Nach § 5 Abs. 3 FLAG 1967 besteht kein Anspruch auf Familienbeihilfe für Kinder, die sich ständig im Ausland aufhalten.
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der N, Wien, vertreten durch Specht Böhm Rechtsanwalt GmbH, 1010 Wien, Teinfaltstraße 8, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 2/20/21/22, vertreten durch AD Helga Grössing, vom betreffend Familienbeihilfe für den Zeitraum bis entschieden:
Der Berufung wird teilweise (im Umfang der BVE) Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird insofern abgeändert, als Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge für den Zeitraum vom bis zum rückgefordert werden und für den Zeitraum vom bis zum gewährt wird.
Rückforderungsbetrag:
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Familienbeihilfe: |
€ 20.501,90 |
Kinderabsetzbeträge: |
€ 7.110,40 |
Summe: |
€ 27.612,30 |
Entscheidungsgründe
Am wurde an die Berufungswerberin ein Schreiben betreffend Überprüfung des Anspruchs auf Familienbeihilfe für ihre Kinder Y, M und S übermittelt. Dieses übermittelte sie am an das Finanzamt und erklärte, dass sämtliche Kinder bei ihr und ihrem Gatten im gemeinsamen Haushalt leben. Beigelegt war eine Schulbesuchsbestätigung, ausgestellt in Berrechid am , in dem bestätigt wurde, dass M im Schuljahr 2011 und 2012 den Lehrveranstaltungen an der Schule besuchte. Weiters wurde bestätigt, dass Y den Kindergarten besucht in der Schule Lahbiba sowie eine Bestätigung des Internationalen Kulturinstitutes in Wien, demgemäß Frau S im Juli und August 2010 sowie im Juli 2011 sowie im Monat September 2011 an Intensivkursen in Deutsch teilgenommen hat. Beigelegt war weiters eine Bestätigung für die Voranmeldung zum Diplomstudium Pharmazie für Frau S vom . Aus diesem ist ersichtlich, dass Frau S die Reifeprüfung am in Marokko absolviert hat.
Am wurde Frau N wiederum ein Schreiben zwecks Überprüfung des Anspruchs auf Familienbeihilfe übermittelt. Dieses Schreiben übergab sie persönlich am dem Finanzamt. Wiederum erklärte sie, dass alle Kinder mit ihr im gemeinsamen Haushalt lebten. Beigelegt war ein Schreiben des Steuerberaters Wolfgang Sobotka, in dem dieser bestätigt, dass A im Jahr 2010 € 1.000,00 pro Monat und 2011 € 1.100,00 pro Monat aus seinem Geschäft entnommen hat. Ebenfalls beigelegt war ein Schreiben demgemäß Y den Kindergarten in Wien 21 seit regelmäßig besucht, weiters eine Kopie des Mutter-Kind-Passes von Y , aus dem ersichtlich ist, dass das Kind regelmäßig zu Untersuchungen bei Frau Dr. in Wien war. Weiters eine Schulbestätigung für M der Alazhar International School, demgemäß die Schülerin im Schuljahr 2011/12 die sechste Klasse der Oberstufe besucht, sowie diverse in Marokko ausgestellte Bestätigungen für M für den Zeitraum 2006 bis 2011. Eine Bestätigung des Internationalen Kulturinstitutes in Wien, demgemäß Frau S vom 23.11. bis 29.2. einen Deutschintensivkurs angemeldet ist, sowie diverse französische Bestätigungen, denengemäß Frau S im Zeitraum von 2005 bis 2011 in Marokko unterrichtet wurde.
Am ersuchte das Finanzamt die Berufungswerberin bekannt zu geben, ab wann und wie lange ihre Kinder im Ausland waren, wo und bei wem die Kinder im Ausland wohnten, einen Nachweis der Kostentragung bzw. der Unterhaltsleistungen an die Kinder (Schulausbildung etc.) während des Auslandsaufenthalts sowie Kopie der Pässe der Kinder betreffend Ein- und Ausreise.
In Beantwortung dieser Anfragen teilte die Berufungswerberin in dem am überreichten Schreiben mit, dass die Kinder eine Schulausbildung erhalten habe, dass S ab 1999 bis 2011 und M ab 2002 bis 2011 bei der Großmutter in Marokko in Berrechid waren. Dazwischen seien sie aber immer wieder in Wien gewesen. Y sei immer in Wien gewesen. Versichert seien alle Kinder beim Vater A. Während des marokkanischen Aufenthaltes hätten die Kinder bei der Großmutter gewohnt. Das Geld für die Privatschulen sei von ihnen in bar übergeben worden. Weiters wurden Kopien der Reisepässe übergeben, demgemäß Y sich vom bis in Marokko war, M ebenfalls vom bis , die anderen Stempel waren nicht lesbar und S am aus Marokko ausreiste und am wieder einreiste, die anderen Stempel waren ebenfalls nicht lesbar.
Am erließ das Finanzamt einen Bescheid über die Rückforderung zu Unrecht bezogener Beträge betreffend Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag für das Kind S von Jänner 2006 bis September 2011 und das Kind M von Jänner 2006 bis Oktober 2011. Begründend wurde sowohl zu S als auch zu M ausgeführt: "Gemäß § 2 Abs. 2 FLAG 1967 haben Personen Anspruch auf Familienbeihilfe für ein Kind zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist."
Gegen diesen Bescheid brachte die Berufungswerberin am Berufung ein und brachte vor, dass die Kinder M und Y schon seit in Wien sind, wie aus dem beiliegenden Reisepass ersichtlich sei und die Schule nunmehr besuchen. Beigelegt wurde eine Reifeprüfungsbestätigung für S vom , demgemäß das Mädchen die Reifeprüfung bestanden hat und am nach Österreich eingereist ist, eine Bestätigung der Alazhar International School vom , demgemäß M im Schuljahr 2011/12 die sechste Oberstufenklasse besucht, ein Schulzeugnis für M der Alazhar International School vom , ein Befund des Diagnosezentrum Brigittenau für M vom , demgemäß die Schilddrüsen des Kindes einen unauffälligen Befund aufweisen, weiters Zeugnisse für Frau S vom Internationalen Kulturinstitut in Wien, demgemäß sie vom 5. Juli bis , vom 2. August bis , vom 1. August bis , vom 26. September bis , vom 24. Oktober bis , vom 23. November bis , vom 9. Jänner bis den Kurs "Deutsch als Fremdsprache" besucht hat sowie eine Bestätigung der Universität Wien dergemäß Frau S zum Studium der Pharmazie zugelassen ist.
Am erließ das Finanzamt eine Berufungsvorentscheidung, in der der Berufung teilweise stattgegeben wurde. Begründend wurde ausgeführt: "Gemäß § 5 Abs. 3 FLAG besteht kein Anspruch auf Familienbeihilfe für Kinder die sich ständig im Ausland aufhalten. Da sich Ihre Kinder M und S laut Unterlagen und eigener Angabe seit Juli 2011 wieder ständig in Österreich in Ihrem Haushalt aufhalten, konnte der Berufung für den Zeitraum Juli bis Oktober 2011 entsprochen werden. Die Rückforderung für den übrigen Zeitraum bleibt jedoch aufrecht."
Am brachte die Berufungswerberin einen Vorlageantrag ein und brachte vor: "In umseits bezeichneter Verwaltungssache erfolgte die Berufungsvorentscheidung über die Berufung der Antragstellerin gegen Bescheid vom der nun angerufenen Behörde wegen Rückforderung zu Unrecht bezogener Beträge an die Antragstellerin mittels Hinterlegung am . Die gegenständliche Entscheidung enthält keine bzw. nur eine mangelhafte Begründung, zumal von der Behörde keinerlei Sachverhaltsfeststellung vorgenommen und lediglich der Gesetzestext des § 5 Abs. 3 Familienlastenausgleichsgesetz wiedergegeben wird. Für die Antragstellerin ist nicht erkenntlich, welchen Sachverhalt das Finanzamt als erwiesen annimmt und auf welcher Grundlage dies geschieht. Das Finanzamt hat überhaupt keine Tatsachenfeststellungen getroffen. Des Weiteren unterliegen die im Bescheid vom rückgeforderten Positionen aus dem Jahr 2006 im Sinne des § 207 Abs. 4 iVm § 208 Abs. 1 lit. c BAO der Verjährung. Entsprechend geleistete Beträge aus Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag können von der Behörde demgemäß nicht mehr rückgefordert werden.
an die Berufungswerberin versendet wurde, in dem diese offenbar nicht bekannt gegeben hat, dass sich ihre Kinder bereits seit 1999 nicht mehr in Österreich aufhalten.
Über die Berufung wurde erwogen:
Strittig ist im vorliegenden Fall, ob der Berufungswerberin für den Zeitraum Jänner 2006 bis September 2011 zu Unrecht die Familienbeihilfe und der Kinderabsetzbetrag für ihre Kinder S und M bezogen hat.
Verjährung
Hinsichtlich des Einwandes der Berufungswerberin, dass das Jahr 2006 bereits verjährt ist, ist nachfolgendes festzuhalten:
§ 207 Abs. 4 normiert: "Das Recht den Ersatz zu Unrecht geleisteter oder die Rückforderung zu Unrecht bezogener Beihilfen zu fordern ... verjährt in fünf Jahren. Abs. 2 zweiter Satz (bei hinterzogenen Abgaben beträgt die Verjährungsfrist 10 Jahre) gilt sinngemäß."
Gem. § 208 Abs. 1 lit. c BAO beginnt in der Fällen des § 207 Abs. 4 BAO mit Ablauf des Jahres in dem die rückzufordernden Beihilfen,... geleistet wurden.
Aus den, in Beantwortung des übermittelten Überprüfungsschreiben, vorgelegten Unterlagen geht hervor, dass die Kinder der Bw. seit 1999 nicht mehr in Österreich wohnen, sondern im gemeinsamen Haushalt mit ihrer Großmutter in Marokko. Ausgehend von diesem Ergebnis ist somit daraus zu schließen, dass eine Berechtigung zum Bezug der Familienbeihilfe ob des ständigen Aufenthaltes der Kinder im Ausland bereits seit 1999 nicht bestanden hat, wobei anzumerken ist, dass die Bw. über diesen Umstand die Abgabenbehörde nicht aufgeklärt hat. Insoweit ist in Entsprechung des § 207 Abs. 4 2ter Satz BAO die Bestimmung des Abs. 2 leg. cit. sinngemäß anzuwenden mit der Maßgabe, dass auf den vorliegenden Fall eine Verjährungsfrist von 10 Jahren zum Tragen kommt.
Rückforderung
Gemäß § 2 Abs. 1 FLAG 1967 haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben (und auch die weiteren in den folgenden Bestimmungen des FLAG genannten Bedingungen erfüllen) Anspruch auf Familienbeihilfe für minderjährige Kinder sowie unter bestimmten Voraussetzungen für volljährige Kinder. Nach § 5 Abs. 3 FLAG 1967 besteht kein Anspruch auf Familienbeihilfe für Kinder, die sich ständig im Ausland aufhalten. Gemäß § 33 Abs. 4 Z. 3 lit. a bis c EStG 1988 stehen einem Steuerpflichtigen, der aufgrund des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 Familienbeihilfe gewährt wird, im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe Kinderabsetzbeträge zu. Für Kinder, die sich ständig im Ausland aufhalten, steht kein Kinderabsetzbetrag zu.
Wurden Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen, ist § 26 FLAG anzuwenden. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der ständige Aufenthalt im Sinne des § 5 Abs. 4 FLAG unter den Gesichtspunkten des Vorliegens eines gewöhnlichen Aufenthalts nach § 26 Abs. 2 Bundesabgabenordnung zu beurteilen. Danach hat jemand den gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne der Abgabenvorschrift dort, wo er sich unter Umständen aufhält die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Land nicht nur vorübergehend verweilt. Diese nicht auf den Mittelpunkt der Lebensinteressen abstellende Beurteilung ist nach objektiven Kriterien zu treffen.
Ein Aufenthalt verlangt grundsätzlich körperliche Anwesenheit. Dazu folgt auch, dass eine Person nur einen gewöhnlichen Aufenthalt haben kann. Um einen gewöhnlichen Aufenthalt aufrecht zu erhalten, ist aber keine ununterbrochene Anwesenheit erforderlich. Abwesenheiten, die nach den Umständen des Falles nur als vorübergehend gewollt anzusehen sind, unterbrechen nicht den Zustand des Verweilens und daher auch nicht den gewöhnlichen Aufenthalt (vgl. die Erkenntnisse des , vom , 98/15/0016).
Aufgrund der vorliegenden Unterlagen und der Angaben in der Berufung, dass sich die Kinder seit in Österreich aufhalten, kann unbestritten davon ausgegangen werden, dass die Kinder im strittigen Zeitraum Jänner 2006 bis Juli 2011 in Marokko eine Schule besuchten. Im Übrigen hat der Verfassungsgerichtshof sich in seinem Erkenntnis vom 4.12.201, B 2366/00 mit den im dortigen Verfahren vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Bestimmung des § 5 Abs. 4 auseinandergesetzt und ist zu dem Ergebnis gelangt, dass ein verfassungsrechtlicher Anspruch auf Familienbeihilfe sich für ständig im Ausland aufhaltende Kinder nicht anzunehmen ist. Das Finanzamt hat somit zurecht die Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge für den strittigen Zeitraum rückgefordert.
Wenn die Berufungswerberin moniert, dass der Bescheid keine bzw. eine mangelhafte Begründung enthalten habe, wird auf § 93 Abs. 3 lit. a BAO verwiesen, der ihr die Möglichkeit eröffnet, vom Finanzamt eine Begründung nachzufordern. Im Verfahren vor der zweiten Instanz ist von der Aktenlage auszugehen, die vor allem aus den von der Berufungswerberin vorgelegten Unterlagen besteht.
Im vorliegenden Berufungsfall besteht Anspruch auf Familienbeihilfe für Kinder, die sich ständig im Ausland aufhalten nur insoweit, als dies bestehende Staatsverträge vorsehen. Da das Abkommen mit Marokko keine Familienleistungen vorsieht, besteht kein Anspruch auf Familienbeihilfe. Gemäß § 26 Abs. 1 FLAG 1976 hat derjenige, der Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen, soweit der unrechtmäßige Bezug nicht ausschließlich durch die unrichtige Auszahlung durch eine in § 46 FLAG 1967 genannte Gebietskörperschaft oder gemeinnützige Krankenanstalt verursacht worden ist.
Gemäß § 33 Abs. 4 Z. 3 lit. a EStG 1988 steht einem Abgabenpflichtigen für Kinder, die sich ständig im Ausland aufhalten, kein Kinderabsetzbetrag zu. Wurden Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen, ist § 26 FLAG 1967 anzuwenden.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | |
betroffene Normen | § 5 Abs. 3 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at