zurück zu Linde Digital
TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 26.11.2007, RV/0986-W/07

Brille als Hilfsmittel gem. § 4 der VO über außergewöhnliche Belastungen

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des AB, Adr., vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Bruck Eisenstadt Oberwart vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2005 entschieden:

Der Berufung wird im Sinne der in dieser Angelegenheit ergangenen Berufungsvorentscheidung teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der Abgabe sind der Berufungsvorentscheidung zu entnehmen und bilden einen Bestandteil dieses Bescheidspruches.

Entscheidungsgründe

Der Berufungswerber (Bw.) beantragte in seiner Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung für 2005 außergewöhnliche Belastungen wegen Behinderung wie folgt: - den Freibetrag gemäß § 35 Abs. 3 EStG wegen Erwerbsminderung von 90% - den Pauschbetrag für ein KfZ - zusätzliche Aufwendungen von 2.955,00 €

Einer Beilage zur Steuererklärung ist zu entnehmen, dass sich der Betrag von 2.955,00 € aus - Rezeptgebühren und Medikamentenkosten von 421,55 €, - Krankenhauskosten von 97,00 €, - Brille um 302,00 €, - Arztkosten von 137,85 € und - Infrarotkabine in Höhe von 1.996,18 € zusammensetzt.

Im Einkommensteuerbescheid 2005 berücksichtigte das Finanzamt unter den außergewöhnlichen Belastungen lediglich den Freibetrag gemäß § 35 Abs. 3 EStG in Höhe von 507,00 € sowie den Pauschbetrag nach der Verordnung über außergewöhnliche Belastungen in Höhe von 2.340,00 €. In der Begründung wird dazu ausgeführt, dass sich tatsächliche Kosten und der pauschale Freibetrag einander ausschließen. Es sei daher nur der Pauschbetrag gewährt worden.

In der Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid brachte der Bw. vor, er habe den Betrag von 2.955,00 € in der Steuererklärung irrtümlich unter der Kennzahl 439 (tatsächliche Kosten anstelle der pauschalen Freibeträge) statt unter 476 (nicht regelmäßige Ausgaben für Hilfsmittel und Kosten der Heilbehandlung) eingetragen. Die Belege übermittle er zur Überprüfung. Die Infrarotkabine sei ihm auf Grund der schweren Schädigung seines Gelenk- und Stützapparates vom Krankenhaus zur Linderung seiner Beschwerden empfohlen worden. Die Brille habe er wegen des günstigeren Preises in Ungarn gekauft.

Das Finanzamt gab der Berufung mit Berufungsvorentscheidung teilweise statt. Zusätzlich zu den bereits berücksichtigten Pauschbeträgen zog das Finanzamt auch nachgewiesene Kosten aus der eigenen Behinderung nach der Verordnung über außergewöhnliche Belastungen von 656,40 € als außergewöhnliche Belastung ab. Die Kosten der Brille von 302,00 € wurden als Aufwand für außergewöhnliche Belastungen, von denen ein Selbstbehalt abzuziehen ist, eingestuft, da kein ursächlicher Zusammenhang mit der Behinderung bestehe. Dieser Betrag übersteige den Selbstbehalt von 2.926,63 € allerdings nicht, die Kosten für die Brille konnten somit zu keiner steuerlichen Berücksichtigung führen.

Zur Anschaffung der Infrarotkabine erläuterte das Finanzamt in der Bescheidbegründung, dass es sich hier um eine bloße Vermögensumschichtung handle, welche mangels eines endgültigen Wertverzehrs nicht als außergewöhnliche Belastung abziehbar sei.

Der Bw. wandte sich mit einem weiteren Schreiben gegen die Berufungsvorentscheidung des Finanzamtes, welches die Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz zur Entscheidung vorlegte. In dem Schreiben führte der Bw. aus, dass es sich bei der Brille um eine Gleitsichtbrille wegen seiner Sehschwäche handle. Er brauche die Brille, weil er seit 1991 an Keratokonjunktivitis sicca beidseits und seit 2001 an Grauem Star leide. Die Eintragung beim Bundessozialamt sei bereits rückwirkend bis 2005 beantragt worden.

Zum Nachweis des Augenleidens (Konjunktivitis) ist ein ärztlicher Befund vom beigelegt.

Im Akt befindet sich ein Schreiben des Bundessozialamtes vom , in welchem der Bw. bezugnehmend auf seinen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Sehbehinderung" im Rahmen des Parteiengehörs die Möglichkeit einer Stellungnahme eingeräumt wird, da nach ärztlicher Auskunft die Voraussetzungen für diese Zusatzeintragung nicht vorlägen. Beigelegt ist ein augenfachärztliches Sachverständigengutachten vom , in dem u.a. Konjunktivitis und ein beginnender Grauer Star diagnostiziert wird. Von augenärztlicher Seite wird jedoch kein Behinderungsgrad festgestellt.

Aktenkundig ist schließlich ein Bescheid des Bundessozialamtes vom , mit welchem der Antrag des Bw. auf Zusatzeintragung im Behindertenpass "Der Inhaber des Passes ist sehbehindert" abgewiesen wird. Verwiesen wird auf ein ärztliches Sachverständigengutachten sowie darauf, dass der Bw. von der Gelegenheit zur Stellungnahme nicht Gebrauch gemacht habe.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 34 Abs. 1 EStG sind bei der Ermittlung des Einkommens außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss folgende Voraussetzungen erfüllen: - sie muss außergewöhnlich sein, - sie muss zwangsläufig erwachsen, - sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen.

Letzteres ist gemäß Abs. 4 dann der Fall, wenn die Belastung einen nach dem Einkommen des Steuerpflichtigen berechneten Selbstbehalt übersteigt.

Krankheitskosten erfüllen dem Grunde nach diese Voraussetzungen; allerdings ist in der Regel von diesen Kosten der Selbstbehalt abzuziehen.

Davon abweichend können nach der Bestimmung des § 34 Abs. 6 EStG gewisse Aufwendungen ohne Berücksichtigung eines Selbstbehaltes abgezogen werden. Dazu zählen u.a. Aufwendungen wegen Körperbehinderung. Der Bundesminister für Finanzen hat mit Verordnung festgelegt, in welchen Fällen und in welcher Höhe Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung ohne Anrechnung auf einen Freibetrag nach § 35 Abs. 3 EStG und ohne Anrechnung auf eine pflegebedingte Geldleistung zu berücksichtigen sind.

In dieser Verordnung über außergewöhnliche Belastungen wird in § 4 festgelegt, dass nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Hilfsmittel sowie Kosten der Heilbehandlung im nachgewiesenen Ausmaß zu berücksichtigen sind.

Gemäß § 35 Abs. 2 EStG ist die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) durch eine amtliche Bescheinigung der zuständigen Stelle (ab 2005 das Bundessozialamt) nachzuweisen.

Der Bw. hat einen Grad der Behinderung von 90% nachgewiesen. Im Einkommensteuerbescheid 2005 wurden antragsgemäß der Freibetrag gemäß § 35 Abs. 3 EStG von 507,00 € und die Pauschbeträge nach der Verordnung über außergewöhnliche Belastungen für ein Kraftfahrzeug und für Diätverpflegung von insgesamt 2.340,00 € anerkannt.

Mit Berufungsvorentscheidung wurden in Hinblick auf § 4 der Verordnung darüber hinaus (nicht mehr strittige) Kosten der Heilbehandlung von insgesamt 656,40 € als außergewöhnliche Belastung abgezogen. Nicht anerkannt wurden hingegen die Kosten für eine Infrarotkabine. Hinsichtlich der Gleitsichtbrille sah das Finanzamt keinen Zusammenhang mit der Behinderung des Bw. und stufte diese Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung mit Abzug eines Selbstbehaltes (2.926,63 €) ein. Für die Kosten der Brille von 302,00 € ergab sich dadurch keine steuerliche Auswirkung.

Der Antrag auf zusätzliche Eintragung einer Sehbehinderung in den Behindertenpass wurde vom Bundessozialamt mit Bescheid vom abgewiesen. Im augenfachärztlichen Sachverständigengutachten vom wird ausdrücklich festgehalten, dass aus augenärztlicher Sicht kein Behinderungsgrad festzustellen ist.

In rechtlicher Würdigung dieses Sachverhaltes ist auszuführen, dass die Kosten der Brille zwar als Krankheitskosten anzusehen sind, jedoch nicht als Aufwendung für ein Hilfsmittel wegen Körperbehinderung im Sinne des § 4 der Verordnung über außergewöhnliche Belastungen. Aus den vorhandenen Unterlagen ergibt sich eindeutig, dass das Augenleiden des Bw. im Jahr 2007 zu keiner Behinderung geführt hat. Unbestritten ist auch in der bereits 2005 vorliegenden amtlichen Bescheinigung ein Augenleiden nicht enthalten. Da in § 35 Abs. 2 EStG ausdrücklich eine amtliche Bescheinigung als Nachweis der Behinderung gefordert wird, darf eine ärztliche Bestätigung von 1991 über ein bestehendes Augenleiden für die Annahme einer daraus resultierenden Behinderung nicht herangezogen werden.

Im übrigen könnten im Jahr 2005 angeschaffte Hilfsmittel in Zusammenhang mit einem Augenleiden nicht rückwirkend anerkannt werden, selbst wenn das Bundessozialamt im Jahr 2007 eine Zusatzeintragung wegen Sehbehinderung vorgenommen hätte.

Aufwendungen für Brillen als Hilfsmittel nach § 4 der genannten Verordnung können nur dann eine außergewöhnliche Belastung ohne Anwendung eines Selbstbehaltes sein, wenn in den Grad der vom Bundessozialamt bescheinigten Behinderung auch die Beurteilung eines Augenleidens eingeflossen ist, wofür eine Brille als Hilfsmittel benötigt wird.

Von der Abgabenbehörde zweiter Instanz wurde dem Bw. diese rechtliche Beurteilung dargelegt. Von der Möglichkeit einer Stellungnahme machte der Bw. keinen Gebrauch.

Abschließen ist zu sagen, dass der Erwerb der Gleitsichtbrille in keinem Zusammenhang mit der amtlich festgestellten Behinderung steht. Daher können die gegenständlichen Aufwendungen nur als Krankheitskosten mit Anwendung des Selbstbehaltes nach den allgemeinen Bestimmungen des § 34 EStG angesehen werden. Da diese Aufwendungen den Selbstbehalt von 2.926,63 € nicht übersteigen, ist damit die gesetzlich geforderte Voraussetzung einer wesentlichen Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit nicht erfüllt.

Der Berufung konnte daher in diesem Punkt nicht Folge gegeben werden.

Dem Berufungsbegehren hinsichtlich der Krankheitskosten, nämlich Rezeptgebühren, Medikamenten-, Krankenhaus- und Arztkosten von insgesamt 656,40 €, wurde in der Berufungsvorentscheidung bereits Rechnung getragen. Diese Aufwendungen wurden vom Finanzamt zu Recht als Kosten der Heilbehandlung im Sinne des § 4 der Verordnung über außergewöhnliche Belastungen angesehen, bei welchen wegen des Zusammenhangs mit der Behinderung kein Selbstbehalt abzuziehen ist.

Gegen die vom Finanzamt auch mit Berufungsvorentscheidung nicht gewährte Anerkennung der Infrarotkabine brachte der Bw. keine Einwendungen vor. Der Vollständigkeit halber sei darauf verwiesen, dass nach herrschender Rechtsmeinung (zB. Wiesner-Atzmüller-Grabner-Leitner-Wanke, EStG, § 34 Anm 13) die Anschaffungskosten von Sachen ohne eingeschränktem Verkehrswert grundsätzlich nicht als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig sind, weil es sich letztlich nur um eine Vermögensumschichtung handelt und der Steuerpflichtige einen entsprechenden Gegenwert erhält. In Anwendung dieser "Gegenwerttheorie" wurde vom Verwaltungsgerichtshof und vom Unabhängigen Finanzsenat in einer Reihe von Fällen die Abzugsfähigkeit als außergewöhnliche Belastung versagt, u.a. wurde auch die Anschaffung einer Infrarotwärmekabine nicht anerkannt (siehe -G/02).

Dem Finanzamt ist daher beizupflichten, dass mangels einer effektiven Vermögensminderung die Aufwendungen für die Infrarotkabine nicht zu einer "Belastung" des Bw. geführt haben und daher steuerlich nicht berücksichtigt werden können.

Der Berufung konnte daher wie in der Berufungsvorentscheidung vom nur teilweise stattgegeben werden.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Schlagworte
Brille
Behinderung
Selbstbehalt
Infrarotkabine
Verweise
Wiesner-Atzmüller-Grabner-Leitner-Wanke, EStG, § 34 Anm.13

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at