Wegfall der Geschäftsgrundlage eines Gesellschaftsvertrags
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw. gegen den Bescheid des Finanzamts A vom betreffend Feststellung von Einkünften für das Jahr 2009 entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen. Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
Entscheidungsgründe
Mit Schreiben der Berufungswerberin (kurz: Bw.) vom wurde der Antrag gestellt, die Bescheide (mit Ausfertigungsdatum , und ) betreffend Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für die Jahre 2006, 2007 und 2008 gemäß § 295a BAO dahin gehend abzuändern, dass der der GS Vermögensgesellschaft mbH & Co KG (kurz: GS KG) zugewiesene Einkünfteanteil nunmehr Herrn GS persönlich zugerechnet werde. Begründend wurde vorgetragen: Die Bw. sei im Jahr 2005 von den Gesellschaftern B, der C GmbH und der GS KG gegründet worden. Sämtliche Personen hätten ihren Wohnsitz bzw. Sitz in Deutschland. Die Gesellschafter seien bei der Gründung der Gesellschaft davon ausgegangen, dass die Bw. in Österreich Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erziele. Infolge baubehördlicher Auflagen und des Umstandes, dass die tatsächliche Geschäftstätigkeit über die reine Vermögensverwaltung hinausgehe, habe die Bw. einerseits um die Erteilung einer Gewerbeberechtigung für das Gastgewerbe ersucht und habe die tatsächliche Geschäftstätigkeit andererseits ab Beginn der Tätigkeit zur Erzielung von Einkünften aus Gewerbebetrieb geführt. Für die GS KG sei damit eine wesentliche Geschäftsgrundlage für die Beteiligung an der Bw. weggefallen, nämlich die Erzielung von Einkünften aus Gewerbebetrieb an Stelle von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, was es erforderlich gemacht habe, dass der Gesellschaftsvertrag neu gefasst werde. Der ursprüngliche Gesellschaftsvertrag vom sei aufgehoben und durch den beiliegenden Nachtrag zum Gesellschaftsvertrag mit Wirkung ab dem Tag der Gesellschaftsgründung ersetzt worden. An Stelle der GS KG nehme nun deren alleiniger Kommanditist, GS ad personam, Gesellschafterstellung an der Bw. ein.
Der VwGH verweise in seinem Erkenntnis vom , 2006/15/0085, bezüglich der Auslegung des abgabenrelevanten Sachverhaltes auf Beiser in Tanzer, "Die BAO im 21. Jahrhundert". Beiser beziehe in seiner Ausführung zu § 295a BAO insbesondere die Rechtsprechung des BFH zur vergleichbaren Bestimmung des § 175 Abs. 1 Z 2 AO ein. Der BFH habe mittlerweile in seinem Urteil vom , IX R 17/09, die Rückabwicklung eines Vertrages hinsichtlich eines Anteilsverkaufes auf Grund des Wegfalls der Geschäftsgrundlage als rückwirkendes Ereignis anerkannt. Die rückwirkende Neufassung des Gesellschaftsvertrages wegen Wegfalls einer für den Vertragsabschluss wesentlichen Geschäftsgrundlage sei somit als ein Ereignis mit Abgabenrelevanz und als Ereignis mit Wirkung für die Vergangenheit anzusehen.
Mit Bescheid des Finanzamts Landeck Reutte vom wurde dieser Antrag abgewiesen. Begründend wurde dazu ausgeführt, dass der Unternehmensgegenstand der Bw. in der Errichtung und der Vermietung von Luxuswohnungen bestanden habe, wobei drei Gebäude mit insgesamt xx Appartements errichtet und teilweise ab 2007 vermietet worden seien. Es seien Abgabenerklärungen für Personengesellschaften mit gewerblichen Einkünften für die Jahre 2006 bis 2008 eingereicht worden. Die diesbezüglichen Feststellungsbescheide seien in Rechtskraft erwachsen.
Mit Eingabe vom sei die Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich der Jahre 2006 bis 2008 begehrt worden. Dem Antrag sei der Nachtrag zum Gesellschaftsvertrag vom , datiert mit , beigelegt worden. Der Gesellschaftsvertrag vom sei darin rückwirkend aufgehoben worden. Am selben Tag () sei ein neuer Gesellschaftsvertrag mit Wirkung abgeschlossen worden. Der später abgeschlossene Vertrag unterscheide sich vom ursprünglichen im Wesentlichen darin, dass 1/3-Gesellschafter nicht mehr die GS KG (mit dem 100%-Kommanditisten GS), sondern GS selbst sei. Weiters sei § 10 des Gesellschaftsvertrags geändert worden, wonach das Jahresergebnis nach den steuerlichen Erfordernissen zu errechnen sei. In § 10 des ursprünglichen Vertrags sei eine Klausel verankert gewesen, wonach die Gesellschaft Einkünfte im Sinne des § 28 EStG 1988 (Vermietung und Verpachtung) erziele.
Der Gesellschafterwechsel sei im Firmenbuch mit eingetragen worden. Die einzige Änderung im Jahre 2010 habe sonach darin bestanden, dass der Gesellschaftsanteil von GS übernommen worden sei. Eine etwaige Rückabwicklung von bis zum Gesellschafterwechsel im Jahr 2010 verwirklichten Geschäftsvorfällen sei nicht erfolgt.
Es könne dahingestellt bleiben, ob Gründe für einen Wegfall der Geschäftsgrundlage vorliegen würden, weil die gesellschaftsvertraglich festgelegte und auch tatsächlich ausgeübte Tätigkeit steuerlich nicht als Einkünfte iSd § 28 EStG 1988 zu erfassen seien. Denn unabhängig davon, ob einer zwischen den Parteien abgeschlossenen Vereinbarung zivilrechtlich Rückwirkung zuerkannt werde oder nicht, herrsche im Steuerrecht der Grundsatz des Rückwirkungsverbotes, was nichts anderes heiße, als dass rückwirkenden Vereinbarungen steuerlich keine Wirkung zuzukommen habe. Rückwirkung sei nur in jenen Fällen zuzuerkennen, in denen der Steuergesetzgeber (wie zB im UmgrStG) explizit eine steuerliche Rückwirkung vorsehe.
Der steuerliche Grundsatz des Rückwirkungsverbotes greife auch bei Neueintritt in eine Gesellschaft bzw. bei einem Gesellschafterwechsel. Auch hier sei ein rückwirkender Eintritt in die Gesellschaft bzw. ein Gesellschafterwechsel mit steuerlicher Wirkung nicht anzuerkennen. Dies bedeute für den vorliegenden Fall, dass der Gesellschafterwechsel zwischen der KG und dem 100%-Kommanditisten nicht rückwirkend anzuerkennen sei, sondern erst mit dessen tatsächlichem Beitritt am . Bis zu diesem Zeitpunkt seien die anteiligen Betriebsergebnisse der Altgesellschafterin zuzurechnen.
Im Ergebnis ergebe sich durch den Gesellschafterwechsel im Jahr 2010 für GS in Österreich keine Änderung. Der auf die KG entfallende Gewinnanteil an der Bw. sei nach Art. VI DBA-BRD in Deutschland von der Besteuerung freizustellen; die Einkünfte seien bei GS zu erfassen (§ 98 Abs. 1 Z 3 EStG 1988). Nichts Anderes gelte für GS bei einer unmittelbaren Beteiligung an der Berufungswerberin. Ob ein auf das Jahr 2005 zurückwirkender Gesellschafterwechsel von der deutschen Steuerbehörde anerkannt werde, sei für die österreichische Beurteilung nicht erheblich.
In dem am ausgefertigten Feststellungsbescheid für das Jahr 2009 wurden die anteiligen Einkünfte aus Gewerbebetrieb - von der Erklärung abweichend - nicht GS, sondern der GS KG zugerechnet. In der Berufung gegen diesen Bescheid wurde im Wesentlichen dasselbe Vorbringen erstattet wie im Antrag vom .
Über die Berufung wurde erwogen:
1. Einkünfte sind demjenigen zuzurechnen, der den Einkünftetatbestand erfüllt. Zurechnungssubjekt von Einkünften ist, wer die Möglichkeit besitzt, die sich ihm bietenden Marktchancen auszunützen, Leistungen zu erbringen oder zu verweigern. Für die Zurechnung von Einkünften kommt es somit entscheidend darauf an, wer wirtschaftlich über die Einkunftsquelle und so über die Art der Erzielung der Einkünfte und damit über die Einkünfte disponieren kann. Maßgeblich ist die nach außen in Erscheinung tretende Gestaltung der Dinge. Die rechtliche Gestaltung ist nur maßgebend, wenn sich in wirtschaftlicher Betrachtungsweise nichts anderes ergibt ().
Dieser Grundsatz muss auch gelten, wenn Einkünfte gemeinschaftlich erzielt werden. Genau so wenig wie der Einzelunternehmer über bezogene Einkünfte steuerwirksam verfügen kann, ist dies bei Mitunternehmerschaften möglich (Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuer-Handbuch, § 23 Tz 51). Erlangt eine Person (erst) zu einem bestimmten Zeitpunkt die Stellung eines Mitunternehmers, so können ihr erst die ab diesem Zeitpunkt verwirklichten Geschäftsfälle als Einzelbestandteile des Gewinns bzw. Verlusts anteilig zugerechnet werden ().
2. Die Steuerschuld entsteht mit der Verwirklichung des Steuertatbestandes unmittelbar auf Grund des Gesetzes und kann durch nachträgliche privatrechtliche Vereinbarungen, mag diesen von den Parteien auch Rückwirkung beigelegt worden sein, nicht beseitigt werden (). Ist ein Abgabenanspruch entstanden, so ist der Wegfall des Abgabenanspruches durch nachträgliche Dispositionen des Abgabepflichtigen grundsätzlich ausgeschlossen. Der Abgabenanspruch kann durch rückwirkende Rechtsgeschäfte nicht in Wegfall gebracht werden (), es sei denn, der Gesetzgeber selbst hätte diesen Grundsatz durch eine besondere Vorschrift ausdrücklich oder schlüssig zu Gunsten einer steuerlichen Relevanz rückwirkender Tatbestände durchbrochen (, mwN). Auch Steuerklauseln können einen Abgabenanspruch nicht nachträglich beseitigen (Ritz, BAO, 4. Aufl., § 4 Tz 11).
3. Davon abgesehen könnte auch eine Geschäftsgrundlage der behaupteten Art nicht als erwiesen angenommen werden (§ 167 Abs. 2 BAO).
a.) § 10 des Gesellschaftsvertrags vom lautete:
"Das Jahresergebnis ist nach den Grundsätzen einer Einnahmen-/Überschussrechnung, unter Beachtung der Bestimmung des § 28 EStG, als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu errechnen".
Im Nachtrag vom zu diesem Gesellschaftsvertrag, abgeschlossen zwischen B, der C GmbH und der GS KG (vertreten durch die persönlich haftende Gesellschafterin, die D GmbH, diese vertreten durch den selbständig vertretungsbefugten Geschäftsführer GS) ist festgehalten:
"Der Gesellschaftsvertrag vom sieht ausschließlich Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung vor (§ 10 Gesellschaftsvertrag vom ), wobei aufgrund der Forderung der Baubehörde I. Instanz die Gesellschaft eine gewerbliche Tätigkeit zu entfalten hatte. Da sohin die für die Gesellschafter wesentliche Geschäftsgrundlage entfallen ist, wird der Gesellschaftsvertrag vom rückwirkend zum aufgehoben."
Am wurde ein neuer Gesellschaftsvertrag - nunmehr mit GS an Stelle der GS KG - abgeschlossen, in dem sich zum Unternehmensgegenstand (wie bisher) die Aussage findet, dass dieser in der "Bewirtschaftung eines touristischen Kleinbetriebes" liege (§ 3). In § 10 des Vertrags ist normiert:
"Das Jahresergebnis ist nach steuerrechtlichen Erfordernissen zu errechnen".
b.) § 10 des Gesellschaftsvertrags vom sieht somit nur vor, dass die von der Gesellschaft erzielten Einkünfte als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu ermitteln sind. Ein Hinweis des Inhalts, dass eine solche Qualifikation von Einkünften zur Geschäftsgrundlage der Gesellschaft erhoben worden wäre, lässt sich dem Vertrag vom 27.12.1005 nicht entnehmen.
Es trifft zu, dass der Nachtrag vom von sämtlichen Gesellschaftern unterfertigt ist (und als Aufhebung des Gesellschaftsvertrags vom auch von allen unterfertigt sein musste). Eine Rückabwicklung der bis zum erfolgten gemeinschaftlichen Geschäfte ist aber unbestritten nicht vorgenommen worden.
c.) In der Berufung wird zwar darauf verwiesen, dass sich der Wegfall der Geschäftsgrundlage für die GS KG ergeben hätte. Es bleibt aber völlig unverständlich, warum dies der Fall gewesen sein sollte, wurden die von der Bw. erzielten Einkünfte doch von allem Anfang an als Einkünfte aus Gewerbebetrieb und nicht etwa als Einkünfte aus Vermögensverwaltung ausgewiesen (die Bescheide der Jahre 2006 bis 2008 sind in Rechtskraft erwachsen). Die GS KG war unbeschränkt haftende Gesellschafterin der Berufungswerberin. Sie vertrat die Bw. (laut Auszug aus dem Firmenbuch) seit dem selbständig. Es ist auszuschließen, dass ihr Vertreter (GS) von der steuerlichen Qualifikation ihrer Einkünfte in Österreich nicht schon seit Jahren Bescheid gewusst hätte, zumal er zB die am eingereichte Erklärung der Einkünfte von Personengesellschaften für das Jahr 2006, in der Einkünfte aus Gewerbebetrieb ausgewiesen waren, selbst mitunterfertigt hat. Die Bw. ist jegliche Erklärung dafür schuldig geblieben, weshalb es erst nach rund drei Jahren zu einer (rückwirkenden) Aufhebung des Gesellschaftsvertrags aus dem Jahre 2005 aus dem Grunde eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage gekommen sein sollte. Die Einkünfte der Bw. wurden ab Aufnahme der Tätigkeit sowohl vom steuerlichen Vertreter als auch von der Abgabenbehörde als gewerbliche Einkünfte eingestuft. So hatte die steuerliche Vertreterin der Bw. (und Zustellungsbevollmächtigte) schon mit Schreiben vom (an das Finanzamt A) erklärt, dass in den zu errichtenden Räumlichkeiten ein Beherbergungsbetrieb eingerichtet werde und gewerbliche Einkünfte erzielt würden. Folgt man dem Nachtrag vom , musste sich die Bw. zur Entfaltung einer gewerblichen Tätigkeit entschlossen haben, noch ehe die geplanten Räumlichkeiten errichtet wurden (bzw. errichtet werden konnten). Es ist nicht vorstellbar, dass die Errichtung der Gebäude in Angriff genommen worden wäre, wenn eine Geschäftsgrundlage der behaupteten Art bestanden hätte.
d.) Für Zwecke der Eintragung in das Firmenbuch wurde von einem Gesellschafterwechsel ausgegangen. Die bisherige Gesellschafterin (die GS KG) ist danach "ausgeschieden"; der Gesellschafter GS ist danach neu "eingetreten" und seit selbständig vertretungsbefugt (Firmenbuchgesuch).
Zu einer Änderung der vermögenswerten bzw. gesellschaftlichen Rechte der beiden übrigen Gesellschafter ist es nicht gekommen. Wurde aber lediglich der Geschäftsanteil der GS KG abgetreten, hätte es keiner Aufhebung des bisherigen Gesellschaftsvertrags und der (rückwirkenden) Neugründung einer Gesellschaft mit einem anderen Gesellschafter bedurft. Die GS KG hätte nach Maßgabe des § 17 des Gesellschaftsvertrags vom abgefunden werden können. Dass ein solcher Weg nicht beschritten wurde, ist ausschließlich damit zu erklären, dass ein Interessengegensatz, wie er bei Vereinbarungen zwischen fremden Personen üblicherweise gegeben ist, nicht bestanden hat. Der "Geschäftsanteil" sollte rückwirkend übertragen werden. Eine Vermögensauseinandersetzung der dafür vorgesehenen Art (samt den daran geknüpften steuerlichen Folgen) sollte damit aber nicht verbunden sein.
Im vorliegenden Fall ist daher auch keine fremdübliche Vorgangsweise zu erblicken. Die vom VwGH für die steuerliche Anerkennung von Vereinbarungen zwischen nahen Angehörigen entwickelten Kriterien gelten aber genauso für Verträge mit Gesellschaften, an denen ein Vertragspartner - wie im vorliegenden Fall - beherrschend beteiligt ist. Komplementärin der GS KG ist die nicht vermögensbeteiligte D GmbH, die wiederum von GS vertreten wird.
4. Eine Vergleichbarkeit der vorliegenden Konstellation mit jener, über die der BFH mit Urteil vom abgesprochen hat, ist nicht gegeben. § 295a BAO war nicht anzuwenden.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Innsbruck, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 295a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at