Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSL vom 20.06.2012, RV/1431-L/11

Bezüge für das Vorjahr gemäß § 79 Abs. 2 EStG

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/1431-L/11-RS1
Arbeitslohn liegt auch dann vor, wenn der Arbeitgeber ohne Rechtsgrund leistet (§ 25 Abs. 1 Z 1 lit. a iVm Abs. 2 EStG 1988). Es genügt die tatsächliche Veranlassung der Einnahmen durch das Dienstverhältnis.
RV/1431-L/11-RS2
Bezüge für das Vorjahr iSd § 79 Abs. 2 EStG 1988 stellen solche bis zum 15. Februar des Folgejahres für das Vorjahr ausbezahlten Bezüge dar, auf die der Steuerpflichtige bereits im Vorjahr einen Rechtsanspruch erworben hat. Irrtümlich, dh rechtsgrundlos, geleistete Bezüge sind keine Bezüge für das Vorjahr.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung von Frau AB, Wohnadresse, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes X vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2010 entschieden:

Der Berufung wird Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der Abgabe sind dem am Ende der folgenden Entscheidungsgründe als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil dieses Bescheidspruches.

Entscheidungsgründe

Die Berufungswerberin (im folgenden "Bw.") hat am ihre Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2010 samt Beilagen beim Finanzamt eingereicht und darin Werbungskosten in Höhe von EUR 10.940,19 wegen rückgezahltem Arbeitslohn geltend gemacht.

Im Einkommensteuerbescheid 2010 vom wurden die beantragten Werbungskosten iHv EUR 10.940,19 bei der Veranlagung nicht berücksichtigt. Begründet wurde dies damit, dass der Arbeitgeber der Bw. diesen Betrag bereits im Zuge der Ausstellung des Jahreslohnzettels bezügevermindernd berücksichtigt habe. Eine nochmalige Berücksichtigung desselben Betrages im Zuge der Arbeitnehmerveranlagung käme einer nicht gerechtfertigten Doppelberücksichtigung gleich.

Die Bw. erhob gegen diesen Einkommensteuerbescheid am Berufung und beantragte neuerlich die Berücksichtigung ihrer Gehaltsrückzahlung in Höhe von EUR 10.941,00 als Werbungskosten, da diese im Gegensatz zur Feststellung im Bescheid vom Dienstgeber nicht berücksichtigt worden seien. Die Bw. begründete dies zusammengefasst damit, dass sie nur im 1. Halbjahr 2010 einen Entgeltfortzahlungsanspruch iHv rund EUR 14.800,00 brutto gehabt habe, der Lohnzettel aber ein Bruttogehalt von EUR 28.654,00 ausweise und sich die Differenz auf die stornierten Bezüge im 2. Halbjahr 2010 beziehe.

Das Finanzamt wies die Berufung der Bw. mit Berufungsvorentscheidung gem. § 276 BAO vom als unbegründet ab. Als Begründung wurde angeführt, dass im nunmehr vorliegenden Jahreslohnkonto 2010 der bezugsauszahlenden Stelle der Bw. (dem C-rat für D) Bruttobezüge für den Zeitraum 1.1. bis iHv EUR 48.617,71 ausgewiesen sind. Im gleichen Jahreslohnkonto sind Aufrollungen bzw. Rückverrechnungen, die in den Monaten März bis November 2010 für das Kalenderjahr 2010 erfolgten, in Höhe von insgesamt EUR 19.963,70 verbucht. Daraus ergibt sich ein Saldo von EUR 28.654,01. Dieser Betrag sei als Bruttobezug im Sinne der gesetzlichen Bestimmungen in den Jahreslohnzettel aufzunehmen. Der beim Finanzamt vorliegende Lohnzettel weise diesen Betrag auf und sei somit korrekt erstellt bzw. gemeldet worden. Die von der Bw. rückgezahlten, aber ihrer Ansicht nach nicht im Lohnzettel berücksichtigten Bezüge seien somit sehr wohl berücksichtigt worden.

Die Bw. beantragte in der Folge mit Anbringen vom die Entscheidung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz. Sie widerspricht der Berufungsvorentscheidung, weil die Meldung der Bruttobezüge durch den C-rat nicht mit den einzelnen Monatsabrechnungen und auch nicht mit den ihr gesetzlich zustehenden Bezügen, die sich für das Kalenderjahr 2010 auf EUR 15.181,36 zuzüglich einer Bruttozahlung für das Jahr 2009 iHv EUR 315,67 belaufen, übereinstimmen. Der Einkommensteuerbescheid 2010 berücksichtige neben den korrekten Zahlungen auch die irrtümlich im Februar 2011 zur Auszahlung gelangten Bruttobezüge für bis iHv EUR 12.384,74. Dieser Fehler wurde mehr als eine Woche vor Überweisung des entsprechenden Nettobetrages von der Schuldirektion der Bw. erkannt und dem C-rat gemeldet. Noch vor Erhalt des Betrages wurde der Bw. mitgeteilt, dass dieser rückgefordert werden würde. Im März 2011 sei die Rückverrechnung vorgenommen worden, die Monatsabrechnung März 2011 enthalte neben vielen Stornobuchungen auch die Zeile "YSTV LSt-Bem. Nachtrag Vorjahr 03/2011 - 10.393,30". Der Bescheid für 2010 berücksichtige neben den korrekten Zahlungen auch diese irrtümliche Nachverrechnung im Februar 2011, nicht jedoch den zugehörigen "LSt-Bem. Nachtrag Vorjahr", obwohl die Auszahlung 46 Tage nach dem Jahr 2010 und zu einem Zeitpunkt erfolgte, da - sowohl dem Dienstgeber als auch der Bw. die Unrechtmäßigkeit dieser Zahlung bekannt war, - die Rückverrechnung der Fehlbuchung im Februar 2011 vom Dienstgeber als "LSt-Bem. Nachtrag Vorjahr" verbucht und somit für die Lohnsteuer zu berücksichtigten wäre. Der angefochtene Bescheid ordne eine irrtümliche Zahlung von über EUR 10.000,00 dem Einkommen im Jahr 2010 zu, wodurch sich die Lohnsteuer 2010 um rund EUR 4.500,00 erhöhe. Da die Bw. unfallbedingt in Teilzeit gehen musste, rechne sie für 2011 nur mit einer Lohnsteuerbemessungsgrundlage von rund EUR 20.000,00. Eine Zuordnung der Rückbuchung zum Jahr 2011 würde ihre Lohnsteuer 2011 um rund EUR 2.500,00 reduzieren. Daher müsse sie für den Fehler des C-rates rund EUR 2.000,00 Strafe zahlen. Sie ersuche daher um eine Berufungsentscheidung, die sie nicht für den Fehler ihres Dienstgebers bestrafe.

Das Finanzamt legte am dem UFS die Berufung zur Entscheidung vor.

Der UFS stellte in der Folge auf Grund der Aktenlage den entscheidungswesentlichen Sachverhalt fest und kam zu seiner im Erwägungsteil beschriebenen Rechtsansicht, dass es sich bei den im Februar 2011 irrtümlich ausbezahlten Bezügen für 09-12/2010 nicht um solche des Vorjahres handelt . Da diese Bezüge im vom Arbeitgeber gemeldeten Lohnzettel 2010 enthalten waren, nach der Rechtsansicht des UFS jedoch zu Unrecht, war eine Berichtigung des Lohnzetteldaten 2010 erforderlich. Der UFS erstellte auf Basis des im Akt für die Bw. liegenden Jahreslohnkonto 2010 sowie der von der Bw. vorgelegten Monatslohnabrechnungen Jänner bis März 2011 berichtigte Lohnzetteldaten für 2010, in dem er die irrtümlich im Februar 2011 für 09-12/2010 ausbezahlten Bezüge von den ursprünglichen Lohnzetteldaten abzog. Da diesbezüglich Differenzen auftraten, wendete sich der UFS unter Bekanntgabe des Sachverhalts und seiner Rechtsansicht zu deren Klärung an den C-rat für D als die für die Bw. zuständige lohnabrechnende Stelle. Der C-rat beantwortete das Auskunftsersuchen und übermittelte die angeforderten berichtigten Lohnzetteldaten für 2010. Das Auskunftsersuchen wie dessen Beantwortung wurden der Bw. sowie dem Finanzamt samt Beilagen zur Stellungnahme übermittelt. Die Bw. teilte mit, dass sie mit der im Auskunftsersuchen dargestellten Sach- und Rechtslage einverstanden sei. Das Finanzamt wendete sich mit Schreiben vom gegen die Rechtsansicht des UFS. Nach Ansicht des Finanzamtes stellen die irrtümlich ausbezahlten Bezüge solche für das Vorjahr iSd § 79 Abs. 2 EStG 1988 dar, weil es nach dieser Bestimmung nicht darauf ankomme, ob ein Rechtsanspruch auf die Bezüge bestehe. Gerade die Tatsache, dass die Beträge für den Zeitraum 09 bis 12/2010 zurückgefordert wurden, weil irrtümlich angenommen wurde, dass für diesen Zeitraum ein Rechtsanspruch gegenüber dem Arbeitgeber gegeben war, zeige, dass die Auszahlung weder willkürlich erfolgte, noch wahllos einem Zeitraum zugeordnet wurde.

Von beiden Parteien unbestritten sind die Zahlen, die den berichtigten Lohnzetteldaten 2010 zugrunde liegen.

Über die Berufung wurde erwogen:

1. Streitpunkt:

Im vorliegenden Berufungsfall ist strittig, ob die Anfang Februar 2011 irrtümlich für die Monate September bis Dezember 2010 ausbezahlten Bezüge noch in der Lohnverrechnung für 2010 und damit im Lohnzettel 2010 oder im Jahr der Auszahlung und Rückverrechnung im 2011 zu berücksichtigen sind.

2. Sachverhalt:

Aus dem Akteninhalt ergibt sich nachfolgender unstrittiger Sachverhalt, der der Berufungsentscheidung zugrunde gelegt wird.

Die Bw. steht als Lehrkraft am GymnasiumE im Bundesdienst und ist bei der Bundesversicherungsanstalt für öffentliche Bedienstete (im folgenden "BVA") krankenversichert.

Die Bw. wurde Ende 2009 schwer verletzt und war unfallbedingt von bis im Krankenstand und nahm erst ab wieder ihren Dienst auf. Im relevanten Berufungsjahr 2010 hatte sie Anspruch auf folgende Bezüge:

• vom bis einen vollen Entgeltfortzahlungsanspruch gegenüber ihrem Arbeitgeber, daher hatte sie keinen Anspruch auf Krankengeld,

• vom bis einen halben Entgeltfortzahlungsanspruch gegenüber ihrem Arbeitgeber, daher hatte sie Anspruch auf das halbe Krankengeld gegenüber der BVA

• vom bis keinen Entgeltfortzahlungsanspruch gegenüber ihrem Arbeitgeber, daher hatte sie Anspruch auf das volle Krankengeld gegenüber der BVA,

• ab Anspruch auf das "normale" Arbeitsentgelt, weil die Bw. ihren Dienst als Lehrkraft beim GymnasiumE wieder aufgenommen hat.

Im Jahr 2010 wurden vom Arbeitgeber der Bw. irrtümlicherweise für die Monate September bis November 2010 Monatsbezüge iHv EUR 10.940,19 ausbezahlt, obwohl die Bw. in diesem Zeitraum nur mehr einen Entgeltanspruch gegenüber der BVA hatte. Mit Schreiben des C-rates für D vom wurde die Bw. zur Rückzahlung des Übergenusses aufgefordert. Mittels zweier Banküberweisungen am ist sie dieser Aufforderung in voller Höhe nachgekommen.

Mit der Anweisung des Monatsbezuges Februar 2011 wurden wiederum Bezüge für den Zeitraum September 2010 bis iHv EUR 12.747,14 brutto ausbezahlt, in dem die Bw. keinen Entgeltanspruch gegenüber ihrem Arbeitgeber mehr hatte. Diese zum zweiten Mal irrtümlich abgerechneten Bezüge wurden als Bezüge des Vorjahres gem § 79 Abs 2 EStG behandelt, weil sie bis zum 15. Februar ausgezahlt worden sind. Sie wurden daher in das Lohnkonto der Bw. und in ihren Lohnzettel für das Jahr 2010 aufgenommen, die darauf entfallende Lohnsteuer wurde als Lohnsteuer für das Vorjahr ausgewiesen.

Aus der März 2011 Lohnabrechnung ist ersichtlich, dass es zu einer Rückverrechnung der Bezüge für 09-12/2010 gekommen ist. Diese Rückverrechnung ist nicht im Lohnzettel 2010 berücksichtigt.

Zu beiden irrtümlichen Zahlungen ist es aufgrund einer irrtümlichen Löschung des Krankenstandes der Bw. durch die Schulverwaltung im Lohndatensystem gekommen. Die Lohnverrechnung der an dieser Schule beschäftigten Lehrer wird durch den C-rat für D vorgenommen. Deren Lohnabrechnung basiert auf den Eingaben der Schulverwaltung und ging daher im Zeitpunkt der Lohnabrechnung von der Richtigkeit der der Abrechnung zugrundeliegenden, im System eingetragenen Daten aus.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1.

Die im Februar 2011 ausbezahlten Bezüge für 09-12/2010 wurden irrtümlich, dh. ohne Rechtsgrund, an die Bw. geleistet. Sie hatte für den genannten Zeitraum wegen der Dauer der Dienstunfähigkeit keinen Entgeltfortzahlungsanspruch mehr gegenüber ihrem Arbeitgeber.

Nach § 25 Abs. 1 Z 1 lit a iVm Abs. 2 EStG 1988 sind Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (Arbeitslohn) Bezüge und Vorteile aus einem bestehenden oder früheren Dienstverhältnis, dabei ist es unmaßgeblich, ob auf sie ein Rechtsanspruch besteht.

Arbeitslohn ist jedweder geldwerte Vorteil, der durch das individuelle Dienstverhältnis veranlasst ist. Eine solche Veranlassung liegt vor, wenn der Vorteil nur gewährt wird, weil der Zuwendungsempfänger Arbeitnehmer des Arbeitgebers ist, der Vorteil also mit Rücksicht auf das Dienstverhältnis eingeräumt wird, und sich die Leistung des Arbeitgebers im weitesten Sinne als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft erweist. Dabei genügt die tatsächliche Veranlassung der Einnahmen durch das Dienstverhältnis (Renner, Rechtsgrundlose Zahlungen des Arbeitgebers als Arbeitslohn, SWK 2006, S 779 ff, der die BFH-Entscheidung BFH VI R 19/03 vom bespricht). Da es sich hierbei um einen objektiven Veranlassungszusammenhang handelt, liegt Arbeitslohn auch dann vor, wenn der Arbeitgeber ohne Rechtsgrund leistet. Der objektive Veranlassungszusammenhang wird nicht dadurch aufgelöst, dass der Arbeitgeber den rechtsgrundlos geleisteten Arbeitslohn zurückfordert (Doralt, EStG, 12. Auflage, § 25 Tz 12). Daher ist für die Frage des Zuflusses von Arbeitslohn unerheblich, ob Zahlungen des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer bei diesem verbleiben können (Renner, aaO, SWK, S 779ff).

Die rechtsgrundlos bezahlten Bezüge für 09-12/2010 sind daher den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gem § 25 EStG 1988 zuzuordnen. Die Bw. bezog somit sowohl mit den vorliegend relevanten Einkünften von ihrem Dienstgeber (Arbeitsentgelt bzw. Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall) als auch mit den Bezügen von der BVA (Krankengeld) Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§25 Abs 1 lit a und lit c EStG).

3.2.

3.2.1. Die zeitliche Zuordnung dieser Einnahmen bestimmt sich nach § 19 Abs. 1 EStG 1988 idgF. Die Grundregel lautet, dass Einnahmen in jenem Kalenderjahr bezogen sind, in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind (§ 19 Abs. 1 1.Satz EStG). Nach der Grundregel hat die Bw. im Februar 2011 die tatsächliche und rechtliche Verfügungsmacht über die zweite irrtümliche Auszahlung der Bezüge für 09-12/2010 durch ihren Arbeitgeber erlangt. Die Bezüge sind der Bw. daher nach der Grundregel des § 19 Abs. 1 1.Satz EStG im Februar 2011 zugeflossen und wären damit im Lohnzettel des Kalenderjahres 2011 zu berücksichtigen.

3.2.2. Eine Ausnahme von der Grundregel sieht § 19 Abs. 1 EStG 1988 idF des AbgSiG 2007, BGBl I 2007/99 für Bezüge gemäß § 79 Abs. 2 EStG vor: "Bezüge gemäß § 79 Abs. 2 gelten als im Vorjahr zugeflossen. Die Lohnsteuer ist im Zeitpunkt der tatsächlichen Zahlung einzubehalten. Für das abgelaufene Kalenderjahr ist ein Lohnzettel gemäß § 84 EStG an das Finanzamt zu übermitteln."

§ 79 Abs. 2 EStG idF AbgSiG 2007, BGBl I 2007/99 lautet: "Werden Bezüge für das Vorjahr nach dem 15. Jänner bis zum 15. Februar ausgezahlt, ist die Lohnsteuer bis zum 15. Februar als Lohnsteuer für das Vorjahr abzuführen. § 67 Abs 8 lit c ist nicht anzuwenden." Diese Bezüge sind in das Lohnkonto und in den Lohnzettel des Vorjahres aufzunehmen.

Zeitlich werden daher Auszahlungen iZm Arbeitseinkünften, die im Folgejahr bis zum 15. Februar erfolgen, nur dann dem Vorjahr zugeordnet, wenn es sich um Bezüge für das Vorjahr handelt.

3.2.3. Eine Definition, welche Bezüge solche für das Vorjahr darstellen, lässt sich weder dem Gesetz noch der Rechtsprechung entnehmen.

Beide zitierten Bestimmungen (§ 19 Abs. 1 und § 79 Abs. 2 EStG 1988) betreffend Bezüge für das Vorjahr wurden mit dem Abgabensicherungsgesetz 2007, BGBl I 2007/99 mit Wirkung ab neu eingeführt. Die Erläuternden Bemerkungen (270 der Beilagen XXIII.GP - Regierungsvorlage - Material) halten im Besonderen Teil hierzu unter anderem fest: "In der Praxis kommt es häufig vor, dass in einem so genannten 13. Lohnabrechnungslauf im Folgejahr Aufrollungen und Nachträge für das Vorjahr abgerechnet werden. Dabei handelt es sich meist um die Zahlung von Überstunden für das Vorjahr und anderer laufender oder sonstiger Bezüge, die sozialversicherungsrechtlich dem Vorjahr zuzurechnen sind. Durch die Gesetzesänderung sollen diese bis zum 15. Februar des Folgejahres durch den Arbeitgeber vorgenommenen Nachverrechnungen auch steuerlich dem Vorjahr zugerechnet werden.

Durch die Neuregelung hat der Arbeitgeber für Bezüge, die das Vorjahr betreffen und die nach dem 15. Jänner bis zum 15. Februar ausgezahlt werden, die Lohnsteuer bis zum 15. Februar abzuführen. Die Lohnsteuer für diese Bezüge soll als Lohnsteuer des Vorjahres ausgewiesen werden. Weiters sind diese Bezüge in das Lohnkonto und in den Lohnzettel des Vorjahres aufzunehmen. (...)."

Die in den Erläuternden Bemerkungen genannten Beispiele zeigen, dass unter Vorjahresbezügen lediglich Bezüge gemeint sein können, denen eine vom Arbeitnehmer im Vorjahr erbrachte Leistung zugrunde liegt, auf deren Gegenleistung, das Entgelt, der Arbeitnehmer bereits im Vorjahr einen Rechtsanspruch erworben hat. Eine sozialversicherungsrechtliche Zuordnung von Bezügen zum Vorjahr setzt nach § 44 Abs. 1 ASVG nämlich voraus, dass dem Pflichtversicherten der Arbeitsverdienst für diesen Zeitraum, also das Vorjahr, gebührt. Maßgebend ist daher jenes Entgelt, auf dessen Bezahlung bei Fälligkeit des Sozialversicherungsbeitrages ein Rechtsanspruch besteht. Ob ein derartiger Anspruch auf einen Geld- oder Sachbezug besteht, ist nach zivilrechtlichen (arbeitsrechtlichen) Grundsätzen zu beurteilen.

Daher können "Bezüge für das Vorjahr" nach Ansicht des Unabhängigen Finanzsenates nur solche im Nachhinein für das Vorjahr ausbezahlten Bezüge sein, auf die der Steuerpflichtige bereits im Vorjahr einen zivilrechtlichen (arbeitsrechtlichen) Rechtsanspruch erworben hat. Daneben könnten allenfalls noch solche Bezüge als Bezüge des Vorjahres anzusehen sein, die zumindest wirtschaftlich zum Vorjahr gehören (zB. freiwillige gewährte Erfolgsprämie für das Vorjahr).

Im vorliegenden Berufungsfall wurde die Auszahlung der Bezüge für 09-12/2010 mit der Februar 2011 Lohnabrechnung - zum zweiten Mal - irrtümlich vorgenommen. Auf diese Bezüge hatte die Bw., wie aus dem Sachverhalt hervorgeht, keinen Rechtsanspruch, weil der Entgeltfortzahlungsanspruch in den Monaten September 2010 bis gegenüber ihrem Arbeitgeber bereits aufgrund des langen Krankenstandes erschöpft war. Unmaßgeblich ist, dass die für die Bw. zuständige lohnverrechnende Stelle auf der Grundlage des ihr im Februar 2011 vorgelegenen Wissenstandes - durch die Löschung des Krankenstandes wurde ihr gegenüber bekannt gegeben, die Bw. hätte in den Monaten September bis wieder den Dienst angetreten - die Lohnabrechnung subjektiv richtig vorgenommen hat. Der Unabhängige Finanzsenat hat den Rechtsfall auf Basis der im Sachverhalt festgestellten, tatsächlichen Umstände zu beurteilen.

Der Unabhängige Finanzsenat ist weiters der Ansicht, das dann, wenn der Arbeitgeber irrtümlich Bezugsbestandteile auszahlt, die er dem Arbeitgeber nicht gewähren wollte, eine Zuordnung der ausbezahlten Bezüge zu bestimmten Monaten des Vorjahres insoweit als zufällig anzusehen ist und daher diese Zuordnung auch nicht den wirtschaftlich notwendigen Konnex zum Vorjahr schaffen kann.

3.3. Im Berufungsfall liegen daher für die im Februar 2011 ausbezahlten Bezüge für September 2010 bis keine Bezüge für das Vorjahr vor, weil die Bw. auf diese Bezüge keinen Rechtsanspruch hatte und sie auch nicht wirtschaftlich zum Jahr 2010 gehören.

Es greift daher die Sonderregel über den Zufluss gemäß § 19 Abs. 1 EStG iVm § 79 Abs 2 EStG nicht. Vielmehr findet die Grundregel des § 19 Abs 1 1. Satz EStG Anwendung (Zuflussprinzip). Die irrtümlich ausbezahlten Bezüge 09-12/2010 sind im Jahr 2011 zugeflossen und sind demnach auch im Jahr 2011 im Lohnzettel zu berücksichtigen. Der vom Arbeitgeber ursprünglich erstellte Lohnzettel für 2010 mit Bruttobezügen iHv EUR 28.654,01 war daher dahingehend zu berichtigen, dass die zum zweiten Mal irrtümlich ausbezahlten Bezüge iHv EUR 12.747,14 aus dem beim Finanzamt eingereichten Lohnzettel auszuscheiden waren. Die Höhe der auszuscheidenden Bezüge bzw. die Höhe der in den berichtigten Lohnzetteldaten 2010 verbleibenden Bezüge iHv EUR 15.906,87 ist zwischen den Parteien unstrittig.

Im Gegenzug sind die von der Bw. beantragten Werbungskosten iHv EUR 10.940,19 nicht anzuerkennen, da die Rückverrechnung der irrtümlich geleisteten Bezüge für 09-12/2010 erst im Jahr 2011 erfolgt ist. Auch für Ausgaben gilt als Grundregel, dass sie in dem Kalenderjahr abzusetzen sind, in dem sie geleistet worden sind (§ 19 Abs. 2 EStG).

Durch die Berichtigung des Lohnzetteldaten für 2010 ändert sich der Einkommensteuerbescheid 2010 vom .

Hingewiesen wird darauf, dass aufgrund dieser Berufungsentscheidung auch der Lohnzettel der Bw. für das Jahr 2011 zu berichtigen ist.

Beilage: 1 Berechnungsblatt

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Verweise
BFH , VI R 19/03
Zitiert/besprochen in
ARD 6259/10/2012
UFS Newsletter 2012/04
StExp 2012/314

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at