Beschwerdeentscheidung - Strafsachen (Referent), UFSL vom 29.09.2009, FSRV/0058-L/08

Abgabenhinterziehungen eines Gastwirtes durch Nichterfassung der von ihm kassierten Trinkgelder.

Entscheidungstext

Beschwerdeentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz hat durch das Mitglied des Finanzstrafsenates Linz 3, Hofrat Dr. Peter Binder, in der Finanzstrafsache gegen CK, Geschäftsführer, geb. 19XX, whft. in A, vertreten durch ABS Wirtschaftstreuhand GmbH, 4644 Scharnstein, Mühldorf 58, wegen des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung gemäß § 33 Abs. 1 des Finanzstrafgesetzes (FinStrG) über die Beschwerde des Beschuldigten vom gegen den Bescheid über die Einleitung eines Finanzstrafverfahrens gemäß § 83 Abs. 1 FinStrG des Finanzamtes Gmunden Vöcklabruck, vertreten durch Ludwig Wolfsgruber, als Finanzstrafbehörde erster Instanz vom , StrNr. 053-2008/00000-002,

zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Entscheidungsgründe

Mit Bescheid vom hat das Finanzamt Gmunden Vöcklabruck als Finanzstraf-behörde erster Instanz gegen den Beschwerdeführer (Bf.) zur StrNr. 053-2008/00000-002 ein finanzstrafbehördliches Untersuchungsverfahren eingeleitet, weil der Verdacht bestehe, dass dieser im genannten Amtsbereich als Wahrnehmender der steuerlichen Belange der K & K GbR, StNr. 12, und als Geschäftsführer der K KK GmbH, StNr. 34, für die Jahre 2002 bis 2005 vorsätzlich unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht, nämlich zur Einreichung von wahrheitsgemäßen Steuererklärungen zu den StNrn. 12 (2002 bis 2004) und StNr. 34 (2005), Verkürzungen an Umsatzsteuer von 4.000,00 € (2002), jeweils 4.800,00 € (2003 und 2004), 6.000,00 € (2005); Körperschaftsteuer von 7.500,00 € (2005); Kapitalertragsteuer von 9.000,00 € (2005) sowie Einkommensteuer von insgesamt 9.999,81 € (2002), davon für CK: 4.999,81 € und für RK: 5.000,00 €; 12.000,00 € (2003), davon für CK und RK jeweils 6.000,00 €; 10.842,21 € (2004), davon für CK: 5.430,50 € und für RK: 5.411,71 €; Verkürzungsbetrag insgesamt somit 68.942,02 €, dadurch bewirkt zu haben, dass nicht sämtliche Erlöse der genannten Firmen dem Finanzamt gegenüber erklärt worden seien, und dadurch ein Finanzvergehen nach § 33 Abs. 1 FinStrG begangen zu haben.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen darauf verwiesen, dass bei den vorgenannten Firmen durchgeführte (abgabenrechtliche) Prüfungen ergeben hätten, dass vom Beschuldigten bzw. seinem Mitgesellschafter RK im Rahmen der unternehmerischen Tätigkeiten kassierte Trinkgelder bereits vor Ermittlung der Tageslosungen entnommen worden seien und sich daraus der Verdacht ergebe, dass nicht sämtliche der zu versteuernden Firmenerlöse in die Bücher aufgenommen worden seien. Ergänzend wurde darauf hingewiesen, dass sowohl CK als auch sein Bruder im Jahr 2002 so hohe Privateinlagen getätigt hätten, dass sich entsprechende Geldverkehrsrechnungen nicht ausgingen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerechte Beschwerde des Beschuldigten vom , in welcher im Wesentlichen wie folgt vorgebracht wurde:

Es liege(n) insofern keine Abgabenhinterziehung(en) vor, als die im angefochtenen Bescheid angeführten Abgaben lediglich im Zuge der Prüfung(en) in Beweisnotstand als Sicherheitszuschlag akzeptiert worden seien und damit keinesfalls das Eingeständnis eines Finanzvergehens verbunden gewesen sei. Die zur Last gelegten Abgabenverkürzungen ließen sich somit aus den genannten Prüfergebnissen nicht ableiten und sei daher das unbegründeterweise gegenüber dem Beschwerdeführer (Bf.) eingeleitete Finanzstrafverfahren einzustellen. Im Übrigen seien die (in der Bescheidbegründung angeführten) Privateinlagen 2002 bisher gar nicht beziffert und auch keine Geldverkehrsrechnung(en) angestellt worden. Wäre Derartiges aber erfolgt, so hätte sich jedenfalls ergeben, dass (schon aus den Gewinnen 2001) entsprechende Finanzmittel zur Bestreitung der Einlagen vorhanden gewesen seien und hätte überdies auch die Mutter des Bf. den Brüdern entsprechende Finanzmittel (in Form einer im Lauf der Zeit zurückzuzahlenden Leihe von insgesamt 25.000,00 €) zur Verfügung gestellt.

Zur Entscheidung wurde erwogen:

Vorweg ist zur (in der vorangeführten Beschwerde ebenfalls angesprochenen) Frage der sich im vorliegenden Fall aus der Geschäftsverteilung des Unabhängigen Finanzsenates ergebenden Organzuständigkeit des dort genannten hauptberuflichen Mitgliedes im gegenständlichen Rechtsmittelverfahren gemäß § 152 FinStrG auf die Bestimmungen der § 62 Abs. 2 bis 5 leg.cit. zu verweisen.

Gemäß § 82 Abs. 1 FinStrG hat die Finanzstrafbehörde erster Instanz die ihr zukommenden Verständigungen und Mitteilungen darauf zu prüfen, ob genügend Verdachtsgründe für die Einleitung eines Finanzstrafverfahrens gegeben sind. Das Gleiche gilt, wenn sie in anderer Weise, insbesondere aus eigener Wahrnehmung vom Verdacht eines Finanzvergehens Kenntnis erlangt. Die Prüfung ist dabei nach den für die Sachverhaltsfeststellungen im Untersuchungsverfahren geltenden Bestimmungen vorzunehmen. Gemäß Abs. 3 leg.cit. ist in den nicht der Gerichtszuständigkeit unterliegenden Fällen von der Einleitung eines Strafverfahrens nur dann abzusehen, wenn

a) die Tat mangels ausreichender Anhaltspunkte voraussichtlich nicht erwiesen werden kann,

b) die Tat kein Finanzvergehen bildet,

c) der Verdächtige die ihm zur Last gelegte Tat nicht begangen hat oder Umstände vorliegen, welche die Tat rechtfertigen, die Schuld oder die Strafbarkeit des Täters ausschließen oder aufheben, letzteres beispielsweise in Form einer strafbefreienden Selbstanzeige iSd § 29 FinStrG,

d) Umstände vorliegen, welche die Verfolgung des Täters hindern, oder

e) die Tat im Ausland begangen und der Täter dafür schon im Ausland gestraft worden ist und nicht anzunehmen ist, dass die Finanzstrafbehörde eine strengere Strafe verhängen werde.

Gemäß § 83 Abs. 2 FinStrG ist der Verdächtige unter Bekanntgabe der zur Last gelegten Tat sowie der in Betracht kommenden Strafbestimmung(en) unverzüglich zu verständigen, wobei bei vorsätzlichen Finanzvergehen, ausgenommen Finanzordnungswidrigkeiten, diese Verständigung in Form eines Bescheides zu ergehen hat.

Ob im konkreten Einzelfall die Verdachtsgründe für die (bescheidmäßige) Einleitung eines Finanzstrafverfahrens ausreichen, ist dabei aus der Summe der sich an Hand der bisherigen Ermittlungsergebnisse ergebenden Anhaltspunkte zu beurteilen. Es genügt jedoch, wenn gegen den Beschuldigten ein entsprechender Tatverdacht besteht. Das heißt, es müssen hinreichend stichhaltige Gründe vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass der Verdächtige als Täter eines konkreten Finanzvergehens in Frage kommt, und es im Sinne eines höheren Wahrscheinlichkeitsgrades nicht sicher ist, dass einer der im Abs. 3 lit. a bis e taxativ angeführten Gründe für die Abstandnahme von der Einleitung des Strafverfahrens vorliegt.

Verdacht ist dabei die Kenntnis von Tatsachen, aus denen nach der allgemeinen Lebenserfahrung auf ein Finanzvergehen geschlossen werden kann. Bloße Vermutungen allein reichen für die Einleitung des Finanzstrafverfahrens nicht aus. Nicht jedoch ist es in diesem Verfahrensstadium schon Aufgabe der Finanzstrafbehörde(n), das Vorliegen eines Finanzvergehens konkret, dh. in einer jeden Zweifel nach § 98 Abs. 3 FinStrG ausschließenden Art, nachzuweisen oder auch nur die Ergebnisse des durch die Einleitung ja erst in Gang gesetzten förmlichen Straf- bzw. Untersuchungsverfahrens oder die im Zuge dessen vorzunehmende Beweiswürdigung vorwegzunehmen, weil die für die Subsumtion unter den betreffenden finanzstrafrechtlichen Tatbestand letztlich entscheidenden Fragen erst im anschließenden, ua. vom allgemeinen strafrechtlichen Grundsatz des "in dubio pro reo" getragenen Untersuchungsverfahrens einer (endgültigen) Klärung zuzuführen sind bzw. sein werden (vgl. zB VwGH 2007/16/0074).

Den Gegenstand des Einleitungsbescheides bildet daher nicht schon die Tat selbst, sondern vielmehr die Feststellung solcher Lebenssachverhalte, die den Verdacht begründen, der Betroffene könnte ein derartiges Finanzvergehen begangen haben. Der Bescheid hat daher das dem Beschuldigten zur Last gelegte, als Finanzvergehen zu qualifizierende Verhalten nur in groben Umrissen zu beschreiben; die einzelnen Fakten müssen nicht "bestimmt", dh. schon in allen für eine (spätere) Subsumtion relevanten Einzelheiten beschrieben werden (vgl. zB VwGH 94/16/0133 bzw. 95/13/0112).

Gemäß § 33 Abs. 1 FinStrG macht sich derjenige einer Abgabenhinterziehung schuldig, der vorsätzlich unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht eine Abgabenverkürzung bewirkt.

§ 119 Bundesabgabenordnung (BAO) zufolge hat der Abgabepflichtige die für den Bestand und Umfang einer Abgabepflicht bedeutsamen Umstände vollständig und wahrheitsgemäß offen zu legen und damit der Abgabenbehörde ein richtiges und vollständiges und auch klares Bild aller für die Abgabenerhebung maßgeblichen Umstände zu verschaffen.

Vorsätzlich handelt, wer einen Sachverhalt verwirklicht, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht; dazu genügt es, dass der Täter diese Verwirklichung, dh. im Falle des § 33 Abs. 1 FinStrG sowohl die abgabenrechtliche Verletzung als auch (dem Grunde nach) die eingetretene Abgabenverkürzung, ernstlich für möglich hält und sich damit abfindet (vgl. § 8 Abs. 1 FinStrG). Für einen solcherart als bedingt einzustufenden Vorsatz reicht es aus, wenn der Täter die Verwirklichung des unrechtmäßigen Sachverhaltes zwar nicht anstrebt, ja nicht einmal mit Bestimmtheit mit dem (verpönten) Erfolgseintritt rechnet, dies jedoch für nahe liegend ansieht und den Erfolg hinzunehmen gewillt ist. Solchermaßen reicht auch bewusste Gleichgültigkeit für einen bedingten Vorsatz aus.

Aufgrund der sich neben dem verfahrensgegenständlichen Strafakt insbesondere aus den Akten zu den StNrn. 12 und 34 erschließenden bisherigen Erhebungslage ist für die über die Beschwerde zu treffende Sachentscheidung iSd § 161 Abs. 1 FinStrG von nachstehendem (erheblichen) Sachverhalt auszugehen:

Der Bf. betrieb, gemeinsam mit seinem Bruder RK, im hier verfahrensgegenständlichen Zeitraum (bzw. auch bereits zuvor) im Bereich des genannten Finanzamtes in Form einer Mitunternehmerschaft einen Gastgewerbebetrieb mit Betriebsstandorten in Lenzing ("Cafe-Pub KK") bzw. Wels ("IB"), u. zw. von 2001 bis 2004 in der Rechtsform einer GbR (K & K GbR; Beteiligung der beiden Brüder zu jeweils 50 %) bzw. ab 2005 in der Rechtsform der genannten Kapitalgesellschaft (FN 56 des Landesgerichtes Wels). Alleiniger Gesellschafter der vom Bf. und seinem Bruder als einzelvertretungsbefugte Geschäftsführer geführten GmbH war die vom Bf. und RK im September 2004, jeweils als Gesellschafter (Beteiligung jeweils 50 %) gegründete K Investment Holding GmbH (FN 78 des Landesgerichtes Wels; Geschäftsführer: RK und CK, jeweils selbständig), wobei das zuvor in Form der GbR betriebene Unternehmen in die genannte K KK GmbH eingebracht worden war.

Das Finanzamt Gmunden Vöcklabruck führte unter den ABNrn. 910 (K & K GbR) und 1112 (K KK GmbH) in den genannten Unternehmen hinsichtlich der Veranlagungsjahre 2002 bis 2004 (StNr. 12) und 2005 (StNr. 34) vom August 2007 bis Februar 2008 jeweils Außenprüfungen gemäß § 147 BAO durch und traf dabei nachstehend angeführte Feststellungen:

Die erhobene Kassaführung weise insofern (gravierende) Mängel auf, als infolge der vorherigen Herausnahme der von den inkassoberechtigten Kellnern vereinnahmten Trinkgelder aus den zur Ermittlung der Tageslosungen herangezogenen Geldtaschen die tatsächlichen Bargeldbewegungen nicht täglich bzw. nicht ordnungsgemäß erfasst worden seien. Darüber hinaus seien die Tageslosungen nicht ordnungsgemäß durch Kassensturz ermittelt und die unbaren Zahlungen (mittels Kredit- bzw. Bankomatkarte) nicht täglich erfasst worden und lägen auch keine entsprechenden Grundaufzeichnungen ("Stricherllisten" über die Konsumation von Stammgästen, lückenlose Diensteinteilungspläne der beschäftigten Mitarbeiter) vor. Hinsichtlich der monatlichen Eigenentnahmen der Steuerpflichtigen aus der Kassa lägen letztlich fragwürdig erscheinende Eigenbelege (exakte Mehrfachbeträge) vor. Weiters seien die vom jeweils im laufenden Gastgewerbebetrieb der geprüften Unternehmen mitarbeitenden Bf. bzw. seinem Bruder kassierten Trinkgelder nicht in den betrieblichen Rechenwerken erfasst worden (vgl. Niederschriften zu den Schlussbesprechungen vom ; Angaben des Bf. bzw. des RK laut Niederschrift vom , Seiten 57-60 bzw. 104-107 der Arbeitsbögen zu den angeführten ABNrn.).

Aus diesen Feststellungen leitete die Abgabenbehörde eine Schätzungsberechtigung gemäß § 184 Abs. 3 BAO ab und verhängte (im Einvernehmen mit den Abgabepflichtigen; vgl. dazu jeweils Seite 15 der genannten Arbeitsbögen) Netto-Sicherheitszuschläge im Ausmaß von 4 % bzw. iHv. 20.000,00 € (2002), 24.000,00 € (2003 und 2004) und 30.000,00 € (2005) und ergingen auf diesen Grundlagen zu den genannten StNrn. die (geänderten) Abgabenbescheide vom [StNr. 12: Umsatzsteuernachforderungen iHv. 4.000,00 € (2002) bzw. 4.800,00 € (2003 und 2004); StNr. 34: Nachforderungen an Körperschaftsteuer iHv. 7.500,00 €, Umsatzsteuer iHv. 6.000,00 € bzw. (erstmals) Kapitalertragsteuer von 9.000,00 € (jeweils 2005) bzw. vom (Einkommensteuernachforderungen zur StNr. 1314 ( = Bf.) iHv. iHv. 4.999,81 € (2002); 6.000,00 € (2003) und 5.430,50 € (2004) bzw. zur StNr. 1516 (= RK) iHv. 5.000,00 € (2002); 6.000,00 € (2003) und 5.411,71 € (2004].

Die Finanzstrafbehörde erster Instanz nahm nun die angeführten Prüfungsfeststellungen zum Anlass, gegen den Bf. (ebenso wie gegen RK) wegen des Verdachtes einer Hinterziehung der vorangeführten Abgaben (Nachforderungsbeträge bzw. die laut den Feststellungen im Abgabenverfahren von den Gesellschaftern getragene Kapitalertragsteuer) ein Finanzstrafverfahren (bescheidmäßig) einzuleiten.

Gemäß § 184 Abs. 1 BAO hat die Abgabenbehörde die nicht ermittelbaren bzw. berechenbaren Grundlagen für die Abgabenerhebung unter Berücksichtigung aller dafür bedeutsamen Umstände zu schätzen.

Zu schätzen ist insbesondere dann, wenn der Abgabepflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag oder weitere Auskünfte über Umstände verweigert, die für die Ermittlung der Grundlagen wesentlich sind (Abs. 2 leg.cit.).

Ferner ist § 184 Abs. 3 BAO zufolge zu schätzen, wenn der Abgabepflichtige nach den Abgabenvorschriften zu führende Bücher oder Aufzeichnungen nicht vorlegt, diese unrichtig sind oder solche formellen Mängel aufweisen, die geeignet sind, deren sachliche Richtigkeit in Zweifel zu ziehen.

Grundsätzlich stellen, da Verstöße gegen die Abgabenvorschriften nicht deshalb ungeahndet bleiben sollen, weil der Abgabepflichtige Aufzeichnungen nicht bzw. nicht ordnungsgemäß führt oder ursprünglich vorhandene Aufzeichnungen vernichtet und daher die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen nur mittels Schätzung zu erfolgen hat, Schätzungen nicht nur im Abgabenverfahren, sondern auch im Rahmen eines Finanzstrafverfahrens eine tragfähige Entscheidungsgrundlage dar (vgl. zB VwGH 2002/16/0060). Allerdings trifft, anders als im Abgabenverfahren, die Finanzstrafbehörde (gemäß § 98 Abs. 3 FinStrG) die Beweislast für die Richtigkeit der Schätzung in dem Sinn, dass der geschätzte Betrag mit der Wirklichkeit solcherart übereinstimmt, dass die Verantwortung des Beschuldigten - auch hinsichtlich der Verkürzungshöhe - so unwahrscheinlich ist, dass ihre Richtigkeit nach menschlichem Ermessen ausgeschlossen werden kann (vgl. zB VwGH 93/15/0194).

So haben Sicherheitszuschläge (vgl. dazu Ritz, BAO3, § 184 Tz 18) bei der Ermittlung des strafbestimmenden Wertbetrages bzw. bei der (endgültigen) Beurteilung, ob überhaupt eine Abgabenverkürzung iSd FinStrG vorliegt, außer Betracht zu bleiben, weil diese in der Regel aufgrund (geringfügiger) Aufzeichnungsmängel in der (bloßen) Annahme verhängt werden, der Abgabepflichtige habe (zusätzlich) nicht (näher) festgestellte Schwarzgeschäfte getätigt und daher üblicherweise von den Unsicherheitsmerkmalen einer notwendigerweise groben Schätzung gekennzeichnet und daher nicht geeignet sind, (in ihrem Ausmaß) eine Abgabenverkürzung als erwiesen anzunehmen (vgl. zB Fellner, FinStrG, § 33 Rz 24).

Vergreift sich jedoch die Abgabenbehörde, indem sie den Begriff "Sicherheitszuschlag" verwendet, lediglich im Ausdruck und ist aber die (vorsätzliche) Abgabenverkürzung in Wahrheit als erwiesen anzunehmen, so steht einem solchen Ermittlungsergebnis auch die unrichtige Ausdrucksweise nicht entgegen (vgl. zB VwGH 89/14/014).

Wenn nun der Bf. den Einleitungsbescheid allein schon deswegen als rechtswidrig anficht, weil schon die Art bzw. die Methode der abgabenbehördlichen Schätzung (vgl. dazu Ritz, aaO, § 184 Tz 12ff) einer vorsätzlichen Abgabenverkürzung iSd § 33 Abs. 1 FinStrG entgegenstehe, so ist ihm grundsätzlich zu entgegnen, dass Gegenstand eines Bescheides gemäß § 83 Abs. 2 FinStrG, im Unterschied beispielsweise zu einem (das Verfahren abschließenden) Straferkenntnis, lediglich der (vorläufige) Ausspruch über die anhand der zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt vorliegenden Erhebungssituation getroffene Annahme der Wahrscheinlichkeit solcher Umstände ist, die nach allgemeiner Lebenserfahrung auf ein bestimmtes Finanzvergehen (des Verdächtigen) schließen lassen. Unbeschadet der erst im weiteren Verfahren für den Fall eines Schuldspruches iSd § 98 Abs. 3 FinStrG zwingend erforderlichen Feststellbarkeit bzw. die Erweisbarkeit konkreter, durch den Beschuldigten gesetzter Tathandlungen, können insbesondere bei im hohen Ausmaß im Zusammenhang mit Aufzeichnungen manipulationsanfälligen Branchen wie beispielsweise der Gastronomie, durchaus gravierende Aufzeichnungs- und Buchhaltungsmängel der festgestellten Art auch für sich allein bei Beurteilung der Verdachtslage nicht zu vernachlässigende Indizien für begangene Abgabenhinterziehungen darstellen (vgl. zur finanzstrafrechtlichen Aussagekraft von Prüfberichten zB VwGH 2007/15/0228). Hinzu kommt hier, dass der Bf. selbst (ebenso wie sein Mitgesellschafter) gegenüber der Abgabenbehörde zugestanden hat, in den angeführten Zeiträumen bzw. Firmen (allerdings) zwar nicht näher bezifferte, aber anhand der allgemeinen Erfahrungstatsache, dass regelmäßig bezogene Trinkgelder im Gastgewerbe einen wesentlichen Einkommens- bzw. Erlösbestandteil [vgl. § 4 Abs. 1 Z 1 Umsatzsteuer- gesetz 1994 (UStG 1994)] ausmachen, wohl nicht als unerheblich einzustufende Mehrerträge nicht in den jeweiligen betrieblichen Rechenwerken erfasst zu haben bzw. dafür zumindest (mit)verantwortlich gewesen zu sein (vgl. die oa. Niederschriften). Damit kann aber schon anhand dieser Angaben bzw. Feststellungen auf eine objektive Verkürzung der hier verfahrensgegenständlichen Abgaben iSd § 33 Abs. 1 FinStrG geschlossen werden. So besehen erweisen sich aber auch die im Wege der ob der festgestellten Mängel abgabenrechtlich zweifellos berechtigten griffweisen Teilschätzungen vorgenommenen Hinzurechnungen im Ergebnis nicht (nur) als aufgrund von vermuteten Schwarzgeschäften angewandte "reine Sicherheitszuschläge", sondern (auch) als Folge einer, wenngleich nicht näher spezifizierten bzw. (in allfälliger Relation zu den über die Nichterfassung der Trinkgelder der Mitunternehmer hinaus zusätzlich festgestellten Buchführungs- bzw. Aufzeichnungs-mängeln) differenzierten, sich an konkreten und für glaubwürdig zu erachtenden Angaben der Abgabepflichtigen orientierende Umsatz- bzw. Erlöszuschätzungen.

Anhaltspunkte über die Höhe der von den Mitunternehmern im angeführten Zeitraum bezogenen Trinkgelder lassen sich jedoch aus den Arbeitsbögen zu den genannten ABNrn. bzw. den bisherigen Erhebungen nicht entnehmen.

Wenngleich weder die Angaben des Bf. noch die Akzeptanz der Ergebnisse der Abgabenverfahren (Rechtskraft der angeführten Nachforderungs- bzw. Abgabenbescheide) ein Schuldeingeständnis in Richtung einer sich aus den Prüfungsfeststellungen ergebenden Abgabenhinterziehung darstellen, so kann dennoch anhand der bisher durchgeführten Sachverhaltsermittlungen zumindest im Hinblick auf die durch die Nichterfassung der Trinkgelder bewirkten Abgabenverkürzungen auf der Verdachtsebene beim Bf. auf einen entsprechenden, zumindest bedingten Tatvorsatz iSd § 33 Abs. 1 FinStrG geschlossen werden. Auch wenn nämlich der Betrag der von den Mitunternehmern im Prüfzeitraum bezogenen, steuerlich nicht erfassten Trinkgelder derzeit nicht bekannt bzw. anhand der bisher vorliegenden Unterlagen des Abgabenverfahrens auch nicht annähernd feststellbar ist, so kann angesichts der allgemeinen Erfahrungstatsache, dass üblicherweise Trinkgelder in der Gastronomiebranche einen nicht unerheblichen Anteil am erzielten Gesamterlös ausmachen, und anhand des tatbildmäßigen Verhaltens des Bf., davon ausgegangen werden, dass der Verdächtige die Entscheidung getroffen hat, die schon angesichts der Größenordnung als wesentlich einzustufenden diesbezüglichen zusätzlichen Betriebserlöse dem Finanzamt gegenüber einfach zu verschweigen. Da es aber steuerliches Allgemeinwissen darstellt, dass grundsätzlich sämtliche relevanten Unternehmenserlöse in den betrieblichen Rechnungssystemen zu erfassen und im Rahmen der für die Verantwortlichen bestehenden abgabenrechtlichen Wahrheits- und Offenlegungspflichten dem Finanzamt bekannt zu geben sind, kann, indem auch keine Anhaltspunkte für einen Schuldausschließungsgrund bzw. einen Irrtum iSd § 9 FinStrG vorliegen, ein derartiger Wissensstand auch dem Bf. unterstellt werden. Dass er dennoch tatbildmäßig gehandelt und das verhaltensimmanente Risiko einer möglichen Verkürzung der im Spruch des angefochtenen Bescheides genannten Abgaben gleichsam in Kauf genommen hat, begründet den daher jedenfalls dem Grunde nach aufrechtzuerhaltenden Verdachtsvorwurf einer Abgabenhinterziehung iSd § 33 Abs. 1 FinStrG.

Was die Höhe der im Bescheid genannten Verkürzungsbeträge angeht (vgl. zB VwGH 93/13/0167), so lässt sich anhand der bisherigen Erhebungssituation (siehe oben) nicht zweifelsfrei feststellen, ob bzw. inwieweit die letztlich im Abgabenverfahren vorgenommenen Zuschätzungen auf die zugestandenermaßen nicht erfassten Unternehmenserlöse (Trinkgelder) oder auch auf die nach den übrigen Aufzeichnungsmängeln bisher "lediglich vermuteten" Schwarzumsätze zurückzuführen sind. Wenngleich wohl auch im Beschwerdeverfahren betreffend die Verfahrenseinleitung die Rechtsmittelbehörde grundsätzlich berechtigt wäre, zur Beurteilung des Entscheidungssachverhaltes erforderliche Erhebungen selbst durchzuführen, erscheint es hier dennoch zweckmäßig, diese, wohl nicht nur durch eine Befragung des Bf. selbst zu klärende Frage dem weiteren, nunmehr von der Finanzstrafbehörde erster Instanz durchzuführenden Untersuchungsverfahren gemäß §§ 115ff FinStrG anheim zu stellen.

Ob der somit aufrechtzuerhaltende Verdachtsausspruch letztlich auch zu der gemäß § 98 Abs. 3 FinStrG für einen Schuldspruch erforderlichen Überzeugung führen wird, der Bf. habe die ihm zur Last gelegten Tat des § 33 Abs. 1 FinStrG in dem nunmehr festgestellten Ausmaß tatsächlich begangen bzw. zu verantworten, bleibt dem in weiterer Folge abzuführenden Untersuchungsverfahren vorbehalten, in dessen Verlauf nicht nur die Klärung der oa. Fragen anzustreben ist, sondern dem Beschuldigten auch die Möglichkeit einzuräumen sein wird, sich zu den Vorwürfen ausführlich zu äußern und zu der von der Finanzstrafbehörde vertretenen Rechtsstandpunkten ausführlich Stellung zu beziehen. Auf die Bestimmung des § 61 Abs. 1 FinStrG wird in diesem Zusammenhang hingewiesen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 82 Abs. 1 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958
§ 82 Abs. 3 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958
§ 33 Abs. 1 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958
§ 8 Abs. 1 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958
§ 184 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Schlagworte
Verfahrenseinleitung
Tatverdacht
Abgabenhinterziehung
Vorsatz
Aufzeichnungsmängel
zugestandene Nichterfassung von Erlösen
Schätzung
Sicherheitszuschlag

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at