Unrechtmäßige Geltendmachung von Vorsteuerbeträgen und Betriebsausgaben mittels Scheinrechnungen
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Muldenzentrale Transport-GmbH (nunmehr PKM - Muldenzentrale GmbH), 1110 Wien, Alberner Hafenzufahrtstraße 9, vertreten durch Allgem Bauges A. Porr AG, 1103 Wien, Absberggasse 47 sowie des der Berufung am beigetretenen Herrn Anton Spindler, geb. , 1210 Wien, Brünner Straße 118, vertreten durch den Masseverwalter Dr. Herbert Hochegger, 1040 Wien, Bruckner-Straße 4/5, gegen die Bescheide des Finanzamtes für Körperschaften vom betreffend Umsatz- Körperschaft- und Gewebesteuer für die Jahre 1987 bis 1989 entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Die angefochtenen Bescheide bleiben unverändert.
Entscheidungsgründe
Herr AS war in den Streitjahren Geschäftsführer der im Transportgewerbe tätigen Berufungswerberin (Bw), der M (nunmehr P) und an ihr als Gesellschafter beteiligt.
Im Gefolge einer bei der Bw gemäß § 99 Abs 2 FinStrG durchgeführten Buch- und Betriebsprüfung für die Streitjahre gelangte der Prüfer ua zum Ergebnis, dass die Bw auf Scheinrechnungen angeführte Entgelte zu Unrecht als Betriebsausgaben im Umfang von 497.700 S (1987), 1.472.016 S (1988) und 403.290 S (1989) und auf diesen Rechnungen ausgewiesene Umsatzsteuerbeträge zu Unrecht als Vorsteuern im Umfang von 99.540 S (1987), 294.403 S (1988) und 80.658 S (1989) geltend gemacht habe. Der Prüfer zog von den seiner Ansicht auf Grund der Scheinrechnungen zu Unrecht geltend gemachten Aufwendungen einen geschätzten Lohnaufwand für "Schwarzarbeiter" von 208.000 S (1987), 384.000 S (1988) und 0 S (1989) ab und gelangte so zu Beträgen von 289.700 S (1987), 1.088.016 S (1988) und 403.290 S (1989), welche er als Herrn AS zugeflossene verdeckte Gewinnausschüttungen wertete.
Das Finanzamt folgte den Prüfungsfeststellungen und setzte mit Bescheiden vom - nach Wiederaufnahme der betroffenen Verfahren - die Umsatz-, Körperschaft- und Gewerbesteuer für die Streitjahre neu fest.
In der dagegen erhobenen Berufung bestritt die Bw das Vorliegen von Scheinrechnungen. Herr AS trat der Berufung der Bw gemäß § 257 BAO bei.
Die Berufung wurde ohne Erlassung einer Berufungsvorentscheidung der Abgabenbehörde zweiter Instanz zur Entscheidung vorgelegt und von dieser mit Berufungsentscheidung vom als unbegründet abgewiesen.
Herr AS erhob gegen die Berufungsentscheidung Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof. Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 97/13/0126 wurde der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben, da die aufgezeigten Begründungsmängel des angefochtenen Bescheides ein anderes als das von der belangten Behörde gefundene Ergebnis als möglich erscheinen ließen.
Über die Berufung wurde erwogen:
Folgender Sachverhalt wird der Entscheidung zugrunde gelegt:
Das Finanzamt erließ zunächst Bescheide betreffend Umsatz-, Körperschaft- und Gewerbesteuer für die Jahre 1987 bis 1989, in welchen die von der Bw in ihren Abgabenerklärungen bekannt gegebenen Bemessungsgrundlagen übernommen wurden.
Erst im Rahmen einer die Jahre 1987 bis 1989 umfassenden abgabenbehördlichen Prüfung gemäß § 99 Abs 2 FinStrG wurde festgestellte, dass von der Bw in den von ihr abgegebenen Umsatz-, Körperschaft- und Gewerbesteuererklärungen für die betreffenden Jahre Betriebsausgaben und Vorsteuerbeträge unrechtmäßig geltend gemacht wurden.
In dem gegen Herrn AS als Geschäftsführer der Bw in der Folge eingeleiteten Finanzstrafverfahren wurde dieser mit in Rrechtskraft erwachsenem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom , GZ Hv 7159/97 für schuldig erkannt, im Bereich des Finanzamtes für den 21. und 22. Bezirk in Wien vorsätzlich in mehrfachen Tathandlungen eine Verkürzung nachangeführter Abgaben fortgesetzt bewirkt, nämlich
A./
unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Offenlegungs- und Wahrheitspflicht
1.) am eine in zu niedriger Festsetzung gelegene Verkürzung bescheidmäßig festzusetzender Abgaben, nämlich der Umsatzsteuer, indem er für das Jahr 1987 unrichtige, Erlös und Gewinn zu gering ausweisende Steuererklärungen (samt dazugehöriger Bilanz) abgab, sodaß darauf beruhend am ein Bescheid erlassen wurde, und zwar für das Jahr 1987 um S 99.540,--;
2.) eine Verkürzung der selbst zu berechnenden Kapitalertragsteuer für die verheimlichten, aus den verschiedenen Eingängen zugeflossenen Erlöse als verdeckte Gewinnausschüttung, indem er ihre Einbehaltung, Anmeldung und Abfuhr (§§ 93, 95, 96 EStG 1988) unterließ, und zwar in der Zeit von Anfang 1987 bis Ende 1989
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a.) | im Jahr 1987 | um | S | 72.425,-- |
b.) | im Jahr 1988 | um | S | 272.004,-- |
c.) | im Jahr 1989 | um | S | 134.417,-- |
B./
Unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 UStG 1972 entsprechenden Voranmeldungen eine Verkürzung der selbst zu berechnenden Umsatzsteuervorauszahlung, und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiß gehalten, indem er zu geringe Umsatzsteuervorauszahlungen entrichtete, bzw unrechtmäßige Gutschriften erwirkte, und zwar
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a.) | vom bis zum für
das Jahr 1988 um | S | 294.403,-- |
b.) | vom bis zum für
das Jahr 1989 um | S | 80.657,-- |
und hiedurch die Finanzvergehen
zu A./ der Abgabenhinterziehung nach § 33 Absatz 1 FinStrG;
zu B./ der Abgabenhinterziehung nach § 33 Absatz 2 lit a FinStrG
begangen zu haben.
In der Begründung führte das Landesgericht für Strafsachen Wien im Wesentlichen aus:
Herr AS war von 1983 bis 1990 handelsrechtlicher Geschäftsführer der Bw. Bis zum übte er diese Funktion alleine aus. Spätestens im Jahr 1987 faßte Herr AS den Entschluß, die Steuerlast der Bw auf ungesetzliche Weise zu minimieren. Zu diesem Zweck vereinbarte er zunächst mit Herrn PKT, dass dieser Rechnungen an die Bw legen solle, denen keine Leistungen zugrundelagen. Dieser Verinbarung gemäß übermittelte Herr PKT Scheinrechnungen von vier im gegenständlichen Urteil näher bezeichneten Firmen, welche über Veranlassung von Herr AS in die Buchhaltung der Bw aufgenommen wurden. Es waren dies Rechnungen über 497.700 S (1987), 1.472.016 S (1988) bzw 403.289,99 S (1989) zuzüglich 99.540 S (1987), 294.403,20 S (1988) bzw 80.657,64 S (1989) USt.
Herr AS nahm die (Schein-)Vorsteuer in der Höhe von 99.540 S in die Steuererklärung für das Jahr 1987 auf, weshalb der darauf beruhende Bescheid des Finanzamtes für Körperschaften die Umsatzsteuer für das Jahr 1987 um 99.540 S zu gering auswies.
Auch in den Jahren 1988 und 1989 nahm Herr AS die auf den Scheinrechnungen ausgewiesenen Umsatzsteuerbeträge als Vorsteuern in die Umsatzsteuervoranmeldungen auf und entrichtete demgemäß zu geringe Umsatzsteuervorauszahlungen bzw erwirkte er Steuergutschriften, was Umsatzsteuerverkürzungen von 294.403 S (1988) bzw 80.657 S (1989) zur Folge hatte.
Herr AS wußte, dass er durch diese Vorgangsweise Umsatzsteuerverkürzungen vewirkte, er wollte dies, um die Steuerlast des von ihm geführten Unternehmens (Bw) zu minimieren.
Durch die Aufnahme der Scheinrechnungen in das Rechenwerk der Bw wurde auch der Gewinn des Unternehmens buchhalterisch verringert. Herr AS unterließ es demgemäß auch, die für die zum Schein verringerten Gewinne zu leistende KESt einzubehalten, anzumelden und abzuführen, was eine Verkürzung der Kapitalertragsteuer bewirkte, und zwar um 72.425 S (1987), 272.004 S (1988) bzw 134.417 S (1989).
Herr AS wußte, dass er durch die beschriebene Malversation eine Verkürzung der selbst zu berechnenden Kapitalertragsteuer bewirkte; er wollte dies, um hiedurch die Abgabenlast für die Bw zu minimieren. Herr AS verantwortete sich grundsätzlich voll geständig.
Die Höhe der hinterzogenen Abgaben folgt hinsichtlich der Umsatzsteuer unmittelbar aus den im Betriebsprüfungsbericht aufgelisteten Scheinrechnungen, bezüglich der übrigen Abgaben aus den unbedenklichen, einwandfreien und nachvollziehbaren Berechnungen des Finanzamtes für Körperschaften, in denen die Feststellungen der Betriebsprüfung übernommen wurden.
Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den von der Bw eingebrachten Abgabenerklärungen, den im Betriebsprüfungsbericht getroffenen Feststellungen und dem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom , GZ Hv 7159/97.
Der festgestellte Sachverhalt ist folgender rechtlichen Würdigung zu unterziehen:
Sofern die Abgabenvorschriften nicht anderes bestimmen, sind gemäß § 116 Abs 1 BAO die Abgabenbehörden berechtigt, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären, nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung zu beurteilen (§§ 21 und 22 leg cit) und diese Beurteilung ihrem Bescheid zugrunde zu legen. Entscheidungen der Gerichte, durch die privatrechtliche Vorfragen als Hauptfrage entschieden wurden, sind gemäß § 116 Abs 2 BAO von der Abgabenbehörde im Sinne des Abs 1 der genannten Bestimmung zu beurteilen. Eine Bindung besteht nur insoweit, als in dem gerichtlichen Verfahren, in dem die Entscheidung ergangen ist, bei der Ermittlung des Sachverhaltes von Amts wegen vorzugehen war.
Laut ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entfaltet ein rechtskräftiges Strafurteil bindende Wirkung hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen, auf denen sein Spruch beruht, wozu jene Tatumstände gehören, aus denen sich die jeweilige strafbare Handlung nach ihren gesetzlichen Tatbestandselementen zusammensetzt. Ein vom bindenden Strafurteil abweichendes Abgabenverfahren würde zu Lasten der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes einer Durchbrechung der materiellen Rechtskraft und einer unzulässigen Kontrolle der Organe der Rechtsprechung durch die Verwaltung gleichkommen. Die Bindungswirkung erstreckt sich auf die vom Gericht festgestellten und durch den Spruch gedeckten Tatsachen. Es besteht eine Bindung der Abgabenbehörde an jene tatsächlichen Feststellungen im Strafurteil, auf denen der Spruch basiert, mit welchem der Beschuldigte eines Deliktes für schuldig befunden wird (vgl für viele ).
Im gegenständlichen Fall ging das Landesgericht für Strafsachen in seinem Urteil davon aus, dass mittels Scheinrechnungen Betriebsausgaben und Vorsteuerbeträge in der von der Betriebsprüfung festgestellten Höhe unrechtmäßig geltend gemacht wurden. Im Hinblick auf § 116 Abs 2 BAO ist daher die Abgabenbehörde an den diesbezüglich festgestellten Sachverhalt gebunden und nicht berechtigt, von dem im Strafurteil bindend festgestellten Sachverhalt abzuweichen. Den Bescheiden betreffend Umsatz-, Körperschaft- und Gewerbesteuer für die Jahre 1987 bis 1989 sind damit die von der Betriebsprüfung ermittelten Umsätze und Einkünfte zugrunde zu legen.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 116 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Schlagworte | Scheinrechnungen |
Verweise |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at
Fundstelle(n):
OAAAD-13526