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Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 19.07.2010, RV/1803-W/09

PKW - Auslandleasing, Eigenverbrauchbesteuerung

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufungen der Bw., vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Wien 1/23 vom betreffend Umsatzsteuer für die Jahre 2006 und 2007 entschieden:

Den Berufungen wird Folge gegeben.

Die angefochtenen Bescheide werden abgeändert. Die Bescheide ergehen endgültig.

Die Höhe der Umsatzsteuer beträgt für 2006: Gutschrift Euro - 251.698.551,60 2007: Gutschrift Euro - 301.450.226,99.

Entscheidungsgründe

Im Zuge einer bei der Bw. u. a. hinsichtlich der Umsatzsteuer für die Jahre 2006 und 2007 durchgeführten Betriebsprüfung (Bp) wurden u.a. Feststellungen zur Eigenverbrauchbesteuerung im Zusammenhang mit PKW-Auslandleasing getroffen.

Im Bp-Bericht vom wurde dazu in Tz. 3 ausgeführt. Die Bw. sei Gruppenträger und Organträger einer seit 2005 bestehenden Umsatzsteuerorganschaft. Über die im Jahr 2006 in Deutschland gegründete Zweigniederlassung seien in Österreich nicht vorsteuerabzugberechtigte Kraftfahrzeuge angeschafft und an die einzelnen Konzerngesellschaften verleast worden. Das Leasingentgelt sei bisher der deutschen Umsatzsteuer unterworfen worden, wobei der Leasingnehmer einen Anspruch auf Vergütung der ausländischen Vorsteuer habe. Gem. § 1 Abs 1 Z 2b UStG 1994 sei vom Leasingnehmer eine entsprechende Eigenverbrauchbesteuerung vorzunehmen. Diese sei von den Konzerntöchtern (innerhalb der bestehenden Umsatzsteuerorganschaft) mit der Begründung nicht vorgenommen worden, dass die Gesetzesbestimmung nicht EU-rechtskonform sei.

Nach Ansicht der Bp sei die entsprechende Eigenverbrauchbesteuerung bei der Bw. vorzunehmen. Der Eigenverbrauch auf Basis der verrechneten Leasingentgelte werde daher für das Jahr 2006 in Höhe von Euro 937.374,95 und für das Jahr 2007 in Höhe von Euro 2.435.085,72 festgestellt. Die daraus resultierende Umsatzsteuer betrage für das Jahr 2006 Euro 187.474,99 und für das Jahr 2007 Euro 487.017,14.

Die Abgabenbehörde erster Instanz folgte den Feststellungen der Bp auch in diesem Punkt und erließ mit Datum die entsprechenden (vorläufigen) Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2006 und 2007.

Die am gegen die o.a. Bescheide rechtzeitig eingebrachte Berufung richtet sich gegen die Anwendung der Eigenverbrauchbesteuerung bei Pkw-Leasing im Ausland in den Jahren 2006 und 2007. Weiters wird für 2007 die Korrektur von Daten einer Organgesellschaft beantragt. Fasst man die Ausführungen in der Begründung der Berufung zusammen, vertritt die Bw., unter Bezug auf die EuGH-Entscheidungen in der Rs C-155/01 "Cookies World", wonach § 1 Abs 1 Z 2 lit. d UStG 1994 in der ursprünglichen Fassung des BGBl 1995/21 als richtlinienwidrig beurteilt wurde, und in der Rs C-409/99 "Metropol", worin ausgeführt wird, dass ein Mitgliedstaat ermächtigt ist, zeitlich begrenzte Maßnahmen zu erlassen um einer konjunkturellen Lage gegenzusteuern, die Ansicht, dass die Eigenverbrauchsbestimmung keine Deckung in der 6. MwSt-Richtlinie (nunmehr Richtlinie 2006/112/EG) finde. Die nach der durch Österreich erfolgten Konsultation des Mehrwertsteuerausschusses eingefügte Begrenzung der Eigenverbrauchsbesteuerung sei nicht aus konjunkturellen Gründen erfolgt. Im Zeitraum 1995 bis zum Zeitpunkt der erstmaligen Einführung der Befristung bzw. im Zeitpunkt der Verlängerungen der Befristung seien keine erheblichen Abweichungen vom normalen Konjunkturverlauf zu erkennen.

Es wird daher beantragt, die angefochtenen Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2006 und 2007 so abzuändern, dass keine Umsatzsteuer auf den Eigenverbrauch festgesetzt wird.

Für das Jahr 2007 wird weiters beantragt die Abgabennachforderung um Euro 0,20 entsprechend der angeführten Korrektur der Umsatzsteuerdaten (Minderung der Umsätze 10% und 20% sowie der Vorsteuer) einer Organgesellschaft der Bw. (B.GmbH) zu vermindern.

In der Stellungnahme vom führt die Bp aus, dass die in Geltung stehende Rechtslage infolge der Konsultation des Mehrwertsteuerausschusses durch Österreich EU-konform sei und die Eigenverbrauchbesteuerung zu erfolgen habe.

Hinsichtlich der Korrektur der Umsatzsteuerbemessungsgrundlagen bei der Organgesellschaft, der B.GmbH bestünden seitens der Bp keine Einwendungen.

Über die Berufung wurde erwogen:

Art. 17 Abs 7 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG lautet: "Vorbehaltlich der im Artikel 29 vorgesehenen Konsultationen kann jeder Mitgliedstaat aus Konjunkturgründen die Investitionsgüter oder bestimmte Investitionsgüter oder andere Gegenstände von der Vorsteuerabzugsregelung teilweise oder ganz ausschließen. Die Mitgliedstaaten können zur Wahrung gleicher Wettbewerbsbedingungen - anstatt den Vorsteuerabzug abzulehnen - die Gegenstände, welche der Steuerpflichtige selbst hergestellt oder im Inland erworben oder auch eingeführt hat, in der Weise besteuern, dass diese Steuer die Mehrwertsteuer nicht überschreitet, die beim Erwerb entsprechender Gegenstände zu entrichten wäre."

§ 3a Abs 12 des UStG 1994 lautet: "In den übrigen Fällen wird eine sonstige Leistung an dem Ort ausgeführt, von dem aus der Unternehmer sein Unternehmen betreibt. Wird die sonstige Leistung von einer Betriebsstätte ausgeführt, so gilt die Betriebsstätte als der Ort der sonstigen Leistung." Auf der Grundlage dieser Bestimmung ergibt sich für den Streitzeitraum, dass Umsätze, die das Pkw-Leasing betreffen, auch wenn das Fahrzeug überwiegend in Österreich genutzt wird, als in jenem Mitgliedstaat ausgeführt gelten, von dem aus der Leasinggeber sein Unternehmen betreibt.

Mit BGBl. Nr. 21/1995 wurde § 1 Abs 1 Z 2 mit Wirksamkeit vom um die lit d ergänzt. § 1 Abs 1 UStG 1994 idF BGBl. 21/1995 normiert: "§ 1. (1) Der Umsatzsteuer unterliegen die folgenden Umsätze: 1. ... 2. der Eigenverbrauch im Inland. Eigenverbrauch liegt vor, a) ... d) soweit ein Unternehmer Ausgaben (Aufwendungen) tätigt, die Leistungen im Ausland betreffen, die, wären sie im Inland an den Unternehmer ausgeführt worden, den Unternehmer nach § 12 Abs. 2 Z 2 nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt hätten; dies gilt nur insoweit, als der Unternehmer im Ausland einen Anspruch auf Vergütung der ausländischen Vorsteuer hat. ..."

Mit der Regelung des § 1 Abs. 1 Z 2 lit d UStG 1994, welche mit in Kraft getreten ist, soll den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (26 BlgNR XIX. GP) zufolge erreicht werden, dass österreichische Unternehmer, die im Ausland die in der Vorsteuerausschlussbestimmung des § 12 Abs. 2 Z 2 UStG 1994 angeführten Vorleistungen (unter anderem die Anmietung von Pkw) in Anspruch nehmen und im Ausland die darauf entfallende ausländische Vorsteuer abziehen können, mit österreichischer Umsatzsteuer belastet werden. Damit solle eine Gleichstellung mit jenen Unternehmern erfolgen, die derartige Leistungen im Inland beziehen und für die sich ein Vorsteuerausschluss aus § 12 Abs. 2 Z 2 UStG 1994 ergibt.

Mit BGBl. I Nr. 10/2003 wurde in § 1 Abs 1 Z 2 UStG 1994 folgender Satz angefügt (mit Wirksamkeit ab ): "Lit. d ist auf Umsätze anzuwenden, die vor dem ausgeführt werden."

Die Regelung wurde mit BGBl. I Nr. 134/2003 (mit Wirksamkeit ab 2004) inhaltsgleich von der lit d in die lit b des § 1 Abs 1 Z 2 UStG 1994 überführt. Mit BGBl. I Nr. 103/2005 wurde die zeitliche Beschränkung auf vor dem ausgeführte Umsätze verlängert. Eine nochmalige Verlängerung erfolgte mit BGBl. I Nr. 99/2007 auf vor dem ausgeführte Umsätze.

Der Initiativantrag vom , auf welchen die mit BGBl. I Nr. 10/2003 vorgenommene Novellierung zurückgeht, weist folgende Begründung auf: "Mit dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union wurde die Ortsbestimmung bei der Vermietung von Kraftfahrzeugen entsprechend der 6. EG Richtlinie dahingehend geändert, dass der Ort der Vermietung dort liegt, wo der Vermieter den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit oder eine feste Niederlassung hat."

Um den Vorsteuerausschluss im bisherigen Ausmaß beibehalten zu können, wurde der Steuertatbestand des § 1 Abs 1 Z 2 lit d geschaffen. Danach wird die Vermietung (das Leasing) mit einer Steuer belegt, soweit der Vermietungsumsatz gemäß Art 9 Abs 1 der 6. EG-Richtlinie im Ausland liegt und dieser Umsatz dort zum Vorsteuerabzug führt, das Kraftfahrzeug jedoch im Inland verwendet bzw. genutzt wird.

Infolge eines Ersuchens des VwGH um Vorabentscheidung kam der EuGH im diesbezüglichen Urteil vom , C-155/01, Cookies World, zum Ergebnis, dass die Sechste Richtlinie einer Bestimmung wie § 1 Abs 1 Z 2 lit d UStG 1994 entgegensteht, mit der ein Mitgliedstaat in einem anderen Mitgliedstaat erbrachte Dienstleistungen der Mehrwertsteuer unterwirft, indem er das Vorliegen eines Eigenverbrauchs annimmt, soweit ein Unternehmer Ausgaben (Aufwendungen) tätigt, die Leistungen im Ausland betreffen, die, wären sie im Inland an den Unternehmer ausgeführt worden, den Unternehmer nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt hätten, wobei diese Unterwerfung unter die Mehrwertsteuer insoweit gilt, als der Unternehmer im Ausland einen Anspruch auf Vergütung der ausländischen Vorsteuer hat. Er führt u.a. weiter aus, dass sich die österreichische Regierung nicht zu Lasten der Steuerpflichtigen auf Art 17 Abs 7 der Sechsten Richtlinie berufen kann (siehe Urteil vom in der Rechtssache C-97/90, Lennartz, Slg. 1991, I-3795, Rn 34, analog zu Art 27 Abs 1 und 5 der Sechsten Richtlinie), da die österreichischen Behörden vor Erlass des § 1 Abs 1 Z 2 lit d UStG 1994 nicht den Mehrwertsteuerausschuss konsultiert haben.

Im Urteil vom , C-409/99, Metropol, sowie im Urteil vom , C-228/05, Stradasfalti Srl, hat der EuGH zum Ausdruck gebracht, Art. 17 Abs 7 der Sechsten Richtlinie habe die vorherige Konsultation des Mehrwertsteuerausschusses zur Voraussetzung und ermächtige nicht zu Maßnahmen, die keine Angaben zu ihrer zeitlichen Begrenzung enthielten und/oder zu einem Paket von Strukturanpassungsmaßnahmen gehörten, mit denen bezweckt sei, das Haushaltsdefizit zu verringern und eine Rückzahlung der Staatsschulden zu ermöglichen. Im Urteil Stradasfalti Srl betont der EuGH, dass der dort betroffene Ausgangsrechtsstreit zwar nur die im Lauf der Jahre 2000 bis 2004 entrichtete Mehrwertsteuer betreffe und dies Jahre seien, in denen die Anfragen zur Konsultation des Mehrwertsteuerausschusses vor dem Ergehen der nationalen Verlängerungsmaßnahme erfolgt seien, dass allerdings die Maßnahmen schon vor diesen Jahren in Kraft getreten und systematisch verlängert worden seien. Der EuGH führt dazu aus: "Im Ausgangsverfahren steht fest - und zwar obwohl die italienische Regierung vorträgt, dass die Anfragen zur Konsultation des Mehrwertsteuerausschusses in den Jahren 1999 und 2000 dem Erlass der nationalen Maßnahme vorausgegangen seien, die die vom Grundsatz des Vorsteuerabzugs abweichende Vorschrift verlängert habe -, dass diese Vorschrift, sieht man von Änderungen mit geringerer Bedeutung ab, seit 1980 durch die italienische Regierung systematisch beibehalten wurde. Unter diesen Umständen kann sie keinen zeitlich begrenzten Charakter haben und nicht mehr als durch Konjunkturgründe gerechtfertigt angesehen werden. Folglich muss diese Maßnahme als Bestandteil eines Pakets von Strukturanpassungsmaßnahmen angesehen werden, die nicht in den Anwendungsbereich von Art 17 Abs 7 der Sechsten Richtlinie fallen."

Die Regelung des § 1 Abs 1 Z 2 lit d UStG 1994 ist schon im Jahr 1995 vor dem Inkrafttreten der Ergänzung durch BGBl. I Nr. 10/2003 in Kraft getreten und hat mit dieser lediglich erstmalig eine Befristung erfahren. Da aber Art 17 Abs 7 der Sechsten Richtlinie für die Mitglieder als Voraussetzung, um sich auf die Ausnahmeregelung berufen zu können, die dem Erlass der Regelung vorangehende Konsultation des Mehrwertsteuerausschusses enthält, ist es bereits aus diesem Grund ausgeschlossen, dass die Regelung des § 1 Abs 1 Z 2 lit d UStG 1994 sowie die sodann in lit b der Bestimmung überführte Folgeregelung durch Art 17 Abs 7 der Sechsten Richtlinie gedeckt sind.

Aus den gleichen Überlegungen, wie sie dem Urteil Stradasfalti Srl zu Grunde liegen, mangelt auch der im gegenständlichen Fall zu prüfenden Regelung des § 1 Abs 1 Z 2 lit b UStG 1994 der Charakter einer zeitlich begrenzten Maßnahme.

Die Deckung durch Art 17 Abs 7 der Sechsten Richtlinie ist aber auch insoweit ausgeschlossen, als der Gesetzgeber die konkreten konjunkturellen Gründe nicht benennt. Wenn sich Gesetzesmaterialien darauf beschränken, einen Teil des Tatbestandes des Art 17 Abs 7 der Sechsten Richtlinie ("aus konjunkturellen Gründen") zu referieren, die konkreten Konjunkturgründe aber nicht erkennen lassen, erweist sich dies als für die Anwendung des Art 17 Abs 7 der Sechsten Richtlinie nicht ausreichend.

Aus den angeführten Gründen wird festgestellt, dass die Regelung des § 1 Abs 1 Z 2 lit b UStG 1994 durch Art 17 Abs 7 der Sechsten Richtlinie nicht gedeckt ist.

Aus den im Urteil des EuGH "Cookies World" dargestellten Überlegungen und den jüngst zum strittigen Thema ergangenen abweisenden Entscheidungen des VwGH, Erkenntnisse vom , 2008/15/0109; 2007/15/0275 und , 2008/13/0203, folgt, dass die Regelung des § 1 Abs 1 Z 2 lit b UStG 1994 für den Fall des PKW-Leasing im EU-Ausland nicht anzuwenden ist.

Eine Eigenverbrauchbesteuerung ist daher in diesem Zusammenhang nicht durchzuführen.

Die im Jahr 2006 bzw. 2007 an die Bw. verrechneten Leasingentgelte iHv insgesamt Euro 937.374,94 bzw. 2.435.085,72 sind nicht als Eigenverbrauch in die Bemessungsgrundlagen für die Umsatzsteuer einzubeziehen. Aus diesem Titel ist daher keine Umsatzsteuer vorzuschreiben.

Der zu berücksichtigende Eigenverbrauch beträgt somit: im Jahr 2006 - Euro 3.170.853,00, im Jahr 2007 - Euro 1.695.379,92.

Die zusätzliche Korrektur der Umsatzsteuerfestsetzung im Jahr 2007 um im Ergebnis Euro -0,20 wird antragsgemäß durchgeführt.

Es war daher über die Berufung spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am

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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Verweise

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at