Besteuerungsrecht hinsichtlich der Einkünfte eines an einer Privatschule in Liechtenstein tätigen Lehrers
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Miterledigte GZ: |
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RV/0218-F/13 |
VwGH-Beschwerde zur Zl. 2013/15/0204 eingebracht. Mit Erk. v. als unbegründet abgewiesen.
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufungen des XY, vertreten durch die Rechtsanwaltskanzlei Dr. Lins KG, 6700 Bludenz, Bahnhofstraße 8, gegen die Bescheide des Finanzamtes Feldkirch betreffend Einkommensteuervorauszahlungen für 2012 sowie 2013 und Folgejahre entschieden:
Die Berufungen werden als unbegründet abgewiesen.
Die angefochtenen Bescheide bleiben unverändert.
Entscheidungsgründe
Der im Inland ansässige Berufungsführer bezieht aus seiner Tätigkeit als Lehrer an der von der "formatio" Bildungs-Anstalt in Liechtenstein geführten "formatio" Privatschule Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, wobei er in der Regel arbeitstäglich zwischen seinem inländischen Wohnsitz und dem Arbeitsplatz in Liechtenstein pendelt.
Aufgrund des Vorliegens einer nicht unter Art. 19 Abs. 1 DBA-Liechtenstein fallenden Grenzgängertätigkeit hat das Finanzamt mit Bescheiden vom bzw. vom Vorauszahlungen an Einkommensteuer für 2012 sowie 2013 und Folgejahre festgesetzt.
Dagegen wurde jeweils Berufung erhoben und nach Ergehen abweisender Berufungsvorentscheidungen die Entscheidung über die Berufungen durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz beantragt. Begründend wurde zusammengefasst vorgebracht, die "formatio" Bildungs-Anstalt sei, anders als in der vom Finanzamt zitierten UFS-Entscheidung vom , RV/0072-F/12, betreffend eine Tätigkeit am Heilpädagogischen Zentrum in Liechtenstein, nicht ein privatrechtlicher Verein, sondern eine juristische Person des öffentlichen Rechts, da es sich bei der "formatio" Bildungs-Anstalt um eine Privatschule mit Öffentlichkeitsrecht handle. Der "formatio" sei mit Entscheidung der Regierung des Fürstentums Liechtenstein vom , RA 2002/3655-4412, das Öffentlichkeitsrecht verliehen worden. Es sei ihr auch das Recht eingeräumt worden, Schulzeugnisse auszustellen, die mit der Beweiskraft öffentlicher Urkunden und mit den gleichen Rechtswirkungen wie Zeugnisse der öffentlichen Schule ausgestattet seien (Art. 68 des liechtensteinischen Schulgesetzes). Es handle sich bei der "formatio" somit um eine von der Regierung bewilligte öffentliche Schule und es erfülle diese auch eine im öffentlichen Interesse liegende Bildungsaufgabe. Die "formatio" sei auch allgemein zugänglich und es würden die Qualifikationen des Leitungs- und Lehrpersonals jährlich durch den Schulrat geprüft. In rechtlicher Hinsicht habe die Verleihung des Öffentlichkeitsrechts zur Folge, dass die "formatio" eine juristische Person des öffentlichen Rechts sei. Dies habe zur Folge, dass alle angestellten Mitarbeiter (Lehrer), auch jene mit Wohnsitz in Österreich, mit ihrem Lohn nach Art. 19 Abs. 1 DBA-Liechtenstein nur in Liechtenstein steuerpflichtig seien. Anders auch als in dem vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom , 2009/15/0151, entschiedenen Fall betreffend einen bei einem privaten Verein angestellten Bewährungshelfer, sei der Berufungsführer bei einer juristischen Person des öffentlichen Rechts des Staates Liechtenstein angestellt. Das Arbeitsverhältnis bestehe juristisch gesehen mit dem Staat Liechtenstein bzw. mit einer juristischen Person des öffentlichen Rechts des Staates Liechtenstein und er übe dort eine öffentliche Funktion als Lehrer aus. Der Begriff "öffentliche Funktion" knüpfe nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes an die Tätigkeit des betreffenden Dienstnehmers an. Voraussetzung für die Anwendung des Kassenstaatsprinzips nach Art. 19 Abs. 1 DBA-Liechtenstein sei demnach einerseits die Leistung von Diensten für den Staat oder eine Gebietskörperschaft, wobei die erbrachten Dienstleistungen nicht im Zusammenhang mit einer kaufmännischen oder gewerblichen Tätigkeit der öffentlichen Hand bzw. der betreffenden Einrichtung stehen dürften, und andererseits die Ausübung einer öffentlichen Funktion. In steuerlicher Hinsicht habe die Verleihung des Öffentlichkeitsrechts zur Folge, dass die Lehrer der "formatio" wie Lehrer einer öffentlichen Schule oder einer öffentlichen Universität zu behandeln seien. Der in öffentlicher Funktion tätige Berufungsführer falle daher unter Art. 19 Abs. 1 DBA-Liechtenstein und sei somit nur in Liechtenstein steuerpflichtig. Dies werde auch von der liechtensteinischen Steuerverwaltung in ihrem Schreiben vom so gesehen.
Über die Berufung wurde erwogen:
Strittig ist, ob bezüglich der nichtselbständigen Einkünfte des Berufungsführers aus der Tätigkeit als Lehrer an der "formatio" Privatschule in Liechtenstein die Zuteilungsregel des Art. 19 Abs. 1 DBA-Liechtenstein zur Anwendung kommt und dementsprechend das Besteuerungsrecht dem Fürstentum Liechtenstein zukommt oder nicht. Außer Streit steht, dass die Anwendungsvoraussetzungen der Grenzgängerregelung des Art. 15 Abs. 4 DBA-Liechtenstein erfüllt sind und im Falle der Nichtanwendbarkeit der Bestimmung des Art. 19 Abs. 1 DBA-Liechtenstein das Besteuerungsrecht Österreich als Wohnsitzstaat zusteht.
Art. 19 des Abkommens zwischen der Republik Österreich und dem Fürstentum Liechtenstein zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen, BGBl. Nr. 24/1971, lautet:
"Öffentliche Funktionen
(1) Vergütungen, einschließlich der Ruhegehälter, die von einem Vertragstaat oder einer seiner Gebietskörperschaften unmittelbar oder aus einem von diesem Staat oder der Gebietskörperschaft errichteten Sondervermögen an eine natürliche Person für die diesem Staat oder der Gebietskörperschaft in Ausübung öffentlicher Funktion erbrachten Dienste gezahlt werden, dürfen nur in diesem Staat besteuert werden.
(2) Auf Vergütungen oder Ruhegehälter für Dienstleistungen, die im Zusammenhang mit einer kaufmännischen oder gewerblichen Tätigkeit eines der Vertragstaaten oder einer seiner Gebietskörperschaften erbracht werden, finden die Artikel 15, 16 und 18 Anwendung."
Die Besteuerung öffentlicher Bezüge iSd Art. 19 DBA-Liechtenstein erfolgt somit regelmäßig in jenem Staat, der die Bezüge auszahlt (Kassenstaatsprinzip). Tatbestandsmäßig setzt Art. 19 Abs. 1 DBA-Liechtenstein voraus (vgl. , mwN):
1. die Zahlung der Vergütung von einem Vertragsstaat oder einer seiner Gebietskörperschaften unmittelbar oder aus einem vom Vertragsstaat oder der Gebietskörperschaft errichteten Sondervermögen;
2. die Erbringung von Diensten für diesen Staat oder die Gebietskörperschaft, und zwar
3. in Ausübung öffentlicher Funktionen.
Nach Art. 60 des liechtensteinischen Schulgesetzes sind Privatschulen von natürlichen oder juristischen Personen des privaten Rechts getragene Einrichtungen, in denen eine Mehrzahl von Schülern gemeinsam nach einem Lehrplan unterrichtet wird. Den vorliegenden Unterlagen zufolge wurde die "formatio" Privatschule zunächst unter der Trägerschaft der Stiftung "Neues Lernen" geführt. Dieser wurde mit Entscheidung der Regierung des Fürstentums Liechtenstein vom gestützt auf Art. 67 des Schulgesetzes, LGBl. 2000 Nr. 35, unter Vorbehalt der dort angeführten Bedingungen (Punkt 2.) das Öffentlichkeitsrecht für die von ihr betriebene "formatio" Privatschule verliehen. Dadurch erhält sie das Recht, Schulzeugnisse auszustellen, die mit der Beweiskraft öffentlicher Urkunden und mit den gleichen Rechtswirkungen wie Zeugnisse der öffentlichen Schule ausgestattet sind (Art. 68 des Schulgesetzes).
Seit Juli 2007 ist Rechtsträgerin die im Handelsregister eingetragene "formatio" Bildungs-Anstalt, eine Anstalt im Sinne der Art. 534 ff des liechtensteinischen Personen- und Gesellschaftsrechts (Art. 1 der Statuten). Mit Beschluss der Regierung des Fürstentums Liechtenstein vom wurden ihr die dort im Einzelnen angeführten, bisher von der Stiftung "Neues Lernen" gehaltenen Bewilligungen bzw. Rechte (insbesondere zur Errichtung und Führung der Schule mit den verschiedenen Schulstufen sowie das Öffentlichkeitsrecht) übertragen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom , 2009/15/0151, betreffend einen beim Verein für Bewährungshilfe in Liechtenstein angestellten Bewährungshelfer ausgesprochen, dass dieser Mitarbeiter eines Vereins sei und als solcher seine Dienste gegenüber dem eine selbständige juristische Person darstellenden Verein und nicht gegenüber dem Staat Liechtenstein oder einer liechtensteinischen Gebietskörperschaft erbringe. Lediglich der Verein erbringe (entsprechend dem zwischen dem Amt für Soziale Dienste des Fürstentums Liechtenstein und dem Verein geschlossenen Leistungsvertrag) - im Wege seiner Mitarbeiter - Leistungen gegenüber dem Staat. Es liege daher schon deswegen kein dem Art. 19 DBA-Liechtenstein subsumierbarer Sachverhalt vor. Auf die Frage, ob die Dienste in Ausübung öffentlicher Funktionen erbracht würden und ob die Vergütungen aus einem vom Staat Liechtenstein (oder einer seiner Gebietskörperschaften) errichteten Sondervermögen bezahlt würden, sei daher nicht mehr einzugehen.
Nichts anderes kann somit auch im Berufungsfall gelten, wird doch auch die "formatio" Privatschule unter der Trägerschaft der "formatio" Bildungs-Anstalt, einer nach Art. 534 ff des liechtensteinischen Personen- und Gesellschaftsrechts errichteten Anstalt, dh. einem rechtlich verselbständigten und organisierten, dauernden wirtschaftlichen oder anderen Zwecken gewidmeten, ins Handelsregister als Anstaltsregister eingetragenen Unternehmen, geführt. Das in Rede stehende Arbeitsverhältnis besteht damit aber nicht mit dem Staat Liechtenstein oder einer seiner Gebietskörperschaften, sondern mit einer selbständigen juristischen Person des privaten Rechts, von der der Berufungsführer auch entlohnt wird.
Dass die "formatio" Privatschule allgemein zugänglich ist und eine im öffentlichen Interesse liegende Bildungsaufgabe (Unterweisung von schulpflichtigen Kindern nach einem von der Regierung bewilligten Lehrplan) erfüllt und von der zuständigen Schulbehörde bzw. vom Schulrat regelmäßig überprüft wird, vermag daran ebenso wenig zu ändern, wie die Verleihung des Öffentlichkeitsrechts. Wie in der vorgelegten Entscheidung der Regierung des Fürstentums Liechtenstein vom ausgeführt wird, erhielt die von der Stiftung "Neues Lernen" (nunmehr der "formatio" Bildungs-Anstalt) betriebene "formatio" Privatschule mit der Verleihung des Öffentlichkeitsrechts gemäß Art. 68 des liechtensteinischen Schulgesetzes das Recht, Schulzeugnisse auszustellen, die mit der Beweiskraft öffentlicher Urkunden und mit den gleichen Rechtswirkungen wie Zeugnisse der öffentlichen Schule ausgestattet sind. Die Zuerkennung solcher Rechte bzw. damit verbundener Pflichten ist für die Frage der Rechtspersönlichkeit der Privatschule aber ohne jede Relevanz (vgl. , zur Rechtspersönlichkeit einer Krankenanstalt). Entgegen der von der Rechtsvertretung des Berufungsführers sowie der liechtensteinischen Steuerverwaltung im Schreiben vom an die Stiftung "Neues Lernen" vertretenen Auffassung, kann daher auch keine Rede davon sein, dass die (privatrechtliche) Stiftung "Neues Lernen" bzw. die "formatio" Bildungs-Anstalt durch die Verleihung des Öffentlichkeitsrechts eine juristische Person des öffentlichen Rechts geworden wäre, hat dies doch keine Auswirkung auf ihre Rechtsnatur als selbständige juristische Person des privaten Rechts. Im Übrigen kommt der Rechtsansicht einer ausländischen Steuerbehörde auch keine bindende Wirkung zu (vgl. ).
Hinzu kommt, dass Artikel 19 DBA-Liechtenstein nur die von einem Vertragstaat oder einer seiner Gebietskörperschaften unmittelbar oder aus einem von diesem Staat oder der Gebietskörperschaft errichteten Sondervermögen gezahlten Vergütungen und damit - anders als in anderen von Österreich abgeschlossenen Doppelbesteuerungsabkommen - nicht auch Vergütungen von juristischen Personen des öffentlichen Rechts umfasst. Selbst wenn es sich um eine Körperschaft öffentlichen Rechts handeln würde, würden die von ihr bezahlten Löhne daher nicht in den Anwendungsbereich des Art. 19 Abs. 1 DBA-Liechtenstein fallen.
Erbringt der Berufungsführer seine Dienste somit aber gegenüber der eine selbständige juristische Person darstellenden "formatio" Bildungs-Anstalt und nicht gegenüber dem Staat Liechtenstein oder einer liechtensteinischen Gebietskörperschaft, ist Art. 19 Abs. 1 DBA-Liechtenstein bereits aus diesem Grund nicht anwendbar und kann nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. ) dahingestellt bleiben, ob der Berufungsführer "in Ausübung öffentlicher Funktion" tätig war.
Soweit in den Berufungen auch auf ein Schreiben des Finanzamtes vom , in dem ausgeführt wird, dass "diese Einkünfte" gemäß Art. 19 DBA-Liechtenstein nur im Schuldnerstaat besteuert werden, Bezug genommen wird, ist für den Berufungsführer schon deshalb nichts zu gewinnen, weil aus diesem nicht hervorgeht, an wen es ergangen ist und welcher Sachverhalt der Auskunft zu Grunde lag. Überdies wurde im Schreiben angemerkt, dass die Bestätigung nur bis zum gültig ist. Damit liegt aber auch kein unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben allenfalls zu berücksichtigendes schutzwürdiges Vertrauen auf eine vom Finanzamt erteilte Auskunft vor. Zudem ist die Behörde verpflichtet, von einer als unrichtig erkannten Beurteilung oder einer gesetzwidrigen Verwaltungsübung abzugehen, sobald sie ihr Fehlverhalten erkennt (vgl. , mwN).
Aus den dargelegten Gründen haftet den angefochtenen Bescheiden eine Rechtswidrigkeit somit nicht an und waren die dagegen erhobenen Berufungen daher als unbegründet abzuweisen.
Feldkirch, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | Art. 19 DBA FL (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Liechtenstein (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. Nr. 24/1971 |
Verweise |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at