NeuFöG bei ruhend gemeldetem Gewerbe
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw., gegen den Bescheid des Finanzamtes für Gebühren und Verkehrsteuern Wien vom , ErfNr. betreffend Stempelgebühr und Erhöhung entschieden:
Der Berufung wird Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.
Entscheidungsgründe
Auf Grund eines von der Bezirkshauptmannschaft Horn aufgenommenen amtlichen Befundes über eine Verkürzung von Stempelgebühren setzte das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern Wien (FAG) gegenüber dem Berufungswerber (Bw.) mit Gebührenbescheid vom für eine Gewerbeanmeldung (Werbegrafiker) vom gemäß § 14 TP 6 Abs. 2 GebG eine Gebühr von € 43,00 und für einen gemäß § 340 GewO zwecks Verständigung der Eintragung im Gewerberegister übermittelten Gewerberegisterauszug vom eine Gebühr gemäß § 14 TP 4 Abs. 1 Z 2 GebG von € 6,50 sowie eine Gebührenerhöhung gemäß § 9 Abs. 1 GebG von € 24,75 fest.
In der dagegen rechtzeitig eingebrachten Berufung wendete der Bw. im Wesentlichen ein, er habe im Jänner 2005 den Gewerbeschein für eine Werbeagentur beantragt. Da er noch nie eine Firma bzw. einen Gewerbeschein gehabt habe, habe er als Jungunternehmer die Befreiung von den Gebühren beantragt. Aus unüberbrückbaren Meinungsverschiedenheiten habe sich sein Geschäftspartner, der eine eigene Firma habe, und der Bw. getrennt. Aus diesem Grund und damit keine Kosten bei der Sozialversicherung entstünden bzw. damit er keine Schwierigkeiten mit dem Arbeitsmarktservice habe, habe er auf Anraten der Handelskammer den Gewerbeschein still bzw. ruhend gemeldet.
Gegen die abweisende Berufungsvorentscheidung brachte der Bw. einen Vorlageantrag ein.
Auf Grund der in der Berufungsvorentscheidung nicht beachteten Behauptung des Bw., er habe eine Befreiung von den Gebühren beantragt, erfolgte eine Rückfrage des unabhängigen Finanzsenates bei der Bezirkshauptmannschaft Horn. Aus dem von der Bezirkshauptmannschaft Horn übermittelten Telefax geht hervor, dass diese dem Bw. mit ein Schreiben betreffend die Gewerbeanmeldung als Werbegrafiker mit auszugsweise folgendem Inhalt übermittelte:
"................................ Sie haben am das oben angeführte Gewerbe angemeldet und bei dieser Anmeldung die Begünstigung des Neugründungs-Förderungsgesetzes (NEUFÖG) in Anspruch genommen. Da Sie jedoch nach der Ausfertigung des Gewerbescheines bzw. Übermittlung des Registerauszuges rückwirkend mit dem Tag des Entstehens der Berechtigung das Ruhen der Gewebeausübung angezeigt haben, treffen für Sie die Voraussetzungen des NEUFÖG nicht zu und werden Sie aufgefordert, binnen vier Wochen die Kosten (Gebühren und Verwaltungsabgabe) für die Gewerbeanmeldung im Gesamtbetrag von € 51,60 mit beiliegendem Zahlschein zu überweisen. ............................."
Weiters übermittelte die Bezirkshauptmannschaft Horn dem UFS eine Telekopie eines zur Vorlage bei der Bezirkshauptmannschaft Horn vom Bw. als Betriebsinhaber und auf die Inanspruchnahme der Befreiung von den Stempelgebühren und Bundesverwaltungsabgaben erstellten Formblattes NeuFö 1 vom . Als Zeitpunkt der Neugründung des Betriebes des Bw. ist der Jänner 2005 angegeben. Das Formblatt beinhaltet die Bestätigung der Wirtschaftskammer Niederösterreich, dass die Erklärung der Neugründung unter Inanspruchnahme der Beratung der Wirtschaftkammer Niederösterreich erfolgte, sowie eine Bestätigung über den Nachweis der kaufmännischen Kenntnisse des Bw.
Über die Berufung wurde erwogen:
Nach Maßgabe der Bestimmungen im II. Abschnitt des GebG unterliegen Ansuchen um Erteilung einer Befugnis oder die Anerkennung einer Befähigung oder sonstigen gesetzlichen Voraussetzung zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit auf Grund des § 14 TP 6 Abs. 2 GebG in der hier maßgeblichen Fassung (in der Folge: GebG) einer erhöhten Eingabengebühr von 43 Euro, und auf Grund des § 14 TP 4 Abs. 1 Z 2 GebG ua. Auszüge aus Registern einer festen Gebühr von € 6,50 von jedem Bogen.
Gemäß § 1 Z 1 NeuFöG werden zur Förderung der Neugründung von Betrieben nach Maßgabe der §§ 2 bis 6 Stempelgebühren und Bundesverwaltungsabgaben für die durch eine Neugründung unmittelbar veranlassten Schriften und Amtshandlungen nicht erhoben.
In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage des Steuerreformgesetzes 2000 (1766 BlgNR 20. GP) ist dazu Folgendes ausgeführt:
"Im Interesse der Neugründung von Betrieben sollen für die unmittelbar durch die Gründung veranlaßten Vorgänge Steuer- und Gebührenbefreiungen vorgesehen werden. Überdies sollen bestimmte lohnabhängige Abgaben bzw. Beiträge im Gründungsjahr entfallen. Die Befreiung von Stempelgebühren sowie von den Bundesverwaltungsabgaben ist nur insoweit gegeben, als es sich um steuerpflichtige Vorgänge handelt, die unmittelbar und konkret dem Gründungsvorgang zuzurechnen sind. Dem Gründungsvorgang bloß mittelbar dienende Vorgänge fallen nicht unter die Befreiung. Demgemäß wird für den Bereich des Gebührengesetzes auch nur eine Befreiung von Stempelgebühren vorgesehen. Die dem Gründungsvorgang mittelbar dienenden Rechtsgeschäfte, wie zB die Aufnahme von Darlehen oder Krediten sowie der Abschluß von Bestandsverträgen, bleiben daher gebührenpflichtig. Auf dieser Basis kommt im Bereich der Gebühren nach dem Gebührengesetz eine Freistellung insbesondere von Gebühren nach § 14 Tarifpost 2 Abs. 1 Z 1 und 2, § 14 Tarifpost 6 Abs. 1 und 2 sowie § 14 Tarifpost 5 und Tarifpost 14 in Betracht. Bei den Bundesverwaltungsabgaben erstreckt sich die Befreiung insbesondere auf unmittelbar gründungsbedingte Konzessionserteilungen, Niederlassungsbewilligungen, Genehmigungen zur Berufstätigkeit, Bewilligungen zur Betriebserrichtung, Feststellungsbescheide betreffend Vorliegen der Voraussetzungen für ein Anmeldungsgewerbe, Nachsichten von Berufszulassungserfordernissen, Zurkenntnisnahme von Anzeigen über die Geschäftsführerbestellung uä."
Nach § 1 Abs. 1 der Verordnung zum Neugründungsförderungsgesetz, BGBl II Nr. 278/1999, sind Schriften und Amtshandlungen im Sinne des § 1 Z 1 NeuFöG unmittelbar durch eine Neugründung veranlasst, wenn sie in einem konkreten Zusammenhang mit der Neugründung eines Betriebes (§ 2 NeuFöG) stehen. Fallen Schriften und Amtshandlungen im Zusammenhang mit allgemeinen persönlichen Qualifikationserfordernissen oder allgemeinen sachlichen Erfordernissen an, sind sie nicht unmittelbar durch die Neugründung veranlasst, und zwar auch dann nicht, wenn sie im Vorfeld einer Neugründung erforderlich sind.
Nach § 2 NeuFöG liegt die Neugründung eines Betriebes unter folgenden Voraussetzungen vor: 1. Es wird durch Schaffung einer bisher nicht vorhandenen betrieblichen Struktur ein Betrieb neu eröffnet, der der Erzielung von Einkünften im Sinne des § 2 Abs. 3 Z 1 bis 3 des Einkommensteuergesetzes 1988 dient. 2. Die die Betriebsführung innerhalb von zwei Jahren nach der Neugründung beherrschende Person (Betriebsinhaber) hat sich bisher nicht in vergleichbarer Art beherrschend betrieblich betätigt. 3. Es liegt keine bloße Änderung der Rechtsform in Bezug auf einen bereits vorhandenen Betrieb vor. 4. Es liegt kein bloßer Wechsel in der Person des Betriebsinhabers in Bezug auf einen bereits vorhandenen Betrieb durch eine entgeltliche oder unentgeltliche Übertragung des Betriebes vor. 5. Es wird im Kalendermonat der Neugründung und in den folgenden elf Kalendermonaten die geschaffene betriebliche Struktur nicht durch Erweiterung um bereits bestehende andere Betriebe oder Teilbetriebe verändert.
Nach § 3 NeuFöG gilt als Kalendermonat der Neugründung jener, in dem der Betriebsinhaber erstmals werbend nach außen in Erscheinung tritt.
Unter einem Betrieb im Sinne des § 2 Z 1 NeuFöG ist nach § 2 Abs. 1 der Verordnung zum Neugründungs-Förderungsgesetz, BGBl II Nr. 278/1999, die Zusammenfassung menschlicher Arbeitskraft und sachlicher Betriebsmittel in einer organisatorischen Einheit zu verstehen. Ein Betrieb wird neu eröffnet, wenn die für den konkreten Betrieb wesentlichen Betriebsgrundlagen neu geschaffen werden. Nach § 3 dieser Verordnung tritt der Betriebsinhaber erstmals nach außen werbend in Erscheinung (Zeitpunkt der Neugründung), wenn die für den Betrieb typischen Leistungen am Markt angeboten werden.
Bei Betrachtung der einzelnen Befreiungsbestimmungen des § 1 NeuFöG ist erkennbar, dass der Gesetzgeber darin durchaus unterschiedliche Vorgänge von den angeführten Abgaben befreit hat, und zwar spezifisch nach der jeweiligen Abgabenart. So ist etwa im Zusammenhang mit der Befreiung von der Grunderwerbsteuer (Z 2), den Grundbuchsgebühren (Z 4), der Gesellschaftsteuer (Z 5) und der Börsenumsatzsteuer (Z 6) von der "Neugründung der Gesellschaft" die Rede, während die Befreiung von den Firmenbuchgebühren von der "Neugründung des Betriebs" abhängig ist. Diese Differenzierung ist durchaus als vom Gesetzgeber gewollt anzusehen. Wenngleich das NeuFöG selbst im § 1 Z 1 nur von einer "Neugründung" spricht, bezieht sich der die Gebührenbefreiung für Schriften näher regelnde § 1 Abs 1 der dazu erlassenen Verordnung BGBl II Nr. 278/1999 ausdrücklich auf die "Neugründung eines Betriebs" iS des (hier in der Verordnung besonders angeführten) § 2 NeuFöG. Daraus folgt aber, dass für die Gebührenbefreiung zu beurteilen ist, ob es zu einer Neugründung des Betriebes gekommen ist ().
Der Verwaltungsgerichtshof verweist in diesem Erkenntnis im Besonderen auf § 2 Abs. 1 der oa. Verordnung, wonach ein Betrieb neu eröffnet wird , wenn die für den konkreten Betrieb wesentlichen Betriebsgrundlagen neu geschaffen werden.
Bei einer Gewerbeberechtigung handelt es sich nicht um eine allgemeine persönliche Qualifikationsanforderung oder ein allgemein sachliches Erfordernis im Sinne des 2. Satzes des § 1 Abs. 1 der oa. Verordnung, sondern um eine wesentliche Betriebsgrundlage. Dazu wird auf die oben zitierten Erläuterungen zur Regierungsvorlage des Steuerreformgesetzes 2000 verwiesen. Auch nach den für den UFS mangels normativer Wirkung unverbindlichen, als Auslegungsbehelf zum NeuFöG ergangenen Richtlinien des Bundesministerium für Finanzen vom (Rz. 5 bis 7, sowie Rz 147 und 148) fällt eine Gewerbeanmeldung sowie ein gemäß § 340 GewO zwecks Verständigung der Eintragung im Gewerberegister übermittelter Auszug aus dem Gewerberegister unter die Befreiung nach § 1 Z 1 NeuFöG, wenn diese im konkreten Zusammenhang mit der Neugründung eines Betriebes stehen.
Die Schaffung der wesentlichen Betriebsgrundlagen für einen konkreten Betrieb stellt den Gründungsvorgang im Sinne der Erläuterungen zur Regierungsvorlage des Steuerreformgesetzes 2000 dar, der abgeschlossen ist, wenn die für den Betrieb typischen Leistungen am Markt angeboten werden. Die Erlangung der Gewerbeberechtigung, welche Teil dieses Gründungsvorganges ist, ist wohl regelmäßig dem "Zeitpunkt der Neugründung" im Sinne des § 3 NeuFöG vorgelagert. Somit liegt auch der Zeitpunkt des Entstehens der Gebührenschuld, welcher auf Grund des § 11 GebG für das Gewerbeansuchen mit Zustellung des Gewerberegisterauszuges nach § 340 GewO und für den Gewerberegisterauszuges mit dessen Aushändigung entsteht, vor dem "Zeitpunkt der Neugründung".
Insbesondere bei Verkehrsteuern gilt der Grundsatz, dass die einmal entstandene Steuerpflicht durch nachträgliche Ereignisse nicht wieder beseitigt werden kann. Der Zeitpunkt, an dem die Steuerschuld -grundsätzlich- entsteht, ist auch für die Beurteilung der Voraussetzungen einer Steuerbefreiung von Bedeutung ().
Maßgeblich für die Beurteilung, ob die Gewerbeanmeldung und die dazu ergangene behördliche Erledigung nach § 340 GewO gemäß § 1 Z 1 NeuFöG von den Stempelgebühren befreit ist, ist demnach der vor dem Zeitpunkt der Neugründung gelegenen Zeitpunkt des grundsätzlichen Entstehens der Gebührenschuld.
Dem tragen auch die NeuFöG-Richtlinien in der Rz 93 Rechnung, indem sie auf die Anmeldung des Gewerbes in der Absicht zur tatsächlichen Ausübung des Gewerbes abstellen.
Aus dem von der Bezirkshauptmannschaft Horn mit Telefax vom übermittelten Unterlagen geht hervor, dass der Bw. die Begünstigungen des NeuFöG bei der Gewerbeanmeldung in Anspruch genommen hat, und dass die Erklärung der Neugründung mit dem Formblatt NeuFö 1 den Voraussetzungen des § 4 NeuFöG entsprochen hat.
Die Steuerschuld für die gegenständlichen Schriften entstand mit Zustellung des Gewerberegisterauszuges vom . Mit dieser, schriftlich ergangenen, das Verfahren abschließenden Erledigung erfolgte keine Mitteilung über eine Gebührenschuld. Die Notionierung durch die befundaufnehmende Bezirkshauptmannschaft erfolgte entsprechend einer späteren Mitteilung der Bezirkshauptmannschaft an den Bw., nämlich der vom , lediglich deshalb, weil der Bw. nach Übermittlung des Registerauszuges, also nach dem Zeitpunkt des Entstehens der Gebührenschuld, rückwirkend mit dem Tag des Entstehens der Berechtigung das Ruhen der Gewerbeausübung angezeigt hat. Für den Zeitpunkt des Entstehens der Gebührenschuld bestanden demnach aber keine Zweifel an der Erfüllung der Befreiungsvoraussetzungen.
Auf Grund der Erklärung zur Neugründung vom sowie auf Grund des Berufungsvorbringens, wonach der Bw. als Jungunternehmer die Befreiung von den Gebühren beantragte und die nachträgliche Ruhendmeldung des Gewerbes wegen Meinungsverschiedenheiten mit einem Geschäftspartner erfolgte, ist zu schließen, dass die Gewerbeanmeldung die Schaffung einer wesentlichen Betriebsgrundlage für einen konkreten Betrieb darstellte. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob nach der Erteilung der Gewerbeberechtigung die Neugründung dadurch abgeschlossen wurde, dass der Betriebsinhaber erstmals werbend nach außen in Erscheinung trat, zumal der Betriebsinhaber zum Zeitpunkt des Entstehens der Gebührenschuld die Absicht hatte einen Betrieb zu gründen und die Erlangung der Gewerbeberechtigung als Schaffung einer wesentlichen Betriebsgrundlage auf die Neugründung eines konkreten Betriebes gerichtet war.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Wien, am
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 1 Z 1 NeuFöG, Neugründungs-Förderungsgesetz, BGBl. I Nr. 106/1999 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at