Pflichtteilsverzicht: Ist die in Raten zu zahlende Entfertigung abzuzinsen ?
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des M, Adr, vertreten durch Notar, gegen den Bescheid des Finanzamtes Innsbruck vom betreffend Schenkungssteuer entschieden:
Der Berufung wird Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird abgeändert und die Schenkungssteuer wird gemäß § 8 Abs. 1 Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz (ErbStG), BGBl. 1955/141 idgF, mit 8 v. H. von € 156.843,90, sohin im Betrag von € 12.547,52, festgesetzt.
Entscheidungsgründe
Laut dem am in Form eines Notariatsaktes abgeschlossenen "Schenkungs- und Pflichtteilsverzichtsvertrag" verspricht U, seinem Sohn M (= Berufungswerber, Bw) einen Betrag von gesamt € 200.000 in zehn gleichen und unmittelbar aufeinander folgenden Jahresraten von jeweils € 20.000 schenkungsweise zu bezahlen, wobei die erste Rate binnen vierzehn Tagen ab Vertragsunterfertigung fällig wird. Der Bw nimmt die Schenkung an; eine Verzinsung oder Wertsicherung der Forderung des Bw oder deren grundbücherliche oder sonstige Sicherstellung werden nicht vereinbart (siehe Punkt "Erstens"). In Punkt "Zweitens" erklärt der Bw, hiedurch in seinen Pflichtteilsansprüchen nach dem Vater zur Gänze abgefunden zu sein und gibt einen unwiderruflichen Pflichtteilsverzicht ab. Die Erfüllung der Zahlungspflicht durch U bzw. dessen Rechtsnachfolgern ist lt. Vertrag nicht Bedingung für die Gültigkeit des hiemit vom Vater angenommenen und damit rechtswirksamen Pflichtteilsverzichtes.
Das Finanzamt hat daraufhin dem Bw mit Bescheid vom 2. Feber 2007, StrNr, ausgehend vom Nominale € 200.000 unter Berücksichtigung des Freibetrages von € 2.200, sohin ausgehend vom steuerpflichtigen Erwerb € 197.800, gem. § 8 Abs. 1 (Stkl. I) ErbStG die 8%ige Schenkungssteuer im Betrag von € 15.824 vorgeschrieben.
In der dagegen erhobenen Berufung wurde eingewendet, da der Bw den Schenkungsbetrag nicht sofort, sondern über 10 Jahre verteilt erst nach Maßgabe der Fälligkeit der Jahresraten erhalte und zudem weder eine Verzinsung noch Wertsicherung dieser Forderung vereinbart wäre, sei eine Abzinsung gemäß § 14 Abs. 3 BewG vorzunehmen. Unter Berücksichtigung des Zinssatzes von 5,5 % ergebe sich der Wert der abgezinsten Forderung mit € 159.043,90 und davon ausgehend die Schenkungssteuer mit € 12.547,52.
Die abweisende Berufungsvorentscheidung vom wurde dahin begründet, dass es sich bei der Art der Entrichtung der Erbentfertigungszahlung um eine freiwillige Vereinbarung zwischen den Vertragsteilen handle, auf welche § 14 BewG nicht anzuwenden sei.
Im Vorlageantrag vom wurde ergänzend ausgeführt, es handle sich um eine einheitlich getroffene Vereinbarung, die also nicht einerseits in ein Schenkungsversprechen und andererseits in eine Vereinbarung über die Form der Bezahlung zerlegt werden könne. Vielmehr sei der Vertragswille im Ergebnis darauf gerichtet gewesen, dem Geschenknehmer nicht den derzeitigen Wert von € 200.000, sondern eben den um die Geldentwertung samt Zinsverlust zwischenzeitlich verminderten Wert zukommen zu lassen.
Über die Berufung wurde erwogen:
Gemäß § 3 Abs. 1 Z 5 ErbStG gilt als Schenkung im Sinne des Gesetzes auch, was - bereits zu Lebzeiten des Erblassers - als Abfindung für einen Erbverzicht (§ 551 ABGB) bzw. Pflichtteilsverzicht gewährt wird. Während der Erbverzicht bzw. Pflichtteilsverzicht als solcher keinen schenkungssteuerpflichtigen Tatbestand bildet, soll durch den Tatbestand des § 3 Abs. 1 Z 5 ErbStG das erfasst werden, was zu Lebzeiten des Erblassers als Aufwendung für diesen Verzicht gewährt wird (vgl. Dorazil/Taucher, ErbStG 1955, 4. Auflage, § 3 Rzn. 13.3 und 13.4; Fellner, Kommentar Gebühren und Verkehrsteuern, Band III Erbschafts- und Schenkungssteuer, Rz 69a zu § 3).
Bei einem solchen Pflichtteilsverzicht entsteht die Schenkungssteuerschuld gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 ErbStG mit dem Zeitpunkt der Ausführung der Zuwendung. Dabei kommt es - im Hinblick auf das dem Schenkungssteuerrecht immanente Bereicherungsprinzip - darauf an, was der Zuwendungsempfänger tatsächlich bekommt (vgl. ).
Mit gegenständlichem Vertrag hat sich U zur Leistung eines Entfertigungsbetrages in Höhe von € 200.000 in gleichbleibenden Raten (je 1/10) über 10 Jahre verpflichtet, wobei die erste Rate binnen 14 Tagen nach Vertragsabschluss fällig ist. Gleichzeitig mit dieser vom Vater eingegangenen Entfertigungsverpflichtung hat der Bw die Pflichtteilsverzichtserklärung abgegeben und damit zu erkennen gegeben, dass er die für den Pflichtteilsverzicht vereinbarte Leistung zum gegebenen Zeitpunkt zu fordern beabsichtigt. Mangels jeglich vereinbarter Bedingung ist der Vertrag mit Abgabe des Verzichtes und Annahme durch den Vater mit beiderseitiger Unterfertigung rechtswirksam zustande gekommen.
Der Bw hat daher zu diesem Zeitpunkt bereits eine unmittelbare Berechtigung und damit einen rechtsverbindlichen und klagbaren Forderungsanspruch auf Erbringung der vom Vater zugedachten Leistung erworben. Damit übereinstimmend wird sowohl im Vertrag unter Punkt "Erstens" wie auch im Berufungsvorbringen wiederholt auf die "Forderung des Bw" Bezug genommen.
Das auf die bedungene Leistung gerichtete Forderungsrecht bildet für den Bw zweifelsfrei bereits zum Zeitpunkt der Entstehung einen Vermögenswert, über den er beispielsweise auch anderweitig (zB durch Zession) verfügen könnte, sodass mit Eintritt dieser Bereicherung (= Forderung) die Schenkung als ausgeführt anzusehen und folglich die Schenkungssteuerschuld gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 ErbStG entstanden ist.
Es besteht kein Grund, die Steuerpflicht hinauszuschieben, bis eine Forderung erfüllt ist. Mit dem frei verfügbaren Recht auf Leistung hat der Begünstigte bereits einen Vermögensgegenstand in Händen (siehe Fellner aaO, Rz 26 zu § 12, betr. die Entfertigung im Rahmen eines Rechtsgeschäftes zugunsten Dritter, mit Verweis auf BFH-Judikatur). Die tatsächliche Erfüllung der Forderung ist diesfalls unwesentlich. Dass diese laut Vertrag - wie auch im Gegenstandsfalle - in Teilbeträgen zu späteren Zeitpunkten fällig ist, steht der Zuwendung der Forderung mit Vertragsabschluss nicht entgegen (siehe etwa BFH , II R 71/00; vgl. auch ; ).
Nachdem wie dargelegt vom Erwerb einer Forderung auszugehen ist, welche in Raten zu späteren Zeitpunkten fällig wird, kommt aber dem Berufungsvorbringen im Hinblick auf die begehrte Abzinsung, entgegen dem Dafürhalten des Finanzamtes, Berechtigung zu.
Gemäß § 19 Abs. 1 ErbStG richtet sich die Bewertung nach den Vorschriften des Ersten Teiles des Bewertungsgesetzes (BewG) 1955. Ein Forderungsrecht ist ein selbständig zu bewertendes Wirtschaftsgut. Nach der Bestimmung des § 14 Abs. 3 BewG ist der Wert unverzinslicher befristeter Forderungen und Schulden der Betrag, der nach Abzug von Jahreszinsen unter Berücksichtigung von Zinseszinsen in Höhe von 5,5 v. H. des Nennwertes bis zur Fälligkeit verbleibt.
Eine (gegebenenfalls abzuzinsende) Kapitalforderung iSd § 14 BewG liegt dabei nicht nur vor, wenn demjenigen, der auf einen erbrechtlichen Anspruch verzichtet, als Abfindung eine bereits bestehende Kapitalforderung gegen einen anderen Schuldner übertragen wird, sondern auch dann, wenn sich der Abfindende selbst gegenüber dem Verzichtenden zu einer künftigen Geldleistung verpflichtet (, zu einer Abfindung iSd § 2 Abs. 2 Z 4 ErbStG). Ebenso hat der BFH in seinem Urteil vom , II R 20/03, ua. entschieden: "Die Schenkung eines Forderungsrechtes ist dann ausgeführt, wenn dieses formgerecht abgetreten oder wirksam in der Person des Zuwendungsempfängers neu bestellt wird".
Im Gegenstandsfalle liegt eine unverzinsliche, nicht wertgesicherte Forderung vor, welche nach Maßgabe des § 14 Abs. 3 BewG abzuzinsen ist. Unter Anwendung des zur Verfügung stehenden Berechnungsprogrammes betr. die Abzinsung von Forderungen und Schulden ("bmf.gv.at/steuern/berechnungsprogramme") ermittelt sich bei einer jährlich einmaligen Rate von je € 20.000, beginnend im Jahr 2007 mit Fälligkeit der letzten Rate im Jahr 2016, Zinsfuß 5,5 %, der abgezinste Betrag der Forderung (Nominale € 200.000) - wie vom Bw begehrt - mit € 159.043,90.
Die Schenkungssteuer bemißt sich ausgehend von der abgezinsten Forderung und nach Abzug des Freibetrages von € 2.200, sohin ausgehend vom steuerpflichtigen Erwerb von 156.843,90, gemäß § 8 Abs. 1 ErbStG mit 8 %, das sind € 12.547,52.
In Anbetracht obiger Sach- und Rechtslage war der Berufung Folge zu geben und spruchgemäß zu entscheiden.
Innsbruck, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 3 Abs. 1 Z 5 ErbStG 1955, Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz 1955, BGBl. Nr. 141/1955 § 12 Abs. 1 Z 2 ErbStG 1955, Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz 1955, BGBl. Nr. 141/1955 § 14 Abs. 3 BewG 1955, Bewertungsgesetz 1955, BGBl. Nr. 148/1955 § 19 Abs. 1 ErbStG 1955, Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz 1955, BGBl. Nr. 141/1955 |
Schlagworte | Pflichtteilsverzicht Entfertigung Ratenzahlung unverzinsliche Forderung Kapitalforderung Abzinsung |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at