TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
Berufungsentscheidung - Zoll (Referent), UFSZ2L vom 05.12.2007, ZRV/0099-Z2L/05

Entstehung der Eingangsabgabenschuld durch den Erwerb von vorschriftswidrig verbrachten Zigaretten


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Miterledigte GZ:
ZRV/0225-Z2L/05

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Beschwerde des Bf. vom gegen die Berufungsvorentscheidung des Zollamtes Linz, vom , Zl. 123, betreffend die Vorschreibung von Eingangsabgaben nach der am in 4010 Linz, Zollamtstraße 7, durchgeführten Berufungsverhandlung entschieden:

Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich der Abgabenhöhe wie folgt abgeändert:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Abgabenart
Betrag (Euro)
Zoll (Z1)
9.032,78
Tabaksteuer (TS)
18.067,69
Einfuhrumsatzsteuer (EU)
8.130,30
Abgabenerhöhung (ZN)
5.818,31
Summe
41.049,08

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der Abgaben sind der als Beilage angeschlossenen Abgabenberechnung, die einen Bestandteil dieses Bescheidspruches darstellt, zu entnehmen.

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Entscheidungsgründe

Das Zollamt Linz teilte dem Beschwerdeführer (Bf.) mit Bescheid vom , Zl. 111, gem. Art. 221 Abs. 1 ZK (Zollkodex) eine gem. Art. 202 Abs. 1 Buchstabe a und Abs. 3 dritter Anstrich ZK in Verbindung mit § 2 Abs. 1 ZollR-DG für 1.282 Stangen (256.400,00 Stück) Zigaretten entstandene Eingangsabgabenschuld im Ausmaß von insgesamt 42.127,71 Euro (davon 9.278,12 Euro an Zoll, 8.339,38 Euro an Einfuhrumsatzsteuer und 18.522,04 Euro an Tabaksteuer) mit und schrieb ihm gem. § 108 Abs. 1 ZollR-DG eine Abgabenerhöhung von 5.988,17 Euro zur Entrichtung vor. Dies im Wesentlichen mit der Begründung, der Bf. habe in der Zeit von Anfang 1995 bis die angeführten Zigaretten durch Ankauf von einer namentlich nicht näher bekannten Person in seinen Besitz gebracht. In der Einvernahme vom habe der Bf. eingeräumt, dass die vom Zollamt ermittelte Menge durchaus den Tatsachen entspreche. Lediglich der Tatzeitraum sei ihm zu lang erschienen, er habe aber nicht anzugeben vermocht, ab welchem Zeitpunkt er mit den Ankäufen bzw. Weiterverkäufen der gegenständlichen Filterzigaretten begonnen hätte. Für das Zollamt stehe jedoch aufgrund der Ermittlungsergebnisse fest, dass die Zigarettenverkäufe im angeführten Zeitraum stattgefunden hätten.

Gegen diesen Bescheid erhob der Bf. fristgerecht den Rechtsbehelf der Berufung. Darin bringt er im Wesentlichen vor: Entgegen dem Vernehmungsprotokoll vom habe der Bf. immer bestritten, vor dem als Abgaben- und Monopolhehler tätig gewesen zu sein. Diese Aussage sei nur dadurch zustande gekommen, weil der Bf. einerseits nicht verstanden habe, was er unterschrieben habe und andererseits ein über das normale Maß hinausgehender psychischer Druck auf ihn ausgeübt worden sei. Entgegen der Ansicht des Zollamtes habe der Bf. am Tag seiner Betretung das erste und einzige Mal nicht verzollte Filterzigaretten übernommen und weiterveräußert. Das Ermittlungsverfahren sei aus mehreren Gründen mangelhaft durchgeführt worden: Im gegenständlichen Verfahren habe die Behörde den Bescheid ausschließlich auf die Aussagen eines Anzeigers und angeblicher Abnehmer gestützt. Deren Aussagen seien dem Bf. aber in völlig unzureichender Weise vorgehalten worden. Dem Vernehmungsprotokoll sei zu entnehmen, dass die Vorhalte viel zu allgemein gehalten waren. Dem Bf. sei nur die Aussage des Anzeigers und der Abnehmer vorgehalten worden, wonach diese von ihm bereits seit Anfang 1995 mit einer Gesamtmenge von 1.164,00 Stangen unverzollten Filterzigaretten beliefert worden seien. Ein konkreter Vorhalt, welcher Abnehmer wann, wo, wie viele Stangen "Schmuggelzigaretten" von ihm angekauft habe, sei nicht gemacht worden. Er habe somit keine Möglichkeit gehabt, zu den Anschuldigungen ausreichend Stellung zu nehmen. Ein weiterer erheblicher Mangel des Ermittlungsverfahrens sei in der Nichtbeiziehung eines Dolmetschers zu sehen, da offensichtlich sei, dass der Bf. der deutschen Sprache nicht hinreichend kundig sei. Wegen seiner unzureichenden Sprachkenntnisse sei es dem Bf. nicht möglich gewesen, dem Ermittlungsverfahren in ausreichender Art und Weise zu folgen. Dies stelle eine Verletzung des Grundsatzes des Parteiengehörs dar. Aufgrund des mangelhaften Ermittlungsverfahrens sei das Zollamt von einem falschen Sachverhalt ausgegangen. Bei richtiger Sachverhaltsfeststellung bestünde für den Bf. nur hinsichtlich der am beschlagnahmten 212 Stangen unverzollter Zigaretten eine Eingangsabgabenschuld.

Das Zollamt Linz entschied über die Berufung mit Berufungsvorentscheidung vom , Zl. 123, teilweise stattgebend und änderte die Abgabenfestsetzung auf 41.327,06 Euro (Zoll: 9.124,35 Euro, Einfuhrumsatzsteuer: 8.193,60 Euro, Tabaksteuer: 18.190,80 Euro, Abgabenerhöhung: 5.818,31 Euro). Das Zollamt stützte seine Entscheidung nach geraffter Wiedergabe des Verfahrenslaufes und der wesentlichen Berufungseinwendungen sowie unter Hinweis auf die für das Verfahren relevanten gesetzlichen Grundlagen (Art. 202 ZK, Art. 213 ZK, § 108 Abs. 1 ZollR-DG) auf den, dem Abgabenverfahren zugrunde liegenden Sachverhalt. Der Bf. sei am bei der Verhandlung von 94 Stangen Zigaretten betreten worden. Im PKW des Bf. seien 20 Stangen und in der Wohnung des Bf. weitere 98 Stangen eingeschmuggelter Zigaretten von Zollorganen sichergestellt worden. Einzelne Abnehmer des Bf. hätten in den jeweiligen Vernehmungen als Verdächtige im Finanzstrafverfahren den Ankauf von insgesamt 1.046 Stangen eingestanden. Für das Zollamt stehe daher fest, dass der Bf. tatsächlich eine Menge von 1.258 Stangen Zigaretten zu verantworten habe. Dem Berufungsvorbringen werde entgegen gehalten, dass sich der Bf. bereits seit dem Jahr 1989 in Österreich aufhalte und daher davon auszugehen sei, dass er die deutsche Sprache in Wort und Schrift verstehe. Der Bf. habe zudem in den Einvernahmen vom und angegeben, dass er der deutschen Sprache mächtig sei und daher auf die Beiziehung eines Dolmetschers verzichtet werden könne. Auch habe er in der Einvernahme vom mehrmals vom Aussageverweigerungsrecht Gebrauch gemacht, sodass daraus geschlossen werden könne, dem Bf. sei der Inhalt der Einvernahme durch die Zollbehörde bekannt. Dem Berufungsvorbringen, das Recht auf Parteiengehör sei verletzt worden, sei entgegen zu halten, dass sich die Eingangsabgabenvorschreibung auf die geständigen Aussagen des Bf. in der Einvernahme vom stütze und er in dieser Einvernahme auf die Erlassung eines abgabenrechtlichen Vorhaltes ausdrücklich verzichtet habe. Hinsichtlich der Abgabenhöhe sei eine Abänderung vorzunehmen gewesen, da im angefochtenen Bescheid hinsichtlich von 24 Stangen Zigaretten die (abgabenrechtlichen) Verjährungsbestimmungen nicht beachtet worden seien.

Dagegen richtet sich die Beschwerde gem. § 85c Abs. 1 ZollR-DG vom , in der beantragt wurde, der Beschwerde stattzugeben und die Eingangsabgabenschuld auf einen Betrag von 6.165,86 Euro zu reduzieren. Dies im Wesentlichen mit folgender Begründung (auszugsweise): Dem Bf. sei nach wie vor keine Gelegenheit gegeben worden, zu den Anschuldigungen der im Bescheid angeführten angeblichen Abnehmer Stellung zu nehmen. Die Zollbehörde erster Instanz führe in der Berufungsvorentscheidung diesbezüglich aus, die Eingangsabgabenvorschreibung stütze sich im Wesentlichen auf die Aussage des Bf. in der niederschriftlichen Einvernahme vom . Auf Seite 3 der Niederschrift sei festgehalten worden, dass der Bf. zur genauen Liefermenge nichts angeben könne und den Tatzeitraum entschieden in Abrede stelle. Die Zollbehörde erster Instanz habe die generelle Aussage des Bf., wonach die ihm vorgehaltene Menge den Tatsachen entsprechen könnte, zum Anlass genommen, die von den angeblichen Abnehmern bekannt gegebenen Mengen als wahr anzunehmen. Diese Vorgangsweise sei keinesfalls als ausreichend im Sinne des § 115 BAO anzusehen. Durch den generellen Vorhalt einer anonymen Aussage sowie Aussagen angeblicher Abnehmer sei es keinesfalls zur Ermittlung der materiellen Wahrheit gekommen. Daran ändere auch die Aussage des Bf. nichts, wonach die vorgehaltene Menge an Schmuggelzigaretten den Tatsachen stimmen könne, da er den ihm vorgehaltenen Zeitraum immer bestritten habe und allein deshalb kein "Geständnis" bezüglich der ihm vorgehaltenen Menge vorliege. Das Ermittlungsverfahren sei deshalb mangelhaft, weil es zur Ermittlung der materiellen Wahrheit nötig gewesen wäre, dem Bf. detaillierte Vorhalte hinsichtlich An- und Verkauf der Schmuggelzigaretten zu machen. Der Grundsatz der Erforschung der materiellen Wahrheit bedeute auch, dass eine mangelnde Mitwirkung, Nichtbeantwortung von Vorhalten, unzulängliche Aufklärungen usw. es nicht rechtfertigen würden, den Sachverhalt anzunehmen, der für die Partei der nachteiligere sei bzw. den Sachverhalt anzunehmen, den der Partei mit Hilfe ihrer mangelhaften Erklärungen nachzuweisen nicht gelungen sei (; , 85/14/142). Der Bf. habe mehrmals von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch gemacht. Entsprechend der zitierten Rechtsprechung müsse das Zollamt aber dennoch die Aussagen der angeblichen Abnehmer überprüfen, um die materielle Wahrheit erforschen zu können. Aus dem Gebrauch des Aussageverweigerungsrechts könne nicht e contrario geschlossen werden, der vorangegangene Vorhalt sei als wahr anzusehen. Das Ermittlungsverfahren sei daher auch aus diesem Grund mangelhaft. Die von der Abgabenbehörde ermittelte Menge gründe sich lediglich auf Aussagen angeblicher Abnehmer, was keinesfalls als ausreichend im Sinne des § 115 Abs. 1 BAO angesehen werden könne und einen Verfahrensmangel darstelle. Der im § 115 Abs. 2 BAO verankerte Grundsatz des Parteiengehörs gelte auch im Zollverfahren. Das Zollamt habe dem Sachverhalt ihrer Berufungsvorentscheidung ausdrücklich die anonyme Anzeige vom April 2002 zugrunde gelegt. Diese sei dem Bf. dergestalt vorgehalten worden, dass er bereits seit 10 Jahren Zigaretten im Raum X. verkaufen solle. Den Ausführungen der Berufungsvorentscheidung sei zu entnehmen, dass der Aussage des anonymen Anzeigers vor allem deshalb Glaubwürdigkeit beigemessen worden sei, weil diese nachvollziehbar und detailliert den Geschehnisablauf hinsichtlich der Veräußerung der Schmuggelzigaretten schildere. Diesbezügliche Vorhalte über die Art des Geschehnisablaufes seien dem Bf. in den Vernehmungen nicht gemacht worden. Der Bf. hätte somit keine Möglichkeit gehabt, die Glaubwürdigkeit des anonymen Anzeigers zu "erschüttern". Durch die Zugrundelegung der anonymen Anzeige im Sachverhalt der Berufungsvorentscheidung, sei der Bf. in seinem Recht auf Parteiengehör verletzt worden. Aus der Tatsache, dass sich der Bf. bereits seit dem Jahr 1989 in Österreich aufhält, könne noch nicht geschlossen werden, er sei auch tatsächlich der deutschen Sprache in Wort und Schrift in einem für dieses Verfahren ausreichendem Maße mächtig. Aufgrund der Tatsache, dass der Bf. in seiner Vernehmung vom von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch gemacht habe, könne noch nicht geschlossen werden, dass dem Bf. die Bedeutung der verbleibenden getätigten Aussagen hinreichend klar gewesen seien. Sicherheit darüber könne nur durch eine neuerliche Vernehmung unter Beiziehung eines Dolmetschers erlangt werden.

Mit Erkenntnis vom , Zl. 333, Straf.Nr. 444, hat der Spruchsenat des Zollamtes Linz als Finanzstrafbehörde erster Instanz den Bf. der Finanzvergehen der gewerbsmäßigen vorsätzlichen Abgabenhehlerei und der vorsätzlichen Monopolhehlerei nach §§ 37 Abs. 1 lit. a), 38 Abs. 1 lit. a) und 46 Abs. 1 lit. a) FinStrG (Finanzstrafgesetz) schuldig gesprochen. Die Entscheidung ist in Rechtskraft erwachsen.

Der Spruch des Erkenntnisses lautet auszugsweise: "Der Bf. ist schuldig, er hat a) im Zeitraum von Ende November 1995 bis einschließlich in Y. und Z. vorsätzlich 1.158 Stangen (231.600 Stück) ausländische unverzollte Filterzigaretten verschiedener Marken, nämlich ... , in einem Gesamtwert in der Höhe von 12.960,31 Euro, darauf entfallende Eingangsabgaben in Höhe von 32.755,05 Euro, ..., hinsichtlich welcher bei der Einfuhr in das Zollgebiet der Gemeinschaft von namentlich unbekannten Personen das Finanzvergehen des Schmuggels gem. § 35 Abs. 1 bzw. § 35 Abs. 1 lit. a) FinStrG begangen worden war, und b) in Tateinheit zu lit. a) vorsätzlich die angeführten Gegenstände des Tabakmonopols im amtlich kundgemachten Kleinverkaufspreis gem. § 19 Tabakmonopolgesetz (TabMG) 1968 bzw. § 9 TabMG 1996 in der Höhe von 30.358,60 Euro, hinsichtlich welcher bei der Einfuhr in das Monopolgebiet von namentlich unbekannten Personen vorsätzlich in die Rechte des Tabakmonopols gem. § 44 Abs. 1 lit. b) FinStrG eingegriffen worden war, jeweils angekauft, wobei es ihm zu lit. a) darauf angekommen ist, sich durch wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahmequelle zu verschaffen (gewerbsmäßige Begehung).

In der am in Abwesenheit des Bf. abgehaltenen Berufungsverhandlung wurde von der Zollbehörde ergänzend ausgeführt, dass der in der Berufungsvorentscheidung angesprochene Wegfall der Abgabenvorschreibung hinsichtlich einer Menge von 24 Stangen Zigaretten nicht auf die Anwendung von Verjährungsbestimmungen zurückzuführen sei. Vielmehr ergebe sich die Mengendifferenz von 24 Stangen Zigaretten zwischen dem Erstbescheid vom , Zl. 111, und der angefochtenen Berufungsvorentscheidung daraus, dass die im Erstbescheid vom einem "Abnehmer" zugerechnete Menge von 36 Stangen Zigaretten sich um 24 Stangen vermindert habe. Dies ergebe sich aus dem an diesen konkreten "Abnehmer" gerichteten Abgabenbescheid vom , Zl. 777 sowie aus der ebenfalls an diesen "Abnehmer" gerichteten Strafverfügung vom , Zl. 888.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Gemäß Art. 202 Abs. 1 Buchstabe a ZK entsteht eine Einfuhrzollschuld dann, wenn eine einfuhrabgabepflichtige Ware vorschriftswidrig, d.h. unter Nichtbeachtung der Art. 38 bis 41 und 177 zweiter Gedankenstrich in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht wird.

Gemäß Abs. 3 leg. cit. sind Zollschuldner ua. die Person, welche die Ware vorschriftswidrig in dieses Zollgebiet verbracht hat (erster Anstrich) und die Personen, welche die betreffende Ware erworben oder im Besitz gehabt haben, obwohl sie in dem Zeitpunkt des Erwerbs oder Erhalts der Ware wussten oder vernünftigerweise hätten wissen müssen, dass diese vorschriftswidrig in das Zollgebiet verbracht worden war (dritter Anstrich).

Gemäß § 2 Abs. 1 ZollR-DG gelten das im § 1 genannte gemeinschaftliche Zollrecht, dieses Bundesgesetz und die in Durchführung dieses Bundesgesetzes ergangenen Verordnungen sowie die allgemeinen abgabenrechtlichen Vorschriften und das in Österreich anwendbare Völkerrecht, soweit sie sich auf Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben beziehen, weiters in allen nicht vom Zollkodex erfassten gemeinschaftsrechtlich und innerstaatlich geregelten Angelegenheiten des Warenverkehrs über die Grenzen des Anwendungsgebietes, einschließlich der Erhebung von Abgaben (sonstige Eingangs- oder Ausgangsabgaben) und anderen Geldleistungen, soweit in diesem Bundesgesetz oder in den betreffenden Rechtsvorschriften die Vollziehung der Zollverwaltung übertragen und nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist.

§ 108 Abs. 1 ZollR-DG lautet (auszugsweise):

Entsteht ... eine Zollschuld nach den Art. 202 bis 205 oder 210 oder 211 ZK oder ist eine Zollschuld gemäß Art. 220 ZK nachzuerheben, dann ist eine Abgabenerhöhung zu entrichten, die dem Betrag entspricht, der für den Zeitraum zwischen dem Entstehen der Zollschuld und dem der buchmäßigen Erfassung, bei Nacherhebung gemäß Art. 220 ZK zwischen der Fälligkeit der ursprünglich buchmäßig erfassten Zollschuld und der buchmäßigen Erfassung der nachzuerhebenden Zollschuld, an Säumniszinsen angefallen wäre.

Betreffend Säumniszinsen normiert § 80 Abs. 2 ZollR-DG:

Als Jahreszinssatz ist ein um 2% über dem Kreditzinssatz nach § 78 Abs. 2 liegender Zinssatz heranzuziehen. Die Säumniszinsen werden je Säumniszeitraum berechnet und fallen für einen gesamten Säumniszeitraum an, auch wenn die Säumnis nicht im ganzen Säumniszeitraum bestanden hat. Ein Säumniszeitraum reicht vom 15. eines Kalendermonats bis zum 14. des folgenden Kalendermonats. Für jeden Säumniszeitraum ist der zwölfte Teil jenes Jahreszinssatzes heranzuziehen, welcher am Beginn des betreffenden Säumniszeitraumes gegolten hat.

In abgabenrechtlicher Hinsicht steht zwischen den Parteien außer Streit, dass es sich bei den verfahrensgegenständlichen Zigaretten um Nichtgemeinschaftswaren handelt. Ferner ist unstrittig, dass die Zigaretten ohne die vorgeschriebene Zollbehandlung und somit vorschriftswidrig nach Österreich gelangt sind.

Gemäß § 167 Abs. 2 BAO hat die Abgabenbehörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Da dem Abgabenverfahren der Grundsatz der unmittelbaren Beweisaufnahme fremd ist, kann die Abgabenbehörde auch Aussagen vor Gericht oder anderen Behörden heranziehen und nach eigener freier Beweiswürdigung werten. Gemäß § 166 BAO können daher die Ergebnisse des Finanzstrafverfahrens auch für das Abgabenverfahren herangezogen werden.

Dem Beschwerdevorbringen (Punkt 1. bis 3. der Beschwerdeschrift), das Ermittlungsverfahren sei mangelhaft durchgeführt worden und daher nicht ausreichend im Sinn des § 115 Abs. 1 BAO ist zu entgegnen, dass das beim Zollamt Linz als Finanzstrafbehörde erster Instanz durchgeführte Finanzstrafverfahren vom Grundsatz der Offizialmaxime und vom Grundsatz der amtswegigen Sachverhaltsermittlung beherrscht war und auf die Erforschung der materiellen Wahrheit abzielte. Im Rahmen des gegenständlichen Finanzstrafverfahrens war daher alles was zur Be- oder Entlastung des beschuldigten Bf. führte, von Amts wegen zu erforschen. Dadurch, dass gegen das Straferkenntnis des Spruchsenates beim Zollamt Linz (als Organ des Zollamtes Linz als Finanzstrafbehörde erster Instanz) kein Rechtsmittel erhoben wurde, das Erkenntnis so in Rechtskraft erwuchs und damit der Spruch des Erkenntnisses und der zugrunde liegende Sachverhalt akzeptiert wurde, liegen auch für den Unabhängigen Finanzsenat keine begründeten Zweifel am Tatgeschehen vor, die eine weitere Überprüfung notwendig machen würden. Demnach wurden aufgrund einer Anzeige an die Sicherheitsbehörden im Zuge der von den Zollämtern Linz und Wien in weiterer Folge durchgeführten Amtshandlungen in der Wohnung des Bf., in seinem PKW sowie in einer als Übergabestelle für angebliche Abnehmer dienenden Wohnung insgesamt 212 Stangen ausländische unverzollte Zigaretten verschiedener Marken vorgefunden und beschlagnahmt. In weiterer Folge wurden Abnehmer des Bf. als Verdächtige im Finanzstrafverfahren einvernommen. Diese gaben an, vom Bf. seit Anfang 1995 insgesamt 1.046 Stangen Schmuggelzigaretten angekauft und übernommen zu haben (M.: 18 Stangen im Zeitraum Juni 1999 bis April 2002, S.: 68 Stangen im Zeitraum Anfang 1999 bis Oktober 2001, A.: 78 Stangen im Zeitraum Juni 1999 bis April 2002 , H.: 12 Stangen im Zeitraum August 1999 bis April 2000, Anzeiger: 870 Stangen im Zeitraum Anfang 1995 bis ).

Im Rahmen des § 167 Abs. 2 BAO ist daher als erwiesen anzunehmen, dass der Bf. im Zeitraum von Anfang Jänner 1995 bis einschließlich insgesamt 1.258 Stangen Zigaretten, welche zuvor vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht worden waren, erworben hat, obwohl er im Zeitpunkt des Erwerbs oder Erhalts der Ware wusste, dass diese vorschriftswidrig in das Zollgebiet verbracht worden waren. Hinsichtlich dieser Waren ist für den Bf. somit die Zollschuld gemäß Art. 202 Abs. 1 Buchstabe a und Abs. 3 dritter Anstrich ZK entstanden.

Der Abgabenbetrag ist gem. Art. 221 Abs. 1 ZK dem Zollschuldner in geeigneter Form mitzuteilen, sobald der Betrag buchmäßig erfasst worden ist.

Die Mitteilung an den Zollschuldner darf gem. Art. 221 Abs. 3 ZK nach Ablauf einer Frist von drei Jahren nach dem Zeitpunkt des Entstehens der Zollschuld nicht mehr erfolgen. Diese Frist wird ab dem Zeitpunkt ausgesetzt, in dem ein Rechtsbehelf gem. Art. 243 eingelegt wird, und zwar für die Dauer des Rechtsbehelfs.

Ist die Zollschuld aufgrund einer Handlung entstanden, die zu dem Zeitpunkt, als sie begangen wurde, strafbar war, so kann gem. Abs. 4 der angeführten Gesetzesstelle die Mitteilung unter den Voraussetzungen, die im geltenden Recht festgelegt sind, noch nach Ablauf der Dreijahresfrist nach Abs. 3 erfolgen.

Dazu ausführend bestimmt § 74 Abs. 2 ZollR-DG in der seit (BGBl. I Nr. 61/2001) geltenden Fassung: Die Verjährungsfrist bei hinterzogenen Eingangs- und Ausgangsabgaben beträgt zehn Jahre, wenn im Zusammenhang mit diesen Abgabenansprüchen ein ausschließlich vor einem Gericht oder einem Spruchsenat zu verfolgendes Finanzvergehen begangen wurde.

Auf Fristen, die im Zollrecht oder in Entscheidungen im Rahmen des Zollrechts festgesetzt werden, ist gem. § 2 Abs. 3 ZollR-DG die Fristenverordnung, Verordnung (EWG, EURATOM) Nr. 1182/71 des Rates vom , ABlEG Nr. L 124 vom , S 1) anzuwenden.

§ 74 Abs. 2 ZollR-DG in der geltenden Fassung knüpft die zehnjährige Verjährungsfrist an das Vorliegen hinterzogener Eingangs- oder Ausgangsabgaben. "Hinterzogen" bedeutet hier, dass es sich um ein vorsätzliches Finanzvergehen handeln muss, welches im Zusammenhang mit den Abgabenansprüchen verfolgt wird. Ob eine Abgabe als hinterzogen anzusehen ist, ist eine Vorfrage, für deren Beantwortung ein rechtskräftiger Schuldausspruch im Finanzstrafverfahren nicht erforderlich ist. "Hinterzogen" bedeutet hier, dass es sich um ein vorsätzliches Finanzvergehen handeln muss, welches im Zusammenhang mit den Abgabenansprüchen verfolgt wird. Die Beurteilung, ob eine Abgabe hinterzogen ist, setzt eine eindeutige, ausdrückliche und nachprüfbare bescheidmäßige Feststellung über die Abgabenhinterziehung voraus, und zwar auch dann, wenn im Verwaltungsverfahren noch keine Verjährungseinrede erhoben wurde. Die maßgebenden Hinterziehungskriterien sind von der Abgabenbehörde darzulegen sind (vgl. dazu z.B. Ritz, BAO-Kommentar, 3. Auflage, § 207, Rz 15 und die dort zitierte zahlreiche Judikatur). Im hier zu beurteilenden Fall liegt bereits ein rechtskräftiger Schuldausspruch im Finanzstrafverfahren vor, sodass in diesem Zusammenhang auf das oben zitierte Straferkenntnis des Spruchsenates beim Zollamt Linz als Finanzstrafbehörde erster Instanz verwiesen werden kann. Der Bf. wurde der Finanzvergehen der gewerbsmäßigen vorsätzlichen Abgabenhehlerei und der vorsätzlichen Monopolhehlerei nach §§ 37 Abs. 1 lit. a), 38 Abs. 1 lit. a) und 46 Abs. 1 lit. a) FinStrG (Finanzstrafgesetz) schuldig gesprochen. Damit ist im Beschwerdefall die zehnjährige Verjährungsfrist gem. Art. 221 Abs. 4 ZK in Verbindung mit § 74 Abs. 2 ZollR-DG anzuwenden.

Das Recht der Abgabenfestsetzung unterliegt der Verjährung, die in jedem Stadium des Verfahrens von Amts wegen zu berücksichtigen ist (). Im Beschwerdefall ist daher losgelöst vom jeweiligen bzw. bisherigen Vorbringen der Parteien die Rechtsfrage zu klären, ob zum relevanten Zeitpunkt der Mitteilung der erstinstanzlichen, nach der Aktenlage am erfolgten buchmäßigen Erfassung der beschwerdegegenständlichen Eingangsabgabenschuldigkeiten hinsichtlich derselben bereits Verjährung eingetreten ist. Ausgehend von den zollbehördlichen Annahmen, wonach die Eingangsabgabenschuldigkeiten im Zeitraum Anfang Jänner 1995 bis Juni 2002 gem. Art. 202 Abs. 1 Buchstabe a und Abs. 3 dritter Anstrich ZK jeweils im Zeitpunkt des vorschriftswidrigen Verbringens entstanden sind, ist daher unter der Annahme, dass hierauf die zehnjährige Verjährungsfrist zum Tragen kommt, zum oben genannten Zeitpunkt der Mitteilung der Zollschuld (am laut Zustellnachweis) hinsichtlich jener vorgeschriebener Beträge, bei denen die Zollbehörde den Zeitpunkt der Entstehung der Zollschuld mit "Anfang Jänner 1995" annahm, jedenfalls bereits Verjährung eingetreten. Davon betroffen sind 10 Stangen (2.000 Stück) Zigaretten der Marke "Memphis Lights" mit einem von der Zollbehörde angenommenen Zollwert von S 1.400,00 und einem inländischen Kleinverkaufspreis von S 3.000,00 (Seite 23 der der angefochtenen Berufungsvorentscheidung beigeschlossenen Abgabenberechnung mit dem von der Zollbehörde angenommenen "Zeitpunkt der Fälligkeit der Zollschuld" am ). Diesbezüglich war daher die Abgabenfestsetzung zu ändern und um folgende Beträge zu vermindern: Zoll: 91,57 Euro (S 1.260,00), Tabaksteuer: 123,11 Euro (S 1.694,00) und Einfuhrumsatzsteuer: 63,30 Euro (S 871,00). Hinsichtlich der Vorschreibung der Abgabenerhöhung gem. § 108 Abs. 1 ZollR-DG tritt dadurch keine Änderung ein, da für Abgabenschuldigkeiten, die vor Inkrafttreten des § 108 Abs. 1 ZollR-DG am ohnehin keine Beträge an Abgabenerhöhung vorgeschrieben wurden.

Das Beschwerdevorbringen (Punkt 4. der Beschwerdeschrift), der im § 115 Abs. 2 BAO verankerte Grundsatz des Parteiengehörs sei dadurch verletzt worden, dass dem Sachverhalt eine anonyme Anzeige zugrunde liege und der Bf. keine Möglichkeit gehabt hätte, die Glaubwürdigkeit des Anzeigers zu "erschüttern", ist nicht stichhältig bzw. geht überhaupt ins Leere, da sich der festgestellte entscheidungsrelevante Sachverhalt ohnehin nicht unmittelbar auf eine anonyme Anzeige stützt. Zu den sachverhaltsrelevanten Feststellungen gelangte das Zollamt Linz (in seiner Funktion als Abgabenbehörde) vielmehr durch die Ergebnisse der zu Zl. 999 beim Zollamt Linz als Finanzstrafbehörde geführten Zollstrafermittlungen, insbesondere zum einen durch die Aussagen des Bf. in seinen Einvernahmen als Verdächtiger im Finanzstrafverfahren vom und und zum anderen durch die übereinstimmenden Angaben und Aussagen der im Rahmen der finanzstrafrechtlichen Ermittlungen ebenfalls einvernommenen Abnehmer. In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass - wie bereits in der angefochtenen Berufungsvorentscheidung ausgeführt wurde - der Bf. bei seiner Einvernahme am ausdrücklich auf die Erlassung eines abgabenrechtlichen Vorhaltes verzichtete. Im Übrigen wurde dem Bf. auch durch die seinem Vertreter am gewährte Akteneinsicht im Sinne der §§ 115 Abs. 2 bzw. 183 Abs. 4 BAO hinreichend Gelegenheit gegeben zur Geltendmachung seiner Rechte und rechtlichen Interessen sowie von den durchgeführten Beweisen und vom Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis zu nehmen und sich dazu zu äußern.

Soweit in der Beschwerdeschrift als Verfahrensmangel gerügt wird, es sei anlässlich der Einvernahmen vom und kein Dolmetscher beigezogen worden, ist dem entgegenzuhalten, dass sich die Rechtsbehelfsbehörde erster Stufe bereits mit dem gleichartigen Berufungsvorbringen auseinandergesetzt hat. Mit dem Beschwerdevorbringen, es könne nicht allein aus der Tatsache, dass sich der Bf. seit dem Jahr 1989 in Österreich aufhält und er in seiner Vernehmung vom von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch gemacht habe, geschlossen werden, dass dem Bf. die Bedeutung der verbleibenden Aussagen hinreichen klar gewesen seien, hat der Bf. in keiner Weise dargetan, zu welchem anderen Ergebnis oder zu welchem anderen Bescheid die Zollbehörde hätte gelangen können, wenn den Vernehmungen des Bf. ein Dolmetscher beigezogen worden wäre. Schon deswegen liegt eine relevante Verletzung von Verfahrensvorschriften nicht vor. Im Übrigen erklärte der Bf. in den genannten Einvernahmen vom und ausdrücklich der deutschen Sprache in ausreichendem Maße mächtig zu sein und auf die Beiziehung eines Dolmetschers zu verzichten. Der Bf. hat in diesen Einvernahmen, die beide auch von ihm unterschrieben wurden, detaillierte und konkrete Angaben gemacht, die in dieser Form nicht möglich bzw. protokollierbar gewesen wären, wenn er ernstliche Schwierigkeiten gehabt hätte, die deutsche Sprache zu verstehen bzw. sich in ihr auszudrücken. Dies sowie sein bisheriger Aufenthalt in Österreich und seine frühere Tätigkeit in Österreich als Schlosser machen seine Sprachkenntnisse deutlich. Der Bf. hat auch nicht dargelegt, inwieweit die in der Beschwerde beantragten weiteren Einvernahmen unter Beiziehung eines Dolmetschers zusätzliche Klarheit zu den sachverhaltserheblichen Tatsachen erbringen könnten. Die beantragten weiteren Beweisführungen konnten daher unterbleiben.

Aus den angeführten Gründen war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Beilage : 1 Abgabenberechnung

Linz, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Zoll
betroffene Normen
Art. 202 Abs. 1 Buchstabe a ZK, VO 2913/92, ABl. Nr. L 302 vom S. 1
Art. 202 Abs. 3 ZK, VO 2913/92, ABl. Nr. L 302 vom S. 1
Schlagworte
Erwerb
Ankauf
Erwerber
Zigaretten
Hehler

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at