Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 28.09.2009, RV/3749-W/08

Mängelbehebungsauftrag unzureichend und verspätet beantwortet, sodass Zurücknahme auszusprechen war.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung von Frau A.B., Wien, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 2/20/21/22 vom , mit dem die Berufung vom gegen den Haftungsbescheid vom für zurückgenommen erklärt wurde, entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Entscheidungsgründe

Mit Bescheid des Finanzamtes Wien 2/20/21/22 vom wurde die Berufung von Frau A.B. (in weiterer Folge: Bw.) vom gegen den Haftungsbescheid des Finanzamtes Wien 2/20/21/22 vom gemäß § 275 BAO mit der Begründung als zurückgenommen erklärt, dass dem Auftrag, Mängel der Berufung bis zum zu beheben, nicht entsprochen worden sei.

Weiters wurde begründend ausgeführt, dass gemäß § 8 Zustellgesetz eine Partei, die während eines Verfahrens, von dem sie Kenntnis hat, ihre bisherige Abgabestelle ändert, dies der Behörde unverzüglich mitzuteilen habe. Dieser Verpflichtung sei nicht nachgekommen worden.

Dennoch habe das Finanzamt einen neuerlichen Mängelbehebungsauftrag erlassen mit einer ausreichenden Frist bis . Einen Tag vor Ablauf der Frist sei die Mitteilung des haftungsgegenständlichen Abgabenanspruches begehrt worden. Beantrage ein Haftungspflichtiger die Mitteilung des Abgabenanspruches, so gilt gemäß § 245 Abs. 2 und 4 BAO sinngemäß. Ein solcher Antrag hemmt die Frist vom Tag der Einbringung des Antrages bis zu dem Tag, an dem die Mitteilung zugestellt wird. Wird der Antrag erst am vorletzten Tag der Frist eingebracht, so stehen nur mehr zwei Tage zur Ausarbeitung der Beantwortung des Mängelbehebungsauftrages zur Verfügung.

In der dagegen eingebrachten Berufung vom (Eingangsstempel des Finanzamtes vom ) ersuchte die Bw. um Aufhebung des Bescheides. Sie habe gegen den Bescheid vom am fristgerecht Berufung eingelegt. Danach habe sie am einen Mängelbehebungsauftrag erhalten. Da ihr Steuerberater auf Urlaub gewesen sei, habe sie fristgerecht am um Übermittlung der notwendigen Unterlagen zur Prüfung ersucht, aus der eine Begründung und Formulierung des Einspruches erst möglich gewesen wäre. Am habe sie einen Umsatzsteuerbescheid erhalten und einen Bericht, der ihrer Meinung nichts damit zu tun habe. Auch ihr Steuerberater, dem sie die Unterlagen zur Kontrolle übergeben habe, habe ebenfalls keinen Grund erkennen können, weshalb die Umsatzsteuer 2002 mit Null festgesetzt worden sei und danach ohne Begründung "bisher vorgeschrieben € 9.276,65."

Die Bw. habe dann mit einem neuerlichen Schreiben vom (richtig wohl: ) das Finanzamt fristgerecht um eine genaue Begründung ersucht (Kopien der chronologischen Dokumentation seien der Berufung angeschlossen).

Ebenso habe die Bw. sofort nach ihrer Übersiedlung am dem Finanzamt die Adressänderung bekannt gegeben.

Sie ersuche um Zurücknahme des Bescheides und Zusendung der notwendigen Unterlagen zur Prüfung.

Über die Berufung wurde erwogen:

§ 275 BAO: Entspricht eine Berufung nicht den im § 250 Abs. 1 oder Abs. 2 erster Satz umschriebenen Erfordernissen, so hat die Abgabenbehörde dem Berufungswerber die Behebung dieser inhaltlichen Mängel mit dem Hinweis aufzutragen, dass die Berufung nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden angemessenen Frist als zurückgenommen gilt.

Zur Chronologie des Verfahrensablaufes ist festzuhalten, dass die Bw. mit Eingabe vom gegen den Haftungsbescheid des Finanzamtes Wien 2/20/21/22 vom eine Berufung mit folgendem Inhalt eingebracht hat:

"Ich habe nie einen Bescheid für das Jahr 2002 erhalten, wodurch natürlich auch nie eine Möglichkeit der Kontrolle bestanden hat. Eine konkrete Rechtfertigung ist daher nicht möglich."

Zur äußerst knapp gehaltenen Berufung ist festzuhalten, dass laut Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das Fehlen einer Begründung die Abgabenbehörde zur Erlassung eines Mängelbehebungsauftrages nach § 275 BAO verpflichtet (, 0192). In diesem Sinne wurde die Bw. - gesetzeskonform - mit Bescheid des Finanzamtes Wien 2/20/21/22 vom ersucht, die Mängel (Erklärungen, in welchen Punkten der Bescheid angefochten wird, welche Änderungen beantragt werden und eine Begründung) zu beheben.

Offensichtlich hat sich die Zustellung des Mängelbehebungsauftrages mit einer von der Bw. durchgeführten Änderung der Adresse (laut ZMR-Anfrage erfolgte diese am ) überschnitten, die diese nach ihrer Übersiedlung dem Finanzamt am bekannt gegeben hat. Da die Bw. ab bei der Post einen Nachsendeauftrag an die neue Adresse erteilt hat, hätte Zustellung kein Problem darstellen dürfen. Dass dieser Bescheid aufgrund des Nachsendeauftrages vom Zusteller allenfalls nicht ordnungsgemäß zugestellt wurde, liegt nicht im Bereich der Finanzverwaltung. Ein Fehlverhalten der Bw. ist im Zusammenhang mit der Bekanntgabe der Änderung der Adresse nicht feststellbar.

Das Finanzamt Wien 2/20/21/22 hat mit Erledigung vom , der Bw. am zugestellt, einen (weiteren) Mängelbehebungsauftrag erlassen und die Frist zur Beantwortung mit bekannt gegeben (woraus sich eine Frist von zwei Wochen und einen Werktag ergibt).

Mit Eingabe vom verwies die Bw. darauf, dass sie keine Informationen bezüglich einer Prüfung und einer Niederschrift habe noch, mit wem diese gemacht worden sei. Sie ersuche daher um Übermittlung einer Kopie des Prüfberichtes und der Niederschrift. Sobald sie diese erhalten habe, könne sie eine ordnungsgemäße Beantwortung der Mängel durchführen.

Laut Aktenvermerk des Finanzamtes wurde die Übermittlung des BP-Berichtes und des Umsatzsteuerbescheides 2002 am veranlasst, wobei die Bw. selbst das Zustelldatum dieser Unterlagen mit angegeben hat.

Rechtlich ist in diesem Zusammenhang auszuführen, dass die Frist zur Mängelbehebung zwar verlängerbar ist, einem dementsprechenden Antrag - den die Bw. im Übrigen nicht gestellt hat - jedoch keine hemmende Wirkung zukommt. Nur in jenen Fällen, in denen die BAO wie etwa im § 245 Abs. 3 BAO im Zusammenhang mit der Verlängerung der Berufungsfrist ausdrücklich vorsieht, dass durch einen Antrag auf Fristverlängerung der Lauf der Frist gehemmt wird, tritt eine solche Rechtsfolge ein (). Die in der Berufungsvorentscheidung dargestellte Auffassung der Abgabenbehörde zur Hemmung der Frist zur Einbringung der Mängelbehebung ist somit mit den Verfahrensbestimmungen des BAO nicht im Einklang.

Laut Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt einem Antrag auf Verlängerung der gemäß § 275 BAO gesetzten Mängelbehebungsfrist keine fristhemmende Wirkung zu (; , 92/13/0215; , 90/14/0225; , 99/14/0123). Ausgehend von dieser Rechtslage ist die Entscheidung über die Erfüllung eines Mängelbehebungsauftrages nicht davon abhängig, ob allenfalls (weitere) Ansuchen zur Verlängerung der Mängelbehebungsfrist vor Ablauf der ursprünglichen Frist eingebracht wurden (; , 99/15/0102).

Im vorliegenden Fall hat jedoch die Abgabenbehörde erster Instanz dem Ersuchen der Bw. folgend die angeforderten Unterlagen am , zugestellt am , übermittelt, wobei die Bw. eine Antwort unmittelbar nach Erhalt der Unterlagen angekündigt hat.

Da keine Datumsangabe oder Dauer einer angemessen Frist festgesetzt wurde, kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Abgabenbehörde eine Verlängerung der Frist um mehr als den Zeitraum gewährt, den sie bereits im Mängelbehebungsauftrag vom als angemessen festgesetzt hat, sodass bei einer Frist von zwei Wochen und einen Werktag am die erneute Frist abgelaufen ist. Im Übrigen kann ein Abgabepflichtiger nicht darauf vertrauen, dass eine im Mängelbehebungsverfahren bereits gesetzte Frist - noch dazu ohne entsprechenden Antrag - verlängert wird (vgl. z.B. ).

Auch in der verspätet eingebrachten Eingabe vom verwies die Bw. lediglich darauf, dass "sie nach Zusendung des Berichtes und Durchsicht ihres Steuerberaters keine schlüssige Grundlage für die Bemessung 2002 feststellen habe können. Die Umsatzsteuer 2002 sei mit 0,00 festgesetzt worden; woher komme der Betrag von € 9.276,65? Die Bw. ersuche um Aufschlüsselung, wie sich dieser Betrag ergeben habe können und um Zusendung der Unterlagen, da ihr die Buchhaltungsunterlagen ja nicht mehr zur Verfügung stünden." Eine Behebung der Mängel ist nicht erfolgt.

Zu den übermittelten Unterlagen ist festzuhalten, dass in dem an die Bw. übermittelten Betriebsprüfungsbericht betreffend B-GmbH für den Zeitraum 2002 bis 2005, ABNr. 01/06, zur Umsatzsteuer unter Tz. 3 lit. b) nachzulesen ist, "dass die im Zuge einer USO-Prüfung für den Zeitraum Juni 2002 bis Februar 2003 vorgenommenen Änderungen insofern nicht berücksichtigt werden, dass aufgrund der Kleinunternehmerregelung mangels Verzichtserklärung unecht befreite Umsätze vorliegen, verbunden mit nichtabzugsfähigen Vorsteuerbeträgen."

Auch wenn die genaue Höhe in diesem Bericht nicht angegeben wurde ist von jedem Steuerberater aufgrund seiner fachlichen Qualifikation zu erwarten, dass er die Worte "Kleinunternehmerregelung mangels Verzichtserklärung" bzw. "verbunden mit nichtabzugsfähigen Vorsteuerbeträgen" insoweit richtig zu deuten vermag, als offensichtlich Vorsteuern geltend gemacht wurden, obwohl keine Verzichtserklärung für die Kleinunternehmerregelung gemäß § 6 Abs. 3 UStG 1994 vorliegt, die bei einer entsprechenden Umsatzsteuerveranlagung als Nachforderung festgesetzt werden.

Aus dem Abgabenkonto ist weiters zu sehen, dass für die B-GmbH, deren für die abgabenrechtlichen Belange verantwortliche Geschäftsführerin die Bw. damals gewesen ist, am mit Umsatzsteuervoranmeldung für Juni 2002 ein Vorsteuerbetrag von € 9.215,55 und am mit Umsatzsteuervoranmeldung für Juli bis Dezember 2002 ein Vorsteuerbetrag von € 61,10 geltend gemacht wurde, woraus sich der im Haftungsbescheid angegebene Nachforderungsbetrag von € 9.276,65 ergibt.

Wenn die Bw. somit vermeint, nach Zusendung der angeforderten Unterlagen am und dessen Durchsicht hätte ihr Steuerberater keine schlüssige Grundlage für die Bemessung 2002 feststellen können, so kann das nur als Versuch gewertet werden, eine neuerliche Verzögerung im Verfahren herbeizuführen.

Wird einem berechtigten behördlichen Auftrag zur Mängelbehebung überhaupt nicht, nicht zeitgerecht oder zwar innerhalb der gesetzten Frist aber - gemessen an dem sich an den Vorschriften des § 250 Abs. 1 BAO orientierten Mängelbehebungsauftrag - unzureichend entsprochen, gilt die Berufung kraft Gesetzes als zurückgenommen. Der Eintritt dieser Folge wird durch den auf diese Rechtstatsache bezugnehmenden, von der Behörde iSd § 275 BAO zu erlassenden (verfahrensrechtlichen) Bescheid nicht begründet, sondern festgestellt, und kann somit durch nach Fristablauf vorgenommene (verspätete) Mängelbehebungen nicht mehr beseitigt werden (Hinweis: Stoll, BAO-Kommentar, 2702; ).

In ihren Eingaben ist die Bw. dem behördlichen Auftrag, die Mängel (Erklärungen, in welchen Punkten der Bescheid angefochten wird, welche Änderungen beantragt werden und eine Begründung) innerhalb angemessener Frist bzw. selbst nach Fristablauf zu beheben, bis auf den Antrag auf Zurücknahme des Bescheides nicht nachgekommen, vielmehr hat sie neuerlich lediglich um Aufschlüsselung und Zusendung von Unterlagen ersucht. Erwähnt sei in diesem Zusammenhang, dass im Haftungsverfahren gemäß § 9 BAO von der objektiven Richtigkeit der Abgabenfestsetzung auszugehen ist (). Eine Berufung gegen die dem Haftungsbescheid zugrunde liegenden Umsatzsteuerfestsetzung gemäß § 248 BAO wurde von der Bw. laut vorliegenden Akten nicht eingebracht.

Die Einhaltung der bei einem Mängelbehebungsauftrag zu setzenden Frist verfolgt den Zweck, ohne unvertretbaren Aufschub feststellen zu können, ob die Berufung einer inhaltlichen Erledigung zugeführt werden kann. Allein aus Verzögerungstaktik wiederholte Aufforderungen um Übermittlung von Unterlagen sind diesem Zweck keinesfalls dienlich.

Die Abgabenbehörde erster Instanz hat daher im Sinne der zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu Recht die Berufung der Bw. vom gegen den Haftungsbescheid vom gemäß § 275 BAO als zurückgenommen erklärt, sodass die Berufung als unbegründet abzuweisen war.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 275 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961

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