Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSG vom 13.05.2013, RV/0355-G/12

Studienwechsel bei Mehrfachstudien

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/0355-G/12-RS1
Bei einem Mehrfachstudium (Absolvierung mehrerer Studien) liegt ein Studienwechsel erst dann vor, wenn der Studierende an Stelle des bisher angegebenen Studiums ein anderes von ihm betriebenes Studium benennt (vgl. Zl. 97/12/0371, mit Hinweis auf Vorjudikatur).

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Frau X in XY, vom , gerichtet gegen den Rückforderungsbescheid des Finanzamtes Graz-Stadt vom , betreffend Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen für die Tochter J, geb. TT.MM.JJJJ, für den Zeitraum bis  entschieden:

Der Berufung wird Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

Entscheidungsgründe

Die Tochter der Berufungswerberin ist seit dem Wintersemester 2006/07 in der Studienrichtung Rechtswissenschaft an der Universität Graz gemeldet und hat die 1. Diplomprüfung aus Rechtswissenschaften im Juni 2008 abgelegt. Mit Beginn des Wintersemesters 2008/09 inskribierte sie auch in der Studienrichtung Psychologie und legte in diesem Fach laufend Prüfungen ab.

Dies stellt nach Ansicht des Finanzamtes einen Studienwechsel zur Studienrichtung Psychologie dar.

Aufgrund des vorgelegten Bescheides der Universität Graz wurden Prüfungen im Ausmaß von 27 ECTS-Punkten (1 Semester) anerkannt.

Das Finanzamt erließ am einen Rückforderungsbescheid betreffend Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge für den Zeitraum Oktober 2008 bis September 2009.

Begründet wurde der Bescheid damit, dass nach Ansicht des Finanzamtes ein schädlicher Studienwechsel (Wechsel nach dem jeweils dritten fortgesetzt gemeldeten Semester) vorgelegen sei.

Gegen diesen Bescheid wurde mit Schreiben vom 27. Dezember das Rechtsmittel der Berufung eingebracht und zusammenfassend ausgeführt, dass die Tochter im Studienjahr 2008/09 nachweislich die geforderten 13 Semesterstunden für das Diplomstudium der Rechtswissenschaften absolviert habe und somit die Familienbeihilfe und der Kinderabsetzbetrag rechtmäßig bezogen wurden.

Am erließ das Finanzamt zur Berufung einen Mängelbehebungsauftrag und ersuchte um entsprechende Begründung der Berufung. Zu diesem Mängelbehebungsauftrag gab die Berufungswerberin im Schreiben vom an:

Meine Tochter, Name, nahm nie einen Studienwechsel vor, sondern entschloss sich zur Absolvierung eines Doppelstudiums. Diese Entscheidung steht in direktem Zusammenhang mit ihrer geplanten beruflichen Ausrichtung. Ziel ist die zukünftige Tätigkeit als Scheidungsanwältin bzw. Mediatorin. Daher kann die Absolvierung beider Studienrichtungen als geradezu ideale Voraussetzung für ihre spätere Arbeit in diesem professionellen Bereich angesehen werden. Aufgrund der regulären Weiterführung des Studiums der Rechtswissenschaften bestand auch keine Meldepflicht, da es zu keiner Änderung der Verhältnisse kam. Die Entscheidung zu einer umfassenderen Ausbildung kann eine solche nicht begründen.

Dies bedeutet, dass der Einwand des Studienwechsels hiermit als hinfällig erachtet werden darf und der Anspruch auf Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag demnach zurecht bestand.

Am wies das Finanzamt die Berufung mit Berufungsvorentscheidung ab. Als Begründung wurde zusammenfassend ausgeführt, dass aus dem vorgelegten Studienerfolgsnachweis (Testausdruck v. ) ersichtlich ist, dass die Tochter der Berufungswerberin in der Studienrichtung Rechtswissenschaften letztmalig am eine Prüfung abgelegt hat und in der Studienrichtung Psychologie laufend Prüfungen abgelegt worden sind. Somit könne nicht erkannt werden, dass nach der Aufnahme des Psychologiestudiums das Studium der Rechtswissenschaften als Hauptstudium betrieben wurde. Daher müsse von einem Studienwechsel ausgegangen werden.

Mit Schriftsatz vom wurde "Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz" erhoben und wie folgt begründet:

In der Berufungsvorentscheidung wird darauf verwiesen, dass gemäß § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 bei einem Studienwechsel die in § 17 StudFg 1992 angeführten Regelungen auch für den Anspruch auf Familienbeihilfe gelten. In diesem Zusammenhang darf ein weiteres Mal aufgezeigt werden, dass meine Tochter J nie einen Studienwechsel vorgenommen hat. Sie entschloss sich lediglich zur Absolvierung eines Doppelstudiums, was einen gesetzlichen Anspruch auf den weiteren Bezug der Familienbeihilfe nicht beeinträchtigt.

Diese ambitionierte Entscheidung zur Aufnahme eines weiteren Studiums wurde sehr bewusst getroffen und steht in direktem Zusammenhang mit Js beruflichen Zielen. Sie möchte ihren professionellen Schwerpunkt auf die Tätigkeit einer Scheidungsanwältin bzw. Mediatorin fokussieren, weshalb die Absolvierung beider Studienrichtungen als geradezu ideale Voraussetzung für eine spätere Arbeit in diesem Bereich angesehen werden kann.

Aufgrund der regulären, durch die Vorlage eines Bescheides der Rechtswissenschaftlichen Fakultät bestätigten erfolgreichen Weiterführung des Studiums der Rechtswissenschaften bestand keine Meldepflicht an das Finanzamt, da es zu keiner Änderung der Verhältnisse kam. Die Entscheidung zu einer umfassenderen Ausbildung kann eine solche nicht begründen.

Ein günstiger Studienerfolg, wie er gemäß § 17 Abs. I Studienförderungsgesetz (StudFG) 1992, BGBl. 305 für den Anspruch auf Familienbeihilfe gefordert wird, liegt zweifelsfrei ebenfalls vor, da "das Studium nicht öfter als zweimal" - sondern überhaupt nie - "gewechselt" wurde, dies auch nicht "nach dem jeweils dritten inskribierten Semester (nach dem zweiten Ausbildungsjahr)" der Fall war und der "günstige Studienerfolg" aus dem Hauptstudium der Rechtswissenschaften nachgewiesen wurde. Wie sich beiliegendem Bescheid der Rechtswissenschaftlichen Fakultät entnehmen lässt, absolvierte meine Tochter J seit in der Studienrichtung "Rechtswissenschaften" studienrechtlich vorgeschriebene Wahlpflichtfächer im Ausmaß von 13 Semesterwochenstunden. Somit muss der diesbezügliche Einwand der Berufungsvorentscheidung als sachlich unrichtig zurückgewiesen werden.

Weiters darf nochmals dezidiert darauf hingewiesen werden, dass das Studium der Rechtswissenschaften selbstverständlich nach wie vor als Hauptstudium betrieben wird. Der Nachweis darüber wurde mittels Vorlage des Studienerfolgsnachweises in dieser Studienrichtung eindeutig erbracht.

Aus diesem Grund finden die in der Berufungsvorentscheidung in weiterer Folge angeführten gesetzlichen Bestimmungen ( § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 im Zusammenhang mit § 17 Abs. 4 StudFG ; § 51Abs. 2 Z 26 Universitätsgesetz 2002) auf vorliegenden Sachverhalt keine Anwendung, was bedeutet, dass der Einwand des Studienwechsels hiermit als hinfällig erachtet werden darf und demnach der Anspruch auf Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag im Zeitraum vom bis zum zurecht bestand.

Mit Bericht vom (ohne Datum), eingelangt am , legte das Finanzamt Graz-Stadt die Berufung dem unabhängigen Finanzsenat zur Entscheidung vor.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b Familienlastenausgleichsgesetz 1967 haben Personen Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 26. Lebensjahr (24. Lebensjahr ab ) noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.

Bei Kindern, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl.Nr. 305, genannte Einrichtung besuchen, ist eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen, wenn sie die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester oder die vorgesehene Ausbildungszeit um nicht mehr als ein Ausbildungsjahr überschreiten. Wird ein Studienabschnitt in der vorgesehenen Studienzeit absolviert, kann einem weiteren Studienabschnitt ein Semester zugerechnet werden.

Bei einem Studienwechsel gelten die in § 17 Studienförderungsgesetz 1992 angeführten Regelungen auch für den Anspruch auf Familienbeihilfe.

In diesem Sinn sind folgende Regelungen des § 17 Studienförderungsgesetz 1992 für den vorliegenden Fall von Bedeutung:

Abs. 1: Ein günstiger Studienerfolg liegt nicht vor, wenn der Studierende

1. das Studium öfter als zweimal gewechselt hat oder

2. das Studium nach dem jeweils dritten inskribierten Semester (nach dem zweiten Ausbildungsjahr) gewechselt hat oder

3. nach einem Studienwechsel aus dem vorhergehenden Studium keinen günstigen Studienerfolg nachgewiesen hat, bis zum Nachweis eines günstigen Studienerfolges aus dem neuen Studium.

Abs. 2 Z 1: Nicht als Studienwechsel im Sinne des Abs. 1 gelten Studienwechsel, bei welchen die gesamten Vorstudienzeiten für die Anspruchsdauer des nunmehr betriebenen Studiums berücksichtigt werden, weil sie dem nunmehr betriebenen Studium auf Grund der besuchten Lehrveranstaltungen und absolvierten Prüfungen nach Inhalt und Umfang der Anforderungen gleichwertig sind.

Abs. 4: Ein Studienwechsel im Sinne des Abs. 1 Z 2 ist nicht mehr zu beachten, wenn der Studierende in dem nunmehr gewählten Studium so viele Semester wie in dem vor dem Studienwechsel betriebenen Studium zurückgelegt hat. Anerkannte Prüfungen aus dem Vorstudium verkürzen diese Wartezeiten; dabei ist auf ganze Semester aufzurunden.

Ein Studienwechsel liegt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dann vor, wenn der/die Studierende das von ihm/ihr begonnene und bisher betriebene, aber noch nicht abgeschlossene Studium nicht mehr fortsetzt und an dessen Stelle ein anderes unter den Geltungsbereich des Studienförderungsgesetzes fallendes Studium beginnt (vgl. ).

Nicht hingegen gilt als Studienwechsel, wenn die gesamten Vorstudienzeiten in die neue Studienrichtung eingerechnet werden. Ein solcher Wechsel kann jederzeit erfolgen, ohne dass es zum Verlust des Anspruches auf Familienbeihilfe kommt. Liegt iS des § 17 Abs. 2 Z 1 StudFG daher kein Studienwechsel vor, weil die Vorstudienzeit eingerechnet wird, zählen die eingerechneten Semester auf die weitere Dauer der Familienbeihilfe, dh. die Anspruchsdauer des neuen Studiums wird um die angerechneten Semester verkürzt (vgl. Wimmer in Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, § 2, Rz 101).

Nach unstrittigem Sachverhalt ist die Tochter der Berufungswerberin seit dem Wintersemester 2006/07 in der Studienrichtung Rechtswissenschaft an der Universität Graz gemeldet und hat die 1. Diplomprüfung aus Rechtswissenschaften im Juni 2008 abgelegt. Mit Beginn des Wintersemesters 2008/09 inskribierte sie auch in der Studienrichtung Psychologie. Aus der Bestätigung über den Studienerfolg aus dem Studium der Rechtswissenschaften (B 101) vom ist ersichtlich, dass noch eine Vorlesung mit der Beurteilung "genügend" mit dem Datum bestätigt wurde.

Im Überprüfungsschreiben des Finanzamtes findet sich folgender handschriftlicher Vermerk: "HS v. J = Psychologie, Anrechnungsbescheid v. UNI v. RW auf Psychologie folgt"; diese Anmerkung stimmt jedoch mit dem Schriftzug der Unterschrift der Berufungswerberin nach Ansicht des UFS nicht überein. Auf diesen Umstand wurde in den Bescheidbegründungen des Finanzamtes nicht eingegangen.

Ebenso wurden die Argumente der Berufungswerberin in der Berufung und im Schreiben zum Mängelbehebungsauftrag von Seiten des Finanzamtes nicht gewürdigt.

Zu den Mehrfachstudien ist im § 14 StudFG Folgendes ausgeführt:

§ 14 (1) Bei gleichzeitiger Absolvierung mehrerer Studien besteht Anspruch auf Studienbeihilfe nur für ein Studium. Die Wahl des Studiums, für das Studienbeihilfe beantragt wird, steht dem Studierenden frei. Jede Änderung dieser Entscheidung gilt als Studienwechsel.

(2) Bei kombinationspflichtigen Studienrichtungen ist für den Bezug von Studienbeihilfe der günstige Studienerfolg aus jeder der beiden kombinierten Studienrichtungen nachzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat dazu in seinem Erkenntnis vom , 2002/10/0167 ausgeführt:

Zwar enthält das Studienförderungsgesetz - abgesehen vom § 14 Abs. 1 letzter Satz, der für den Sonderfall von Mehrfachstudien eine spezielle Regelung trifft - keine Definition, was unter einem Studienwechsel zu verstehen ist. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt ein Studienwechsel allerdings dann vor, wenn der Studierende das von ihm begonnene und bisher betriebene, aber noch nicht abgeschlossene Studium nicht mehr fortsetzt und an dessen Stelle ein anderes unter den Geltungsbereich des Studienförderungsgesetzes fallendes Studium beginnt. Im Falle der gleichzeitigen Absolvierung mehrer Studien (Mehrfachstudien) liegt ein Studienwechsel dann vor, wenn der Studierende an Stelle des bisher angegebenen Studiums ein anderes von ihm betriebenes Studium benennt (vgl. z.B. das Erkenntnis vom , Zl. 97/12/0371, mit Hinweis auf Vorjudikatur).

Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass die Tochter der Berufungswerberin, wie in der Berufung bzw. im dazugehörigen Mängelbehebungsschreiben ausgeführt, kein anderes Hauptstudium benannt hat und somit kein Studienwechsel vorgelegen ist.

Über die Berufung war daher wie im Spruch angeführt zu entscheiden.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Verweise

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at