Formelle Voraussetzungen des Vertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Österreich über Rechtsschutz und Rechtshilfe in Abgabensachen
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw., vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Linz vom , mit dem der in der Rückstandsanzeige des Finanzamtes Stuttgart IV vom angeführte Abgabenrückstand in Höhe von 163.309,08 € gemäß Art. 11 Abs. 2 des Vertrages zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Rechtsschutz und Rechtshilfe in Abgabensachen, BGBl Nr. 249/1955, anerkannt und für vollstreckbar erklärt wurde, entschieden:
Der Berufung wird Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.
Entscheidungsgründe
In einem Vollstreckungsersuchen vom ersuchte das Finanzamt Stuttgart IV unter Bezugnahme auf den Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Rechtsschutz und Rechtshilfe in Abgabensachen, BGBl Nr. 249/1955, das Finanzamt Linz um Beitreibung in einer Rückstandsanzeige vom selben Tag ausgewiesener Abgaben in Höhe von insgesamt 163.309,08 €. Der Rückstand umfasst Einkommensteuern 2005 bis 2009 mit mehreren Schuldbeträgen je Kalenderjahr und unterschiedlichen Fälligkeiten, wobei ein Großteil dieser Abgaben im Jahr 2011 fällig war. Ferner werden in der Rückstandsanzeige Zinsen und Säumniszuschläge angeführt.
In der dieser Rückstandsanzeige angeschlossenen Bestätigung des Finanzamtes Stuttgart vom wird ausgeführt: "Der in der vorstehenden Rückstandsanzeige ausgewiesene Gesamtanspruch ist vollstreckbar und bestandskräftig." Die Oberfinanzdirektion Karlsruhe bescheinigte am die Zuständigkeit des Finanzamtes zur Ausstellung dieser Bestätigung.
Daraufhin wurde mit Bescheid des Finanzamtes Linz vom der in der Rückstandsanzeige des Finanzamtes Stuttgart angeführte Abgabenrückstand gemäß Art. 11 Abs. 2 des genannten Vertrages anerkannt und für vollstreckbar erklärt.
Gegen diesen erst mit Wirksamkeit (Beginn der Abholfrist iSd § 17 Abs. 3 ZustellG) durch Hinterlegung zugestellten Bescheid wurde mit Eingabe vom Berufung erhoben und die Aufhebung des Bescheides beantragt, da gegen die den Abgabenrückstand begründenden Einkommensteuerbescheide beim Finanzamt Stuttgart innerhalb offener Rechtsmittelfrist Berufung eingelegt worden sei. Der Rückstand bestehe nicht zu Recht.
Das Finanzamt wies diese Berufung mit Berufungsvorentscheidung vom im Wesentlichen mit der Begründung ab, dass die im Zuge eines Vollstreckungsersuchens ersuchte Behörde an die in der Rückstandsanzeige enthaltende Entscheidung über die bestehende Vollstreckbarkeit und Unanfechtbarkeit im Verein mit der beigefügten Erklärung der zuständigen Behörde des ersuchenden Staates, in der die Unanfechtbarkeit bestätigt wird, gebunden sei.
Im Vorlageantrag vom wies der Berufungswerber darauf hin, dass die Rückstandsanzeige des Finanzamtes Stuttgart als bestandskräftig, nicht aber als unanfechtbar bestätigt worden sei. Da keine ausdrückliche Bestätigung der Unanfechtbarkeit vorliege, fehle es an einer der in Art. 11 des Vertrages normierten Voraussetzungen für die Erlassung des angefochtenen Anerkennungsbescheides vom .
Der Unabhängige Finanzsenat ersuchte das Finanzamt Stuttgart am um Mitteilung, warum in der Bestätigung vom die Bestandskraft und nicht die Unanfechtbarkeit des Abgabenrückstandes bestätigt worden sei.
Das Finanzamt Stuttgart teilte dazu am folgendes mit:
Das Vollstreckungsersuchen vom wurde für rückständige Einkommensteuer für die Jahre 2005 bis 2009 sowie für weitere Altrückstände (Einkommensteuer 2005-2009 mit früherer Fälligkeit) gestellt. Mit Schreiben vom wurde die Vollstreckungsstelle des Finanzamts Stuttgart IV von der Festsetzungsstelle darüber informiert, dass gegen die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2005 bis 2009 (mit den Fälligkeiten und ) Einspruch eingelegt wurde. Bei diesen Einkommensteuerbescheiden handelt es sich um Schätzungen. Da bis zum heutigen Tag keine Steuererklärungen eingereicht wurden, sind die Einsprüche derzeit noch unbegründet.
Die weiteren Altrückstände sind nach Aktenlage unanfechtbar und waren in den Jahren 2007 bis 2009 schon Bestandteil von mehreren Vollstreckungsersuchen des damals zuständigen Finanzamts Freising an das Finanzamt Linz.
Aufgrund der Tatsache, dass sowohl unanfechtbare als auch angefochtene Rückstände vorhanden waren, wurde bezgl. dem Vollstreckungsersuchen vorerst nichts weiter unternommen, auch unter dem Hintergrund, dass nach deutschem Recht die angefochtenen Rückstände mangels Aussetzung der Vollziehung weiter vollstreckt werden können.
Über den zusammen mit den Einsprüchen gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung wurde von der Festsetzungsstelle bislang nicht entschieden. Dies soll nach Rücksprache mit der Festsetzungsstelle zeitnah nachgeholt werden. Eine Aussetzung der Vollziehung kommt bei fehlenden Steuererklärungen normalerweise nicht in Betracht.
Über die Berufung wurde erwogen:
Der Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Rechtsschutz und Rechtshilfe in Abgabensachen vom , BGBl. Nr. 249/1955 normiert in seinem Artikel 11 betreffend Rechtshilfe bei der Vollstreckung:
(1) Dem Ersuchen um Vollstreckung von Verfügungen, die unanfechtbar und vollstreckbar sind, ist eine Erklärung der zuständigen Behörde des ersuchenden Staates beizufügen, in der die Unanfechtbarkeit bestätigt wird. Vorbehaltlich des Artikels 13 ist die Zuständigkeit dieser Behörde durch die jeweils zuständige Oberfinanzdirektion oder Finanzlandesdirektion des ersuchenden` Staates zu bescheinigen. Als Grundlage der Vollstreckung können an die Stelle der im ersten Satz bezeichneten Verfügungen auch Rückstandsausweise treten.
(2) Verfügungen (Rückstandsausweise), die den Bestimmungen des Absatzes 1 entsprechen, sind vorbehaltlich des Artikels 13 von den jeweils zuständigen Oberfinanzdirektionen oder Finanzlandesdirektionen des ersuchten Staates anzuerkennen und für vollstreckbar zu erklären. Artikel 6 bleibt unberührt.
(3) Die in Absatz 2. bezeichneten Verfügungen werden durch die Finanzämter oder Gerichte gemäß der Gesetzgebung des ersuchten Staates vollstreckt.
Entspricht eine Rückstandsanzeige allen - durchwegs formellen - Voraussetzungen dieses Art. 11 Abs. 1, so ist die Behörde des ersuchten Staates nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet, eine dem Abs. 2 dieses Artikels entsprechende Entscheidung zu treffen, ohne dass weitere Erhebungen auch nur zulässig wären (ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, vgl. zuletzt etwa ).
Im vorliegenden Fall entsprach die der Rückstandsanzeige angeschlossene Bestätigung jedoch gerade nicht den in Art. 11 Abs. 1 angeführten formellen Voraussetzungen, da es an einer Bestätigung der Unanfechtbarkeit fehlte. Schon allein aus diesem Grund erweist sich der angefochtene Bescheid als rechtswidrig. Darüber hinaus ergab sich aus den in einem solchen Fall zulässigen Erhebungen, dass es tatsächlich auch an der Unanfechtbarkeit eines beträchtlichen Teiles der Abgabenforderungen fehlt, und diesbezüglich eine Berufung beim Finanzamt Stuttgart noch anhängig ist (eine allfällige Unzulässigkeit dieses Rechtsmittels wurde vom Finanzamt nicht eingewendet).
Da es somit an den formellen Voraussetzungen des Art. 11 Abs. 1 fehlte, war spruchgemäß zu entscheiden.
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | Art. 11 Rechtsschutz, Rechtshilfe in Abgabensachen, BGBl. Nr. 249/1955 |
Verweise |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at