfahrens sei dieser Bescheid durch den - schon oben beschriebenen - Feststellungsbescheid vom ersetzt worden, zu dem nun mit Bescheid vom (Anm. des Finanzamtes Wien 6/7/15) festgestellt worden sei, dass er nichtig gewesen sei. Grund für die nichtigen Bescheide seien Fehler in der Adressierung gewesen. Insbesondere seien in dem einheitlich und gesonderten Feststellungsbescheid bereits verstorbenen Personen angeführt worden.

Diesbezüglich sei zu beachten, dass auch in dem (Erst)Bescheid vom bereits verstorbene Personen angeführt worden seien. Somit sei auch dieser Bescheid als Nichtbescheid zu qualifizieren, womit über die Erklärung zur einheitlichen und gesonderten Feststellung der Einkünfte nicht bescheidmäßig abgesprochen worden sei. Damit sei gem. § 209a Abs. 2 BAO Verjährung für 1989 noch nicht eingetreten.

Die Berufung wurde - ohne Erlassung einer Berufungsvorentscheidung - an den Unabhängigen Finanzsenat zur Entscheidung vorgelegt.

Über die Berufung wurde erwogen:

Die Entscheidung basiert auf dem nachstehend dargestellten, unbestrittenen Sachverhalt, der in den Akten des Finanzamtes sowie des Unabhängigen Finanzsenats abgebildet ist.

1 Sachverhalt und Beweiswürdigung

1.1 Verjährung

Der Berufungswerber beantragte die Wiederaufnahme der Einkommensteuerverfahrens 1989. Unstrittig ist, dass der letzte Bescheid, der über diese Abgabe absprach, am erging, nicht bekämpft wurde und damit 1997 in Rechtskraft erwuchs.

1.2 Wiederaufnahmegrund

Der einzige vorgebrachte Wiederaufnahmegrund liegt in der Feststellung des Finanzamtes Wien 6/7/15, das mit Bescheid vom aussprach, dass der Bescheid bezüglich der Feststellung der Einkünfte gem. § 188 BAO 1989 vom der "AGmbH***Mitges" (St.Nr. 999/9999) mangels gültigem Bescheidadressaten der Bescheidcharakter fehlt und dieser somit keine normative Kraft entfalten konnte. Dieser Ausspruch des Finanzamtes wurde nicht näher begründet.

Der Berufungswerber führte wörtlich aus:

Die Qualifizierung des Grundlagenbescheides als Nichtbescheid stellt eine neu hervorgekommene Tatsache im Sinne des § 303 Abs. 1 lit. b BAO dar und ist als tauglicher Wiederaufnahmegrund zu qualifizieren.

Dieser Bescheid erging - wie vom Berufungswerber selbst dargestellt - offenbar als Reaktion auf den . Mit diesem sprach das Höchstgericht zur Adressierung der Berufungsentscheidung der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , RV/130-16/09/98, aus, dass diese Erledigung deshalb kein Bescheid sei, weil sie sich unter anderem an nicht mehr existierende Personen gerichtet hatte. Der VwGH wies in seiner Begründung - ohne sich näher damit zu befassen - aber auch auf die Tatsache hin, dass die Beschwerdeführer selbst auch die mangelnde Bescheidqualität der erstinstanzlichen Erledigungen gerügt hätten.

Die vom Berufungswerber selbst zitierte Beschwerde (VwGH Zl. 2002/13/0224) wurde von insgesamt 964 Beschwerdeführern eingebracht. Der Berufungswerber scheint darin als Beschwerdeführer Nr. ### auf. Dieses Schriftstück wurde am beim Verwaltungsgerichtshof eingebracht. Auf den Seiten 27 bis 31 dieses Schriftstückes wird ausführlich dargestellt, dass unter anderem der Feststellungsbescheid 1989 vom falsch adressiert gewesen sei. So weist etwa der zusammenfassende Punkt 1.4.1 unter der Überschrift "Nicht-Bescheide 1997" die folgende Textierung auf:

Wie oben nachgewiesen, sind die Feststellungsbescheide [...], die infolge der Betriebsprüfung [...] erlassen wurden, nicht rechtswirksam ergangen, da die Voraussetzungen [...] hinsichtlich der korrekten Benennung des Bescheidadressaten nicht erfüllt sind.

Damit bestehen keine Zweifel daran, dass das Finanzamt mit der nunmehrigen Zurückweisung vom nur einen Mangel bestätigte, der dem Berufungswerber selbst (bzw. dessen Berater) schon spätestens im Dezember 2002 bekannt und bewusst gewesen ist.

In der Zwischenzeit erging ein weiterer mit datierter Bescheid, in dem der Ausspruch des am erlassenen Schriftstückes wiederholt wurde, dass es sich beim Bescheid bezüglich der Feststellung der Einkünfte gem. § 188 BAO 1989 vom um einen "Nichtbescheid" gehandelt habe. Dieser neuerliche Ausspruch wurde zusätzlich mit dem Hinweis auf die Zustellfiktion des § 101 Abs. 4 BAO versehen, der im ersten Bescheid nicht enthalten war.

2 Rechtsgrundlagen und rechtliche Würdigung

2.1 Rechtzeitigkeit im Hinblick auf die 3-Monatsfrist des § 303 Abs. 2 BAO

Der Antrag auf Wiederaufnahme ist binnen einer Frist von drei Monaten von dem Zeitpunkt an, in dem der Antragsteller nachweislich von dem Wiederaufnahmsgrund Kenntnis erlangt hat, einzubringen (§ 303 Abs. 2 BAO).

Diese Frist beginnt mit Kenntnis des Wiederaufnahmegrundes und nicht erst mit dessen Beweisbarkeit zu laufen. Sie ist nicht verlängerbar (Ritz, BAO3, § 303 Tz 27f unter Verweis auf ). Der Berufungswerber hat sich dabei auch die Kenntnis seines Vertreters zurechnen zu lassen. Er hat gegenüber der Abgabenbehörde nämlich nicht nur seine eigenen Handlungen und Unterlassungen, sondern auch die derjenigen Personen zu vertreten, deren er sich zur Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten bedient (vgl. ).

Ein verspäteter Wiederaufnahmegrund ist zurückzuweisen ().

Im Wiederaufnahmeantrag beruft sich der Berufungswerber ausdrücklich darauf, die Qualifizierung des Grundlagenbescheides sei eine neu hervorgekommene Tatsache.

Dazu hat das Höchstgericht in ständiger Rechtssprechung (vgl. etwa ) ausgesprochen, Tatsachen im Sinn des § 303 Abs. 1 lit. b BAO seien ausschließlich mit dem Sachverhalt des abgeschlossenen Verfahrens zusammenhängende tatsächliche Umstände. Das sind Elemente, die bei einer entsprechenden Berücksichtigung zu einem anderen Ergebnis geführt hätten, wie etwa Zustände, Vorgänge, Beziehungen und Eigenschaften. Neue Erkenntnisse in Bezug auf die rechtliche Beurteilung solcher Sachverhaltselemente - gleichgültig, ob diese späteren rechtlichen Erkenntnisse durch die Änderung der Verwaltungspraxis oder der Rechtsprechung oder nach vorhergehender Fehlbeurteilung oder Unkenntnis der Gesetzeslage eigenständig gewonnen werden - sind danach keine neuen Tatsachen. Nur neu hervorgekommene Tatsachen oder Beweismittel, das sind solche, die schon vor Erlassung des das wieder aufzunehmende Verfahren abschließenden Bescheides bestanden haben, aber erst nach diesem Zeitpunkt bekannt wurden (nova reperta), kommen als tauglicher Wiederaufnahmsgrund im Sinne des Neuerungstatbestandes in Betracht. Erst nach Erlassung des das wieder aufzunehmende Verfahren abschließenden Bescheides entstandene Tatsachen oder Beweismittel (nova producta) sind keine Wiederaufnahmsgründe.

Die Entscheidung eines Gerichtes oder einer Verwaltungsbehörde in einer bestimmten Rechtssache stellt weder eine neue Tatsache (vgl. mwN), noch ein (neu hervorgekommenes) Beweismittel im Sinn des § 303 Abs. 1 lit. b BAO dar, sondern basiert vielmehr selbst auf Tatsachen bzw. Beweismitteln (vgl. ).

Damit kann zusammenfassend festgestellt werden, dass im Rahmen des Neuerungstatbestandes nicht - wie vom Berufungswerber ins Treffen geführt - die Entscheidung über die Zurückweisung der Berufung vom sondern ausschließlich die Tatsachen und Beweismittel zu beurteilen sind, die zu dieser Entscheidung geführt haben (vgl. ). Die Entscheidung selbst kann schon deshalb nicht herangezogen werden, da es sich bei ihr um ein nach Erlassung des letztgültigen Einkommensteuerbescheides neu entstandenes Faktum (nova producta) handelt.

Die Tatsache sowie die Gründe der Falschadressierung des Feststellungsbescheides vom wurden vom Berufungswerber selbst am in einer VwGH-Beschwerde vorgebracht, bei der er selbst als Beschwerdeführer (Nr. ###) einschritt. Diese Tatsache und die entsprechenden Beweismittel waren dem Berufungswerber bzw. dessen Vertreter damit spätestens an diesem Tag bekannt und bewusst.

Der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens datiert mit und wurde damit erst mehr als fünf Jahre nach der nachweislichen Kenntniserlangung der dafür behaupteten Gründe gestellt, womit dieses Anbringen aus Sicht des Neuerungstatbestandes jedenfalls außerhalb der 3-Monatsfrist und damit verspätet war. Der Wiederaufnahmeantrag wurde vom Finanzamt deshalb auch aus diesem Blickwinkel zurecht zurückgewiesen.

2.2 Rechtzeitigkeit im Hinblick auf die Fristen des § 304 BAO

§ 303 Abs. 1 und 2 BAO lauten:

(1) Dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens ist stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und

a) ...

b) Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im abgeschlossenen Verfahren ohne grobes Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten, oder

c) der Bescheid von Vorfragen abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der hiefür zuständigen Behörde (Gericht) in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde

und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte (§ 303 Abs. 1 lit. b BAO).

(2) Der Antrag auf Wiederaufnahme gemäß Abs. 1 ist binnen einer Frist von drei Monaten von dem Zeitpunkt an, in dem der Antragsteller nachweislich von dem Wiederaufnahmsgrund Kenntnis erlangt hat, bei der Abgabenbehörde einzubringen, die im abgeschlossenen Verfahren den Bescheid in erster Instanz erlassen hat.

Gemäß § 304 der Bundesabgabenordnung (BAO) ist nach Eintritt der Verjährung eine Wiederaufnahme des Verfahrens ausgeschlossen, sofern ihr nicht ein

a) innerhalb des Zeitraumes, bis zu dessen Ablauf die Wiederaufnahme von Amts wegen unter der Annahme einer Verjährungsfrist (§§ 207 bis 209 Abs. 2 BAO) von sieben Jahren zulässig wäre, oder

b) vor dem Ablauf einer Frist von fünf Jahren nach Eintritt der Rechtskraft des das Verfahren abschließenden Bescheides

eingebrachter Antrag gemäß § 303 Abs. 1 BAO zugrunde liegt.

2.2.1 Eintritt der Verjährung nach den allgemeinen Regeln (§ 304 lit. a BAO)

Damit ist zunächst zu prüfen, ob die Verjährung hinsichtlich der Einkommensteuer 1989 nach den allgemeinen Regeln - unter Annahme der Verlängerung der Verjährungsfrist auf sieben Jahre - bereits eingetreten wäre. Dabei ist zu beachten, dass die absolute Verjährungsfrist auch die Frist des § 304 lit. a BAO begrenzt (vgl. Ritz, BAO³, § 304 Tz 5 unter Hinweis auf Ellinger ua., BAO³, § 209 Anm. 20 und § 304 Anm. 2). Nach § 209 Abs. 3 BAO verjährt das Recht auf Festsetzung einer Abgabe spätestens zehn Jahre nach Entstehung des Abgabenanspruches im Sinne des § 4 BAO (absolute Verjährung).

Der Abgabenanspruch der veranlagten Einkommensteuer entsteht nach § 4 Abs. 2 lit. a Z 2 BAO mit Ablauf des Kalenderjahres, für das die Veranlagung vorgenommen wird. Damit ist die absolute Verjährung mit Ablauf des Jahres 1999 und somit jedenfalls vor dem Jahr 2007 eingetreten. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass diese Frist erst mit dem Steuerreformgesetz 2005 (BGBl. I 2004/57) von fünfzehn auf zehn Jahre verkürzt wurde, wäre sie selbst nach Maßgabe dieser längeren Frist mit Ablauf des Jahres 2004 eingetreten.

Der hier zu beurteilende Wiederaufnahmsantrag vom wurde damit nach Eintritt der absoluten Verjährung gestellt, was nach § 304 lit. a BAO nicht zulässig ist.

2.2.2 Die besondere Fünfjahresfrist (§ 304 lit. b BAO)

Das Gesetz erachtet einen Wiederaufnahmsantrag trotz Eintrittes der absoluten Verjährung als zulässig, wenn dieser innerhalb von fünf Jahren nach Eintritt der Rechtskraft des das Verfahren abschließenden Bescheides eingebracht wird. Unter Rechtskraft ist dabei die formelle Rechtskraft zu verstehen (Ritz, ÖStZ 1995, 120; Ellinger ua, BAO³, § 304 Anm. 5).

Im gegenständlichen Fall ist es unbestritten, dass die formelle Rechtskraft des Einkommensteuerbescheides 1989 vom bereits in diesem Jahr eingetreten und dass damit zusätzlich diese Fünfjahresfrist spätestens 2002 abgelaufen war.

Damit ist der Wiederaufnahmeantrag auch unter diesem Aspekt nicht mehr zulässig.

2.2.3 Wirkungsweise des § 209a BAO

Der Berufungswerber wendete ein, Verjährung könne aufgrund des § 209a Abs. 2 BAO nicht eingetreten sein, weil der Einkommensteuerbescheid 1989 von der Erledigung eines Rechtsmittels gegen bzw. eines Antrages auf Erlassung des entsprechenden Feststellungsbescheides im Sinne des § 188 BAO abhängig sei. Dazu ist zu sagen:

§ 209a BAO lautet:

(1) Einer Abgabenfestsetzung, die in einer Berufungsentscheidung zu erfolgen hat, steht der Eintritt der Verjährung nicht entgegen.

(2) Hängt eine Abgabenfestsetzung unmittelbar oder mittelbar von der Erledigung einer Berufung oder eines in Abgabenvorschriften vorgesehenen Antrages (§ 85) ab, so steht der Abgabenfestsetzung der Eintritt der Verjährung nicht entgegen, wenn die Berufung oder der Antrag vor diesem Zeitpunkt, wenn ein Antrag auf Aufhebung gemäß § 299 Abs. 1 vor Ablauf der Jahresfrist des § 302 Abs. 1 oder wenn ein Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens rechtzeitig im Sinn des § 304 eingebracht wurde.

(3) Sofern nicht Abs. 1 oder 2 anzuwenden ist, darf in einem an die Stelle eines früheren Bescheides tretenden Abgabenbescheid, soweit für einen Teil der festzusetzenden Abgabe bereits Verjährung eingetreten ist, vom früheren Bescheid nicht abgewichen werden.

Es ist unbestritten, dass das Grundlagenverfahren über die einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte Auswirkungen auf das Einkommensteuerverfahren 1989 haben kann. Trotzdem führt das nicht dazu, dass die Einkommensteuer 1989 nicht der Verjährung unterliegen würde, nur weil in Bezug auf die Feststellung der Einkünfte Verfahren offen sind.

Schon aus dem Gesetzeswortlaut des § 209a BAO ergibt sich nämlich eindeutig, dass der Gesetzgeber nicht in die Verjährungs- oder Wiederaufnahmebestimmungen eingreifen wollte. Er wollte nur erlauben, dass eine Abgabenfestsetzung in bestimmten Fällen "trotz des Eintrittes der Verjährung" erfolgen kann.

Dazu zählt etwa der Fall, dass zum Feststellungsverfahren gem. § 188 BAO eine Berufung oder ein entsprechender Antrag anhängig ist, woraus sich die mittelbare Abhängigkeit des Einkommensteuerverfahrens ergibt. Im Falle der späteren Entscheidung über diese Anbringen kann die Einkommensteuerfestsetzung trotz Eintritts der Verjährung bei Vorliegen der anderen Voraussetzungen etwa gem. § 295 BAO angepasst werden (vgl. Ritz, BAO3, §209a Tz 6ff; Ellinger ua, BAO³, § 209a Anm. 10).

Da der hier zu beurteilende Wiederaufnahmeantrag bezüglich des Einkommensteuerverfahrens 1989 selbst jedenfalls nicht vor dem Eintritt der Verjährung eingebracht wurde, findet § 209a Abs. 2 BAO insofern hier aber keine Anwendung. Die im vom Berufungswerber zitierten Schreiben des Bundesministeriums für Finanzen vom vertretene Rechtsansicht, wonach die Wiederaufnahme auch dann zu bewilligen sei, wenn die Bemessungsverjährung der Erlassung eines neuerlichen Änderungsbescheides entgegensteht, wird vom Unabhängigen Finanzsenat deshalb nicht geteilt. Nach § 6 Abs. 1 des Bundesgesetzes über den unabhängigen Finanzsenat (BGBl. I Nr. 97/2002; kurz UFSG) sind die Mitglieder des unabhängigen Finanzsenates bei Besorgung der ihnen nach den Abgabenvorschriften (§ 3 Abs. 3 BAO) zukommenden Aufgaben weisungsfrei. Aus diesem Grunde hat die Beurteilung der gegenständlichen Rechtsfragen ausschließlich anhand der gesetzlichen Bestimmungen zu erfolgen, die nur die eben dargestellte Auslegung zulassen.

2.3 Ergebnis

Die vom Finanzamt verfügte Zurückweisung des Wiederaufnahmeantrages erfolgte deshalb im Ergebnis zu Recht. Der Antrag war unzulässig, weil bei dessen Einbringung sowohl die Dreimonatsfrist des § 303 Abs. 2 BAO wie auch die Fristen des § 304 BAO bereits abgelaufen waren.

2.4 Wirksamkeit des Zurückweisungsbescheides vom

Der Vollständigkeit halber sei hier noch einmal erwähnt, dass vom Finanzamt Wien 6/7/15 anlässlich von Aktenrecherchen des Unabhängigen Finanzsenats Zweifel bezüglich der Wirksamkeit seines eigenen Zurückweisungsbescheides vom geäußert wurden. Diesem Schriftstück fehlte nämlich der Hinweis auf die Zustellfiktion des § 101 BAO. Diese Zweifel führten zur neuerlichen Erlassung eines solchen mit datierten Zurückweisungsbescheides, mit dem die Zustellungsfehler repariert werden sollten.

Damit kann hier festgehalten werden, dass der Bescheid, auf den sich der Wiederaufnahmeantrag stützte, an den Berufungswerber mangels ordnungsgemäßer Zustellung niemals wirksam ergangen ist und ihm gegenüber deshalb keine Wirkungen zu entfalten vermochte. Aus der Tatsache, dass er sich trotzdem auf dessen Inhalt beruft, kann zwar darauf geschlossen werden, dass ihm sein Inhalt bekannt wurde, was allenfalls die Voraussetzungen des Neuerungstatbestandes erfüllen könnte. Wie oben bereits nachgewiesen wurde, war dies hier aber nicht der Fall, da der Berufungswerber bzw. dessen Vertreter diese Umstände zumindest seit der Beschwerdeführung beim Verwaltungsgerichtshof (Zl. 2002/13/0224) und damit schon lange vor Erlassung dieses Zurückweisungsbescheides gekannt hatte.

Damit war der Bescheid des Finanzamtes zu bestätigen und die Berufung als unbegründet abzuweisen. Mangels Zulässigkeit des Wiederaufnahmeantrages war auf dessen Inhalt nicht weiter einzugehen.

Salzburg, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 303 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 304 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 209a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
Zitiert/besprochen in
UFSjournal 2009, 156
UFSaktuell 2009, 185
UFS Newsletter 2009/03
taxlex 2009, 274

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at