Qualifizierte Darlegungs- und Nachweispflicht im Haftungsverfahren
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw., vom gegen den Haftungsbescheid des Finanzamtes Linz vom zu StNr. 000/0000, mit dem der Berufungswerber gemäß § 9 iVm § 80 BAO für aushaftende Abgabenschuldigkeiten der Firma L Gesellschaft m.b.H. im Ausmaß von € 463.941,36 in Anspruch genommen wurde, entschieden:
Der Berufung gegen den Haftungsbescheid wird teilweise Folge gegeben. Die Haftungsinanspruchnahme wird auf folgende Abgabenschuldigkeiten eingeschränkt:
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Abgabenart | Zeitraum | Betrag in € |
Kapitalertragsteuer | 1998 | 3.993,72 |
Kapitalertragsteuer | 1999 | 22.639,51 |
Umsatzsteuer | 2000 | 36.296,43 |
Umsatzsteuer | 2001 | 21.351,35 |
Summe | 84.281,01 |
Im Übrigen wird die Berufung als unbegründet abgewiesen.
Entscheidungsgründe
Der Berufungswerber war seit Geschäftsführer der primärschuldnerischen Gesellschaft, die im Baugewerbe tätig war, und über deren Vermögen mit Beschluss des Landesgerichtes Steyr vom das Konkursverfahren eröffnet wurde. Zu diesem Zeitpunkt bestand am Abgabenkonto lediglich ein Rückstand in Höhe von € 1.020,52, der aus nicht haftungsgegenständlichen Abgaben bestand.
Bei der Primärschuldnerin wurde vom bis eine Betriebsprüfung durchgeführt, die zu umfangreichen Nachforderungen an Kapitalertragsteuer, Umsatzsteuer und Körperschaftsteuer führte. Bei dieser Prüfung wurden im Wesentlichen grobe Buchführungsmängel, Auszahlung von Schwarzlöhnen, beträchtliche Wareneinkaufsverkürzungen, sowie die Verbuchung von Fremdleistungen festgestellt, über die keine Unterlagen vorgelegt werden konnten.
Das Finanzamt folgte den Prüferfeststellungen und erließ am entsprechende Sachbescheide. Gegen diese Bescheide wurde von der Gesellschaft Berufung erhoben.
Dem Bericht vom über eine bei der Gesellschaft ebenfalls durchgeführte Lohnsteuerprüfung für den Zeitraum bis ist zu entnehmen, dass RI nicht wie vorgegeben als Subunternehmer für die Primärschuldnerin gearbeitet habe, sondern "in Arbeitnehmereigenschaft (Polier)" tätig gewesen sei, und sich zur Ausführung der durchzuführenden Arbeiten weiterer Personen bedient habe. Weiters seien auch Schwarzlöhne zur Auszahlung gekommen. Daraus ergaben sich Nachforderungen an Lohnabgaben, die der Gesellschaft mit Bescheid vom vorgeschrieben wurden. Dieser Haftungs- und Abgabenbescheid betraf ausdrücklich (nur) den Zeitraum 2003. Die Haftung der Gesellschaft gemäß § 82 EStG für Lohnsteuer 2003 wurde mit 243.617,25 € beziffert, der Dienstgeberbeitrag 2003 wurde mit 34.258,68 € festgesetzt, der Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 2003 mit 2.892,95 €. Auch gegen diesen Haftungs- und Abgabenbescheid wurde von der Gesellschaft Berufung erhoben.
In einem Vorhalt vom wies das Finanzamt den Berufungswerber darauf hin, dass näher aufgegliederte Abgabenschulden der Gesellschaft in Höhe von € 463.534,39 nicht entrichtet worden seien. Diese wären, soweit sie nicht durch die im Insolvenzverfahren zu erwartende Quote entrichtet würden, bei der Gesellschaft uneinbringlich. Er möge darlegen, weshalb er nicht dafür Sorge tragen habe können, dass die Abgaben entrichtet wurden (z.B. Fehlen ausreichender Mittel, Zessionsvereinbarung, Einstellung der Überweisungen durch die Hausbank, Weisungen der Gesellschafter usw.). Die entsprechenden Unterlagen zum Beweis seiner Rechtfertigung wären vorzulegen. Falls vorhandene Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet worden wären, sei dies durch geeignete Unterlagen zu belegen. Schließlich wurde der Berufungswerber ersucht, anhand eines Fragebogens seine aktuellen wirtschaftlichen Verhältnisse darzulegen. Zur Beantwortung dieses Vorhaltes setzte das Finanzamt eine Frist bis zum .
Mit Eingabe vom wurde um Verlängerung dieser Frist bis zum ersucht.
In einer Stellungnahme vom wurde ausgeführt, das Ergänzungsersuchen vom werde "vorerst so beantwortet", dass aus Sicht des Berufungswerbers nicht Abgabenschuldigkeiten der Gesellschaft in Höhe von € 463.534,39 bestünden, und daher Abgaben in dieser Höhe gar nicht zu entrichten gewesen wären. Die Feststellung der Abgabenschuldigkeiten im Insolvenzverfahren werde ausdrücklich bestritten und hiezu "vorerst" auf die Schriftsätze der Gesellschaft im Insolvenzverfahren bzw. im Finanzverfahren zur Steuernummer 000/0000 verwiesen, vor allem auf die Stellungnahme vom "" (richtig: , Stellungnahme zum Besprechungsprogramm vom ) und die Berufung vom (gegen die haftungsgegenständlichen Lohnabgaben). Der Berufungswerber habe sich auf eine Vereinbarung vom zwischen seiner Steuervertretung und dem Finanzamt verlassen. All dies werde er noch näher ausführen. Der Fragebogen zu den persönlichen wirtschaftlichen Verhältnissen werde noch übermittelt werden.
Mit Haftungsbescheid vom nahm das Finanzamt den Berufungswerber für folgende Abgabenschulden der Gesellschaft in Anspruch:
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Abgabenart | Zeitraum | Fälligkeit | Betrag in €
|
Kapitalertragsteuer | 1998 | 58.132,00 | |
Kapitalertragsteuer | 1999 | 31.488,00 | |
Körperschaftsteuer | 1998 | 27.673,81 | |
Säumniszuschlag | 1999 | 406,97 | |
Säumniszuschlag | 2000 | 956,14 | |
Säumniszuschlag | 2001 | 748,70 | |
Säumniszuschlag | 2002 | 437,81 | |
Lohnsteuer | 2003 | 243.617,25 | |
Dienstgeberbeitrag | 2003 | 34.258,68 | |
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag | 2003 | 2.892,95 | |
Umsatzsteuer | 1999 | 3.403,67 | |
Umsatzsteuer | 2000 | 37.435,08 | |
Umsatzsteuer | 2001 | 21.890,29 | |
Umsatzsteuer | 2003 | 0,01 | |
Umsatzsteuer | 02-03/04 | 600,00 | |
Summe | 463.941,36 |
In der Bescheidbegründung wurde auf die Bestimmungen der §§ 9, 80 BAO sowie die Konkurseröffnung vom verwiesen. Aufgrund der Aktenlage sei davon auszugehen, dass zum Zeitpunkt der Fälligkeiten der Abgaben zwar Gesellschaftsmittel vorhanden gewesen seien, diese aber nicht zur (anteiligen) Entrichtung der Abgabenschulden verwendet worden wären. Da bei der Tilgung der Schulden der Gesellschaft die Abgabenschulden schlechter als die übrigen Verbindlichkeiten behandelt worden wären, sei von einer Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes auszugehen. Die haftungsgegenständliche Lohn- und Kapitalertragsteuern seien vom Gleichbehandlungsgrundsatz ausgenommen. Im Übrigen habe nach der Vertreter darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich gewesen sei. Ein Fragenvorhalt des Finanzamtes vom "" (richtig: ) sei zwar beantwortet, ein mangelndes Verschulden aber darin nicht dargetan worden, sodass von einer schuldhaften Pflichtverletzung auszugehen sei.
Gegen diesen Bescheid wurde mit Schriftsatz vom Berufung erhoben. Die Voraussetzungen des § 9 iVm §§ 80 ff BAO für eine Haftung des Vertreters lägen nicht vor. Insbesondere habe der Berufungswerber seine als Vertreter auferlegten Pflichten nicht schuldhaft verletzt. Er habe insbesondere nicht das Gebot der Gläubigergleichbehandlung verletzt. Er habe als Geschäftsführer die der Gesellschaft zur Verfügung stehenden Geldmittel so lange gleichmäßig zur Befriedigung aller offenen Forderungen, insbesondere auch der gegenständlichen Abgabenschulden verwendet, als tatsächlich Geldmittel vorhanden gewesen wären. Ab dem Zeitpunkt, als das Finanzamt Linz selbst eine utopisch hohe, absolut unfinanzierbare Nachforderung an die GmbH herangetragen habe, wäre praktisch Zahlungsunfähigkeit eingetreten und sei eine gänzliche Zahlungseinstellung nunmehr ebenfalls gegenüber allen Gläubigern erfolgt, also bei weiterhin strenger Gläubigergleichbehandlung. Es sei unerklärlich und unzutreffend, wieso das Finanzamt Linz gemäß Bescheidbegründung "aufgrund der Aktenlage" davon ausgehe, dass zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Abgaben zwar Gesellschaftsmittel vorhanden gewesen wären, diese aber nicht zur (anteiligen) Entrichtung der Abgabenschulden verwendet worden seien; dass bei der Tilgung der Schulden der Gesellschaft die Abgabenschulden schlechter als die übrigen Verbindlichkeiten behandelt worden wären. Das Gegenteil sei der Fall. Wenn Abgabenschulden nicht mehr entrichtet worden seien, so wären tatsächlich keine Gesellschaftsmittel mehr vorhanden gewesen und der Berufungswerber als Vertreter (Geschäftsführer) zur pünktlichen und ordnungsgemäßen Entrichtung der Abgaben nicht mehr in der Lage gewesen; er hätte diese Pflicht zur Entrichtung der Abgaben beim besten Willen nicht mehr erfüllen können, sodass ihn an der Nichterfüllung kein Verschulden treffe. Die Behörde habe diesen Sachverhalt, insbesondere die tatsächliche Verfügbarkeit von Gesellschaftsmitteln bzw. deren Verwendung nicht ordnungsgemäß erhoben. Insbesondere sei ihm als Vertreter keine ausreichende Gelegenheit zur Darstellung des wahren Sachverhaltes gegeben worden. Einen "Fragenvorhalt vom " habe er nie erhalten. Ein "Ersuchen um Ergänzung vom " habe er nach bestem Wissen und Gewissen beantwortet. Er habe dargetan, dass aus seiner Sicht bereits die Höhe der behaupteten Abgabenschuldigkeiten der Gesellschaft von € 463.534,39 nicht stimmen könne und daher Abgaben in dieser Höhe gar nicht zu entrichten gewesen wären. Es wäre daher aus seiner Sicht zuerst die tatsächliche Höhe der Abgabenschuldigkeiten der Gesellschaft zu klären gewesen, bevor auf die Frage seiner Vertreterhaftung überhaupt eingegangen werden könnte. Es werde darauf verwiesen, dass die Abgabenschuldigkeiten der Gesellschaft bis zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht rechtskräftig festgesetzt seien, gegen die Festsetzung der Höhe der Abgabenschuldigkeiten in allen Fällen begründete Rechtsmittel eingebracht worden seien. Er hätte davon ausgehen dürfen, dass er als Vertreter von den Ergebnissen des Abgabenverfahrens der Gesellschaft und von der endgültigen (rechtskräftigen) Höhe der Abgabenschuldigkeiten informiert werde und ihm hiezu nochmals Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt werde. Er könne erst nach rechtskräftiger Festsetzung der Abgabenhöhe zu den relevanten Fragen der Vertreterhaftung Stellung nehmen. Die Erlassung des Haftungsbescheides sei somit vorzeitig erfolgt. Das Abgabenverfahren gegen die Gesellschaft sei noch nicht rechtskräftig abgeschlossen. Es verletze den Grundsatz des rechtlichen Gehörs und begründe einen wesentlichen Verfahrensmangel, dass er keine Gelegenheit zur Stellungnahmen zur tatsächlichen Höhe der Abgabenschuldigkeiten der Gesellschaft mehr erhalten habe. Er habe ausdrücklich auf die Schriftsätze der Gesellschaft im Insolvenzverfahren bzw. im Finanzverfahren verwiesen, vor allem auf die Stellungnahme vom und die Berufung vom ; ferner darauf, dass er sich auch persönlich insbesondere auf die Vereinbarung vom zwischen seiner Steuervertretung und dem Finanzamt Linz verlassen habe. Auf diese Einwände sei überhaupt nicht eingegangen worden. Er habe davon ausgehen dürfen, dass diese Einwände vorerst überprüft und ihm das Ermittlungsergebnis zur neuerlichen Stellungnahme bekannt gegeben würden. Er habe sich mit seiner Stellungnahme vom ausdrücklich vorbehalten, dass er seine Einwendungen noch näher ausführen werde sowie den Fragebogen zu den persönlichen wirtschaftlichen Verhältnissen noch übermitteln werde. Dieser Ergänzungsvorbehalt sei von der Behörde übergangen, und ihm keine Gelegenheit zur ergänzenden Stellungnahme gegeben worden. Im Ergänzungsersuchen vom sei nicht darauf hingewiesen worden, dass er selbst mangelndes Verschulden an der Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten dartun müsste (Beweislastumkehr), und welche Folgen die nicht (vollständige) Erledigung des "Ersuchens" hätte. Da das Schriftstück als "Ersuchen" tituliert und erkennbar gewesen sei, hätte auch eine allenfalls vorerst nicht vollständige Erledigung keine Säumnisfolgen auslösen können. Auf die Säumnisfolgen sei ebenso wenig hingewiesen worden, wie darauf, dass die Abgabenbehörde ohne seine (fristgerechte) Mitwirkung bzw. Gegenbeweise aufgrund der Aktenlage davon ausgehe, dass zum Zeitpunkt der Fälligkeiten der Abgaben zwar Gesellschaftsmittel vorhanden waren, diese aber nicht zur anteiligen Entrichtung der Abgabenschulden verwendet wurden, er also das Gebot der Gläubigergleichbehandlung als Vertreter verletzt habe. Die Behörde habe weder im Ersuchen um Ergänzung noch zu einem späteren Zeitpunkt jemals mitgeteilt, dass sein Ergänzungsvorbehalt nicht beachtet werde bzw. bis zu welchem Zeitpunkt er die von ihm vorbehaltene Ergänzung nachliefern müsste. All dies verletze den Grundsatz des rechtlichen Gehörs bzw. bedeute eine wesentliche Verletzung von Verfahrensvorschriften. Sobald die tatsächliche Höhe der Abgabenschuldigkeiten der Gesellschaft rechtskräftig feststehe, werde er - gegebenenfalls im Berufungsverfahren - dartun, dass er seine Vertreterpflichten keineswegs schuldhaft verletzt, insbesondere die vorhandenen Gesellschaftsmittel zur gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung verwendet habe. Er fordere die Abgabenbehörde auf, ihm nunmehr die Möglichkeit einzuräumen, dies durch eine Gegenüberstellung der im Haftungszeitraum zur Verfügung gestandenen Mittel und der jeweils offenen Alt- bzw. Neuverbindlichkeiten (monatliche Liquiditätsaufstellungen) unter Beweis zu stellen. "Beweis: meine Einvernahme bzw. vorzulegende schriftliche Stellungnahme; Vorlage einer Liquiditätsaufstellung samt Belegen; weitere Beweis und weiteres ergänzendes Vorbringen ausdrücklich vorbehalten."
Gleichzeitig stellte der Berufungswerber in dieser Berufung auch einen Antrag auf Aussetzung der Einhebung der "angefochtenen Abgaben".
Diesen Aussetzungsantrag wies das Finanzamt mit Bescheid vom ab. Die Berufung gegen den Haftungsbescheid erscheine nur wenig erfolgversprechend zu sein. Die Gläubigergleichbehandlung sei in der Berufung zwar behauptet, aber nicht dargestellt und nachgewiesen worden. Für die von der Haftung umfasste Lohnsteuer und Kapitalertragsteuer würden überhaupt Ausnahmen vom Gleichbehandlungsgebot gelten. Die Nachforderungen 1998 bis 2004 würden auf einer Betriebsprüfung gründen, bei der Schwarzumsätze und Schwarzlohnzahlungen festgestellt worden seien. Die Berufung gegen die diesbezüglichen Abgabenbescheide erscheine ebenfalls nicht sehr erfolgversprechend. Im Übrigen sei über die Richtigkeit der Abgabenfestsetzung im Haftungsverfahren auch nicht abzusprechen.
Gegen diesen Bescheid wurde mit Schriftsatz vom Berufung erhoben. Dass die Berufung wenig erfolgversprechend erscheine, sei zwar gesetzlicher Grund, die Aussetzung der Einhebung nicht zu bewilligen. Mangelnde Erfolgschancen nach der Lage des Falles seien aber ausreichend zu begründen. Dies sei im angefochtenen Bescheid nicht geschehen. Die Behörde habe "offensichtlich anstelle einer nach Lage des Falles dh. aufgrund der Umstände des Einzelfalles vollständig und detailliert zu prüfenden und zu begründenden Erfolgschance ein freies Ermessen in unzulässiger Weise ausgeübt." Die Argumente im angefochtenen Bescheid träfen nicht zu. Dass die Gläubigergleichbehandlung in der Berufung behauptet worden sei, wäre völlig ausreichend; Darstellung und Nachweis erfolgten grundsätzlich erst im Rahmen des Berufungsverfahrens. Mit dem heutigen Berufungsschriftsatz werde eine diesbezügliche Liquiditätsaufstellung zum Nachweis der Gläubigergleichbehandlung nachgetragen. Dass für Lohnsteuer und Kapitalertragsteuer Ausnahmen vom Gleichbehandlungsgrundsatz gelten, bedeute keineswegs, dass der Berufungswerber seine Vertreterpflichten schuldhaft verletzt habe; solches sei aus dem Akt nicht erkennbar. Dass im Haftungsverfahren nicht mehr über die Richtigkeit der Abgabenfestsetzung abzusprechen sei, treffe zwar zu. Die Behörde übersehe aber, dass die Abgabenfestsetzung gerade noch nicht rechtskräftig erfolgt sei, sondern "im Berufungsverfahren stehe". Dass die Berufung gegen die Abgabenbescheide nicht sehr erfolgversprechend erscheine, werde ebenfalls überhaupt nicht begründet und entspreche auch nicht dem gesetzlichen Tatbestand; § 212a Abs. 2 lit. a BAO setze voraus, dass die Berufung "wenig" (also nicht "nicht sehr") Erfolg versprechend erscheine. Im Gegenteil bedeute gerade der Umstand, dass auch die Abgabenfestsetzung gegen die Gesellschaft selbst noch im Berufungsverfahren stehe, dass auch der Berufung gegen den Haftungsbescheid keineswegs die Erfolgswahrscheinlichkeit abgesprochen werden könne. "Beweis: meine Einvernahme; beiliegende Liquiditätsaufstellung für den Zeitraum Juli bis Dezember 2003; weitere Beweise ausdrücklich vorbehalten."
Dieser Berufung waren "Liquiditätsaufstellungen" für die Monate Juli bis Dezember 2003 angeschlossen. Darin wurden lediglich die in diesen Monaten an näher bezeichnete Gesellschaftsgläubiger geleisteten Zahlungen aufgelistet.
Mit Beschluss des Landesgerichtes Steyr vom wurde das Konkursverfahren über das Vermögen der Gesellschaft nach Verteilung des Massevermögens (Quote 1,7483 %) aufgehoben, und der Berufungswerber zum Liquidator bestellt. Die Firma der Primärschuldnerin wurde mittlerweile im Firmenbuch gelöscht.
Über die Berufung der Gesellschaft gegen die im Anschluss an die Betriebsprüfung ergangenen Abgabenbescheide vom wurde mit Berufungsentscheidung vom , GZ. RV/0762-L/05 und RV/0763-L/05, entschieden. Die Kapitalertragsteuer 1998 wurde von 58.132,00 € auf 23.995,48 € reduziert, und war sodann noch mit einem offenen Betrag von 4.064,78 € im Rückstand enthalten. Die Kapitalertragsteuer 1999 wurde von 31.488,00 € auf 24.328,76 € vermindert. Die berufungsgegenständliche Umsatzsteuer 1998 war nicht Gegenstand des angefochtenen Haftungsbescheides, die Umsatzsteuer 1999 war nicht mehr im Rückstand enthalten. Die Berufung gegen die Umsatzsteuerbescheide für 2000 und 2001 wurde als unbegründet abgewiesen. Die Körperschaftsteuer 1998 wurde um 7.274,26 € vermindert.
Gegen diese Berufungsentscheidung wurde Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben. Dieser hat der Beschwerde mit Erkenntnis vom , 2007/15/0066, hinsichtlich Umsatzsteuer 1999 bis 2001 stattgegeben und insoweit die Berufungsentscheidung vom aufgehoben, im Übrigen die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Im fortgesetzten Verfahren wurde mit Berufungsentscheidung vom , RV/1350-L/10, die Berufung der Primärschuldnerin betreffend Umsatzsteuer 1999 bis 2001 abgewiesen; es ergaben sich lediglich geringfügig erhöhte Vorsteuerbeträge, sodass die Berufungsentscheidung zu Gutschriften in Höhe von 220,78 € (1999), 272,01 € (2000) und 159,01 € (2001) am Abgabenkonto führte. Die Gutschriften in Höhe von 220,78 € und 272,01 € verminderten die Umsatzsteuer 2000 auf 36.942,29 €, die Gutschrift von 159,01 € reduzierte die Umsatzsteuer 2001 auf 21.731,28 €.
Die Berufung gegen den Haftungs- und Abgabenbescheid vom betreffend die haftungsgegenständlichen Lohnabgaben wurde mit Bescheid des Unabhängigen Finanzsenates vom , GZ. RV/0868-L/06, aus Formalgründen als unzulässig zurückgewiesen, da der Adressat des angefochtenen Bescheides unzutreffend bezeichnet worden war, und aus diesem Grund ein Nichtbescheid vorlag. Aufgrund der Konkurseröffnung über das Vermögen der Gesellschaft wäre unter Berücksichtigung der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (insb. ) der Bescheid an den Masseverwalter zu richten gewesen.
Gegen die daraufhin am ergangenen, nunmehr zutreffend adressierten Haftungs- und Abgabenbescheide wurde am Berufung erhoben. Diese wurde vom Finanzamt mit Berufungsvorentscheidung vom "abgewiesen", jedoch "der angefochtene Haftungs- und Abgabenbescheid 2003" dahingehend "abgeändert", dass die Vorschreibungen an Lohnsteuer (Haftung gemäß § 82 EStG) sowie Dienstgeberbeitrag samt Zuschlag für das Jahr 2003 auf Null gesetzt wurden, und die um 10 % gekürzten Bemessungsgrundlagen auf die Jahre 1999 bis 2001 aufgeteilt wurden; es erfolgten daher (erstmals) Haftungsinanspruchnahmen der Primärschuldnerin gemäß § 82 EStG für Lohnsteuern 1999 bis 2001 und Festsetzungen von Dienstgeberbeiträgen samt Zuschlägen für diese Jahre. Die Berufungsvorentscheidung vom erwuchs in Rechtskraft.
Der Unabhängige Finanzsenat hat der Berufung des Haftungsschuldners vom gegen die Abweisung der Aussetzung der Einhebung der haftungsgegenständlichen Abgaben mit Berufungsentscheidung vom , RV/0425-L/05, teilweise Folge gegeben, und die Aussetzung der Einhebung folgender haftungsgegenständlicher Abgaben bewilligt:
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Abgabenart | Zeitraum | Betrag in €
|
Kapitalertragsteuer | 1998 | 54.067,22 |
Kapitalertragsteuer | 1999 | 7.159,24 |
Körperschaftsteuer | 1998 | 27.673,81 |
Säumniszuschlag | 1999 | 406,97 |
Säumniszuschlag | 2000 | 956,14 |
Säumniszuschlag | 2001 | 748,70 |
Säumniszuschlag | 2002 | 437,81 |
Umsatzsteuer | 1999 | 3.403,67 |
Umsatzsteuer | 2003 | 0,01 |
Umsatzsteuer | 02-03/04 | 600,00 |
95.453,57 |
Im Erwägungsteil dieser Berufungsentscheidung wurde nach Wiedergabe der Bestimmung des § 212a BAO ausgeführt:
"Aufgabe des Aussetzungsverfahrens ist es nicht, die Berufungsentscheidung vorwegzunehmen; es sind lediglich die Erfolgsaussichten der Berufung anhand des Berufungsvorbringens zu beurteilen. Dabei ist eine Berufung vor allem dann als wenig erfolgversprechend anzusehen, wenn sich der angefochtene Bescheid auf Rechtsprechung des Unabhängigen Finanzsenates oder des Verwaltungsgerichtshofes stützen kann.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Vertreter darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich gewesen ist, widrigenfalls die Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung im Sinne des § 9 Abs. 1 BAO annehmen darf. Der Geschäftsführer haftet für nicht entrichtete Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die Mittel, die ihm für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft zur Verfügung gestanden sind, hiezu nicht ausreichten, es sei denn, er weist nach, dass er die Abgabenschulden im Verhältnis nicht schlechter behandelt hat als bei anteiliger Verwendung der vorhandenen Mittel für die Begleichung aller Verbindlichkeiten. Dabei ist zu beachten, dass sich der Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung auch auf Zahlungen bezieht, die zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes erforderlich sind. Der Nachweis, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger - bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel andererseits - an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre, obliegt dem Vertreter. Auf diesem, nicht aber auf der Behörde, lastet auch die Verpflichtung zur Errechnung einer entsprechenden Quote. Vermag der Vertreter nachzuweisen, welcher Betrag bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen wäre, so haftet er nur für die Differenz zwischen diesem und der tatsächlich erfolgten Zahlung. Wird dieser Nachweis nicht angetreten, kann dem Vertreter die uneinbringliche Abgabe zur Gänze vorgeschrieben werden ( 2006/15/0322 mwN).
Den ihm vom Finanzamt mit Vorhalt vom aufgetragenen Nachweis der anteiligen Mittelverwendung zur Begleichung aller Verbindlichkeiten hat der Berufungswerber nicht angetreten. Die Stellungnahme vom erschöpft sich in einer Bestreitung der Richtigkeit der Abgabenvorschreibung gegenüber der Primärschuldnerin. Dabei wird übersehen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Abgabenbehörde im Haftungsverfahren an den Inhalt der vorangegangenen Abgabenbescheide gebunden ist. Nur wenn, was hier (insbesondere aufgrund des zwischenzeitlich erlassenen und nunmehr zutreffend adressierten Haftungs- und Abgabenbescheides vom ) nicht der Fall ist, der Entscheidung über die Heranziehung zur Haftung kein Abgabenbescheid vorangeht, besteht eine solche Bindung nicht. Lediglich in einem solchen Fall ist die Frage, ob ein Abgabenanspruch gegeben ist, als Vorfrage im Haftungsverfahren von dem für die Entscheidung über die Haftung zuständigen Organ zu entscheiden. Gemäß § 254 BAO wird durch die Einbringung einer Berufung die Wirksamkeit des angefochtenen Bescheides nicht gehemmt, insbesondere die Einhebung und zwangsweise Einbringung einer Abgabe nicht aufgehalten. Bescheide gehören mit ihrer Erlassung dem Rechtsbestand an. Berufungen, gleichgültig, ob vom Primärschuldner oder vom Haftungsschuldner eingebracht, berühren die Wirkungen des Bescheides nicht. Im Übrigen zeigt gerade die Bestimmung des § 212a BAO, dass die Abgabenschuld so lange aufrecht bleibt, als der von der Abgabenbehörde unterstellte Sachverhalt, der das Entstehen des Abgabenanspruches zur Folge hat, sich nicht als zu Unrecht angenommen herausstellt ( 2003/14/0095 ). Eine rechtskräftige Abgabenfestsetzung gegenüber der Primärschuldnerin ist daher nicht Voraussetzung für die Geltendmachung der Haftung gemäß § 9 BAO.
Auch die in der Berufung vom vorgetragenen Ausführungen zur Frage der Beachtung des Gleichbehandlungsgebotes erschöpfen sich in der bloßen Behauptung, dass die Geldmittel gleichmäßig zur Befriedigung aller offenen Forderungen verwendet worden wären. Tatsächlich wurde weder das behauptete Fehlen ausreichender Mittel zur (vollständigen) Befriedigung aller Gläubiger, noch die anteilige Verwendung der vorhandenen Mittel in irgend einer Weise nachvollziehbar dargestellt und glaubhaft gemacht. Unverständlich ist der in diesem Zusammenhang gerügte Verfahrensmangel, wonach dem Berufungswerber nicht ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden wäre, verweist er doch selbst auf den Vorhalt des Finanzamtes vom .
Insofern in der Berufung neuerlich die Richtigkeit der Abgabenvorschreibung bestritten wird, muss auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen werden, wonach im Haftungsverfahren die Richtigkeit der Abgabenvorschreibung nicht zu erörtern ist. Gegenstand des Berufungsverfahrens gegen den Haftungsbescheid ist einzig und allein die Frage, ob der Geschäftsführer zu Recht als Haftender für Abgaben der Gesellschaft herangezogen worden ist oder nicht, nicht jedoch, ob die der Gesellschaft vorgeschriebenen Abgaben zu Recht bestehen oder nicht. Gemäß § 248 erster Satz BAO wäre es dem Berufungswerber außerdem freigestanden, innerhalb der Frist für die Einbringung der Berufung gegen den Haftungsbescheid auch gegen die an die Gesellschaft ergangenen, und dem Haftungsbescheid zugrunde liegenden Abgabenbescheide zu berufen. Selbst wenn ihm die Abgabenansprüche noch nicht zur Kenntnis gebracht worden wären, hätte er gemäß § 248 zweiter Satz BAO einen darauf abzielenden Antrag stellen können, der zufolge § 248 in Verbindung mit § 245 Abs. 2 BAO zu einer Hemmung des Laufes der Berufungsfrist gegen die vom Antrag betroffenen Abgabenbescheide geführt hätte (vgl. 97/14/0080 ).
Auch aus dem Vorbringen, dass im Vorhalt vom auf die Beweislastumkehr im Haftungsverfahren nicht hingewiesen worden sei, ist für den gegenständlichen Fall nichts zu gewinnen. Abgesehen davon, dass diese dem rechtskundigen Vertreter des Berufungswerbers bekannt sein müsste, ändert diese Unkenntnis nichts an der unmissverständlichen Aufforderung des Finanzamtes, eine allfällige anteilige Mittelverwendung durch geeignete Unterlagen zu belegen. Abschließend wurde in der Berufung neben der angebotenen Einvernahme des Berufungswerbers wieder nur auf eine "vorzulegende" schriftliche Stellungnahme, die Vorlage einer Liquiditätsaufstellung samt Belegen verwiesen, und weitere Beweise und weiteres ergänzendes Vorbringen ausdrücklich vorbehalten.
Erst im Zuge der gegenständlichen Berufung gegen die Abweisung des Aussetzungsantrages wurden erstmals "Liquiditätsaufstellungen" für die Monate Juli bis Dezember 2003 vorgelegt. Inwiefern aus diesen Aufstellungen für das anhängige Haftungsverfahren etwas zu gewinnen wäre, ist nicht ersichtlich. Keine einzige der haftungsgegenständlichen Abgaben war im Zeitraum von Juli bis Dezember 2003 fällig. Bei Selbstbemessungsabgaben wie Umsatzsteuern, Lohnabgaben und Kapitalertragsteuer ist entscheidend, wann diese Abgaben bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung abzuführen gewesen wären; maßgebend ist daher der Zeitpunkt ihrer Fälligkeit, unabhängig davon ob und wann die Abgaben bescheidmäßig festgesetzt werden. Der Zeitpunkt, für den zu beurteilen ist, ob der Vertretene die für die Abgabenentrichtung erforderlichen Mittel hatte, bestimmt sich daher danach, wann die Abgaben bei Beachtung der abgabenrechtlichen Vorschriften zu entrichten gewesen wären (vgl. dazu Ritz, BAO³, § 9 Tz 10 mit zahlreichen Judikaturnachweisen).
Bei dieser Sachlage wertete das Finanzamt die Berufung gegen den Haftungsbescheid schon deswegen zutreffend als wenig erfolgversprechend, weil die behauptete Gleichbehandlung aller Gläubiger und somit auch des Abgabengläubigers weder nachvollziehbar dargestellt, noch anhand geeigneter Unterlagen glaubhaft gemacht wurde.
Zutreffend wies das Finanzamt im Abweisungsbescheid vom auch darauf hin, dass die von der Haftung umfasste Lohnsteuer und Kapitalertragsteuer vom Gleichbehandlungsgebot überhaupt ausgenommen sind (Judikaturnachweise bei Ritz, BAO³, § 9 Tz 11).
Schließlich ist im gegenständlichen Verfahren auch nichts aus dem Hinweis auf eine angebliche Vereinbarung zwischen der Steuervertretung (der Primärschuldnerin) und dem Finanzamt vom zu gewinnen. Dazu wurde bereits in der Berufungsentscheidung vom festgestellt, dass die Betriebsprüfung derartige Vereinbarungen schon rein rechtlich gar nicht abschließen könnte, und eine solche auch aufgrund der Gesamtumstände auszuschließen sei, da es sich lediglich um eine Umsatzsteuersonderprüfung des Zeitraumes 2-12/1998 gehandelt habe. Eine Zuschätzung im Rahmen dieser Prüfung hindere die Zurechnungen im Rahmen einer Betriebsprüfung der jeweiligen Jahresveranlagung - zumal im Ertragsteuerbereich - in keiner Weise. Darüber hinaus betrifft der größte Teil der Haftungsschuld die angeführten Lohnabgaben. Inwiefern hinsichtlich dieser Abgaben im Rahmen einer Umsatzsteuerprüfung Vereinbarungen abgeschlossen worden sein sollten, bleibt gänzlich unerfindlich.
Insgesamt gesehen wertete das Finanzamt bei dieser Sachlage die Berufung gegen den Haftungsbescheid - beurteilt allein anhand des Berufungsvorbringens - zutreffend als wenig erfolgversprechend.
Allerdings wird der Haftungsberufung aus anderen Gründen teilweise Berechtigung zukommen. So wurde das Konkursverfahren über das Vermögen der Primärschuldnerin am eröffnet, sodass eine Heranziehung des Berufungswerbers zur Haftung von Abgaben, die nach diesem Zeitpunkt fällig waren, nicht in Betracht kommen wird. Dies betrifft die Körperschaftsteuer 1998, alle im Haftungsbescheid angeführten Säumniszuschläge, die Umsatzsteuervorauszahlung 02-03/2004 und die Körperschaftsteuervorauszahlung für das vierte Quartal 2005. Hinsichtlich dieser Abgaben ist daher mit einer stattgebenden Berufungsentscheidung im Haftungsverfahren zu rechnen, weshalb insoweit die Berufung erfolgversprechend erscheint, und daher die Aussetzung der Einhebung dieser Abgaben zu bewilligen war.
In diesem Zusammenhang wird bemerkt, dass es sich bei den im erstinstanzlichen Haftungsbescheid angeführten Fälligkeitsterminen betreffend die Kapitalertragsteuern 1998 und 1999 nicht um die sich aus dem EStG (§§ 95, 96 EStG) ergebenden und im Haftungsverfahren relevanten Fälligkeitstermine handelt, sondern um verrechnungstechnische Fälligkeitstermine. Diese ändern jedoch nichts an den Zeitpunkten, zu denen die Kapitalertragsteuern tatsächlich (nach dem Bestimmungen des EStG) einzubehalten und abzuführen gewesen wären. Dennoch ist auch im Hinblick auf diese haftungsgegenständlichen Abgaben eine teilweise Aussetzung der Einhebung (im Haftungsverfahren) geboten, da der Berufung der Primärschuldnerin mit (ungeachtete der anhängigen VwGH-Beschwerde) rechtskräftiger und wirksamer Berufungsentscheidung vom teilweise stattgeben wurde. Aufgrund der Bindung des Haftungsverfahrens an das Abgabenverfahren wird daher auch der Haftungsberufung in diesem Umfang stattzugeben sein. Ursprünglich wurden Kapitalertragsteuern 1998 und 1999 in Höhe von 58.132,00 € (1998) und 31.488,00 € (1999) vorgeschrieben, die mit der genannten Berufungsentscheidung auf 23.995,48 € (1998) und 24.328,76 (1999) vermindert wurden. Da die Kapitalertragsteuer 1998 nur mehr mit 4.064,78 € offen ist, ist die Haftungsberufung hinsichtlich eines Differenzbetrages von 54.067,22 € (58.132,00 € minus 4.064,78 €) erfolgsversprechend. Hinsichtlich der Kapitalertragsteuer 1999 war eine Aussetzung der Einhebung in Höhe von 7.159,24 € (31.488,00 € minus 24.328,76 €) zu gewähren.
Betreffend Umsatzsteuer 1999 ergab sich aus der Berufungsentscheidung vom eine Gutschrift von 5.275,91 €, mit der die haftungsgegenständliche Nachforderung von 3.403,67 € zur Gänze abgedeckt wurde. Diese wird daher zur Gänze aus der Haftungssumme auszuscheiden sein, weshalb die Haftungsberufung insofern erfolgversprechend erscheint, und die Aussetzung der Einhebung bewilligt wurde. Aus der Haftung wird schließlich auch die offenkundig nur auf eine Rundungsdifferenz zurückzuführende Umsatzsteuernachforderung 2003 in Höhe von 0,01 € auszuscheiden sein, weshalb auch diesbezüglich die Aussetzung der Einhebung bewilligt wurde.
Insgesamt gesehen war daher in dem im gegenständlichen Bescheidspruch dargestellten Ausmaß die Aussetzung der Einhebung zu bewilligen. Im Übrigen musste der Berufung der Erfolg versagt bleiben, da insoweit die zugrunde liegende Haftungsberufung vom Finanzamt aus den angeführten Gründen zutreffend als wenig erfolgversprechend beurteilt worden war.
Über die Berufung wurde erwogen:
Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.
Gemäß § 80 Abs. 1 leg. cit. haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.
Voraussetzung für die Haftung sind eine Abgabenforderung gegen den Vertretenen, die Stellung als Vertreter, die Uneinbringlichkeit der Abgabenforderung, eine Pflichtverletzung des Vertreters, dessen Verschulden an der Pflichtverletzung und die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit.
Die Abgabenforderungen gegen die Primärschuldnerin stehen aufgrund der Berufungsentscheidungen des Unabhängigen Finanzsenates vom (betreffend Kapitalertragsteuern) und vom (betreffend Umsatzsteuern) sowie der Berufungsvorentscheidung des Finanzamtes vom (betreffend Lohnabgaben) fest. Im Haftungsverfahren ist die Abgabenbehörde an den Inhalt der vorangegangenen Abgabenbescheide gebunden (z.B. ).
Der Berufungswerber war seit Geschäftsführer der primärschuldnerischen Gesellschaft und damit für die Wahrnehmung der abgabenrechtlichen Pflichten derselben verantwortlich.
Diese haftungsrelevante Verantwortlichkeit endete jedoch mit der Eröffnung des Konkursverfahrens über das Gesellschaftsvermögen am . Ab diesem Zeitpunkt war der in diesem Verfahren bestellte Masseverwalter gesetzlicher Vertreter der Gemeinschuldnerin. Aus der Haftung waren daher alle Abgaben auszuscheiden, die nach dem fällig waren (auf die oben wiedergegebenen Ausführungen in den Entscheidungsgründen der Berufungsentscheidung vom wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen).
Für eine Haftungsinanspruchnahme des Berufungswerbers verbleiben daher nur mehr die Kapitalertragsteuern 1998 und 1999, die Lohnabgaben 2003 und die Umsatzsteuern 2000 und 2001.
Hinsichtlich der im erstinstanzlichen Haftungsbescheid enthaltenen Lohnabgaben 2003 ist jedoch auf die Berufungsvorentscheidung des Finanzamtes vom hinzuweisen. Mit dieser wurden die Vorschreibungen an Lohnsteuer 2003 (Haftung gemäß § 82 EStG) sowie Dienstgeberbeitrag 2003 samt Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 2003 aufgehoben, und die um 10 % gekürzten Bemessungsgrundlagen auf die Jahre 1999 bis 2001 aufgeteilt.
Spruch des Haftungsbescheides (§ 224 BAO) ist die Geltendmachung der Haftung für einen bestimmten Abgabenbetrag einer bestimmten Abgabe. Damit wird auch die Sache des konkreten Haftungsverfahrens und insoweit auch der Rahmen für die Abänderungsbefugnis der Abgabenbehörde zweiter Instanz im Berufungsverfahren im Sinne des § 289 Abs. 2 BAO festgelegt (). Gegenstand des erstinstanzlichen Haftungsbescheides vom , mit dem der Berufungswerber als Haftungsschuldner gemäß § 9 BAO in Anspruch genommen wurde, waren Lohnsteuer 2003 in Höhe von 243.617,25 €, Dienstgeberbeitrag 2003 in Höhe von 34.258,68 € und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 2003 in Höhe von 2.892,95 €. Eine Haftung für diese Abgaben kommt aufgrund der Berufungsvorentscheidung vom nicht mehr in Betracht. Die darin angeführten Lohnabgaben 1999 bis 2001 waren jedoch nicht Gegenstand des erstinstanzlichen Haftungsbescheides vom . Eine Ausdehnung der Geschäftsführerhaftung auf diese Abgaben im Zuge der gegenständlichen Berufungsentscheidung wäre rechtswidrig, da damit die Abänderungsbefugnis der Abgabenbehörde zweiter Instanz im Berufungsverfahren überschritten würde. Der Berufung war daher auch insoweit stattzugeben. Die Lohnabgaben 2003 waren zur Gänze aus der Haftung auszuscheiden.
Soweit in der gegenständlichen Berufung gegen den Haftungsbescheid die Richtigkeit der verbleibenden haftungsgegenständlichen Kapitalertagsteuern sowie Umsatzsteuern bestritten wird, genügt ein Hinweis auf die bereits oben erwähnte Bindung der Behörde im Haftungsverfahren an die Abgabenbescheide. Ergänzend wird auf die Ausführungen in der Berufungsentscheidung vom betreffend Aussetzung der Einhebung verwiesen.
Zur Frage des Vorliegens einer schuldhaften Pflichtverletzung wird ebenfalls zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Entscheidungsgründe der Berufungsentscheidung vom verwiesen. Weder das gänzliche Fehlen von Gesellschaftsmitteln zu den verbleibenden haftungsrelevanten Fälligkeitsterminen (die Jahre vor der am erfolgten Konkurseröffnung lagen), noch die behauptete Beachtung des Gleichbehandlungsgebotes, noch die Darstellung jenes Betrages, der bei Beachtung des Gleichbehandlungsgebotes an den Abgabengläubiger abzuführen gewesen wäre, wurde vom Berufungswerber nachvollziehbar dargetan und glaubhaft gemacht. In dieser Berufungsentscheidung wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass aus den vorgelegten Liquiditätsaufstellungen für die Monate Juli bis Dezember 2003 für das gegenständliche Haftungsverfahren nichts gewonnen werden könne.
Vom Berufungswerber wurde zwar wiederholt ergänzendes Vorbringen angekündigt, tatsächlich aber nicht erstattet. Soweit in der Berufung behauptet wurde, der Berufungswerber könne erst nach rechtskräftiger Festsetzung der Abgabenhöhe zu den relevanten Fragen der Vertreterhaftung Stellung nehmen, wird darauf hingewiesen, dass die haftungsgegenständlichen Kapitalertragsteuern bereits mit der zu Handen des Berufungswerbers ergangenen Berufungsentscheidung vom , RV/0762-L/05, RV/0763-L/05 rechtskräftig festgesetzt worden waren (die Beschwerde war in diesen Punkten vom Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom abgewiesen worden). Im fortgesetzten Verfahren betreffend Umsatzsteuern erging die ebenfalls zu Handen des Berufungswerbers zugestellte Berufungsentscheidung am . Eine neuerliche Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof ist der erkennenden Behörde nicht bekannt und würde auch an der eingetretenen Rechtskraft der Entscheidung nichts ändern. Dem Berufungswerber wäre daher geraume Zeit zur allfälligen Ergänzung seines bisherigen Vorbringens im Haftungsverfahren zur Verfügung gestanden. Auf die Unzulänglichkeit seiner bisherigen Verantwortung bzw. fehlende Glaubhaftmachung der behaupteten Beachtung des Gleichbehandlungsgebotes sowie fehlende Darstellung jenes Betrages, der bei Beachtung des Gleichbehandlungsgebotes an den Abgabengläubiger abzuführen gewesen wäre, war in der Berufungsentscheidung vom unmissverständlich hingewiesen worden.
Da somit der Berufungswerber weder die Beachtung des Gleichbehandlungsgebotes glaubhaft gemacht noch eine Quote ermittelt hat, die bei anteiliger Befriedigung des Abgabengläubigers an diesen abzuführen gewesen wäre, besteht die Haftung für die Abgaben zur Gänze.
Zu berücksichtigen war lediglich eine Verringerung der haftungsgegenständlichen Kapitalertragsteuer 1999 um 1.286,40 € (Aufrechnung eines der Primärschuldnerin vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom , 2007/15/0066 zugesprochenen Kostenersatzes) auf 23.042,36 €. Von den verbleibenden haftungsgegenständlichen Abgaben war ferner noch die Konkursquote in Abzug zu bringen (vgl. ; , , ), sodass sich die restliche Haftungssumme wie folgt berechnet:
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Abgabenart | Zeitraum | 100 % | KO-Quote | Haftung |
Kapitalertragsteuer | 1998 | 4.064,78 | 71,06 | 3.993,72 |
Kapitalertragsteuer | 1999 | 23.042,36 | 402,85 | 22.639,51 |
Umsatzsteuer | 2000 | 36.942,29 | 645,86 | 36.296,43 |
Umsatzsteuer | 2001 | 21.731,28 | 379,93 | 21.351,35 |
85.780,71 | 1.499,70 | 84.281,01 |
Im Falle des Vorliegens einer schuldhaften Pflichtverletzung spricht nach der ständigen Rechtsprechung eine Vermutung für die Verursachung der Uneinbringlichkeit der Abgaben durch die Pflichtverletzung (Ritz, BAO4, § 9 Tz 24 mit Judikaturnachweisen). Es wurden keinerlei Gründe vorgebracht, die Anhaltspunkte für einen Ausschluss des Kausal- bzw. des Rechtswidrigkeitszusammenhanges bieten würden; solche sind auch nicht aktenkundig.
Die Geltendmachung der Haftung stellt die letzte Möglichkeit zur Durchsetzung des Abgabenanspruches dar. Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Haftungsnorm folgt, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel dann ermessenskonform ist, wenn die betreffende Abgabe beim Primärschuldner uneinbringlich ist. Dieser öffentliche Auftrag zur Ergreifung aller Mittel, vollstreckbare Abgaben einzubringen, überwiegt bei einer vorzuwerfenden Pflichtverletzung meist auch allfällige Billigkeitsgründe, die für eine Abstandnahme von der Heranziehung zur Haftung ins Treffen geführt werden. Derartige Gründe wurden vom Berufungswerber nicht vorgebracht. Die Geltendmachung der Haftung war zweckmäßig, um zumindest einen Teil der bei der Gesellschaft uneinbringlichen Abgaben im Haftungsweg doch noch einzubringen. Ein Teilbetrag konnte bereits durch Umbuchung von Guthaben vom persönlichen Abgabenkonto des Berufungswerbers abgedeckt werden (1.535,43 € am und 1.028,23 € am sowie 631,44 € am ). In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass derartige Zahlungen zwar den vom Berufungswerber zu entrichtenden Haftungsbetrag vermindern, aber nichts an dem grundsätzlich im Haftungsbescheid (bzw. in der Berufungsentscheidung) aufzuerlegenden Umfang der Haftungspflicht ändern (). Die Haftung bestand daher in dem im Spruch angeführten Ausmaß zu Recht. Ferner hat der Berufungswerber selbst die Leistung einer Abschlagszahlung auf die Haftungsschuld in Höhe von 15.000 € angeboten. Auch dies spricht dafür, dass ein Teil der bei der Gesellschaft uneinbringlichen Abgaben im Haftungsweg doch noch eingebracht werden kann, und die Geltendmachung der Geschäftsführerhaftung zweckmäßig war.
Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.
Linz, am
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | |
Verweise |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at