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Berufungsentscheidung - Steuer (Senat), UFSI vom 21.07.2010, RV/0589-I/09

Einbeziehung der Normverbrauchsabgabe in die Umsatzsteuerbemessungsgrundlage

Rechtssätze


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Folgerechtssätze
RV/0589-I/09-RS1
wie RV/0424-I/09-RS1
Eine Aufhebung gemäß § 299 BAO setzt die Gewissheit der Rechtswidrigkeit voraus (Ritz, BAO, § 299 Rz. 13). Dies bedeutet aber nicht, dass ein Antrag auf Bescheidbehebung schon (allein) mit der Begründung abgewiesen werden dürfte, dass der EuGH in einer gemeinschaftsrechtlich bedeutsamen Frage (Einbeziehung der NoVA in die USt-Bemessungsgrundlage) noch nicht entschieden hat (die Rechtswidrigkeit der Einbeziehung der NoVA noch nicht als gewiss anzusehen ist).

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat durch den Senat ABCD über die Berufung der Bwin., vertreten durch Stb. GmbH, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Landeck Reutte vom betreffend Abweisung eines Antrages auf Aufhebung gemäß § 299 BAO der Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2003 bis 2006 entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Entscheidungsgründe

Die Berufungswerberin brachte mit Schriftsatz vom den Antrag auf Behebung der Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2003 bis 2006 gem. § 299 BAO ein, weil Österreich beim Verkauf von Straßenfahrzeugen den Betrag der Normverbrauchsabgabe in die Mehrwertsteuerbemessungsgrundlage einbeziehe, dies jedoch gemeinschaftswidrig sei. Unter Bezugnahme auf die Entscheidung in der Rechtssache C-98/05 werde die Ansicht vertreten, dass die Normverbrauchsabgabe bis auf geringfügige und unerhebliche Unterschiede identisch mit der in Dänemark zu entrichtenden und vom Gerichtshof geprüften Steuer sei und daher aus der Umsatzsteuerbemessungsgrundlage auszuscheiden sei. Die Berufungswerberin verwies weiters darauf, dass die Kommission bereits Vertragsverletzungsverfahren gegen Polen und Portugal "in der gleichen Sache" eingeleitet habe (OPLATA rejestracyjna bzw Imposto Automòvel, Art 226 EGV, siehe IP/07/1003).

Der Antrag wurde mit Bescheid vom als unbegründet abgewiesen, da die Normverbrauchsabgabe als Abgabe iSd Art. 78 lit. a der RL 2006/112/EG nicht als durchlaufender Posten nach Art. 79 lit. c der RL 2006/112/EG zu qualifizieren sei, weshalb die Einbeziehung der Normverbrauchsabgabe in die Umsatzsteuerbemessungsgrundlage zu Recht erfolgt sei.

Mit Berufung vom wandte die Berufungswerberin wiederum unter Bezugnahme auf die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache C-98/05, "De Danske Bilimportorer" ein, dass die Normverbrauchsabgabe wie die dänische Abgabe für die Zulassung entrichtet werde und deren Weiterverrechnung durch den Fahrzeughändler daher einen durchlaufenden Posten darstelle.

Die Abgabenbehörde erster Instanz forderte die Berufungswerberin mit Schreiben vom auf, bekannt zu geben, ob der in der Berufung ausgeführten Rechtsansicht folgend die in den betroffenen Jahren gegebenenfalls zu hoch ausgestellten Rechnungen gegenüber den Kunden mittlerweile berichtigt worden seien, was die Berufungswerberin mit Fax vom verneinte.

Mit Berufungsvorentscheidung vom wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen, woraufhin der Vorlageantrag vom eingebracht wurde. Darin ergänzte die Berufungswerberin ihre Ausführungen in der Berufungsschrift dahingehend, dass die Tatsache einer Rechnungsberichtigung irrelevant für die beantragte Aufhebung sei, da eine Rechnungsberichtigung nur für den aktuellen Voranmeldungszeitraum erfolgen könne und der EuGH in seiner Rechtsprechung wiederholt dargetan habe, dass eine Rechnungsberichtigung nicht conditio sine qua non für einen Vorsteuer- oder Rückerstattungsantrag sein könne und drittens eine Rechnungsberichtigung nur eine zivilrechtliche Bedeutung pro futuro habe. Hinsichtlich der Rechtswidrigkeit der Einbeziehung der Normverbrauchsabgabe in die Umsatzsteuerbemessungsgrundlage verwies die Berufungswerberin neuerlich auf die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Rs. C-98/05 und die Einleitung der Vertragsverletzungsverfahren gegenüber Österreich, Malta und Finnland.

Über die Berufung wurde erwogen:

1) Gemäß § 299 BAO kann die Abgabenbehörde erster Instanz auf Antrag der Partei oder von Amts wegen einen Bescheid der Abgabenbehörde erster Instanz aufheben, wenn sich der Spruch des Bescheides als nicht richtig erweist (Abs. 1). Mit dem aufhebenden Bescheid ist der den aufgehobenen Bescheid ersetzende Bescheid zu verbinden. Dies gilt nur, wenn dieselbe Abgabenbehörde zur Erlassung beider Bescheide zuständig ist (Abs. 2). Durch die Aufhebung des aufhebenden Bescheides (Abs. 1) tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor der Aufhebung (Abs. 1) befunden hat (Abs. 3).

a) Die Aufhebung gemäß § 299 BAO setzt die "Gewissheit" der Rechtswidrigkeit voraus. Die bloße Möglichkeit reicht nicht aus (Ritz, BAO, § 299 Rz. 13 unter Hinweis auf Stoll, BAO, 2888).

Nach der zitierten Literaturstelle (Stoll, BAO, Wien 1994, 2888) hat die Anwendung des Aufhebungstatbestands des § 299 Abs. 2 BAO in der Fassung vor dem AbgRmRefG BGBl I Nr. 97/2002 zur Voraussetzung, dass der Bescheid inhaltlich rechtswidrig ist, nicht dass er möglicherweise rechtswidrig sein könnte. Nicht die potentielle Verletzung des materiellen Rechts, nicht Mängel im Verfahren, die eine rechtswidrige Bescheidgestaltung zur Folge haben konnten, nicht die Möglichkeit der Rechtswidrigkeit eines Bescheides, sondern die Feststellung der falschen Rechtsanwendung rechtfertige die Bescheidbehebung. Nur wenn die nachträgliche Beurteilung zur Gewissheit der Rechtswidrigkeit eines Bescheides und damit zumindest in ebenso hohem Maße zur belegbaren und begründeten Gewissheit der Richtigkeit des Aufhebungsgrundes führe, sei die Behebung des Bescheides zulässig. Insoweit habe die (die einen Bescheid behebende) Behörde ihren Bescheid mit einer materiell-rechtlichen Begründung zu rechtfertigen. Sie setze damit die von ihr vertretene Rechtsauffassung einer Überprüfung durch den VwGH nach dem Grunde der inhaltlichen Rechtswidrigkeit aus und habe zu gewärtigen, dass "ihr Bescheid" vorab nach dem Maßstab des materiellen Rechts geprüft werde, weil nur die Feststellung der inhaltlichen Rechtswidrigkeit des aufgehobenen Bescheides dessen Aufhebung rechtfertige.

b) Die Frage, ob es gemeinschaftsrechtlich zulässig ist, die österreichische Normverbrauchsabgabe in die Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer einzubeziehen, wird von den Parteien des Verfahrens unterschiedlich beantwortet. Nach Ansicht des Bundesministeriums für Finanzen entspricht die Einbeziehung der Normverbrauchsabgabe gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben. Die Europäische Kommission ist anderer Ansicht. Sie hat beschlossen, beim Gerichtshof der Europäischen Union (kurz: EuGH) eine Klage einzubringen. Die Klage wurde am eingereicht. Das Verfahren ist zu C-433/09 anhängig. Aus dem am ergangenen Urteil des EuGH in der Rechtssache C-228/09 (Vertragsverletzungsverfahren gegen Polen) wird in der Literatur (taxlex 2010, S. 233) nunmehr der Schluss gezogen, dass auf Grund der Parallelen der österreichischen Normverbrauchsabgabe mit der polnischen Zulassungssteuer die Einbeziehung der Normverbrauchsabgabe in die umsatzsteuerliche Bemessungsgrundlage gemeinschaftskonform sein dürfte.

c) In der Beurteilung der dargestellten Frage besteht keine "Gewissheit" im Sinne einer rechtlichen Übereinstimmung der von den Verfahrensparteien vertretenen Rechtsansichten. Dies bedeutet allerdings noch keineswegs, dass der Antrag der Bw. auf Aufhebung der Umsatzsteuerbescheide 2003 bis 2006 bereits aus diesem Grund als unbegründet abzuweisen wäre: Der Unabhängige Finanzsenat (als Abgabenbehörde zweiter Instanz) kann sich nicht darauf zurückziehen, keinen Rechtsschutz zu gewähren, solange eine gemeinschaftsrechtliche Frage nicht mit der erforderlichen "Gewissheit" beurteilt werden kann.

Die Beurteilung einer Rechtsfrage des nationalen Rechts kann von einer Abgabenbehörde (erster oder zweiter Instanz) - zum Nachteil der Rechtsschutz suchenden Partei - nicht mit der Begründung unbeantwortet bleiben, dass Rechtsklarheit erst von den Höchstgerichten (dh. von den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts) geschaffen bzw. hergestellt werden kann. Ist eine Rechtsfrage zu klären, so hat die Abgabenbehörde (erster oder zweiter Instanz) zu dieser Frage Stellung zu beziehen. Sie kann sich auch in einer gemeinschaftsrechtlichen Frage nicht mit der Bemerkung begnügen, dass (zumindest nach Ansicht des Abgabepflichtigen) eine Entscheidung durch den EuGH unumgänglich sei, was zur Folge haben soll, dass von einer Unrichtigkeit der Abgabenbescheide, um deren Aufhebung ersucht wird, nicht mit der für eine Anwendung des § 299 BAO erforderlichen "Gewissheit" ausgegangen werden könne (vgl. SWK 9/2009, S 346). Das Auslegungsmonopol des EuGH für gemeinschaftsrechtliche Fragen kann nur zur Folge haben, dass im Zweifelsfall um Vorabentscheidung ersucht werden kann bzw. muss, nicht hingegen, dass ein Ersuchen des Bw. um Bescheidbehebung als unbegründet abzuweisen wäre, solange der EuGH in einer gemeinschaftsrechtlich relevanten Frage noch nicht entschieden hat.

d) Die Berufung der Bw. konnte daher nicht ohne Eingehen auf die materielle Rechtslage abgewiesen werden (aA insoweit -G/08; ; ; ). Eine Abweisung der Berufung ergibt sich indessen aus umsatzsteuerrechtlichen Bestimmungen.

2) Hat der Unternehmer in einer Rechnung für eine Lieferung oder sonstige Leistung einen Steuerbetrag, den er nach diesem Bundesgesetz für den Umsatz nicht schuldet, gesondert ausgewiesen, so schuldet er diesen Betrag auf Grund der Rechnung, wenn er sie nicht gegenüber dem Abnehmer der Lieferung oder dem Empfänger der sonstigen Leistung entsprechend berichtigt (§ 11 Abs. 12 UStG 1994). Im Falle der Berichtigung gilt § 16 Abs. 1 UStG sinngemäß.

a) Dem im Bedenkenvorhalt vom bekannt gegebenen Rückschluss aus dem Vorbringen in der Berufungsschrift und in Verbindung mit dem offenbar auf den Vorhalt vom Bezug nehmenden Vorbringen des Vorlageantrages, dass die als Jahressummen bekannt gegebenen Normverbrauchsabgabe-Beträge in den Ausgangsrechnungen als Teil der Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer ausgewiesen wurden, wurde in der Vorhaltebeantwortung vom nicht entgegengetreten. Es kann daher in unbedenklicher Weise davon ausgegangen werden, dass sich die Bemessungsgrundlage in allen Fällen aus dem "vereinbarungsgemäß" zu entrichtenden Nettoentgelt zuzüglich der getrennt davon in Rechnung gestellten Normverbrauchsabgabe ergibt.

b) Ein Anwendungsfall des § 11 Abs. 12 UStG liegt auch dann vor, wenn sich nachträglich das Entgelt für einen Umsatz vermindern sollte: Die in der Rechnung ausgewiesene Umsatzsteuer ist in einem solchen Fall höher als die gesetzlich geschuldete Steuer. Die Steuer wird auf Grund der Rechnung geschuldet, solange die Rechnung nicht berichtigt wird. Der Unternehmer, der auf einer Rechnung einen höheren (als den zutreffenden) Steuerbetrag ausweist, schuldet den überhöhten Steuerbetrag kraft Rechnungslegung (unrichtigem Steuerausweis).

Für die Berichtigung einer Rechnung im Falle des unrichtigen Steuerausweises ist § 16 Abs. 1 UStG sinngemäß anzuwenden. Der Rechnungsaussteller darf den geschuldeten Steuerbetrag korrigieren; der Leistungsempfänger ist verhalten, einen von ihm vorgenommenen Steuerabzug entsprechend zu berichtigen. Die Korrekturen sind in dem Veranlagungszeitraum vorzunehmen, in dem die Rechnungsberichtigung durchgeführt wird.

Es entspricht dem System des Mehrwertsteuerrechts, dass eine Reduktion der Umsatzsteuerschuld immer nur mit einer entsprechenden Berichtigung der Rechnung (für Vorsteuerzwecke) einhergehen kann (vgl. , Stadeco BV).

c) Die in Betracht kommenden Rechnungen wurden in den Jahren 2003 bis 2006 (unbestritten) nicht berichtigt. Der Berufung könnte daher - für die strittigen Veranlagungsjahre - auch dann keine Folge gegeben werden, wenn sich der Rechtsstandpunkt der Berufungswerberin, was die Auslegung des Gemeinschaftsrechts betrifft, als zutreffend erweisen sollte.

d) § 11 Abs. 13 UStG ist nicht anwendbar. Die Bestimmung greift nur dann, wenn sich das Entgelt auf Grund von Zahlungsabzügen, wie Skonti, Rabatte etc., vermindert. Nur in diesen (hier nicht vorliegenden bzw. zu beurteilenden) Fällen ist eine Rechnungskorrektur nach § 11 Abs. 13 UStG nicht erforderlich.

e) Der von der Bw. vertretenen Ansicht, dass die "Umsatzsteuer auf eine Abgabe auch kraft Rechnungslegung (analog ne bis in idem) nicht entstehen kann", ist die dargestellte materiellrechtliche Rechtslage entgegen zu halten, der der verfahrensrechtliche Grundsatz des Wiederholungsverbotes (neuerlicher Abspruch in der gleichen Rechtssache) nicht entgegen stehen kann (vgl. zB auch -G/08; Gaigg/Schima, SWK 2008, S 800).

3) Die Berufung der Berufungswerberin gegen den Bescheid über die Abweisung des Antrages auf Aufhebung der Umsatzsteuerbescheide der Jahre 2003 bis 2006 gemäß § 299 BAO war daher zwar nicht aus den zu 1) dargestellten Gründen, wohl aber aus den zu 2) dargestellten Gründen als unbegründet abzuweisen.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 299 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 11 Abs. 12 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
Schlagworte
NoVA
Umsatzsteuerbemessungsgrundlage
Rechnungsberichtigung
Verweise



-G/08



Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at