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Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSI vom 15.05.2013, RV/0090-I/10

Bestreitung der Uneinbringlichkeit und des Vertreterverschuldens am Abgabenausfall i. Z. m. Zivilprozessen betreffend Forderungen der erstschuldnerischen Gesellschaft

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/0090-I/10-RS1
Nach der Rechtsprechung ist es der Abgabenbehörde nur zumutbar, auf ein im Zeitpunkt der Erlassung des Haftungsbescheides zur Befriedigung der Gläubiger verwertbares Vermögen zu greifen. Forderungen, deren allfällige Realisierung die Führung von Zivilprozessen notwendig macht, gehören grundsätzlich nicht zu einem derart verwertbaren Vermögen.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw., vertreten durch Dr. H., vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Innsbruck vom betreffend Haftung gemäß §§ 9 und 80 BAO entschieden:

Der Berufung wird teilweise Folge gegeben. Die Haftung wird auf die unter Punkt 2.6. der Berufungsentscheidung nach Abgabenarten und Zeiträumen aufgegliederten Abgabenschuldigkeiten im Gesamtbetrag von 24.404,42 € eingeschränkt.

Entscheidungsgründe

1.1. Der Berufungswerber (kurz: Bw.) war seit als Geschäftsführer der X-GmbH im Firmenbuch eingetragen. Mit Gerichtsbeschluss vom wurde ein Antrag auf Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der GmbH mangels kostendeckenden Vermögens gemäß § 71 b KO abgewiesen. Seit vertritt der Bw. die gemäß § 39 FBG aufgelöste GmbH als Liquidator.

1.2. Mit Schreiben vom teilte das Finanzamt dem Bw. mit, dass auf dem Abgabenkonto der GmbH näher aufgegliederte Abgabenschulden im Gesamtbetrag von 38.633,57 € unberichtigt aushafteten. Ausgeführt wurde unter Hinweis auf §§ 9 und 80 BAO, dass dem Bw. als Vertreter die Wahrnehmung der abgabenrechtlichen Verpflichtungen der erstschuldnerischen Gesellschaft oblegen sei. Da die Abgaben während der Funktionsperiode des Bw. fällig geworden bzw. nicht entrichtet worden seien, müsse das Finanzamt bis zum Beweis des Gegenteils davon ausgehen, dass der Bw. seinen abgabenrechtlichen Verpflichtungen nicht vorschriftsmäßig nachgekommen sei. Die Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der GmbH stehe fest, weil der Konkurs über ihr Vermögen mangels Kostendeckung nicht eröffnet worden sei.

Falls die Gesellschaft zu den jeweiligen Fälligkeitszeitpunkten der Abgaben nicht mehr über ausreichende Mittel zur (vollen) Bezahlung aller Verbindlichkeiten verfügt habe, möge eine Auflistung sämtlicher Gläubiger mit den zu den Abgabenfälligkeiten gleichzeitig oder früher fällig gewordenen Forderungen vorgelegt werden. In dieser Aufstellung müssten alle Gläubiger der GmbH sowie die auf einzelne Verbindlichkeiten geleisteten Zahlungen (Quoten) enthalten sein. Weiters seien alle verfügbar gewesenen Mittel anzugeben (Bargeld, offene Forderungen). Dem Bw. werde es freigestellt, die finanzielle Situation der Gesellschaft zu den Abgabenfälligkeiten, die offenen Verbindlichkeiten und die Tilgungsleistungen an alle einzeln anzuführenden Gesellschaftsgläubiger auch auf andere Art und Weise darzustellen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes habe der Bw. den Nachweis zu erbringen, welche Zahlungsmittel zur Verfügung gestanden und in welchem Ausmaß die anderen Gläubiger befriedigt worden seien. Im Fall der Nichterbringung dieses Nachweises müsse das Finanzamt davon ausgehen, dass der Bw. seine Verpflichtung, die Abgaben der Gesellschaft aus den von ihm verwalteten Mitteln zu entrichten, schuldhaft verletzt habe, und dass diese Pflichtverletzung ursächlich für den Abgabenausfall gewesen sei. In diesem Fall hafte der Bw. für die uneinbringlichen Abgabenschulden in vollem Ausmaß.

Wenn der Nachweis einer Gläubigergleichbehandlung nicht erbracht werde, sei es im Ermessen des Finanzamtes gelegen, die Haftung für die gegenständlichen Abgaben auszusprechen, bei Benachteiligung des Abgabengläubigers gegenüber anderen Gläubigern im Ausmaß der nachgewiesenen Benachteiligung. Da der öffentliche Auftrag zur Ergreifung aller Mittel, um vollstreckbare Abgaben einzubringen, bei einer den Bw. treffenden Pflichtverletzung allfällige Einzelinteressen verdränge, erwäge das Finanzamt, die Vertreterhaftung des Bw. geltend zu machen.

1.3. Da der Bw. auf diesen Vorhalt nicht reagierte, zog ihn das Finanzamt mit Bescheid vom zur Haftung gemäß §§ 9 und 80 BAO für folgende Abgabenschulden der GmbH heran.


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Abgabenart
Zeitraum
Betrag in Euro
Umsatzsteuer
6/2005
3.700,30
Lohnsteuer
7/2005
1.170,81
Dienstgeberbeitrag
7/2005
211,95
Dienstgeberzuschlag
7/2005
20,72
Säumniszuschlag 1
2005
355,75
Lohnsteuer
8/2005
1.170,81
Dienstgeberbeitrag
8/2005
211,95
Dienstgeberzuschlag
8/2005
20,72
Lohnsteuer
9/2005
1.170,81
Dienstgeberbeitrag
9/2005
211,95
Dienstgeberzuschlag
9/2005
20,72
Körperschaftsteuer
10-12/2005
107,25
Kammerumlage
7-9/2005
5,14
Lohnsteuer
10/2005
1.170,81
Dienstgeberbeitrag
10/2005
211,95
Dienstgeberzuschlag
10/2005
20,72
Lohnsteuer
11/2005
1.358,25
Dienstgeberbeitrag
11/2005
396,90
Dienstgeberzuschlag
11/2005
38,81
Säumniszuschlag 2
2005
119,77
Säumniszuschlag 1
2005
125,44
Umsatzsteuer
11/2005
671,72
Lohnsteuer
12/2005
1.170,81
Dienstgeberbeitrag
12/2005
211,95
Dienstgeberzuschlag
12/2005
20,72
Umsatzsteuer
12/2005
1.669,24
Körperschaftsteuer
1-3/2006
933,00
Lohnsteuer
1/2006
1.161,65
Dienstgeberbeitrag
1/2006
211,95
Dienstgeberzuschlag
1/2006
20,72
Säumniszuschlag 3
2005
116,20
Lohnsteuer
2/2006
1.161,65
Dienstgeberbeitrag
2/2006
211,95
Dienstgeberzuschlag
2/2006
20,72
Säumniszuschlag 2
2005
62,72
Lohnsteuer
3/2006
1.161,65
Dienstgeberbeitrag
3/2006
211,95
Dienstgeberzuschlag
3/2006
20,72
Eintreibungsgebühren
2006
304,75
Eintreibungsgebühren
2006
3,20
Körperschaftsteuer
4-6/2006
933,00
Säumniszuschlag 3
2005
62,72
Umsatzsteuer
5/2006
1.677,91
Lohnsteuer
6/2006
1.351,13
Dienstgeberbeitrag
6/2006
406,62
Dienstgeberzuschlag
6/2006
39,76
Eintreibungsgebühren
2006
256,77
Eintreibungsgebühren
2006
3,20
Lohnsteuer
7/2006
1.194,81
Dienstgeberbeitrag
7/2006
216,81
Dienstgeberzuschlag
7/2006
21,20
Körperschaftsteuer
7-9/2006
933,00
Umsatzsteuer
6/2006
1.636,85
Stundungszinsen
2006
302,30
Umsatzsteuer
7/2006
1.370,55
Lohnsteuer
8/2006
1.194,81
Dienstgeberbeitrag
8/2006
216,81
Dienstgeberzuschlag
8/2006
21,20
Umsatzsteuer
8/2006
246,26
Körperschaftsteuer
10-12/2006
936,79
Umsatzsteuer
9/2006
198,17
Umsatzsteuer
10/2006
635,67
Stundungszinsen
2006
192,36
Umsatzsteuer
11/2006
676,88
Körperschaftsteuer
1-3/2007
791,00
Umsatzsteuer
12/2006
39,94
Umsatzsteuer
2005
1.677,02
Verspätungszuschlag
2005
163,97
Säumniszuschlag 1
2006
67,26
Summe
38.633,57

In der Bescheidbegründung wurde ausgeführt, dass der Bw. als Geschäftsführer der GmbH gemäß § 80 BAO für die Abgabenentrichtung des Betriebes zu sorgen gehabt hätte. Bei der gegebenen Aktenlage müsse das Finanzamt davon ausgehen, dass der Bw. diese Verpflichtung schuldhaft verletzt habe. Die Abgaben seien bei der erstschuldnerischen GmbH uneinbringlich.

1.4. In der Berufung vom wurden die Höhe der haftungsgegenständlichen Abgaben, die Vertreterstellung des Bw. sowie die Abweisung des Konkursantrages mangels Masse außer Streit gestellt. Bestritten wurde hingegen die gänzliche Uneinbringlichkeit der Abgaben sowie ein Verschulden des Bw. am Abgabenausfall.

Ausgeführt wurde, dass die erstschuldnerische GmbH im Rahmen einer vertraglichen Kooperation mit der Y-GmbH im Verband Z. eine Vermittlungstätigkeit entfaltet habe, wofür ihr 80% der erwirtschafteten Provisionen zugestanden seien. Die wirtschaftlichen Probleme, in welche die erstschuldnerische GmbH geraten sei, seien letztlich darauf zurückzuführen, dass im relevanten Zeitraum zu Recht erwartete Provisionseinnahmen zur Gänze ausgefallen bzw. nicht im erwarteten Zeithorizont realisierbar gewesen seien. Der Kooperationspartner der erstschuldnerischen GmbH habe die betreffenden Provisionsansprüche gerichtlich geltend machen müssen; zwei Verfahren seien noch anhängig.

Wie einem angeschlossenen Schreiben der Y-GmbH vom zu entnehmen sei, wären der erstschuldnerischen GmbH bei einem normalen Geschäftsverlauf im Jahr 2006 zusätzliche Provisionseinnahmen in Höhe von 53.877,60 € netto zugeflossen, mit welchem Betrag die Abgabenverbindlichkeiten hätten abgedeckt werden können.

Zur Aktenzahl ...Cg... sei beim Landesgericht Innsbruck ein Rechtsstreit zwischen der Y-GmbH und A. mit einem Streitwert von 24.000 € anhängig. Bei einem positiven Prozessausgang zugunsten des Kooperationspartners der erstschuldnerischen GmbH hätte letztere einen Provisionsanspruch in Höhe von 19.200 € s. A.

Im Verfahren zur Aktenzahl ...Cg.... habe die Y-GmbH einen Betrag in Höhe von 3.668,40 € s. A. von der T-GmbH eingeklagt. Im Fall des Obsiegens stünde der erstschuldnerischen GmbH ein Betrag in Höhe von 2.934,72 € s. A. zu. In diesem Rechtsstreit sei bisher nur ein noch nicht rechtskräftiges Versäumungsurteil ergangen.

Somit könne zum derzeitigen Zeitpunkt nicht von einer völligen Uneinbringlichkeit der Abgabenschulden bei der erstschuldnerischen GmbH ausgegangen werden.

Unabhängig davon treffe den Bw. kein Verschulden an der Nichtentrichtung der Abgaben, weil die geschilderte Entwicklung für ihn nicht vorhersehbar gewesen sei. Vielmehr habe der Bw. von der Möglichkeit einer Tilgung der Abgabenschulden mit den in Rede stehenden Provisionserlösen ausgehen können, zumal von den Schuldnern der Provisionen mehrmals Zahlungszusagen abgegeben worden seien. Dass die T-GmbH keine Zahlung leisten werde, obwohl sie den Provisionsanspruch schriftlich anerkannt habe, sei für den Bw. ebenso wenig vorhersehbar gewesen wie die Notwendigkeit einer gerichtlichen Geltendmachung des Provisionsanspruches im Geschäftsfall S/G, in welchem der über eine Hotelliegenschaft abgeschlossene Kaufvertrag wieder aufgehoben und aufgrund massiver Streitigkeiten zwischen den Vertragspartnern keine Zahlung geleistet worden sei. Allerdings sei nur die Käuferprovision eingeklagt worden, weil von der gerichtlichen Geltendmachung der Verkäuferprovision aus prozessökonomischen Gründen Abstand genommen worden sei.

Aus diesen Gründen sei evident, dass die erstschuldnerische GmbH unerwartete Einnahmenausfälle in beträchtlicher Höhe erlitten habe, welcher Umstand für die Nichtentrichtung der Abgaben ursächlich gewesen sei. Der Bw. habe darauf vertrauen dürfen, dass die mit großem Arbeitsaufwand erbrachten Vermittlungsleistungen zu entsprechenden Einnahmen führen würden. Ein die Haftung begründendes Fehlverhalten des Bw. liege somit nicht vor.

Außerdem wäre der Bw. aufgrund seiner finanziellen Verhältnisse zu einer Entrichtung der Haftungsschuld gar nicht in der Lage.

1.5. Mit Berufungsvorentscheidung vom gab das Finanzamt der Berufung teilweise Folge. Die Einschränkung der Haftung auf Abgabenschuldigkeiten im Gesamtbetrag von 26.476,09 € wurde damit begründet, dass ein Abgabenbetrag in Höhe von 11.884,06 € bei der erstschuldnerischen GmbH zwangsweise eingebracht worden sei. Weiters sei hinsichtlich der nach Abweisung des Konkurses fällig gewordenen Abgabenschuldigkeiten in Höhe von 273,42 € (Säumniszuschlag 2006: 67,26 €; Verspätungszuschlag 2006: 206,16 €) vom Fehlen liquider Mittel zur Abgabenentrichtung auszugehen.

Für eine Haftung nach § 9 BAO sei nur die schuldhafte Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten von Bedeutung. Zu diesen abgabenrechtlichen Pflichten eines Vertreters gehöre insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben nach Maßgabe der vorhandenen Mittel entrichtet werden. Verfüge die Gesellschaft nicht über ausreichende Mittel, so dürfe der Vertreter bei der Bedienung von Verbindlichkeiten die Abgabenverbindlichkeiten nicht schlechter als andere Schulden behandeln. Der Vertreter habe darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten nicht möglich gewesen sei, widrigenfalls eine schuldhafte Pflichtverletzung anzunehmen sei. Nur der Vertreter habe in der Regel jenen ausreichenden Einblick in die Gebarung der von ihm vertretenen Gesellschaft, der ihm entsprechende Behauptungen und Nachweise ermögliche. Der Vertreter habe für die Möglichkeit des Nachweises seines pflichtgemäßen Verhaltens vorzusorgen.

Der Bw. sei mit Schreiben vom über seine qualifizierte Mitwirkungspflicht im Haftungsverfahren informiert worden. Dabei sei ihm Gelegenheit zur Erbringung des Nachweises gegeben worden, dass er den Abgabengläubiger nicht schlechter als andere Gesellschaftsgläubiger behandelt habe. Da dieser Nachweis nicht erbracht worden sei, obwohl der Bw. bei einer persönlichen Vorsprache am die Vorlage entsprechender Unterlagen zugesichert habe, hafte er für die Abgabenschulden der GmbH zur Gänze. Die finanziellen Verhältnisse des Bw. seien im Rahmen der Ermessensübung nicht zu berücksichtigen ().

1.6. Im Vorlageantrag vom wurde bemängelt, dass sich die Berufungsvorentscheidung mit den Ausführungen des Bw. betreffend die Unvorhersehbarkeit der Provisionsausfälle nicht ausreichend auseinandergesetzt habe. Die Frage eines haftungsrelevanten Verschuldens des Bw. sei einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung unterzogen worden.

Über die Berufung wurde erwogen:

2.1. Gemäß § 80 Abs.1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Voraussetzung für die Inanspruchnahme als Haftender nach den genannten Bestimmungen ist eine Abgabenforderung, deren Zahlungstermin in die Zeit der Vertretertätigkeit fällt, gegen den Vertretenen, die Stellung als Vertreter, die Uneinbringlichkeit dieser Abgabenforderung, eine Pflichtverletzung des Vertreters, ein Verschulden des Vertreters an der Pflichtverletzung und die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit. Liegen diese Voraussetzungen kumulativ vor, so ist die Geltendmachung der Haftung in das Ermessen der Abgabenbehörde gestellt ().

2.2. Die Höhe der bestehenden Abgabenforderungen und die Stellung des Bw. als für die abgabenrechtlichen Belange der erstschuldnerischen Gesellschaft verantwortlicher Vertreter sind unstrittig.

2.3. Die Haftung nach § 9 BAO ist eine Ausfallhaftung, welche die objektive Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben zum Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden voraussetzt. Uneinbringlichkeit liegt vor, wenn Vollstreckungsmaßnahmen erfolglos waren oder voraussichtlich erfolglos wären (Ritz, BAO4, § 9, Tz 5, mwN). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erlaubt allein die Abweisung eines Konkursantrages über das Vermögen der erstschuldnerischen Gesellschaft mangels kostendeckenden Vermögens und die Aufhebung des Konkurses aus diesem Grund eine Feststellung der Uneinbringlichkeit der einem Haftungsbescheid zu Grunde liegenden Abgaben beim Erstschuldner (; ; ).

Wie bereits eingangs erwähnt, wurde im vorliegenden Streitfall ein Antrag (des Finanzamtes) auf Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der erstschuldnerischen Gesellschaft mit Beschluss des Landesgerichtes X. vom , ...SE..., mangels kostendeckenden Vermögens gemäß § 71 b KO abgewiesen.

Ungeachtet dessen bestreitet der Bw. die vollständige Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgabenschulden unter dem Gesichtspunkt, dass der Erstschuldnerin nach Beendigung der in der Berufung angeführten Zivilprozesse noch Provisionseinnahmen in Höhe von 19.200 € und 2.934,72 € s. A. zufließen könnten.

Aufgrund dieses Vorbringens wurde der Bw. mit Schreiben des Unabhängigen Finanzsenates vom um Mitteilung betreffend den Ausgang dieser Gerichtsverfahren sowie um Bekanntgabe ersucht, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe bzw. wann die vom Kooperationspartner der erstschuldnerischen Gesellschaft eingeklagten Beträge einbringlich gemacht werden konnten und wie die erstschuldnerische Gesellschaft über allfällige Zahlungseingänge verfügt habe. Dieser Vorhalt wurde jedoch vom Bw. nicht beantwortet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt ausgesprochen, dass es der Abgabenbehörde nur zumutbar ist, auf ein im Zeitpunkt der Erlassung des Haftungsbescheides zur Befriedigung der Gläubiger verwertbares Vermögen zu greifen (; ). Nach Ansicht des Unabhängigen Finanzsenates zählen Forderungen, deren allfällige Realisierung die Führung von Zivilprozessen notwendig macht, grundsätzlich nicht zu einem derart verwertbaren Vermögen. Im vorliegenden Streitfall ist auch nicht hervorgekommen, dass es dem Kooperationspartner der erstschuldnerischen Gesellschaft gelungen wäre, die vom Bw. ins Treffen geführten Forderungsbeträge einbringlich zu machen. Mangels Mitwirkung des Bw. im zweitinstanzlichen Vorhaltverfahren besteht auch kein Anhaltspunkt dafür, dass diesbezügliche Beträge bei der erstschuldnerischen GmbH eingegangen seien bzw. zur Abgabenentrichtung zur Verfügung stünden.

Andererseits ist aus den Akten ersichtlich, dass das Finanzamt mit Bescheiden vom und sämtliche Forderungen der erstschuldnerischen GmbH gegen ihren Kooperationspartner gepfändet hat. Letzterer äußerte sich als Drittschuldner des Vollstreckungsverfahrens gegenüber dem Finanzamt dahin, dass der mit der Erstschuldnerin im Februar 2004 abgeschlossene ....Vertrag einvernehmlich mit sofortiger Wirkung aufgelöst worden sei. Die zum Zeitpunkt der Vertragsauflösung (21./) bestehende Provisionsforderung der erstschuldnerischen GmbH aus dem Geschäftsfall S/G sei noch nicht fällig, sondern "rechtsanhängig". Da am eine Forderungsabtretung an die T-Bank erfolgt sei, könne diese Forderung im Rahmen der Pfändung nicht berücksichtigt werden (vgl. Schreiben der Y-GmbH vom , , , ). In diesem Zusammenhang wurde auch ein Schreiben der Drittschuldnerin vom an die T-Bank vorgelegt, dem zufolge die Drittschuldnerin nach Realisierung der Provisionsforderung aus dem Geschäftsfall S/G den auf die erstschuldnerische Gesellschaft entfallenden Anteil abzüglich Kosten in Höhe von zirka 6.000 € auf das Konto der erstschuldnerischen GmbH bei der T-Bank überweisen werde.

In Anbetracht dieses Beweisergebnisses sind die vom Bw. in den Raum gestellten Forderungsbeträge nicht geeignet, die vom Finanzamt aufgrund der Abweisung des Konkurses mangels kostendeckenden Vermögens festgestellte Uneinbringlichkeit der Abgabenforderungen zu widerlegen.

2.4. Den Geschäftsführer einer Gesellschaft, deren Abgaben nicht entrichtet wurden und uneinbringlich geworden sind, trifft im Haftungsverfahren die Obliegenheit darzutun, weshalb er nicht dafür Sorge tragen konnte, dass die Gesellschaft die anfallenden Abgaben rechtzeitig entrichtet hat, widrigenfalls die Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung annehmen darf. Im Falle des Vorliegens einer schuldhaften Pflichtverletzung spricht eine Vermutung für die Verursachung der Uneinbringlichkeit der Abgaben durch die Pflichtverletzung und den Rechtswidrigkeitszusammenhang (, ; ).

Der Bw. hat zwar unvorhergesehene Forderungsausfälle als Ursache für die Nichtentrichtung der Abgaben geltend gemacht, jedoch keine gänzliche Mittellosigkeit der Gesellschaft bei Fälligkeit der im Haftungsbescheid enthaltenen Abgabenschuldigkeiten behauptet. Für das vollkommene Fehlen liquider Mittel bestehen auch keine aktenmäßigen Anhaltspunkte, zumal im letzten Jahresabschluss der Erstschuldnerin zum Umsatzerlöse in Höhe von 70.216,63 € ausgewiesen wurden. Weiters waren im Betriebsvermögen Wertpapiere im Betrag von 46.661,96 €, Forderungen in Höhe von 90.800,47 € sowie ein Kassenbestand von 5.842,30 € vorhanden.

Die Berufungsausführungen zur finanziellen Situation der erstschuldnerischen Gesellschaft gehen in Bezug auf die Lohnsteuer von vornherein ins Leere, weil wirtschaftliche Schwierigkeiten hinsichtlich der Haftungsinanspruchnahme für diese Abgabe ohne rechtliche Bedeutung sind. Diesbezüglich ist auf § 78 Abs. 3 EStG zu verweisen, wonach in Fällen, in denen die dem Arbeitgeber zur Verfügung stehenden Mittel zur Zahlung des vollen vereinbarten Arbeitslohnes nicht ausreichen, die Lohnsteuer von dem tatsächlich zur Auszahlung gelangenden niedrigeren Betrag zu berechnen und einzubehalten ist. Daraus folgt, dass jede vom Vertreter vorgenommene Zahlung voller vereinbarter Arbeitslöhne, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel nicht auch für die darauf entfallende Lohnsteuer ausreichen, eine schuldhafte Verletzung seiner abgabenrechtlichen Pflichten mit den Rechtsfolgen des § 9 BAO darstellt (; ; Ritz, BAO4, § 9, Tz 11d).

Der Bw. behauptete nicht, Löhne bzw. Gehälter nicht zur Gänze ausbezahlt zu haben. Somit ist davon auszugehen, dass der Bw. die Einbehaltungspflicht des § 78 Abs. 1 EStG verletzte und diese Pflichtverletzung zur Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Lohnsteuer führte. Hätte der Bw. die Lohnsteuer bei Auszahlung der Löhne einbehalten bzw. im Sinn des § 78 Abs. 3 EStG entsprechend niedrigere Löhne zur Auszahlung gebracht, wäre der Abgabenausfall nicht eingetreten.

Was die übrigen Abgabenschulden betrifft, so haftet der Geschäftsführer für nicht entrichtete Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die Mittel, die ihm für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft zur Verfügung gestanden sind, hiezu nicht ausreichten, es sei denn, er weist nach, dass er die Abgabenschulden im Verhältnis nicht schlechter behandelt hat als bei anteiliger Verwendung der vorhandenen Mittel für die Begleichung aller Verbindlichkeiten (; ).

Obwohl das Finanzamt den Bw. mit Vorhalt vom aufforderte, eine allfällige anteilige Verwendung der vorhandenen Mittel zur Begleichung der Verbindlichkeiten durch geeignete Unterlagen zu belegen, erbrachte der Bw. im Rahmen seiner qualifizierten Mitwirkungspflicht den Nachweis einer Befriedigung der Schulden im gleichen Verhältnis nicht. Zwar kündigte der Bw. bei einer persönlichen Vorsprache im Finanzamt am an, seiner Entlastung dienliche Unterlagen vorzulegen; jedoch ist es bei dieser Ankündigung geblieben.

Den Vertreter trifft im Haftungsverfahren eine qualifizierte Behauptungs- und Konkretisierungslast. Mit dem Berufungsvorbringen, es habe unvorhersehbare Forderungsausfälle gegeben, weshalb die Abgaben nicht hätten entrichtet werden können, kam der Bw. seiner Behauptungs- und Konkretisierungslast nicht nach, weil mit den betreffenden Ausführungen die konkrete finanzielle Situation der erstschuldnerischen Gesellschaft bzw. ihre Gebarung im haftungsrelevanten Zeitraum nicht einmal ansatzweise dargestellt wurde (). Da der Bw. trotz gebotener Möglichkeiten nicht konkret (anhand ziffernmäßiger Angaben) offengelegt hat, welche Mittel der Gesellschaft im haftungsrelevanten Zeitraum zur Verfügung standen und wie diese verwendet wurden, kann die Haftung des Bw. für den Zeitraum vor der Abweisung des Konkursantrages als gegeben angenommen werden.

2.5. Das Finanzamt hat während des Berufungsverfahrens über den Haftungsbescheid einen Teil der Haftungsschuld zwangsweise eingebracht. Allerdings wurde dadurch nicht der in der Berufungsvorentscheidung berücksichtigte Betrag (11.884,06 €) getilgt, sondern wurden von der Y-GmbH als Drittschuldnerin aufgrund der vom Finanzamt durchgeführten Forderungspfändungen Zahlungen an das Finanzamt in Höhe von 6.000 € () und 6.135,10 € () geleistet. Da diese Zahlungen zur Gänze mit den ältesten haftungsgegenständlichen Abgabenschulden verrechnet wurden, kommt insoweit der Grundsatz der Akzessorietät der Haftung zum Tragen. Demnach ist in Höhe der nicht mehr bestehenden Primärschuld (12.135,10 €) keine Haftung auszusprechen ().

Eine weitere Reduktion des Haftungsbetrages ergibt sich aus dem auch in der Berufungsvorentscheidung berücksichtigten Umstand, dass die im erstinstanzlichen Haftungsbescheid in Höhe von 3.735,79 € enthaltene Körperschaftsteuer 2006 mit Bescheid vom auf 2.500 € herabgesetzt und die Körperschaftsteuer 2007 (791 € laut Haftungsbescheid) mit Bescheid vom mit Null Euro festgesetzt wurde.

Ferner ist der Haftungsbetrag um die in der Berufungsvorentscheidung enthaltene Umsatzsteuer 2006 (2.071,67 €) zu vermindern, weil diese Abgabe im erstinstanzlichen Haftungsbescheid nicht enthalten war und eine Ausdehnung der Haftung im Berufungsverfahren unzulässig ist (, mwN).

Schließlich geht auch der Unabhängige Finanzsenat davon aus, dass nach der Abweisung des Konkursantrages keine liquiden Mittel zur zumindest anteiligen Abgabenentrichtung mehr vorhanden waren, weshalb im Einklang mit der Berufungsvorentscheidung von einer Haftungsinanspruchnahme für den erst am fällig gewordenen Säumniszuschlag zur Umsatzsteuer 2005 (67,62 €) abgesehen wird. Weitere Abgaben mit Fälligkeiten nach der Abweisung des Konkursantrages waren im Haftungsbescheid nicht enthalten.

Das Finanzamt hat am ein am persönlichen Abgabenkonto des Bw. entstandenes Guthaben in Höhe von 14.301,44 € auf das Abgabenkonto der Erstschuldnerin umgebucht, wodurch sich deren Rückstand auf 10.435,91 € vermindert hat. Im Unterschied zu Zahlungen durch eine andere Person (z. B. Drittschuldner) ändert die teilweise Entrichtung der Haftungsschuld durch den Bw. nichts an dem in der Berufungsentscheidung aufzuerlegenden Umfang der Haftung. Die Verwendung des persönlichen Guthabens des Bw. zur teilweisen Abdeckung der Haftungsschuld vermindert lediglich den vom Bw. zu entrichtenden Haftungsbetrag; zu einer Verminderung der in der Berufungsentscheidung zur Haftung vorgeschriebenen Abgabenschuld kommt es dadurch nicht (; ).

2.6. Der Haftungsbetrag errechnet sich somit wie folgt:


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Abgabenart
Zeitraum
Fälligkeit
Betrag in Euro
Umsatzsteuer
11/2005
358,15
Lohnsteuer
12/2005
1.170,81
Dienstgeberbeitrag
12/2005
211,95
Dienstgeberzuschlag
12/2005
20,72
Körperschaftsteuer
1-3/2006
933,00
Umsatzsteuer
12/2005
1.669,24
Lohnsteuer
1/2006
1.161,65
Dienstgeberbeitrag
1/2006
211,95
Dienstgeberzuschlag
1/2006
20,72
Säumniszuschlag 3
2005
116,20
Lohnsteuer
2/2006
1.161,65
Dienstgeberbeitrag
2/2006
211,95
Dienstgeberzuschlag
2/2006
20,72
Säumniszuschlag 2
2005
62,72
Lohnsteuer
3/2006
1.161,65
Dienstgeberbetrag
3/2006
211,95
Dienstgeberzuschlag
3/2006
20,72
Eintreibungsgebühren
2006
304,75
Eintreibungsgebühren
2006
3,20
Körperschaftsteuer
4-6/2006
933,00
Säumniszuschlag 3
2005
62,72
Umsatzsteuer
5/2006
1.677,91
Lohnsteuer
6/2006
1.351,13
Dienstgeberbeitrag
6/2006
406,62
Dienstgeberzuschlag
6/2006
39,76
Eintreibungsgebühren
2006
256,77
Eintreibungsgebühren
2006
3,20
Lohnsteuer
7/2006
1.194,81
Dienstgeberbeitrag
7/2006
216,81
Dienstgeberzuschlag
7/2006
21,20
Körperschaftsteuer
7-9/2006
634,00
Umsatzsteuer
6/2006
1.636,85
Stundungszinsen
2006
302,30
Umsatzsteuer
7/2006
1.370,55
Lohnsteuer
8/2006
1.194,81
Dienstgeberbeitrag
8/2006
216,81
Dienstgeberzuschlag
8/2006
21,20
Umsatzsteuer
8/2006
246,26
Umsatzsteuer
9/2006
198,17
Umsatzsteuer
10/2006
635,67
Stundungszinsen
2006
192,36
Umsatzsteuer
11/2006
676,88
Umsatzsteuer
12/2006
39,94
Umsatzsteuer
2005
1.677,02
Verspätungszuschlag
2005
163,97
Summe
24.404,42

2.7. Die Geltendmachung der Haftung liegt im Ermessen der Abgabenbehörde, das sich innerhalb der vom Gesetz aufgezeigten Grenzen zu halten hat (§ 20 BAO). Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Die Geltendmachung der Haftung stellt die letzte Möglichkeit zur Durchsetzung des Abgabenanspruches dar, wobei die Vermeidung eines endgültigen Abgabenausfalles ein wesentliches Ermessenskriterium darstellt. Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Haftungsnorm folgt, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel ermessenskonform ist, wenn die betreffende Abgabe beim Primärschuldner uneinbringlich ist. Der Bw. war im haftungsrelevanten Zeitraum der für die Abgabenentrichtung der GmbH verantwortliche Geschäftsführer bzw. Liquidator und damit der zur Haftung heranzuziehende Vertreter.

Dem Berufungsvorbringen, die Entrichtung der Haftungsschuld sei dem Bw. aufgrund seiner finanziellen Verhältnisses nicht möglich, ist zu entgegnen, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes persönliche Umstände wie etwa die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Haftenden in keinem erkennbaren Zusammenhang mit der Geltendmachung der Haftung stehen (; ). Der Verwaltungsgerichtshof hat auch wiederholt ausgesprochen, dass selbst eine Vermögenslosigkeit oder das Fehlen von Einkünften des Haftungspflichtigen der Geltendmachung der Haftung nicht entgegen stünde (; ; ). Weiters trifft es nicht zu, dass etwa die Haftung nur bis zur Höhe der aktuellen Einkünfte und des aktuellen Vermögens der Bw. geltend gemacht werden dürfte, schließt doch eine allfällige derzeitige (teilweise) Uneinbringlichkeit nicht aus, dass künftig neu hervorgekommenes Vermögen oder künftig erzielte Einkünfte zur Einbringlichkeit führen (). Im Übrigen kann nach der Rechtsprechung die Frage der Einbringlichkeit der Haftungsschuld beim Haftenden von der Abgabenbehörde bei ihren Zweckmäßigkeitsüberlegungen vernachlässigt werden (; ).

Somit war spruchgemäß zu entscheiden.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 80 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Schlagworte
Uneinbringlichkeit
Forderung
verwertbares Vermögen
Zivilprozess
Verweise

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at