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Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 04.06.2012, RV/1697-W/10

Der "Vorbehalt" des Fruchtgenussrechtes ist Teil der Gegenleistung bei der Grunderwerbsteuer

Beachte

VfGH-Beschwerde zur Zl. B 869/12 eingebracht. Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom abgelehnt.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw, vertreten durch Dr. Christian Prodinger, 1090 Wien, Liechtensteinstraße 20/12, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes für Gebühren und Verkehrsteuern Wien vom , ErfNr. betreffend Grunderwerbsteuer entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Entscheidungsgründe

Mit Vertrag vom ("Kaufvertrag und Einräumung der lebenslangen Fruchtnießung") verkaufte Frau L ihren beiden Söhnen (diese in der Folge Berufungswerber, Bw. genannt), l. und l, je zur Hälfte die ihr gehörigen Anteile an der Liegenschaft EZ. 2 verbunden mit Wohnungseigentum an W 1 und W 3, Grundstücksadresse 1190 Wien, x.

In Punkt II. wurde vereinbart, dass die Herrn l. und l, die genannten Anteile kaufen und der Käuferin am Vertragsgegenstand die Dienstbarkeit der lebenslangen und unentgeltlichen Fruchtnießung einräumen.

In Punkt III. wurde der Kaufpreis für den mit der Dienstbarkeit der lebenslangen und unentgeltlichen Fruchtnießung belasteten Vertragsgegenstand mit € 231.259,-- festgelegt.

In Punkt VII. bewerteten die Vertragsparteien die Dienstbarkeit mit € 889.813,-.

Das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien beurteilte den Vertrag als grunderwerbsteuerpflichtiges Rechtsgeschäft und zog als Gegenleistung den Kaufpreis und das auf das Lebensalter der Berechtigten bewertete Fruchtgenussrecht heran.

Mit Bescheiden je vom wurde für jeden Erwerbsvorgang die Grunderwerbsteuer in Höhe von € 11.210,72 festgesetzt (jeweils anteilige Bemessungsgrundlage € 560.536,- = anteiliger Kaufpreis +anteiliger Fruchtgenuss - x 2%).

Gegen diese Bescheide wurde Berufung erhoben und im Wesentlichen eingewendet, dass das Fruchtgenussrecht eine Belastung darstelle, und nur der Kaufpreis die Gegenleistung bilden könne.

Mit Berufungsvorentscheidung vom wies das Finanzamt die Berufung als unbegründet ab.

In der Folge wurde die Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde II. Instanz begehrt.

Über die Berufung wurde erwogen:

Nach § 1 Abs. 1 Z 1 GrEStG unterliegen der Grunderwerbsteuer Kaufverträge und andere Rechtsgeschäfte, die den Anspruch auf Übereignung begründen, soweit sie sich auf ein inländisches Grundstück beziehen.

Nach § 4 Abs. 1 GrEStG ist die Steuer vom Wert der Gegenleistung zu berechnen.

§ 5 Abs. 1 Z 1 GrEStG normiert, dass die Gegenleistung bei einem Kauf der Kaufpreis einschließlich der vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen und der vom Verkäufer vorbehaltenen Nutzungen ist.

Der Begriff der Gegenleistung im Sinne des § 5 GrEStG ist ein dem Grunderwerbsteuerrecht eigentümlicher Begriff, der über den bürgerlich-rechtlichen Begriff der Gegenleistung hinausgeht (vgl Fellner Kommentar zur Grunderwerbsteuer § 5 Rz 4 und die darin zitierte Judikatur). Was Gegenleistung ist, wird im § 5 GrEStG nicht erschöpfend angeführt). § 5 Abs. 1 GrEStG beschränkt sich also darauf die Gegenleistung für die wichtigsten Erwerbsvorgänge genauer zu umschreiben.

Nach Z 1 leg.cit. sind jedoch expressis verbis Teil der Gegenleistung die dem Verkäufer vorbehaltenen Nutzungen. Das sind diejenigen Nutzungen, die dem Veräußerer über den Zeitpunkt hinaus verbleiben sollen, in dem sie kraft Gesetzes auf den Erwerber übergehen. Nutzungen sind die Früchte einer Sache oder eines Rechts. Nutzungen gehen beim Kauf einer Sache mit dem Abschluss des Kaufvertrages auf den Erwerber über. Dem Erwerber gehören nicht nur die seit dieser Zeit fällig gewordenen oder tatsächlich gezogenen Nutzungen, vielmehr stehen ihm alle Nutzungen zu, die auf diese Zeit entfallen. Der geldwerte Nachteil liegt im Verzicht des Erwerbers darauf, mit der eigenen Leistung die fällige Gegenleistung des anderen (Besitz- und Nutzungsüberlassung) zu fordern (Boruttau-Egly-Sigloch, Grunderwerbsteuer12, Vorbemerkungen, Rn 12, 24-26; § 3 Rn 254; § 9 Rn 231, 232).

Zu den vorbehaltenen Nutzungen, die iSd § 5 Abs. 1 Z 1 GrEStG der Gegenleistung zuzurechnen sind, zählen insbesondere Fruchtgenussrechte (vgl die Erkenntnisse vom , Zl. 1861/51, vom , Zl. 93/16/0127 und vom , Zl. 98/16/0349). Solche Nutzungen erhöhen die Gegenleistung oder können allein die Gegenleistung im steuerrechtlichen Sinne darstellen.

Der Grund der Zurechnung der dem Verkäufer vorbehaltenen Nutzungen liegt klar auf der Hand. Der Grunderwerbsteuer sollen alle Vorteile unterworfen werden, die der Veräußerer im Zusammenhang mit der Veräußerung der Liegenschaft erhält. Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass auch ihm vorbehaltene Nutzungen den Erlös erhöhen, den er für die Hingabe des Grundstückes erhält ( GZ RV/2930-W/02).

Insbesondere sind aber auch bestehende Rechtsvorschriften keinesfalls so auszulegen, dass sie überflüssig und daher inhaltsleer werden ( Zl. 91/17/0067).

Im gegenständlichen Fall haben sich die Bw. ihrer Mutter gegenüber anlässlich der Übertragung der Vertragsliegenschaft verpflichtet, neben einer Kaufpreiszahlung für die mit der Dienstbarkeit der lebenslangen und unentgeltlichen Fruchtnießung belasteten Liegenschaftsanteile das unentgeltliche, lebenslange Fruchtgenussrecht an diesen Liegenschaftsanteilen einzuräumen. Die Summe dieser Verpflichtungen war erforderlich, um die Liegenschaft zu erwerben. Den Ausführungen der Bw., der Wert des Fruchtgenussrechtes würde den Wert der Liegenschaftsanteile mindern, kommt in Bezug auf die Grunderwerbsteuer auch deshalb keine Bedeutung zu, weil eben für die Besteuerung im gegenständlichen Fall nicht der Wert des Grundstückes, sondern allein die Summe der übernommenen Verpflichtungen maßgeblich ist und diese die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer darstellt.

Soweit die Berufung auch verfassungsrechtliche Bedenken hinsichtlich der Zurechnung des Fruchtgenussrechtes zur Gegenleistung aufwirft, ist festzustellen, dass die Verwaltung aufgrund des Legalitätsprinzips an die bestehenden Gesetze gebunden ist. Es obliegt nicht der Verwaltung festzustellen, ob eine Gesetzesvorschrift verfassungswidrig ist.

Im Übrigen ist darauf noch hinzuweisen, dass der Verfassungsgerichtshof die Bestimmung des § 11 GrEStG 1955 - diese entspricht dem § 5 GrEStG 1987 - geprüft hat und befand, dass gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 11 GrEStG 1955 (= § 5 GrEStG 1987) keine Bedenken bestanden (, vom , B 246, 247/77 und vom , B 284/80).

Aus den dargelegten Gründen war der Berufung der Erfolg zu versagen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Verweise
Zitiert/besprochen in
StExp 2012/235

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at