Geschäftsführer-Haftung betreffend Kapitalertragsteuer
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des HP, vertreten durch HM, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Liezen vom betreffend Haftung gemäß § 9 iVm § 80 BAO entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Entscheidungsgründe
Der Berufungswerber (Bw.) war bis zum Juni 1999 Geschäftsführer der mit amtswegig im Firmenbuch gelöschten PG. Mit Bescheid vom wurde er zur Haftung für folgende Abgabenschulden dieser Gesellschaft herangezogen:
Kapitalertragsteuer 1-12/1990 in Höhe von 89.317,75 € Kapitalertragsteuer 1-12/1993 in Höhe von 23.816,78 €
Der Bw. war vor Erlassung des Haftungsbescheides mit Vorhalt vom unter Beilage einer Rückstandsaufgliederung vom um Bekanntgabe der zur Unterlassung der Abgabenentrichtung führenden Gründe, der Kassenein -und Ausgänge, einer Gegenüberstellung der Gesamtschulden der Gesellschaft und der vorhandenen Mittel sowie allenfalls nicht vereinnahmter Umsatzsteuerforderungen ersucht worden.
Dem Vorhalt wurde eine Rückstandsaufgliederung in Höhe von ATS 4.211.825,02 (=306.085,25 €) beigelegt, die neben den oben angeführten Kapitalertragsteuerbeträgen zahlreiche andere Beträge umfasste.
Diesen Vorhalt hatte der Steuerberater des Bw. mit dem Hinweis auf die Konkurseröffnung über das Vermögen der GesmbH im November 1996 und das Unvermögen der Gesellschaft zur Entrichtung der Abgabenschulden nach diesem Zeitpunkt beantwortet. Zur Frage, weshalb er nicht für die rechtzeitige Entrichtung der angefallenen Abgaben durch die Gesellschaft Sorge tragen konnte, machte er lediglich Ausführungen zum gesamten Rückstand, von welchem er die Nachforderung laut BP, Umsatzsteuer aus Veranlagungen 1995 und 1996, Lohnsteuer, DB, DZ sowie die USt 1998 in Abzug brachte. Von diesem Rückstand zog er Zahlungen im Jahr 1997 und im Jahr 1998 ab. Aus dem verbleibenden Rückstand behauptete er eine Schuldtilgungsrate aufgrund der vorhandenen Mittel von rund 37 %. Die Zahlungen seien mit den Schuldtilgungsraten gegenüber den übrigen Gläubigern zu vergleichen. Da dies jedoch eine entsprechende Bilanzierung der Wirtschaftjahre 1997 bis 1999 zur Folge hätte, müsse auf eine Nachreichung der diesbezüglichen Berechnung verwiesen werden. Aller Voraussicht nach sei gegenüber den übrigen Gläubigern hinsichtlich der Schuldentilgung keine wesentliche Besserstellung erfolgt.
Bezüglich der Kassenein- und - ausgänge wurde auf beiliegende Buchhaltungsausdrucke verwiesen. Hinsichtlich der nicht vereinnahmten Umsatzsteuerbeträge wurde auf eine noch zu erfolgende Bilanzierung der Jahre 1997 bis 1999 verwiesen. Grundsätzlich habe die PG aber uneinbringliche Forderungen gegenüber der PH und der PA in Millionenhöhe, was eine Umsatzsteuerberichtigung aufgrund einer notwendigen Forderungsabschreibung zur Folge haben werde.
Das Finanzamt begründete seinen Bescheid mit dem Hinweis auf die durch den Bw. als Geschäftsführer der Gesellschaft zu erfüllende Pflicht zur Einbehaltung und Abfuhr der Kapitalertragsteuer. Nach ständiger VwGH-Rechtsprechung werde bei Nichtabfuhr von Kapitalertragsteuer von einer schuldhaften Pflichtverletzung ausgegangen. Die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben bei der Primärschuldnerin stehe fest.
In der Berufung wandte der Bw. ein, die PG sei eine Holdinggesellschaft gewesen, deren Tochterfirmen sich überwiegend mit Installationstätigkeiten befassten. Die Einnahmen der Gesellschaft habe ausschließlich aus Verwaltungskosten, Vergütungen und Mietentgelten bestanden. Über das Vermögen mehrerer Tochtergesellschaften sei im Oktober 1996 das Konkursverfahren eröffnet worden. Dies habe zur Folge gehabt, dass die PG seit diesem Zeitpunkt über keine Einnahmen verfügt habe und somit auch nicht in der Lage gewesen sei, irgendwelche finanziellen Verpflichtungen zu erfüllen.
Mangels vorhandener Mittel sei es nicht möglich gewesen, gegen die haftungsbegründende Berufungsentscheidung vom das außerordentliche Rechtsmittel der VwGH-Beschwerde einzubringen.
Für die Geschäftsführerhaftung nach § 9 BAO sei maßgeblich, dass Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden könnten. Werde eine Abgabe nicht entrichtet, weil der Vertretene überhaupt keine liquiden Mittel habe, so verletze der Vertreter dadurch keine abgabenrechtliche Pflicht. Da die PG zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Kapitalertragsteuer weder Einnahmen noch liquide Mittel gehabt habe, erscheine die Inanspruchnahme des Bw. rechtswidrig.
Darüber hinaus verjähre nach § 238 BAO das Recht, eine fällige Abgabe einzuheben, binnen 5 Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in welchem die Abgabe fällig geworden ist. Spätestens zum liege daher Verjährung vor. Nach außen erkennbare, die Verjährung unterbrechende Amtshandlungen, seien nicht gegeben.
Das Finanzamt führte in der Berufungsvorentscheidung aus, der Gleichbehandlungsgrundsatz komme nach ständiger Rechtsprechung bei der Kapitalertragsteuer nicht zum Tragen. Damit sei (wie bei der Lohnsteuer) die Möglichkeit der haftungsausschließenden Verschuldensentkräftung durch den Nachweis nicht ausreichender Mittel nicht gegeben.
Die Pflicht zur Einbehaltung und Abfuhr der Kapitalertragsteuer sei unter der Sanktion des § 9 Abs. 1 BAO von den Vertretern der juristischen Person zu erfüllen.
Gemäß § 238 (2) BAO werde die Verjährung fälliger Abgaben durch jede zur Durchsetzung des Anspruches unternommene nach außen erkennbare Amtshandlung unterbrochen. Es sei weder erforderlich, dass es sich bei der die Verjährung unterbrechenden Amtshandlung um einen Bescheid handle, noch, dass der Abgabenschuldner davon Kenntnis erlange. Es komme auch nicht darauf an, ob die Amtshandlung geeignet sei, die Durchsetzung des Anspruches zu erreichen.
Bei einer persönlichen Vorsprache des Bw. am beim Finanzamt sei über die bestehende Haftung für die PH und die Haftungsinanspruchnahme für die PG gesprochen worden.
Beim zweiten Geschäftsführer seien im Jahr 2001 und 2002 Abfragen beim Hauptverband der Sozialversicherungsträger durchgeführt worden.
Im rechtzeitig eingebrachten Vorlageantrag erfolgten keine weiteren Vorbringen.
Aus den Akten ist ersichtlich, dass am eine Liquiditätsprüfung bei der PG und am eine Feststellung über die wirtschaftlichen Verhältnisse beim Bw. durchgeführt wurde.
Über die Berufung wurde erwogen:
1.)Schuldhafte Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten
Die in den §§ 80 ff. BAO bezeichneten Vertreter haften gemäß § 9 BAO neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.
Voraussetzung für die Haftung sind eine Abgabenforderung gegen den Vertretenen, die Stellung als Vertreter, die Uneinbringlichkeit der Abgabenforderung, eine Pflichtverletzung des Vertreters, dessen Verschulden an der Pflichtverletzung und die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit ().
Nach § 80 Abs. 1 BAO haben u.a. die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden. Nach ständiger Rechtsprechung hat der Vertreter darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich gewesen ist, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung im Sinne des § 9 Abs. 1 BAO angenommen werden darf (, m.w.N.).
Die Uneinbringlichkeit der Kapitalertragsteuer bei der PG ist unstrittig.
Bei Gewinnanteilen aus Anteilen an Gesellschaften mit beschränkter Haftung ist die Kapitalertragsteuer binnen einer Woche nach dem Zufließen der Kapitalerträge abzuführen. Die Kapitalertragsteuer für die Kapitalerträge der Jahre 1990 und 1993 war spätestens im Jänner 1991 für 1990 sowie im Jänner 1994 für 1993 abzuführen. Für die Abfuhr war der Bw. als einer der Geschäftsführer der PG verantwortlich.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es Sache des Geschäftsführers, die Gründe darzulegen, die ihn ohne sein Verschulden daran gehindert haben, die ihm obliegenden abgabenrechtlichen Verpflichtungen zu erfüllen, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung gemäß § 9 Abs. 1 BAO angenommen werden darf ().
Hinsichtlich der Abfuhrabgaben Lohnsteuer und Kapitalertragsteuer besteht eine Ausnahme vom Gleichbehandlungsgrundsatz ( Ritz, BAO3, § 9 Tz 11 und die dort zitierte Judikatur), weshalb gegenständlich nicht zu untersuchen ist, ob der Abgabengläubiger nicht schlechter gestellt wurde als andere Gläubiger. Der Bw. hat weder in der Berufung noch im Vorlageantrag zur Unterlassung der Abgabenentrichtung führende Gründe bekannt gegeben, sondern lediglich ausgeführt, dass die P GmbH seit dem Zeitpunkt der Konkurseröffnung über das Vermögen einiger Tochterfirmen im Oktober 1996 über keine Einnahmen verfügen konnte und nicht in der Lage war, irgendwelche finanziellen Verpflichtungen zu erfüllen. Auch nach Ergehen der Berufungsvorentscheidung, in welcher der Bw. auf die bereits in den Jahren 1991 und 1993 eingetretene Fälligkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben hingewiesen wurde, brachte er keine Gründe zur Rechtfertigung der Unterlassung der Abgabenentrichtung vor.
Der Bw. beging, da er nicht für die Entrichtung der auf die verdeckten Ausschüttungen entfallende Kapitalertragsteuer gesorgt hat, eine schuldhafte Pflichtverletzung, die für die Uneinbringlichkeit der Abgabe ursächlich war.
2.) Verjährung
Gemäß § 238 Abs. 1 BAO verjährt das Recht, eine fällige Abgabe einzuheben und zwangsweise einzubringen, binnen fünf Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in welchem die Abgabe fällig geworden ist, keinesfalls jedoch früher als das Recht zur Festsetzung der Abgabe. Die Verjährung fälliger Abgaben wird gemäß § 238 Abs. 2 BAO durch jede zur Durchsetzung des Anspruches unternommene, nach außen erkennbare Amtshandlung, wie durch Mahnung, durch Vollstreckungsmaßnahmen, durch Bewilligung einer Zahlungserleichterung oder durch Erlassung eines Haftungsbescheides unterbrochen. Mit Ablauf des Jahres, in welchem die Unterbrechung eingetreten ist, beginnt die Verjährungsfrist neu zu laufen.
Durch Erlassung der Haftungsbescheide betreffend Kapitalertragsteuer 1990 und 1993 gegenüber der PG im Jahr 1996 begann die Frist für die Verjährung des Einhebungsrechts nach § 238 Abs. 2 BAO am zu laufen und wäre mit abgelaufen.
Die durch die Erlassung eines Vorhalts an den Bw. im Jahr 1999 unterbrochene Verjährungsfrist begann mit neu zu laufen.
Mit dem Erkenntnis vom , 91/13/0037 hat der Verwaltungsgerichtshof seinen Standpunkt der personenbezogenen Wirkung von Unterbrechungshandlungen nicht mehr aufrecht gehalten und sich zur Auffassung der anspruchsbezogenen Wirkung der Unterbrechungshandlungen derart bekannt, dass Amtshandlungen nach § 238 Abs. 2 BAO die Verjährung gegenüber jedem unterbrechen, der als Zahlungspflichtiger in Betracht kommt, ohne dass es rechtlich von Bedeutung wäre, gegen wen sich solche Amtshandlungen gerichtet haben.
Durch die am durchgeführte Liquiditätsprüfung bei der PG und die Erhebung der wirtschaftlichen Verhältnisse beim Bw. im Jahr 2001 wurde die Verjährungsfrist daher neuerlich unterbrochen und begann mit wieder neu zu laufen.
Die Erlassung des angefochtenen Haftungsbescheides am erfolgte daher innerhalb der Verjährungsfrist. Wie oben ausgeführt liegt eine schuldhafte Pflichtverletzung des Bw. sowie der Ursächlichkeit dieser Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit der Abgabe vor, weshalb wie im Spruch zu entscheiden war.
Graz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 9 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 80 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 238 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 238 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Schlagworte | Geschäftsführerhaftung Kapitalertragsteuer Abfuhrabgaben Einhebungsverjährung |
Verweise |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at